Auf die Beschwerde der Antragstellerin zu 2) wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 21. Dezember 2021 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 1. Oktober 2008 gegenüber der Antragstellerin zu 2) vorerst auszusetzen.
Die Beschwerde des Antragstellers zu 1) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 21. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 2) im gesamten Verfahren zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Cottbus vom 21. Dezember 2021 sind nach § 172 Absatz 1 und 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 144 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragsteller wenden sich gegen die Ablehnung des beantragten Erlasses einer einstweiligen Anordnung durch das SG, die sie auch im Beschwerdeverfahren mit dem Ziel der vorläufigen Aussetzung der Zwangsvollstreckung aus den Erstattungsbescheiden des Antragsgegners vom 1. Oktober 2008 gegenüber dem Antragsteller zu 1) in Höhe von insgesamt 3.409,10 Euro und gegenüber der Antragstellerin zu 2) in Höhe von insgesamt 4.752,31 Euro begehren. Dabei hatte der Senat gemäß § 17a Absatz 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) die Zulässigkeit des von den Antragstellern beschrittenen Rechtsweges zu den Sozialgerichten nicht zu prüfen, weil seine Prüfungskompetenz als Beschwerdegericht in der Sache insoweit beschränkt ist.
Die Beschwerde der Antragstellerin zu 2) ist begründet. Demgegenüber hat die Beschwerde des Antragstellers zu 1) keinen Erfolg.
Nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dazu kann auch die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zählen (vgl. Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Mai 2020 - L 3 AS 1168/20 ER-B, Rn.12 ff. - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Dezember 2018 - L 34 AS 2224/18 B ER, Rn.12 - juris). Voraussetzung hierfür ist, dass gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit den §§ 920 Absatz 2, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht sind. Diese Voraussetzungen liegen für die Antragstellerin zu 2) vor, für den Antragsteller zu 1) jedoch nicht.
Die Antragsteller richten ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht gegen den Antragsgegner. Nach § 66 Absatz 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in Verbindung mit den §§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nr.1 und Absatz 3 Satz 2, 17 Absatz 2 Satz 1 Nr.8 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes Brandenburg (VwVG Bbg) ist der Antragsgegner, ein zugelassener kommunaler Träger nach § 6a Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) (vgl. § 1 der Kommunalträger-Zulassungsverordnung <KomtrZV> in Verbindung mit deren Anlage 1), als Vollstreckungsbehörde für die Beitreibung der öffentlichen-rechtlichen Geldforderungen aus seinen Erstattungsbescheiden vom 1. Oktober 2008 gegenüber den Antragstellern zuständig. Danach erfolgt die Beitreibung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen der Landkreise durch diese selbst. Der Eigenbetrieb Jobcenter Spree-Neiße des Landkreises Spree-Neiße wird als organisatorisch, verwaltungsmäßig und wirtschaftlich selbständiger Betrieb ohne eigene Rechtspersönlichkeit geführt (vgl. § 1 der Betriebssatzung des Eigenbetriebes Jobcenter Spree Neiße). Die Beitreibung ist nach § 17 Absatz 4 Satz 2 VwVG Bbg eine Selbstverwaltungsangelegenheit. Nach § 80 Absatz 1 Satz 1 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) erledigt die Gemeindekasse alle Kassengeschäfte der Gemeinde, zu denen gemäß § 2 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung über die Kassenführung der Gemeinden (Gemeindekassenverordnung - GemKV) die Beitreibung von Forderungen und die Einleitung der Zwangsvollstreckung gehören. Dabei richtet sich die Beitreibung von Forderungen gemäß § 22 Absatz 1 Nr.3 VwVG Bbg nach den §§ 309 bis 321 der Abgabenordnung (AO), soweit nicht das VwVG Bbg etwas anderes bestimmt.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen nach § 3 VwVG Bbg vor, wenn ein Verwaltungsakt, der zu einer Geldleistung verpflichtet, unanfechtbar geworden ist, ein gegen ihn gerichteter Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat und die sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind. Dies ist hier in Bezug auf beide Antragsteller der Fall. Diese können nach § 6 Absatz 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Satz 1 VwVG Bbg als Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommen werden, weil von ihnen mit den Verwaltungsakten vom 1. Oktober 2008 Geldleistungen gefordert werden. Diese Verwaltungsakte sind infolge der Klagerücknahmen der Antragsteller am 29. August 2011 in den Verfahren vor dem Sozialgericht Cottbus zu den Aktenzeichen S 4 AS 1853/10 und S 4 AS 1865/10 bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). Die Antragstellerin zu 2) hat jedoch glaubhaft gemacht, dass ihr gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Einstellung der Vollstreckung zusteht. Dies trifft auf den Antragsteller zu 1) demgegenüber nicht zu.
