Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 07.06.2019 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.325,67 € zuzüglich Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.01.2016 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.325,67 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Vergütungsanspruch der Klägerin für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung.
Der bei der Beklagten versicherte N (nachfolgend: Versicherter) wurde vom 02.03.2015 bis zum 17.03.2015 stationär im nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus der Klägerin behandelt. Dort erfolgte eine radikale Prostatektomie (chirurgische Entfernung der Prostata aufgrund Adenokarzinom). Nach Entlassung des Versicherten übersandte die Klägerin der Beklagten die Endabrechnung unter dem 26.03.2015. Ausgewiesen waren die DRG M01A (große Eingriffe an den Beckenorganen beim Mann mit äußerst schweren CC) sowie diverse Zu- und Abschläge. Der Rechnungsbetrag belief sich auf 14.260,40 €.
Am 14.04.2015 zahlte die Beklagte den vollständigen Rechnungsbetrag und leitete am 28.04.2015 ein Verfahren beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, was sie der Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag anzeigte. Als Prüfauftrag wurde der Klägerin mitgeteilt: „Eine Teilprüfung der Abrechnung“, „HD/ND/OPS – Die verschlüsselten Haupt- bzw. Nebendiagnosen oder Prozeduren sind nicht plausibel. Dies sind OPS 5-604.02, NDs D62, N18.3, T81.3, F10.2“. Im Prüfauftrag der Beklagten an den MDK wurde als Prüfanlass angegeben: „Ist die DRG korrekt, Ist/sind die Nebendiagnose(n) korrekt, Ist/Sind die Prozedur(en) korrekt?“.
Der MDK kam in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 05.08.2015 zu dem Ergebnis, die Kodierung der Nebendiagnosen D62 (akute Blutungsanämie) und F10.2 (psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom) sei nicht korrekt. Beide ICD-Ziffern seien ersatzlos zu streichen, da sich ein therapeutischer oder pflegerischer Ressourcenverbrauch gemäß DKR D003I den Unterlagen der Klägerin nicht entnehmen lasse. Aufgrund der Streichung sei nicht die DRG M01A, sondern die DRG M01B (große Eingriffe an den Beckenorgangen beim Mann ohne äußerst schwere CC oder bestimmte Eingriffe an den Beckenorgangen beim Mann mit äußerst schweren CC) zu kodieren. Unter Bezugnahme auf das MDK-Gutachten bezifferte die Beklagte mit Schreiben vom 06.08.2015 und 23.09.2015 ihren Rückforderungsanspruch auf 6.326,01 € und forderte die Klägerin zur Rückzahlung auf. Diese vertrat dagegen die Auffassung, dass die vorgenommene Kodierung durch die Krankenhausdokumentation belegt sei.
Mit Schreiben vom 05.01.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie einen Betrag in Höhe von 6.325,67 € mit Vergütungsansprüchen der Klägerin aus unstreitigen Behandlungsfällen der Versicherten A, R, S und E verrechnet habe. Dies geschah am 27.01.2016.
Am 19.05.2016 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Detmold Klage auf Zahlung von 6.325,67 € gegen die Beklagte erhoben. Die Aufrechnung der Beklagten sei unwirksam, weil sie gegen das entsprechende Verbot im Landesvertrag NRW verstoße. Dieser werde auch nicht durch die PrüfvV 2014 verdrängt, weil die Beklagte eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung eingeleitet habe. Auf derartige Prüfungen finde die PrüfvV nach der Rechtsprechung des BSG keine Anwendung. Darüber hinaus bestehe auch kein Erstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall des Versicherten, da dieser zutreffend abgerechnet worden sei. Sie habe die Nebendiagnosen D62 sowie F10.2 kodieren und somit die DRG M01A abrechnen dürfen. Es seien hierbei diagnostische und therapeutische Maßnahmen mit einem entsprechenden Ressourcenverbrauch vorgenommen worden, die den Anforderungen der DKR D003I genügten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 6.325,67 € zuzüglich Zinsen in Höhe 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.01.2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen im MDK-Gutachten vom 05.08.2015 verwiesen.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Internisten und Medizincontrollers K vom 30.01.2017 eingeholt. Danach seien die Hauptdiagnose C61 (bösartige Neubildung der Prostata) und die Nebendiagnosen D62 (akute Blutungsanämie) und K70.0 (alkoholische Fettleber) kodierfähig. Die von der Klägerin kodierte Nebendiagnose N18.3 (chronische Niereninsuffizienz, Stadium III) sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht abrechnungsfähig, sondern müsse durch die Nebendiagnose N19 (nicht näher bezeichnete Niereninsuffizienz) ersetzt werden. Für eine Kodierung von N18.3 erforderliche pathologische Laborwerte über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten seien nicht belegt; sollten solche Werte vorhanden sein, wäre die Nebendiagnose N18.3 kodierbar. Auch könne die Nebendiagnose F10.2 (psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom) nicht kodiert werden, da ein spezifischer, dieser Erkrankung zugeordneter Ressourcenverbrauch den Unterlagen nicht zu entnehmen sei. Dies führe im Ergebnis zur DRG M01B. Auf Einwendungen der Klägerin hinsichtlich der Nebendiagnosen N18.3 und F10.2 hat sich der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 11.11.2018 ergänzend geäußert und seine Beurteilung aufrechterhalten.
