L 1 KR 216/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 247/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 216/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. April 2017 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, für welche diese jeweils selbst aufzukommen haben.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.

 

Gründe

 

 

I.

 

Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1. in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin stand.

 

Die Klägerin wurde am 9. Februar 2015 durch notariellen Vertrag gegründet. Von dem ursprünglichen Gesellschaftskapital in Höhe von 25.000,- € hielt Frau A Sr 128 Anteile zu je 100,- € und 122 Anteile der Beigeladene zu 1. Der Beigeladene zu 1. wurde im Gründungsvertrag zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Durch notariellen Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 16. Februar 2015 übertrug der Beigeladene zu 1. das Vermögen einer von ihm bisher als Einzelkaufmann betriebenen Firma auf die Klägerin. Deren Gesellschaftskapital wurde auf 25.100,- € erhöht, der Beigeladene zu 1. übernahm den weiteren Geschäftsanteil. Ausweislich des Gesellschaftsvertrags war Gegenstand des Unternehmens die Entwicklung und der Vertrieb von Software, die Gestaltung und Durchführung von Marketingmaßnahmen und Vertriebsleistungen im Internet sowie die Durchführung von genehmigungsfreien Beratungsleistungen und Schulungen. Mit notariellem Vertrag vom 10. Dezember 2015 wurde das Gesellschaftskapital der Klägerin auf 35.900,- € erhöht; die 108 zusätzlichen Geschäftsanteile übernahm Herr G P als weiterer Gesellschafter. Mit Wirkung vom 7. Juli 2016 wurde G P zum Geschäftsführer neben dem Beigeladenen zu 1. bestellt und mit Wirkung vom 20. April 2018 wieder abberufen. Seit dem 8. August 2018 ist der Beigeladene zu 1. nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin, zur Geschäftsführerin wurde Frau V T bestellt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 2. Mai 2019 – 36e IN 5942/18 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet, das noch nicht beendet ist.

 

Am 27. April 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1. Sie legte u.a. einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 9. Februar 2015 vor, nach dem der Beigeladene zu 1. ab dem 9. Februar 2015 bei ihr als weisungsabhängiger Geschäftsführer für einen Monatslohn von 2.600,- € tätig sein sollte. Eine feste Arbeitszeit war nicht bestimmt, die Tätigkeit sollte sich an den betrieblichen Erfordernissen ausrichten. Nach Anhörung der Klägerin und des Beigeladenen zu 1. entschied die Beklagte durch Bescheid vom 3. August 2015, dass der Beigeladene zu 1. seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Klägerin seit dem 9. Februar 2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Mit Beginn der Tätigkeit bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche der vorhandene Anstellungsvertrag mit Regelungen, die für einen Arbeitsvertrag typisch seien, nämlich Urlaubsanspruch, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und eine gleichbleibende monatliche Vergütung. Der Beigeladene zu 1. könne aufgrund seines Kapitalanteils auch keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Klägerin ausüben. Für seine Selbständigkeit sei demgegenüber anzuführen, dass er einzelvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot gemäß § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit sei und keinen Weisungen hinsichtlich Zeit, Ort und Art seiner Tätigkeit unterliege. Die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Merkmale würden überwiegen.

 

Mit ihren Widersprüchen machten die Klägerin und der Beigeladene zu 1. geltend, dass der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ein notwendiges Instrument für die Regelung der Rechtsstellung des Beigeladenen zu 1. und damit kein Argument für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses sei. Die Beklagte habe nicht ausreichend beachtet, dass das Wohl der Klägerin und die Möglichkeit der Gewinnerzielung ausschließlich von dem nur bei dem Beigeladenen zu 1. vorhandenen Spezialwissen abhängig sei.

 

Die Beklagte wies die Widersprüche durch Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2016 zurück. Der Beigeladene zu 1. sei am Kapital der Klägerin nicht mehrheitlich beteiligt und habe deswegen nicht die Rechtsmacht, die Geschicke der Klägerin zu bestimmen und ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Auf den fehlenden Willen der Beteiligten, ein Beschäftigungsverhältnis zu begründen, komme es nicht an. Maßgebend sei der Inhalt des Gesellschaftsvertrags und des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags. Das Bundessozialgericht (BSG) habe die bisherige „Kopf und Seele – Rechtsprechung“ ausdrücklich aufgegeben (Hinweis auf BSG, Urt. v. 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R). Überlegene fachliche Kenntnisse seien für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit allein nicht ausreichend.