Der Durchsetzbarkeit der Forderung des Antragsgegners gegenüber der Antragstellerin zu 2) aus dem Erstattungsbescheid vom 1. Oktober 2008 steht entgegen, dass diese bereits am 24. Juni 2021 in rechtlich zulässiger Weise die Einrede der Verjährung erhoben hat, so dass ihr ein Leistungsverweigerungsrecht zur Seite steht. Dadurch erlischt der mit dem Verwaltungsakt geltend gemachte Anspruch zwar nicht (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 4. März 2021 - B 11 AL 5/20 R, Rn.24 - juris), so dass die Voraussetzungen des § 13 Absatz 1 Nr. 4 VwVG Bbg nicht vorliegen. Jedoch führt die fehlende Durchsetzbarkeit der Forderung dazu, dass die Vollstreckung nach § 14 VwVG Bbg einzustellen ist, weil die Vollstreckung in einem solchen Fall unbillig ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn.15).
Die vierjährige Verjährungsfrist des § 50 Absatz 4 SGB X endete infolge der Unanfechtbarkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 1. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2010 aufgrund der Klagerücknahme der Antragstellerin zu 2) am 29. August 2011 in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Cottbus zum Aktenzeichen S 4 AS 1853/10 mit Ablauf des Jahres 2015. Das nachfolgende Überprüfungsverfahren bezüglich des Bescheides vom 1. Oktober 2008 ändert nichts daran, dass der Bescheid nach § 77 SGG zwischen den Beteiligten bindend geworden ist und eine zugunsten der Antragstellerin zu 2) erfolgende Entscheidung nach § 44 Absatz 1 SGB X eine Durchbrechung dieser Bestandskraft dargestellt hätte.
Nach § 50 Absatz 4 Satz 1 SGB X verjährt der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach § 50 Absatz 3 SGB X – vorliegend der Erstattungsbescheid des Antragsgegners vom 1. Oktober 2008 – unanfechtbar geworden ist. Auch wenn § 52 SGB X nach § 50 Absatz 4 Satz 3 SGB X unberührt bleibt, bedeutet dies nicht, dass § 52 SGB X und damit eine dreißigjährige Verjährungsfrist auf einen Erstattungsbescheid anwendbar ist, der den Anspruch des Leistungsträgers auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen erstmals nach § 50 Absatz 3 SGB X festsetzt (dazu im Einzelnen BSG, a.a.O., Rn.25 ff.). Gegenüber der Antragstellerin zu 2) hat der Antragsgegner während der vierjährigen Verjährungsfrist keinen Verwaltungsakt in Form eines Aufrechnungs- oder Verrechnungsbescheides nach den §§ 51, 52 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) oder eines Verwaltungsaktes im Verwaltungszwangs- oder Verwaltungsvollstreckungsverfahren erlassen, der nach § 52 Absatz 2 SGB X den Übergang in eine dreißigjährige Verjährungsfrist hätte bewirken können (vgl. BSG, a.a.O. Rn.39 m.w.N.). Die Regelung der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 52 Absatz 2 SGB X knüpft an § 52 Absatz 1 SGB X an, der den Erlass eines Verwaltungsaktes zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers voraussetzt und den Anspruch, um dessen Verjährung es geht, zumindest dem Grunde nach unmittelbar betreffen muss (BSG, a.a.O., Rn.40). Unabhängig davon, dass die Festsetzung einer Mahngebühr nur mittelbar der Durchsetzung eines Anspruchs dient und die damit verbundene Regelung daher nicht die weitreichende Folgewirkung einer dreißigjährigen Verjährungsfrist auszulösen vermag (BSG, a.a.O., Rn.42), hat der Antragsgegner eine solche gegenüber der Antragstellerin zu 2) erstmals unter dem 15. Juni 2020 festgesetzt. Eine bereits abgelaufene Verjährungsfrist kann jedoch nicht mehr gehemmt werden, neu beginnen oder durch eine längere Frist ersetzt werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Juni 2021 - L 1 U 3714/20, Rn.59 - juris).
Eine Hemmung der Verjährung ist vorliegend auch nicht durch einen Überprüfungsantrag der Antragstellerin zu 2) eingetreten. Zwar hatte die Antragstellerin zu 2) am 8. April 2013 die Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 1. Oktober 2008 beantragt. Diesen Antrag hatte der Antragsgegner zunächst mit Bescheid vom 30. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2013 mit der Begründung abgelehnt, die Jahresfrist für eine Überprüfung sei abgelaufen. Während das SG Cottbus diese Entscheidung mit Urteil vom 31. Juli 2015 - S 32 AS 4551/13 bestätigt hatte, hob der Antragsgegner im anschließenden Berufungsverfahren vor dem LSG Berlin-Brandenburg zum Aktenzeichen L 32 AS 2365/15 den Bescheid vom 30. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2013 auf und kündigte eine erneute Entscheidung im Überprüfungsverfahren an. Allein der Antrag nach § 44 SGB X bezüglich des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 1. Oktober 2008 und das sich anschließende Verwaltungsverfahren ohne weitergehende Erklärungen des Antragsgegners oder Vereinbarungen zwischen den Beteiligten vermochte jedoch keine Hemmung der Verjährung zu bewirken.