Mit Urteil vom 07.06.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ansprüche der Klägerin auf Zahlung der unstreitigen Vergütungen aus den Behandlungsfällen A, R, S und E bestünden nicht mehr, da die Beklagte wirksam mit einer Rückforderung aus dem streitigen Behandlungsfall des Versicherten aufgerechnet habe. Die Aufrechnungserklärung der Beklagten vom 05.01.2016 sei formal wirksam. Ein Aufrechnungsverbot existiere nicht. Eine Aufrechnung nach § 9 Satz 1 PrüfvV scheide aus, da die PrüfvV nach der Rechtsprechung des BSG auf die sog. sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung keine Anwendung finde. Ein Aufrechnungsverbot ergebe sich auch nicht aus § 15 Abs. 4 des Landesvertrages NRW. Hier liege gerade eine Beanstandung rechnerischer Art vor. Der MDK sei mit der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit des Krankenhausaufenthaltes beauftragt worden; eine Wirtschaftlichkeitsprüfung sei nicht erfolgt. Die Beklagte habe in ihrer Abrechnung des streitigen Behandlungsfalls unzutreffende Angaben hinsichtlich der Kodierbarkeit der Nebendiagnosen F10.2 und N18.3 gemacht. Damit werde der Anwendungsbereich einer Verrechnung nach dem Landesvertrag eröffnet, so dass die Aufrechnung der Beklagten zulässig gewesen sei. Die Aufrechnung sei auch materiell-rechtlich wirksam gewesen, da der Beklagten ein entsprechender öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch aus der Abrechnung des streitigen Behandlungsfalls zugestanden habe. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte für die Abrechnung des Behandlungsfalls des Versicherten Kosten in Höhe von 6.325,67 € zu Unrecht an die Klägerin geleistet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei dieser Behandlungsfall über die DRG M01B abzurechnen gewesen. Die Kammer folge insoweit den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen K aus dessen Gutachten vom 30.01.2017 und der ergänzenden Stellungnahme vom 11.11.2018. Die Streichung der Nebendiagnose F10.2 sei im Ergebnis von der Klägerin akzeptiert worden. Auch sei ein spezifischer, dieser Krankheit zugeordneter Ressourcenverbrauch den Behandlungsunterlagen nicht zu entnehmen. Ferner sei die Nebendiagnose N18.3 nicht abrechnungsfähig gewesen. Die Behandlungsdokumentation der Klägerin enthalte diesbezüglich keine Nachweise über das Vorliegen einer chronischen Nierenkrankheit im Stadium III. Die chronische Nierenerkrankung sei definiert als eine Verminderung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) auf einen Wert zwischen 30 und 59 ml pro Minute. Zur Chronizität sei dann zu prüfen, ob im zeitlichen Abstand von mehr als 3 Monaten vor der Aufnahme zur stationären Behandlung pathologische Werte vorgelegen hätten. Der älteste Wert im Falle des Versicherten stamme vom 25.02.2015 und sei damit keine 3 Monate alt gewesen. Aus der von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Versichertenauskunft gehe nicht hervor, dass der Versicherte zuvor aufgrund einer Diagnose einer chronischen Niereninsuffizienz behandelt worden sei. Die von Seiten der Klägerin angegebene Medikation mittels Hydrochlorothiazid (HCT) sei anhand der Unterlagen zur Behandlung des Blutdrucks eingesetzt und verordnet worden und rechtfertige insoweit die Kodierung der Nebendiagnose N18.3 nicht.