 

Mit der am 2. Februar 2016 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 3. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2016 und die Feststellung, dass der Beigeladene zu 1. seine Tätigkeit nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübte, begehrt.

 

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 7. April 2017 abgewiesen. Entscheidend für die Beurteilung der Selbständigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers in einer GmbH sei grundsätzlich der Umfang der Kapitalbeteiligung und der sich daraus ergebende Einfluss auf die Gesellschaft. Der Beigeladene zu 1. könne weder aufgrund seiner Kapitalbeteiligung noch aufgrund einer eingeräumten Sperrminorität über die Klägerin nach seinen Vorstellungen bestimmen. Aus dem allein bei dem Beigeladenen zu 1. vorhandenen unternehmensbestimmenden Fachwissen könne eine selbständige Tätigkeit nicht hergeleitet werden, weil eine Einbindung in den organisatorischen Betriebsablauf dadurch nicht ausgeschlossen werde. Das Sozialgericht hat sich weiter dem Urteil des BSG v. 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R angeschlossen, wonach es keine „Schönwetter-Selbständigkeit“ gebe und an der „Kopf und Seele – Rechtsprechung“ nicht festzuhalten sei. Auch enthalte der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag arbeitnehmertypische Elemente wie ein festes monatliches Gehalt, Weihnachts- und Urlaubsgeld, ein 13. Monatsgehalt sowie Ansprüche auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Zutreffend sei die Beklagte weiter von einem Beschäftigungsbeginn am 9. Februar 2015 ausgegangen. Dafür spreche bereits die entsprechende Regelung im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag. In der mündlichen Verhandlung sei nichts vorgebracht worden, was die Annahme eines späteren tatsächlichen Beginns der Tätigkeit tragen könnte.

 

Mit der am 5. Mai 2017 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Eine selbständige Tätigkeit sei nicht ausgeschlossen, obwohl weder der Gesellschaftsvertrag abstrakte Rechtsmacht einräume noch der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag Weisungsfreiheit ausdrücklich vorsehe. Der Beigeladene zu 1. habe die Klägerin aufgebaut und sein ganzes Vermögen in sie eingebracht. Er könne als langjähriger Selbständiger nicht plötzlich zu einem Arbeitnehmer werden. Mehrheitsgesellschafterin sei seine Oma gewesen, die gar nicht in der Lage gewesen sei, die Geschäfte der Klägerin selbst zu führen. Solche besonderen Umstände müssten berücksichtigt werden. Die Entscheidung des BSG zur „Schönwetter-Selbständigkeit“ beziehe sich auf einen anderen Sachverhalt. Am 9. Februar 2015 sei auch noch kein Anstellungsvertrag geschlossen worden. Bereits aus diesem Grund habe zuerst kein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen. Der Anstellungsvertrag sei erst im April 2015 geschlossen worden, unmittelbar danach sei der Antrag auf Statusfeststellung gestellt worden. Soweit der 9. Februar 2015 im Anstellungsvertrag und im Statusfeststellungsverfahren als Tag der Aufnahme der Tätigkeit angegeben worden sei, handele es sich um ein Versehen. Der Anstellungsvertrag enthalte auch Regelungen, die arbeitnehmeruntypisch seien, nämlich eine Entgeltfortzahlung für 12 Monate und einen Erholungsurlaub von 40 Tagen. Es sei keine feste Arbeitszeit vereinbart worden. Die Regelung, wonach der Geschäftsführer sich an den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung ausrichten müsse, sei vor dem Hintergrund der tatsächlichen Machtverhältnisse zu würdigen. Die Verteilung der Geschäftsanteile sei nur eine Frage der Sicherheit gewesen. Die Mehrheitsgesellschafterin sei immer der Auffassung gewesen, dass die Firma dem Beigeladenen zu 1. gehöre, der beispielsweise auch einen Kreditvertrag ohne die formal erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung geschlossen habe. Die von dem Beigeladenen zu 1. aufgebaute betriebliche Ordnung sei von der Mehrheitsgesellschafterin nicht verändert worden. Ausschließlich der Beigeladene zu 1. habe über die Spezialkenntnisse verfügt, welche für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlich gewesen seien. Die Mehrheitsgesellschafterin habe es nicht in der Hand gehabt, den Unternehmenszweck zu ändern oder die Gesellschaft aufzulösen, weil dafür nach dem Gesellschaftsvertrag jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich gewesen wäre. Das Hinzutreten eines weiteren Geschäftsführers habe nichts an der fortbestehenden Alleinvertretungsmacht des Beigeladenen zu 1. geändert. Jedenfalls könne Versicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung der Beklagten eintreten, weil der Antrag auf Statusfeststellung innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt worden sei, der Beigeladene zu 1. dem späteren Beginn zugestimmt und über eine anderweitige private Absicherung verfügt habe. Zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Mehrheitsgesellschafterin sei ausdrücklich vereinbart worden, dass jener schalten und walten könne wie er wolle. Er habe auch die zur Leistung der Einlage notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt und selbst eingezahlt. Der Beigeladene zu 1. habe nur nach außen hin von der Haftung befreit werden sollen. Es handele sich um ein Treuhandverhältnis. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin habe das vorliegende Verfahren unterbrochen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts vom 7. April 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2016 aufzuheben und festzustellen, dass eine aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Absatz 1 SGB IV begründete Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin in der Zeit ab dem 9. Februar 2015 nicht besteht.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die vorliegenden vertraglichen Regelungen seien maßgebend, solange es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Willenserklärungen nur zum Schein abgegeben worden seien. Soweit das Gesetz die Möglichkeit vorsehe, den Beginn der Versicherungspflicht auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Statusfeststellungsentscheidung zu verschieben, setze dies die Einleitung eines Verfahrens innerhalb von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit voraus. Vorliegend habe die Tätigkeit am 9. Februar 2015 begonnen. Der Vortrag, dass sie erst später aufgenommen worden sei, sei angesichts der vorliegenden Unterlagen nicht nachvollziehbar. Der Rechtsstreit sei durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Klägerin nicht unterbrochen worden.

