Zum Anspruch einer in einem Obdachlosenwohnheim lebenden Leistungsberechtigten auf Übernahme der Kosten für die Einlagerung von Möbeln und sonstigen Gegenständen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. November 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für die Einlagerung von Möbeln und sonstigen Gegenständen in der Zeit vom 20. Juni 2016 bis 17. Juni 2018.
Die 1979 geborene Klägerin bezieht vom Beklagten seit 2010 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Seit dem 1. Juli 2013 lebt sie in einem Wohnheim zur Unterbringung von Obdachlosen unter der im Rubrum genannten Anschrift. Dort steht ihr ein 12 m² großes Einzelzimmer zur Verfügung, welches sie mit ihrem Hund teilt. Die Kosten für das Zimmer beliefen sich im streitbefangenen Zeitraum auf 37,50 € pro Tag.
Der Beklagte berücksichtigte im streitbefangenen Zeitraum (neben dem Regelbedarf) den Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Kosten für das Wohnheim-Zimmer; mithin – je nachdem, wie viele Tage der jeweilige Monat aufwies – in Höhe von monatlich 1.050,- € bzw. 1.125,- € bzw. 1.162,50 € (Bescheide vom 4. Juli 2016, 25. August 2016, 30. September 2016, 6. Oktober 2016, 11. November 2016, 8. Dezember 2016, 13. Januar 2017, 6. Februar 2017, 30. März 2017, 27. April 2017, 26. Juni 2017, 13. Juli 2017, 4. August 2017, 12. September 2017, 27. Oktober 2017, 13. November 2017, 8. Dezember 2017, 6. Februar 2018, 7. Februar 2018, 7. März 2018, 18. April 2018, 7. Mai 2018, 7. Juni 2018 und 11. September 2018).
Bereits ab 24. Juni 2013 hatte die Klägerin einen 10 m² großen Lagerraum in der in B angemietet. Sie teilte dem Beklagten mit, dass sie dort den Nachlass ihres Vaters und ihres Großvaters sowie ihr eigenes Inventar einlagere. Der Beklagte übernahm daraufhin die Einlagerungskosten für den Zeitraum vom 24. Juni 2013 bis 22. Juni 2014 in Höhe von 2.160,- € (Bescheid vom 22. September 2014) sowie für den Zeitraum vom 23. Juni 2014 bis 22. Juni 2015 in Höhe von 2.100,- € (Bescheid vom 20. April 2016). Bereits in dem zuerst genannten Bescheid wies der Beklagte darauf hin, dass er die Einlagerungskosten „maximal für 2 Jahre (2013 und 2014)“ übernehmen könne; danach sei es für ihn günstiger, der Klägerin eine Wohnungserstausstattung als einmalige Beihilfe zu gewähren.
Für die Zeit ab 22. Juni 2015 mietete die Klägerin einen neuen Lagerraum an (Mietvertrag vom 19. Juni 2015 mit der „M – GmbH“, im Folgenden auch als Lager-Vermieter bezeichnet). Dieser befand sich in der L Allee in B und wies eine Größe von 7,8 m² auf. Es wurde eine Vier-Wochen-Miete in Höhe von 168,72 € vereinbart, wobei die Möglichkeit der Ermäßigung der Miete auf 143,41 € / vier Wochen im Falle der Vorauszahlung für ein Jahr eingeräumt wurde. Zudem schloss die Klägerin eine Basisversicherung über den Lagerinhalt ab (Versicherungsbeitrag: 6,- € / vier Wochen).
Der Beklagte übernahm für den Zeitraum vom 22. Juni 2015 bis 19. Juni 2016 die Einlagerungskosen für diesen Lagerraum in Höhe von 2.195,41 € (Bescheid vom 20. Januar 2017).