Gegen dieses ihr am 25.06.2019 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 08.07.2019 eingelegten Berufung. Das Aufrechnungsverbot gemäß § 15 Abs. 4 des Landesvertrages NRW sei hier anzuwenden, weil eine sachlich-rechnerische Prüfung durch die Beklagte vorgelegen habe. Die von dem Sozialgericht vorgenommene Differenzierung, dass der MDK eine reine rechnerische Prüfung durchgeführt habe, überzeuge nicht. Hier sei nicht nur eine rechnerische, sondern gerade auch sachliche (inhaltliche) Prüfung der Krankenhausabrechnung vorgenommen worden. Folglich wohne ihr eine sachliche Beanstandung inne, die sich sodann rechnerisch auswirke. Ungeachtet des Verstoßes gegen das landesvertragliche Aufrechnungsverbot bleibe sie dabei, dass sowohl die Nebendiagnose F10.2 als auch N18.3 habe kodiert werden dürfen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 07.06.2019 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.325,67 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.01.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Sozialgerichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Patientenakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts ist begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, weil sie begründet ist. Die Klägerin hat gegen die Beklagte den im Gleichordnungsverhältnis der Beteiligten statthaft und auch sonst zulässig mit der echten Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Krankenhausvergütung in Höhe von 6.325,67 €, weil die Beklagte in dieser Höhe nicht wirksam mit ihrem vermeintlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die streitige Krankenhausbehandlung des Versicherten aufgerechnet hat.
Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter der Beklagten (hier die Versicherten A, R, S und E) Anspruch auf die abgerechnete Vergütung weiterer 6.325,67 € hatte; eine nähere Prüfung des Senats erübrigt sich insoweit (vgl. etwa BSG, Urteil vom 30.07.2019 – B 1 KR 31/18 R – Rn. 9, juris; BSG, Urteil vom 17.12.2013 – B 1 KR 57/12 R – Rn. 8, juris, jeweils m.w.N.).
Diese weiteren Vergütungsansprüche (Hauptforderungen) sind in Höhe der Klageforderung nicht durch Erfüllung infolge der von der Beklagten erklärten Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch infolge Überzahlung aus dem streitigen Behandlungsfall des Versicherten (Gegenforderung) erloschen. Es lässt sich schon nicht feststellen, dass ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Form überzahlter Krankenhausvergütung und damit eine aufrechnungsfähige Gegenforderung der Beklagten in Höhe des streitigen Betrages besteht.
Rechtsgrundlage der von der Klägerin geltend gemachten und von der Beklagten gezahlten Vergütung sind § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 KHEntgG und § 17b KHG, die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2015 und die von den Vertragsparteien auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2015. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes (§ 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V), wenn die Versorgung – wie vorliegend der Fall – in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V) durchgeführt wird und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (BSG, Urteil vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R – Rn. 11, juris m.w.N.). Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie das der Klägerin nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für die Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 KHEntgG und § 17b KHG. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, FPV) konkretisiert. Die Vertragsparteien auf Bundesebene vereinbaren insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG. Maßgeblich sind hier die für das Jahr 2015 geltende FPV einschließlich ihres Fallpauschalenkatalogs. Welche DRG-Position dabei abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung. Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV 2015 sind zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (vgl. nur BSG, Urteil vom 20.01.2021 – B 1 KR 31/20 R – Rn. 14 ff., juris).