 

Der Beigeladene zu 1. hat seine Zustimmung zu einem späteren Beginn der Versicherungspflicht erklärt und Unterlagen über den Abschluss einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung vorgelegt.

 

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

II.

 

Nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte durch Beschluss über die Berufung der Klägerin entschieden werden. Der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, mit Schreiben des Senats vom 7. Dezember 2017 und 5. Dezember 2019 hingewiesen worden.

 

Ungeachtet der in § 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) angeordneten Auflösung einer GmbH für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen besteht die Parteifähigkeit der Klägerin für den bereits anhängigen Rechtsstreit weiter fort (vgl. OVG Berlin-Brandenburg v. 25. August 2020 - OVG 11 N 68.18 –juris Rn 19).

 

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin hat vorliegend nicht nach §§ 202 SGG iVm § 240 Zivilprozessordnung (ZPO) zu einer Unterbrechung des Verfahrens geführt. Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des 9. Senats des LSG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 16. März 2016 – L 9 KR 114/13 – juris Rn 43/44) an, wonach die Feststellung von Versicherungspflicht Beschäftigter nicht die Vermögensmasse des betroffenen Arbeitgebers berührt. Denn ihre Wirkungen verbleiben lediglich im Vorfeld einer möglichen Beitragsfestsetzung. Soweit das Sächsische LSG in seinem Beschluss v. 13. November 2019 (L 9 KR 103/19 PKH – juris Rn 23, 26) dazu eine andere Auffassung vertreten hat, hat es maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beschäftigung in dem von ihm entschiedenen Sachverhalt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter fortgesetzt wurde. Das liegt hier anders, weil der Beigeladene zu 1. bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin bereits als Geschäftsführer abberufen worden war.

 

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. April 2017 ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Der Beigeladene zu 1. war seit dem 9. Februar 2015 bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt.

 

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 7a viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach hat die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen einer die Versicherungspflicht auslösenden Beschäftigung zu entscheiden. Mit Recht ist die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden von Versicherungspflicht ausgegangen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch und § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

 

Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – und vom 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R – jeweils in juris).