Im Juni 2017 stellte die Klägerin einen Antrag auf Übernahme der Einlagerungskosten für die hier im Streit stehende Zeit von Juni 2016 bis Juni 2018. Sie lagere, so gab sie an, den Hausrat der letzten 19 Jahre sowie den Nachlass ihres verstorbenen Vaters und Großvaters. Mit ihrem Antrag legte die Klägerin Rechnungen des Lager-Vermieters vor, und zwar eine Rechnung vom 9. Juni 2016 über einen Betrag in Höhe von insgesamt 2.372,- € (betrifft: Miete und Versicherung für die Zeit vom 20. Juni 2016 bis 18. Juni 2017) sowie eine Rechnung vom 6. Juni 2017 über einen Betrag in Höhe von insgesamt 2.484,69 € (betrifft: Miete und Versicherung für die Zeit vom 19. Juni 2017 bis 17. Juni 2018). In den Rechnungen wird die Vier-Wochen-Miete auf 176,48 € (Zeitraum 20. Juni 2016 bis 18. Juni 2017) bzw. 185,13 € (Zeitraum 19. Juni 2017 bis 17. Juni 2018) und der Versicherungsbeitrag jeweils auf 6,- € / vier Wochen beziffert.
Mit Bescheid vom 24. Januar 2018 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2018, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugegangen am 11. Mai 2018, zurück. Er begründete seine Entscheidung damit, dass eine Übernahme der Einlagerungskosten im Rahmen der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II nicht möglich sei. Der Lagerraum sei keine Unterkunft im Sinne dieser Bestimmung. Im vorliegenden Fall könne selbst die Übernahme der Kosten für die Einlagerung der Möbel nicht dazu führen, dass das Grundbedürfnis Wohnen bzw. der Anspruch auf eine angemessene Unterkunft befriedigt werde. Nicht klar sei zudem, ob die von der Klägerin eingelagerten Gegenstände allesamt angemessener Hausrat und persönliche Gegenstände im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien, da es sich zum Teil um Erbstücke des Vaters und des Großvaters handle. Eine Übernahme nach § 22 Abs. 6 SGB II als Wohnungsbeschaffungskosten komme ebenfalls nicht in Betracht, da es nicht um Kosten im Zusammenhang mit dem Finden und der Anmietung von Wohnraum gehe. Die Klägerin lebe seit 2013 in einem Wohnheim und ein Umzug in eine eigene Wohnung sei nicht absehbar. Schließlich scheide eine Übernahme der Lagerkosten im Wege eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II aus. Der der Klägerin entstandene Mehrbedarf sei nicht unabweisbar im Sinne dieser Vorschrift. Zwar sei grundsätzlich einzuräumen, dass eine vorübergehende Einlagerung von Einrichtungsgegenständen bei Verlust der Wohnung durchaus Sinn mache, um die vorhandenen Werte zu erhalten. Die Gegenstände, um die es hier gehe, seien jedoch bereits seit dem Jahr 2013 eingelagert, ohne dass die Klägerin sie genutzt habe. Allein das persönliche, ideelle Interesse am Erhalt der eingelagerten Möbel und Gegenstände könne einen unabweisbaren Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II nicht begründen. Die Einlagerungskosten könnten allenfalls für eine kurze und prognostisch vorübergehende Notlage anerkannt werden. Wenn sich – wie hier – abzeichne, dass sich die Lebensumstände auf absehbare Zeit nicht ändern werden, könnten diese Voraussetzungen nicht mehr bejaht werden. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Lagerkosten in der Vergangenheit für einen Zeitraum von drei Jahren in Höhe von 6.455,41 € im Rahmen des SGB II und damit durch die Allgemeinheit übernommen worden seien und inzwischen die Gewährung einer neuen Erstausstattung günstiger sei als die fortgesetzte Übernahme der Lagerkosten. Unklar sei auch, in welchem Zustand sich die seit 2013 eingelagerten Möbel befänden, d. h. ob diese noch genutzt werden könnten.
Am 11. Juni 2018 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass ein Verweis auf die zukünftige Gewährung einer – im Vergleich zu den Einlagerungskosten günstigeren – Erstausstattung nicht zulässig sei. Es gehe vorliegend nicht um ersetzbare Möbel. Vielmehr handle es sich bei dem Einlagerungsgut um Erbstücke und sehr persönliche Gegenstände, welche für sie einen unschätzbaren Wert hätten und nicht ersetzt werden könnten. Einer Obdachlosen die Möglichkeit des Erhalts dieser persönlichen Dinge zu verwehren, führe zu einem Eingriff in die Menschenwürde und stelle eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung mit Menschen dar, die über eine eigene Wohnung verfügten.