Zwischen den Beteiligten ist in der Sache streitig, ob die Klägerin die Fallpauschale (DRG) M01A (große Eingriffe an den Beckenorganen beim Mann mit äußerst schweren CC) oder M01B (große Eingriffe an den Beckenorgangen beim Mann ohne äußerst schwere CC oder bestimmte Eingriffe an den Beckenorgangen beim Mann mit äußerst schweren CC) abrechnen durfte, woraus sich der streitige Differenzbetrag ergibt, den die Beklagte für überzahlt und damit rechtsgrundlos erbracht hält. Allein entscheidend ist bei den ansonsten zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalt insofern, ob die Nebendiagnose N18.3 (chronische Niereninsuffizienz, Stadium III) kodierbar ist, weil die ebenfalls streitige Nebendiagnose F10.2 (psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom) nicht erlösrelevant ist. Zur Nebendiagnose N18.3. hat der Sachverständige K in seinem Gutachten vom 30.01.2017 und der ergänzenden Stellungnahme vom 11.11.2018 für den Senat schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass eine chronische Nierenkrankheit im Stadium III dann vorliegt, wenn nach den gültigen Leitlinien pathologische Laborwerte über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten vorhanden sind. Das Maß der Nierenfunktion ist dabei die glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Danach besteht eine chronische Niereninsuffizienz des Stadiums III bei einer GFR vom 30 bis <60 ml/min/1,73 m2 Körperoberfläche. Bei dem Versicherten wurde während des stationären Aufenthalts eine GFR zwischen 56 und 59 ml/min erhoben, was Stadium III entspricht. Ob diese dann gemäß N18.3 kodiert werden darf, hängt davon ab, ob im zeitlichen Abstand von mehr als drei Monaten vor Aufnahme in die stationäre Versorgung entsprechende pathologische Werte vorlagen. Hier stammte der älteste Wert vom 25.02.2015 und war somit bei Aufnahme des Versicherten ins Krankenhaus der Klägerin am 02.03.2015 keine drei Monate alt. Allerdings hat der Sachverständige ausgeführt, dass ihm keine älteren Werte bekannt seien und die Klägerin solche nach Aktenlage nicht benannt habe. Sollten diese jedoch vorhanden sein, wäre die Nebendiagnose N18.3 kodierbar. Damit hat der Sachverständige das Vorliegen dieser Diagnose auf der Grundlage der ihm zugänglichen Unterlagen zwar nicht feststellen, aber auch nicht ausschließen können. In einer solchen Konstellation trägt die beklagte Krankenkasse im Grundsatz die objektive Beweislast, wenn sie sich eines Erstattungsanspruches berühmt. Dies gilt jedenfalls nach vorbehaltloser Bezahlung der Krankenhausvergütung, mit der die Krankenkasse grundsätzlich das Risiko der Nichterweislichkeit der Tatsachen, aus denen sich das behauptete Nichtbestehen eines Rechtsgrundes der erbrachten Leistungen ableitet, trägt (BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R – Rn. 19, juris). Dass die Beklagte die Zahlung der Vergütung unter Vorbehalt erbracht hätte, ist zumindest nach Aktenlage nicht ersichtlich und von dieser auch nicht behauptet worden.
Dem muss allerdings nicht weiter nachgegangen werden, da die Aufrechnung der Beklagten mit der vermeintlichen Gegenforderung jedenfalls wegen Verstoßes gegen § 15 Abs. 4 Satz 2 Landesvertrag NRW unwirksam ist. Sie unterliegt dem dort geregelten (partiellen) Aufrechnungsverbot des gekündigten, aber weiterhin anwendbaren Landesvertrages NRW nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V (vgl. zum landesvertraglichen Aufrechnungsverbot Senat, Urteil vom 01.09.2011 – L 16 KR 212/08 – Rn. 18 ff., juris u. Urteil vom 24.05.2012 – L 16 KR 8/09 – Rn. 23, juris).
Das Aufrechnungsverbot des § 15 Abs. 4 Satz 2 Landesvertrag NRW findet hier Anwendung. Dem stehen weder § 9 PrüfvV 2014 noch der Wortlaut des Landesvertrages entgegen. Insbesondere greifen die in § 15 Abs. 4 Satz 2 des Landesvertrages NRW ausdrücklich benannten Tatbestände, nach denen eine Aufrechnung zulässig ist, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts im vorliegenden Fall nicht.