 

Ausgangspunkt der Prüfung, ob der Beigeladene zu 1. für die Klägerin als Beschäftigter oder als Selbständiger tätig wurde, sind die für die Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen. Dabei kommt den tatsächlichen Verhältnissen, so wie sie sich aus dem Inhalt der vertraglich begründeten Rechtsbeziehungen und den Umständen der Tätigkeit ergeben, besondere Bedeutung zu. Denn die Versicherungspflicht entsteht kraft Gesetzes und kann deswegen nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen sein. Der Ausgestaltung einer Tätigkeit kommt gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden Vereinbarungen über den Status als Beschäftigter zu (Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris Rn 17; Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris Rn 17), wobei die Ausgestaltung maßgeblich durch die den Beteiligten jeweils zustehende Rechtsmacht geprägt wird. Vertraglich begründete Rechtspositionen bleiben solange beachtlich, wie sie nicht rechtswirksam wieder abbedungen worden sind. Entscheidend ist danach nicht, ob die Beteiligten eine abhängige Beschäftigung begründen wollten, sondern ob der Beigeladene zu 1. seine Tätigkeit unter Bedingungen verrichtete, welche objektiv die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses begründeten.

 

Entscheidendes Merkmal für eine abhängige Beschäftigung ist das Vorliegen von Weisungsgebundenheit. Der Beigeladene zu 1. war nach dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 9. Februar 2015 ab dem 9. Februar 2015 als weisungsabhängiger Geschäftsführer eingestellt worden. Nach § 1 Nr. 2. Geschäftsführer-Anstellungsvertrag hatte er die Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen. Daraus ergibt sich ein uneingeschränktes Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Beigeladenen zu 1., ohne dass es darauf ankommt, ob es jemals ausgeübt worden ist. Der Beigeladene zu 1. kann nur dann als selbständig angesehen werden, wenn er in der Gesellschafterversammlung der Klägerin maßgeblichen Einfluss hinsichtlich der Ausgestaltung der Vorgaben für seine eigene Tätigkeit hatte.

 

Allgemein gilt für den Geschäftsführer einer GmbH, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, wenn er mindestens über die Hälfte des Stammkapitals verfügt und damit einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft besitzt (BSG v. 10. Dezember 2019 – B 12 KR 9/18 R – juris Rn 13; v. 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R – juris Rn 23; v. 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R – juris Rn 16). Verfügt der Geschäftsführer-Gesellschafter dagegen über weniger als 50 v. H. des Stammkapitals, stellt dieser Umstand in der Regel ein Indiz dafür dar, dass er abhängig beschäftigt ist. Das Indiz kann zwar durch besondere Umstände entkräftet werden, so dass auch bei einem unter 50 v. H. liegenden Anteil Selbstständigkeit möglich ist. Allerdings wird der mitarbeitende Gesellschafter bei diesem Kapitalanteil in der Regel an Entscheidungen der Gesellschafterversammlung, die er nicht endgültig beeinflussen kann und durch die ihm Weisungen erteilt werden, gebunden sein, so dass von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen ist. In diesem Zusammenhang ist nicht maßgebend, ob dem Geschäftsführer tatsächlich Weisungen von der Gesellschafterversammlung erteilt worden sind. Auch kommt es nicht daran, ob ein Geschäftsführer „Kopf und Seele“ der GmbH ist. Entscheidend ist, ob der Geschäftsführer die Rechtsmacht hatte zu verhindern, dass ihm Weisungen erteilt werden, nicht ob nach den Umständen des Falles das Ergehen von Weisungen zu erwarten war. Anderenfalls gäbe es Fälle der „Schönwetter-Selbständigkeit“, in denen erst nach Beendigung der Tätigkeit anhand des bisherigen Ausbleibens von Weisungen festgestellt werden könnte, ob es sich um eine selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung gehandelt hat. Das stünde indessen im Widerspruch zu dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher und beitragsrechtlicher Tatbestände, die schon zu Beginn der Tätigkeit gegeben sein muss (Urteile des BSG vom 10. Dezember 2019 – B 12 KR 9/18 R - juris Rn 16 und vom 11. November 2015 – B 12 KR 2/14 R sowie B 12 KR 10/14 R).

 

An diesen Maßstäben gemessen, war der Beigeladene zu 1. nicht selbstständig tätig. Er war am Gesellschaftskapital der Klägerin nie mehrheitlich beteiligt und ihm war auch keine Sperrminorität eingeräumt worden. Demnach hatte er nicht die Rechtsmacht, sich in der Gesellschafterversammlung durchzusetzen. Dass angesichts seine überragenden Fachwissens jedenfalls zunächst keine Weisungen an ihn zu erwarten waren, ist nach dem oben Gesagten unerheblich.