Das Sozialgericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2018 persönlich angehört. Die Klägerin hat dort erklärt, dass sich in dem Lagerraum Sachen befänden, die sie von ihrem Großvater geerbt habe, nämlich zum Beispiel zwei Kleiderschränke, ein antiker Tisch, ein Hocker und ein Nähkästchen, eine Mineraliensammlung, Bücher, Fotos und Schriftstücke. Außerdem seien ihr altes Hochbett, die Asche ihres verstorbenen Hundes sowie einige Messfiguren und Kerzenständer eingelagert.
Mit Urteil vom 8. November 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat auf die aus seiner Sicht zutreffende Begründung des Widerspruchsbescheids verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass angesichts der jahrelangen, also nicht mehr nur vorübergehenden Unterbringung der Klägerin in einem Obdachlosenwohnheim die damit einhergehenden Kosten für die Lagerung eines Großteils ihrer Möbel und Gegenstände keine Unterkunfts- und Wohnungsbeschaffungskosten mehr seien. Es bestehe keine hinreichend enge Verknüpfung mehr zwischen der Einlagerung der Möbel und der Befriedigung des Grundbedürfnisses „Wohnen“. Eine solche Verknüpfung wäre nur gegeben, wenn bei vorübergehender Wohnungslosigkeit Möbel eingelagert würden oder in räumlicher Ergänzung zu einer festen, kleinen Wohnung ein Lagerraum zu insgesamt noch angemessenen Kosten in Anspruch genommen würde. Im vorliegenden Fall sei aber schon seit längerem nicht mehr absehbar, dass die eingelagerten Gegenstände für Wohnzwecke gebraucht würden. Die hierfür anfallenden Kosten stellten deshalb einen laufenden Mehrbedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II dar, der indes nicht „unabweisbar“ und deshalb vom Beklagten auch nicht zu übernehmen sei. Der Klägerin sei es nämlich möglich und zumutbar, die Lagerkosten einzusparen, zum Beispiel indem sie sich von den sperrigen Möbeln trenne und nur noch kleinere, höchstpersönliche Erinnerungsgegenstände aufbewahre, oder aber indem sie – womöglich auch außerhalb B – in eine entsprechend große eigene Wohnung ziehe. Auch Personen, die nicht im Leistungsbezug stünden und plötzlich vor die Frage gestellt seien, wie sie mit geerbten Gegenständen verfahren, müssten sich zwischen diesen Handlungsalternativen entscheiden. Die Notwendigkeit, sich für eine dieser Lösungsmöglichkeiten entscheiden zu müssen, stelle demgemäß auch keinen grundrechtswidrigen Eingriff in die Menschenwürde dar, sondern sei – bedauerlicherweise – Teil der Lebenswirklichkeit.
Gegen das ihr am 27. November 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. Dezember 2018 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, dass sie sich seit mehreren Jahren auf der Suche nach einer Wohnung befinde. Wieso das Sozialgericht es für zumutbar halte, nur wegen der Möbel in ein anderes Bundesland zu ziehen, könne nicht nachvollzogen werden. Das Sozialgericht wolle offenbar bestimmen, welche Erinnerungsstücke für sie wertvoll und welche nicht wertvoll seien. Die Auffassung des Sozialgerichts stelle zudem eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Obdachlosen gegenüber Leitungsempfängern mit eigener Wohnung dar. Die Unterbringungskosten für das von ihr bewohnte Zimmer im Wohnheim seien nicht als Unterkunftskosten anzusehen, weil es sich um eine Unterbringung nach dem Allgemeinen Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in B (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz – ASOG Bln) handle. Daher seien diese Kosten im Rahmen der Angemessenheitsprüfung der Unterkunftskosten nicht zu berücksichtigen; dann aber seien die Kosten für die Einlagerung der persönlichen Habe als angemessen zu betrachten. Ggf. seien zumindest die Aufwendungen für einen kleineren Lagerraum zu übernehmen.