Nach § 50 Absatz 4 Satz 2 SGB X gelten für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sinngemäß. Nach § 204 Absatz 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung gehemmt durch die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs. Soweit die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, bewirkt die Einreichung eines Antrages bei dieser Behörde nach § 204 Absatz 1 Nr. 12 BGB ebenfalls die Hemmung der Verjährung. Davon wird der Fall eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X bezüglich eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides jedoch nicht erfasst (a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. September 2021 - L 34 AS 15/18, Seite 23). Insoweit handelt es sich nicht um einen Antrag in einem auf eine Leistung gerichteten Verwaltungsverfahren. Das Überprüfungsverfahren dient in dieser Konstellation allein der Abwehr einer Forderung der Behörde, die Gläubiger dieser Forderung ist und diese aufgrund des bestandskräftigen Bescheides bereits vollstrecken kann, mithin des Schutzes des § 204 Absatz 1 BGB nicht bedarf, der dem Verhindern des Verjährens eines geltend gemachten Anspruchs während eines Prozesses dient. Ein so genanntes Stillhalteabkommen (vgl. § 203 BGB) haben die Beteiligten während des Überprüfungsverfahrens nicht geschlossen. Die erstmalige Erklärung des Antragsgegners am 22. August 2017 im Verfahren L 32 AS 2365/15, bis zur Bestandkraft des erneuten Überprüfungsbescheides keine Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Bescheid vom 1. Oktober 2008 vorzunehmen, blieb angesichts des bereits eingetretenen Ablaufs der Verjährungsfrist mit Ende des Jahres 2015 ohne Auswirkung.
Demgegenüber liegen die Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährung bezüglich der Forderung des Antragsgegners aus dem Erstattungsbescheid vom 1. Oktober 2008 gegenüber dem Antragsteller zu 1) nicht vor. Diesem gegenüber hatte der Antragsgegner aufgrund des Stundungsantrages vom 27. August 2012 mit Bescheid vom 7. September 2012 die Forderung gestundet. Insoweit liegt also – anders als gegenüber der Antragstellerin zu 2) – ein im unmittelbaren Zusammenhang mit der Durchsetzung des ursprünglichen Erstattungsbescheides stehender Bescheid vor, der den Übergang in die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 52 Absatz 2 SGB X bewirkt hat. Mit diesem – nicht durch den Antragsteller zu 1) angefochtenen und damit bestandskräftigen (§ 77 SGG) – Bescheid wurde die Gesamtforderung gegenüber dem Antragsteller zu 1) einschließlich Mahngebühren und Auslagen in Höhe von 3.432,83 Euro festgestellt, eine Stundung von einem Jahr ausgesprochen und eine monatliche Ratenzahlung von 30,00 Euro ab dem 15. September 2012 angeordnet sowie eine am 15. August 2013 fällige Schlussrate in Höhe von 3.102,83 Euro. Dabei wies der Antragsgegner darauf hin, dass mit Blick auf die Höhe der Schlussrate ein neuer Stundungsantrag gestellt werden könne. Der Antragsteller zu 1) leistete in Form von Ratenzahlungen insgesamt 396,27 Euro an den Antragsgegner, so dass – unter Berücksichtigung der aktuell seit Januar 2021 erfolgenden monatlichen Ratenzahlung in Höhe von zunächst 100,00 Euro und seit November 2021 von 50,00 Euro – weiterhin eine offene Forderung aus dem Erstattungsbescheid vom 1. Oktober 2008 besteht. Infolge des Eintritts der Bestandskraft des Stundungsbescheides vom 7. September 2012 mit Ablauf der Klagefrist des § 87 SGG am 8. Oktober 2012 (Montag) hat sich die ursprüngliche Verjährungsfrist des § 50 Absatz 4 SGB X von vier Jahren erledigt. An ihre Stelle ist ab dem 9. Oktober 2012 die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 52 Absatz 2 SGB X getreten, die noch nicht abgelaufen ist.
Da der Antragsgegner bereits vollstreckt und die Antragstellerin zu 2) seit November 2021 monatliche Raten auf die Erstattungsforderung aus dem Bescheid vom 1. Oktober 2008 in Höhe von 50,00 Euro zahlt, liegt auch ein eiliges Regelungsbedürfnis für die beantragte vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegenüber der Antragstellerin zu 2) vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Absatz 1 SGG und berücksichtigt das vollumfängliche Obsiegen der Antragstellerin zu 2) sowie die Erfolglosigkeit des Begehrens des Antragstellers zu 1) auch im Beschwerdeverfahren.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).