 

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, der Beigeladene zu 1. habe mit der Mehrheitsgesellschafterin abgesprochen, dass diese die Gesellschaftsanteile treuhänderisch für ihn halte. Der Senat lässt ausdrücklich dahingestellt, ob dieses Vorbringen hinreichend substantiiert ist, um ihm den Abschluss einer mündlichen Treuhandabrede entnehmen zu können. Der Senat kann das dahingestellt sein lassen, weil nach der Rechtsprechung des BSG eine Treuhandabrede nur beachtlich ist, wenn sie nicht nur schuldrechtliche, sondern auch gesellschaftsrechtliche Wirkungen hat (BSG v. 10. Dezember 2019 – B 12 KR 9/18 R - juris Rn 19/20). Eine zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin getroffene Treuhandabrede ist aber jedenfalls nicht Bestandteil des Gesellschaftsvertrags geworden.

 

Die von dem Beigeladenen zu 1. gelebte weitgehende Selbstbestimmung bei seiner Arbeit begründet nicht die Annahme von Selbständigkeit. Konkrete Handlungsanweisungen werden gerade bei Diensten höherer Art, wie bei einer Geschäftsführertätigkeit, regelmäßig nicht, jedenfalls aber nur in einem sehr eingeschränkten Umfang erteilt. Das Direktions- und Weisungsrecht reduziert sich insoweit zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess (Urteil des BSG vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 12/05 R -, zitiert nach juris). Höhere Dienste sind fremdbestimmt, wenn sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes geleistet werden, der Betroffene also in den Betrieb eingegliedert ist. Das war vorliegend der Fall. Der Beigeladene zu 1. war im Organisationsgefüge der Klägerin tätig, die eine für ihn fremde juristische Person war, ohne dass er die Rechtsmacht gehabt hätte, dort seinen eigenen Willen durchzusetzen. Er unterlag dabei der rechtlichen Möglichkeit fremder Kontrolle und Überwachung und war somit in eine vorgegebene Ordnung eingegliedert.

 

Der Beigeladene zu 1. hat als Geschäftsführer auch nur eingeschränkt ein unternehmerisches Risiko getragen. Maßgebendes Kriterium für ein derartiges Risiko ist der Einsatz von Kapital oder der eigenen Arbeitskraft, verbunden mit der Gefahr des Verlustes, so dass der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel ungewiss ist. Ein derartiger Sachverhalt ist hier nicht gegeben. Der Beigeladene zu 1. hatte Anspruch auf eine monatliche Vergütung, unabhängig von dem Erfolg seiner Tätigkeit. Er trug damit nicht das Risiko, den Einsatz seiner Arbeitskraft nicht vergütet zu bekommen.

 

Die Beklagte hat den Beginn der Beschäftigung zutreffend auf den 9. Februar 2015 festgesetzt. Dafür sprechen nicht nur die Angaben der Beteiligten in dem Gesellschafter-Anstellungsvertrag und dem Antrag auf Statusfeststellung, sondern auch der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. von Anfang an zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt worden war. Es ist nicht erkennbar, dass ein anderer vor ihm diese Aufgabe übernommen hätte. Auf den Zeitpunkt der Übertragung der bisherigen Einzelfirma auf die Klägerin kommt es nicht an, weil sich die Abhängigkeit der Tätigkeit nicht aus den tatsächlich übernommenen Aufgaben, sondern aus der fehlenden Rechtsmacht des Beigeladenen zu 1. in der Gesellschafterversammlung ergibt. Für die Entgeltlichkeit der Tätigkeit von Anfang an nimmt der Senat auf den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag Bezug. Auf Zeitpunkt und Höhe der tatsächlich erfolgten Zahlungen kommt es demgegenüber nicht entscheidend an.

 

Mit Recht geht die Beklagte schließlich von dem Beginn der Versicherungspflicht ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit aus. Zwar beginnt nach § 7a Abs. 6 SGB IV die Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe der Entscheidung der Beklagten zur Feststellung einer Beschäftigung, wenn der Beschäftigte zustimmt und bereits über eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und Alter verfügt, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Eine diesen Anforderungen genügende Alterssicherung liegt aber erst vor, wenn Prämien gezahlt werden, die der Höhe nach mit den Mindestbeiträgen für eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung übereinstimmen (BSG v. 5. Dezember 2017 – B 12 R 6/15 R – juris Rn 20). Jedenfalls diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, da der Beigeladene zu 1. bereits nach seinem eigenen Vorbringen zwar über eine private Krankenversicherung (mit Altersrückstellungen), nicht aber über eine private Altersvorsorge verfügte.

 

Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG iVm §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

 

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

 

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.

 

Rechtskraft
Aus
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