Die Klägerin hat im Laufe des Berufungsverfahrens eine Aufstellung eingereicht, auf der sie die von ihr eingelagerten Gegenstände aufgelistet hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin vorgelegte „Lagerliste“ Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. November 2018 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Mai 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 20. Juni 2016 bis 17. Juni 2018 höheres Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der Kosten für die Einlagerung von Gegenständen in dem von ihr angemieteten Lagerraum (Abteil 1204) in der L Alle , B, zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, dass eine Ungleichbehandlung von Obdachlosen und anderen Leistungsempfängern nicht erkennbar sei, denn für beide werde der Bedarf an Unterkunft von ihm bereitgestellt. Auch Leistungsberechtigte mit eigener Wohnung hätten keinen Anspruch darauf, ergänzende Lagerräume für persönliche oder geerbte Gegenstände aus SGB II-Leistungen finanziert zu bekommen. Der hier zu beurteilende Sachverhalt sei mit demjenigen, über den das Bundessozialgericht mit seinem Urteil vom 16. Dezember 2008 (Aktenzeichen: B 4 AS 1/08 R) befunden habe, nicht vergleichbar. Die vom Bundessozialgericht in dieser Entscheidung aufgestellten Voraussetzungen für die Übernahme von Einlagerungskosten seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt, und zwar schon deshalb nicht, weil er für die Klägerin bereits Unterkunftskosten in Höhe von über 1.000,- € pro Monat übernehme und damit jegliche Angemessenheitsgrenze nach der Produkttheorie schon überschritten sei. In dem Lagerraum würden zudem nicht nur Gegenstände aufbewahrt, die der Befriedigung der persönlichen Grundbedürfnisse der Klägerin dienten. Es sei nicht ersichtlich, dass die über Jahre hinweg entstehenden Einlagerungskosten gemessen an dem Wert der eingelagerten Gegenstände wirtschaftlich sein könnten. Ferner sei nicht nachvollziehbar, wie alle anderen Leistungsberechtigten, die in der Situation der Klägerin seien, mit gleich großen Räumlichkeiten zurechtkämen, während die Klägerin dies nicht könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
I. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem erstinstanzlichen Urteil der Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Mai 2018, durch den der Beklagte entschieden hat, dass der Klägerin für die Zeit von Juni 2016 bis Juni 2018 kein Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Kosten für die Einlagerung von Gegenständen zusteht. Zugleich hat der Beklagte es damit der Sache nach abgelehnt, die zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids bereits ergangenen, den streitbefangenen Zeitraum betreffenden Bewilligungsbescheide, in denen die Lagerungskosten nicht als Bedarf zugrunde gelegt worden waren, auf der Grundlage von § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu ändern.
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft (vgl. § 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG) sowie nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Mai 2018 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung höherer SGB II-Leistungen für die hier streitige Zeit von Juni 2016 bis Juni 2018. Aus diesem Grund ist der Beklagte auch nicht verpflichtet, die zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids bereits ergangenen Bewilligungs- / Änderungsbescheide zu ändern.
Als rechtliche Grundlage eines Anspruchs der Klägerin gegen den Beklagten auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts kommen allein die §§ 19 ff. SGB II i. V. m. §§ 7 ff. SGB II in Betracht. Soweit zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der Einlagerungskosten bewilligt worden waren, ist als Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Änderung der entsprechenden Bewilligungs- / Änderungsbescheide zudem § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X heranzuziehen, der gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch für Verfahren im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende Anwendung findet. Danach ist ein unanfechtbar gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder – hier nicht von Interesse – Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Vorliegend steht dem Anspruch der Klägerin auf (teilweise) Rücknahme bzw. Änderung bereits ergangener Bewilligungsentscheidungen sowie auf Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entgegen, dass der Beklagte den Leistungsanspruch bereits zutreffend berechnet hat. Neben dem Regelbedarf (§ 20 SGB II) und den Kosten für das Zimmer der Klägerin im Wohnheim in Höhe von monatlich zwischen 1.050,- € und 1.162,50 € (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) waren in der Zeit von Juni 2016 bis Juni 2018 keine weiteren Bedarfe in die Berechnung einzubeziehen. Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für die Einlagerung von Möbeln und sonstigen Gegenständen stellen keine nach Maßgabe der §§ 19 ff. SGB II zu berücksichtigenden Bedarfe dar.