§ 9 PrüfvV 2014, der die Anwendung landesvertraglicher Aufrechnungsverbote ausschließt (s. BSG, Urteil vom 30.07.2019 – B 1 KR 31/18 R – Rn. 26, juris), findet auf den zugrunde liegenden Behandlungsfall aus dem Jahr 2015 keine Anwendung. Die PrüfvV 2014 - ebenso wie § 275 Abs 1c SGB V in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung (aF) - galt bis zum 31.12.2015 nur für Auffälligkeitsprüfungen betreffend die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung, nicht dagegen für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung (s. BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 9/21 R – Rn. 14, juris; Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 36/20 R – Rn. 14, juris; Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 43/20 R – Rn. 14, juris). Eine die Wirtschaftlichkeit betreffende Auffälligkeitsprüfung erfolgt, wenn Ziel der Prüfung die Feststellung ist, dass eine stationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit überhaupt nicht oder nicht in dem Umfang der tatsächlich erfolgten Versorgung vorgelegen hat (BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 9/21 R – Rn. 14, juris)
Dem vorliegenden Fall lag aber eine alleinige Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung („Kodierprüfung“) der Klägerin zugrunde und keine Auffälligkeitsprüfung. Nach dem für die Abgrenzung zwischen einem das Ziel einer Abrechnungsminderung i.S.d. § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V a.F. (Auffälligkeit) beinhaltenden Prüfauftrag einerseits und der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung andererseits maßgeblichen Empfängerhorizont des MDK als Adressat des Prüfauftrages (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 133 BGB, s. BSG, Urteil vom 25.10.2016 – B 1 KR 22/16 R – Rn. 37, juris) sowie den Mitteilungsschreiben der Beklagten bzw. des MDK an die Klägerin vom 28.04.2015 und 30.04.2015 bezog sich der Prüfauftrag auf die Korrektheit der DRG hinsichtlich der namentlich benannten Nebendiagnosen D62, N18.3, T81.3 und F10.2 sowie des OPS 5-604.02 (Radikale Prostatovesikulektomie mit regionaler Lymphadenektomie). Weder ließ die Beklagte danach eine „Vollprüfung“ durchführen noch hat sie sonst deutlich gemacht, dass ihrer Auffassung nach Auffälligkeiten bestehen, die die Einleitung einer Abrechnungsprüfung unter Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme des MDK berechtigten, weil die von der Klägerin vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten Fragen nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) aufwarfen, die die Beklagte von sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und Bewertung durch den MDK nicht beantworten konnte (zum Begriff der „Auffälligkeiten“ s. auch BSG, Urteil vom 25.10.2016 – B 1 KR 22/16 R – Rn. 33, juris). Dass sich die Beklagte im an das klägerische Krankenhaus gerichteten Schreiben zur Einleitung des Prüfverfahrens vom 28.04.2015 offenkundig Textbausteine verwendet hat, in denen vom Wirtschaftlichkeitsgebot die Rede ist, ist unschädlich. Denn die im Anhang beigefügte konkrete Mitteilung über die „Teilprüfung der Abrechnung“ lässt mit der Ankreuzung des Gegenstandes „HD/ND/OPS – Die verschlüsselten Haupt- bzw. Nebendiagnosen oder Prozeduren sind nicht plausibel. Dies sind OPS 5-604.02, NDs D62, N18.3, T81.3, F10.2“ keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass eine reine Kodierungsprüfung und damit sachlich-rechnerische Prüfung eingeleitet werden sollte und auch durchgeführt worden ist.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts greift das (partielle) Aufrechnungsverbot des § 15 Abs. 4 des Landesvertrages NRW, weil die dort ausdrücklich benannten Tatbestände, nach denen eine Aufrechnung eines Erstattungsanspruchs mit Forderungen aus (unstreitigen) Behandlungsfällen zulässig ist, nicht vorliegen. § 15 Abs. 4 des Landesvertrages NRW lautet: „Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden. Bei Beanstandungen rechnerischer Art sowie nach Rücknahme der Kostenzusage und falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht, können überzahlte Beträge verrechnet werden“. Damit ist nach Satz 2 eine Verrechnung überzahlter Beiträge nur zulässig bei Beanstandungen rechnerischer Art sowie nach Rücknahme der Kostenzusage und falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht. Hier