1. Die Einlagerungskosten sind nicht den Bedarfen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II zuzuordnen.
Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Der Begriff „Unterkunft“ ist dabei tendenziell weiter als der Begriff „Wohnung“. Er umfasst alle Einrichtungen oder Anlagen, die geeignet sind, Schutz vor der Witterung zu bieten und eine gewisse Privatsphäre – einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren – zu gewährleisten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 79/09 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 39, juris Rn. 10).
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 16. Dezember 2008 (B 4 AS 1/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 14) entschieden, dass auch die angemessenen Kosten einer Einlagerung Teil der Unterkunftskosten sein können, wenn es wegen der Größe der konkreten Unterkunft erforderlich ist, vorübergehend nicht benötigten, angemessenen Hausrat und persönliche Gegenstände anderweitig unterzubringen. Es hat ausgeführt, dass der Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht verlange, dass die Räumlichkeiten innerhalb eines Gebäudekomplexes lägen. Dem Begriff der Unterkunft könnten auch Sachverhalte zugeordnet werden, bei denen die unterschiedlichen privaten Wohnzwecke in räumlich voneinander getrennten Gebäuden verwirklicht würden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn ein räumlicher Zusammenhang gewahrt bleibe, der eine Erreichbarkeit durch den Hilfebedürftigen gewährleiste. Auch der Zweck der Regelung stehe der Übernahme von Einlagerungskosten nicht grundsätzlich entgegen. Die in § 22 SGB II geregelten Leistungen würden nicht lediglich das Bedürfnis nach Schutz vor der Witterung und Schlaf befriedigen. Vielmehr müsse die Unterkunft auch sicherstellen, dass der Hilfebedürftige seine persönlichen Gegenstände verwahren könne. Deshalb kämen Konstellationen in Betracht, in denen der angemietete Wohnraum derart klein sei, dass es nicht ausgeschlossen erscheine, dass für die Unterbringung von Gegenständen aus dem persönlichen Lebensbereich des Hilfebedürftigen (z. B. Kleidung, Haushaltsgegenstände usw.) in einem angemessenen Umfang zusätzliche Räumlichkeiten erforderlich seien.
Im Einzelnen setzt der Anspruch auf Leistungen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zur Deckung der Kosten für einen zusätzlichen Lagerraum nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 2008 (a. a. O.) voraus, dass
- die eingelagerten Gegenständen den persönlichen Grundbedürfnissen des Hilfebedürftigen oder dem Wohnen dienen (Rn. 17) sowie in einer nachvollziehbaren Relation zu dem Lebenszuschnitt des Hilfebedürftigen stehen (Rn. 21),
- es sich bei den eingelagerten Gegenständen nicht um Vermögensgüter handelt, die der Hilfebedürftige vor der Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung verwerten muss (Rn. 21),
- sich die Gesamtkosten der angemieteten Räumlichkeiten im Rahmen der nach Maßgabe des § 22 SGB II zu beachtenden Angemessenheitsgrenzen bewegen (Rn. 16, 21) und
- die (isolierte) Miete für den Lagerraum gemessen am Wert der eingelagerten Güter wirtschaftlich ist (Rn. 21).
Ausgehend von dieser Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, waren die Einlagerungskosten im streitigen Zeitraum nicht im Wege von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen.
Die von der Klägerin eingelagerten Gegenstände dienten bzw. dienen zu einem großen Teil nicht persönlichen Grundbedürfnissen oder dem Wohnen. Das Einlagerungsgut wies zudem schon im streitgegenständlichen Zeitraum keine nachvollziehbare Relation (mehr) zum Lebenszuschnitt der Klägerin auf. Die Klägerin lebte zum Beginn des streitigen Zeitraums – Juni 2016 – bereits seit rund drei Jahren in dem Wohnheim für Obdachlose. Schon seinerzeit bestand keine konkrete Aussicht, dass sie in absehbarer Zeit eine „eigene“ Wohnung anmieten würde. Gleichwohl lagerte sie nach eigenen Angaben, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, diverse sperrige Gegenstände ein, wie zum Beispiel indische Figuren (30 Stück), Kerzenständer, Klangschalen, indische Handwerkskunst, den Hausrat des verstorbenen Großvaters / Vaters, ein Federbett, antike Koffer, einen Schlafzimmerschrank (dreitürig), einen 100 Jahre alten Kleiderschrank (zweitürig), einen antiken Hocker, einen antiken Messingtisch, Echtholz-Regale, ein Hochbett sowie eine Matratze. Der Klägerin konnten diese Sachen im streitbefangenen Zeitraum ersichtlich weder zum privaten Gebrauch dienen noch erwies sich ihre Vorhaltung angesichts des damit verbundenen, nicht unerheblichen Lagerflächenbedarfs in der konkreten, durch lang andauernde Wohnungslosigkeit charakterisierten Lebenssituation als plausibel oder auch nur vertretbar. Hinzu kamen Gegenstände, die für sich genommen zwar nicht sperrig sind, die aber in einer Menge eingelagert wurden, die sich unter Berücksichtigung der hier bestehenden Unterkunftsverhältnisse als gänzlich unvernünftig erwies bzw. erweist; zu nennen sind insoweit etwa die 20 Seidentücher und die 200 bis 300 Strumpfhosen. Insgesamt stellt sich die Einlagerung im Wesentlichen als das Ergebnis einer ausgeprägten Sammlerleidenschaft bzw. der fehlenden Bereitschaft zum gründlichen Ausmisten dar. Bei einer solchen Sachlage ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass die Einlagerungskosten nicht als Teil der Unterkunftskosten anzusehen sind.
Dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch steht ferner entgegen, dass die Miete für den Lagerraum gemessen am Wert der eingelagerten Güter unwirtschaftlich war. Bereits vor Beginn des streitigen Zeitraums hatte der Beklagte Einlagerungskosten in Höhe von insgesamt mehr als 6.000,- € übernommen. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass das Einlagerungsgut einen Marktwert aufweisen könnte, der eine darüber hinausgehende kostenpflichtige Einlagerung rechtfertigen würde. Die Klägerin mag dem Einlagerungsgut aufgrund besonderer emotionaler Verbundenheit persönlich einen „unschätzbaren Wert“ beimessen. Ein nennenswerter (objektiver) wirtschaftlicher Wert lässt sich hingegen nicht feststellen.
Ob die Gesamtkosten der beiden Räumlichkeiten (Zimmer im Wohnheim und Lagerraum) im streitigen Zeitraum im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessen waren, ist zweifelhaft, kann aber letztlich offen bleiben, weil die Einlagerungskosten – wie oben dargelegt – schon aus anderen Gründen nicht nach dieser Vorschrift zu übernehmen waren. Insofern kann auch dahingestellt bleiben, wie es sich in diesem Zusammenhang auswirkt, dass nach dem Vortrag der Klägerin die Unterbringung im Wohnheim aufgrund einer ordnungsbehördlichen Anordnung erfolgte.
2. Die Einlagerungskosten sind auch nicht als Mehrbedarf zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen des insofern allein in Betracht kommenden § 21 Abs. 6 SGB II liegen nicht vor.
Gemäß § 21 Abs. 6 SGB II (in der hier anzuwendenden, vom 3. Juni 2010 bis 31. Dezember 2020 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (Satz 1). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (Satz 2). Es handelt sich bei § 21 Abs. 6 SGB II um eine Ausnahmevorschrift für atypische Bedarfslagen, dessen Tatbestandsvoraussetzungen nach dem Willen des Gesetzgebers eng und strikt sind (Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestags, BT-Drucks. 17/1465, S. 8). Der Gesetzgeber hat damit die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09) erlassene Regelungsanordnung kodifiziert. Auch das Bundesverfassungsgericht ging von „engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen“ aus (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 –, BVerfGE 125, 175, 255, juris Rn. 208). Diese Maßgabe ist bei der Auslegung des § 21 Abs. 6 SGB II zu beachten. Die Härtefallklausel dient dazu, Bedarfe zu erfassen, die aufgrund ihres individuellen Charakters bei der pauschalierenden Regelbedarfsbemessung der Art oder der Höhe nach nicht erfasst werden können (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, a. a. O., Rn. 204 ff.; Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestags, BT-Drucks. 17/1465, S. 8). Sie hat nicht die Funktion, eine (vermeintlich oder tatsächlich) unzureichende Höhe des Regelbedarfs auszugleichen.