fehlt es bereits an einer Beanstandung rechnerischer Art von Seiten der Beklagten. Denn sie macht offensichtlich keinen Rechenfehler geltend, sondern bezweifelt das Vorliegen der Voraussetzungen für die Kodierung namentlich benannter Nebendiagnosen. Damit greift sie die sachliche Berechtigung der Höhe der geforderten und gezahlten Vergütung an. § 15 Abs. 4 Satz 2 des Landesvertrages NRW schließt mit seiner gegenüber Satz 1 differenzierenden Regelung die Aufrechnung bei sachlichen Beanstandungen aber gerade aus (Senat, Urteil vom 01.09.2011 – L 16 KR 212/08 – Rn. 20 f., juris unter Bezugnahme auf LSG NRW, Urteil vom 03.06.2003 – L 5 KR 205/02). Im Übrigen liegen hier weder eine Rücknahme der Kostenzusage noch vom Krankenhaus zu vertretende unzutreffende Angaben vor. Dies sind etwa solche, bei denen das Krankenhaus zwecks Kodierung von Haupt- bzw. Nebendiagnosen und/oder Prozeduren Befunde angibt, die tatsächlich nicht vorliegen oder Behandlungsmaßnahmen aufführt, die nicht stattgefunden haben (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 01.09.2011 – L 16 KR 212/08 – Rn. 21, juris). Derartiges ist aber nicht Grundlage des Streits der Beteiligten, sondern allein die Kodierbarkeit der Nebendiagnosen F10.2 und N 18.3 auf der Grundlage der vom Krankenhaus der Klägerin vorgenommenen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Dass das Krankenhaus in diesem Zusammenhang unzutreffende Angaben gemacht hätte, haben weder die Beklagte, der MDK noch der gerichtlich benannte Sachverständige behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Sonstige Gründe, die einer Anwendung des Aufrechnungsverbots nach § 15 Abs. 4 des Landesvertrages NRW entgegenstehen, liegen nicht vor. Soweit Zweifel an der Zulässigkeit der Vereinbarung von Aufrechnungsverboten in den Sicherstellungsverträgen nach § 112 SGB V geäußert worden sind (BSG, Urteil vom 30.07.2019 – B 1 KR 31/18 R – Rn. 26, juris; vgl. außerdem LSG Hamburg, Urteil vom 24.06.2021 – L 1 KR 2/21 – Rn. 22, juris), vermögen diese den erkennenden Senat nicht zu überzeugen. Es entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BSG, dass durch die Landesverträge die allgemeinen Bedingungen der Kostenübernahme und Abrechnung der Entgelte der Krankenhausbehandlung geregelt werden können, sofern mit ihnen sichergestellt wird, dass Art und Umfang der Krankenhausbehandlung bzw. -Vergütung den Anforderungen des SGB V entsprechen (BSG, Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 27/11 R – Rn. 32, juris). Durch das hier betroffene teilweise Aufrechnungsverbot wird aber das Gebot der Wirtschaftlichkeit nicht unterlaufen, weil den Krankenkassen hinreichende Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Ansprüche verbleiben. Soweit für den Fall der Insolvenz des Krankenhausträgers eine Ausnahme besteht (s. dazu LSG Hamburg a.a.O.), kann dem durch eine einschränkende (teleologische Reduktion) Auslegung des Sicherstellungsvertrages hinreichend Rechnung getragen werden.
Im Übrigen sieht sich der Senat auch durch das vom Gesetzgeber mit dem MDK-Reformgesetz vom 14.12.2019 (BGBl I, 2789) eingeführte generelle Aufrechnungsverbot nach § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V mit der Möglichkeit abweichender Regelungen durch Normenverträge nach § 17c Abs. 2 KHG (§ 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V) in seiner Auffassung bestätigt, dass entsprechende Beschränkungen des Aufrechnungsrechts der Krankenkassen mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V in Einklang stehen.
Der Anspruch der Klägerin auf Zinsen in der vertraglichen Höhe von 2 v.H. über dem Basiszinssatz ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Satz 4 des Landesvertrages NRW und kann von ihr – wie beantragt – ab dem Zeitpunkt der (unwirksamen) Verrechnung der unstreitigen Forderungen am 27.01.2016 gefordert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 1 GG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) sieht der Senat im Hinblick auf die inzwischen geänderte Rechtslage (uneingeschränkte Geltung der PrüfvV seit dem 01.01.2016, Inkrafttreten des § 109 Abs. 6 SGB V) sowie der Nichtrevisibilität der Auslegung des Landesvertrages NRW im Hinblick auf die hier betroffenen Abrechnungsmodalitäten (s. BSG, Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 27/11 R – Rn.26, juris) nicht.