Einem Anspruch der Klägerin aus § 21 Abs. 6 SGB II steht entgegen, dass die Einlagerungskosten im streitigen Zeitraum nicht unabweisbar waren. Das Merkmal der Unabweisbarkeit betrifft sowohl den Aspekt des Bedarfs als solchen als auch die Frage der anderweitigen Bedarfsdeckung. Bereits auf der Bedarfsseite fehlt es an der Unabweisbarkeit, wenn der Bedarf ohne rechtliche Verpflichtung entstanden ist, es jenseits einer rechtlichen Verpflichtung eines triftigen Grundes für die Bedarfsverursachung entbehrte, der Bedarf – etwa durch Ausweichen auf eine andere Bedarfslage oder sonstige alternative Handlungen – vermeidbar war oder es um einen Bedarf geht, dessen Deckung nicht der Sicherung des Existenzminimums dient (BSG, Urteil vom 12. Mai 2021 – B 4 AS 88/20 R –, SozR 4-4200 § 21 Nr. 35, juris Rn. 20 m. w. N.). Im vorliegenden Fall waren die Kosten im Wesentlichen auf die Einlagerung von Gegenständen zurückzuführen, die das Ergebnis einer ausgesprochenen Sammlerleidenschaft bzw. unvernünftigen Vorratshaltung sind. Jedenfalls im Hinblick auf den streitigen Zeitraum, der begann, nachdem die Klägerin bereits seit rund drei Jahren im Wohnheim gelebt und noch immer keine konkrete Aussicht auf die Anmietung einer „eigenen“ Wohnung hatte, bestand kein triftiger Grund mehr für die Anmietung des streitgegenständlichen Lagerraums. Es bestanden zumutbare Handlungsalternativen in Form der Entsorgung oder des Verkaufs der eingelagerten Gegenstände, durch die der Einlagerungsbedarf hätte vermieden werden können.
3. Soweit die Klägerin meint, der Beklagte habe zumindest die Aufwendungen für einen kleineren (und damit günstigeren) als den tatsächlich angemieteten Lagerraum zu übernehmen, ist dem aus Sicht des Senats nicht zu folgen. Im Streit steht die Übernahme der Kosten für die Einlagerung von Gegenständen in dem konkret genutzten Lagerraum. Diese lassen sich nicht fiktiv aufspalten in solche, die einen Unterkunftsbedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bzw. einen Mehrbedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II begründen und solche, die außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften liegen. Sie erweisen sich vielmehr insgesamt als das Ergebnis einer unnötigen Ansammlung / Vorhaltung von Gegenständen, ohne dass sich ein „plausibler“ Anteil überhaupt kosten- oder größenmäßig beziffern ließe.
4. Die Klägerin ist durch die Ablehnung der Übernahme der Einlagerungskosten nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Der Gleichheitssatz will vielmehr ausschließen, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 11. Mai 2005 – 1 BvR 368/97 u. a. –, BVerfGE 112, 368). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Maß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen. Dabei gilt insoweit ein stufenloser Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –, BVerfGE 138, 136). Dabei belässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber gerade im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 –, BVerfGE 130, 240, 254, juris Rn. 42)
In Anwendung der dargestellten Grundsätze ist vorliegend der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Die hier angewandten Vorschriften (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 21 Abs. 6 SGB II) gelten gleichermaßen für Obdachlose sowie für Personen, die über eine eigene Wohnung verfügen. § 22 SGB II befriedigt, wie oben dargelegt, nicht nur das Bedürfnis nach Schutz vor der Witterung und Gewährleistung einer Privatsphäre, sondern stellt auch sicher, dass der Hilfebedürftige seine persönlichen Gegenstände verwahren kann, wobei unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen zusätzlichen Lagerraum besteht. Hierdurch wird der Situation von Menschen Rechnung getragen, die über keine eigene Wohnung verfügen. Es ist nicht ersichtlich, dass die gesetzlichen Regelungen als solche oder ihre (in höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelte) Auslegung von Verfassungs wegen zu beanstanden sein könnte.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
IV. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.