Wird in einem dreiseitigen Vertrag über die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes (Krankenhäuser) ein Abrechnungsausschluss von bestimmten Leistungen (hier: spezielle Laborleistungen nach Kapitel 32.3 EBM) vereinbart, ist eine solche Regelung mit § 115 SGB V vereinbar. Die Formulierung in § 115 Abs. 2 Ziff. 3 bedeutet nicht, dass nur on-top-Leistungen , d.h. über den EBM hinausgehend Vertragsinhalt sein können.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin betreibt mehrere Krankenhäuser in Bayern, darunter auch das Klinikum W1.-Stadt. Gegenstand der Klage war die sachlich-rechnerische Richtigstellung im Quartal 4/18, konkret die Absetzung von Laborleistungen aus dem Abschnitt 32.3 EBM nach den GOP 32155 bis 32863 (Rückforderung in Höhe von 22.910 €), die im Rahmen des Notdienstes erbracht wurden. Zur Begründung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung berief sich die Beklagte auf § 4.1 der dreiseitigen Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes (VB) nach § 115 Abs. 2 S. 1 Nr 3 in Verbindung mit § 75 Abs. 1b SGB V. Nach § 4.2 seien bestimmte Leistungen von der Abrechnung im Rahmen des Notdienstes ausgeschlossen. Dazu gehörten Leistungen des Kapitels 32.3 EBM (spezielle Laborleistungen).
Dagegen ließ die Klägerin Klage zum Sozialgericht München einlegen. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin machte geltend, die abgesetzten Leistungen seien medizinisch notwendige Leistungen auch im Rahmen des Notdienstes, meistens zum Nachweis von Erregern für die Antibiotikagabe. Nach § 115 SGB V solle insbesondere die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes geregelt werden. Es könnten zwar ergänzende Regelungen zur Vergütung vereinbart werden. Darunter seien aber zusätzliche Vergütungen zu verstehen, nicht jedoch Abrechnungsausschlüsse.
Die Beklagte wies darauf hin, dass die dreiseitige Vereinbarung mit Wirkung zum 01.07.2017 geschlossen worden sei. Auf dieser Basis sei dann zwischen der Klägerin und der Beklagten eine Kooperationsvereinbarung zustande gekommen. Vorgesehen sei zwar ein Ausschluss spezieller Laborleistungen, nicht jedoch von Grundleistungen und allgemeinen Laboruntersuchungen, wie sich aus Anlage 2 zur dreiseitigen Vereinbarung ergebe. Die Vereinbarung sei für die Klägerin verbindlich. Auch sei der Ausschluss mit § 115 SGB V zu vereinbaren. Das Wort "insbesondere" in § 115 Abs. 2 S. 1 SGB V bedeute, dass die Aufzählung nicht abschließend sei. Es sei darauf aufmerksam zu machen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 21.01.2001, Az B 6 KA 53/00 R) der darin enthaltene zehnprozentige Investitionsabschlag nicht beanstandet wurde. Somit könnten auch Einschränkungen (Abrechnungsausschlüsse) vorgesehen werden. Außerdem wies die Beklagte auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12.12.2012 und 12.05.2020 (Az B 6 KA 5/12 R; BSG, Az B 6 KA 6/19 R) hin. Die Anlage 2 konkretisiere nur, was das Bundessozialgericht vorgegeben habe. Nach § 115 Abs. 2 S. 1 Nr 3 zweiter HS SGB V könne auch die Vergütung Gegenstand eines dreiseitigen Vertrages sein.
Am 28.10.2021 wurde die Sach-und Rechtslage im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besprochen. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin wies darauf hin, ihres Erachtens bestehe ein Widerspruch zwischen § 4 Abs. 1 der dreiseitigen Vereinbarung und den Ausschlüssen der Anlage 2 bezüglich der Laborleistungen. Es handle sich vielfach um Patienten, die am Freitag in der Notaufnahme erscheinen würden. Diese könnten andere ambulante Behandlungsmöglichkeiten nicht in Anspruch nehmen. Deshalb sei es wichtig, wenn im Rahmen der Notfallversorgung rechtzeitig Untersuchungen, darunter Laboruntersuchungen eingeleitet würden. Die Patienten könnten nicht darauf vertröstet werden, erst am nächsten Werktag untersucht zu werden.
Das mit zwei Ärzten fachkundig besetzte Gericht machte darauf aufmerksam, dass das Ergebnis der Laboruntersuchungen in der Regel erst drei Tage später vorliege und es deshalb fraglich sei, ob solche speziellen Laborleistungen (GOP 32155 - 32863) im Rahmen der Notfallversorgung erforderlich seien. Zusätzlich stelle sich auch die Frage, ob eine Notwendigkeit bestehe, routinemäßig Antibiogramme zu erstellen. Hinzu komme, dass in den meisten Fällen (95 %) unabhängig von dem Antibiogramm eine Antibiotikagabe gezielt erfolgen könne. Wenn sich in den wenig übrig gebliebenen Fällen später erweise, dass das Antibiotikum unwirksam sei, könne dann eine geänderte Antibiotikagabe erfolgen. Das fachkundig mit zwei Ärzten besetzte Gericht nahm eine kursorische Durchsicht der bei Gericht eingereichten Listen vor und kam zu dem Ergebnis, dass daneben Zweifel hinsichtlich der Notwendigkeit der vorgenommenen Untersuchungen bestünden.
Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung am 28.10.2021 machte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend, es gebe durchaus Untersuchungen, die im Bereich der Notfallbehandlung unabdingbar seien, wie z.B. die Schwangerschaftsuntersuchung oder eine poxische Abklärung etc. Sie schlug deshalb den Abschluss eines Vergleiches vor, zunächst mit einer Quote von 60 % zu 40 % zugunsten der Klägerin, später mit einer Quote von 60 % zu 40 % zugunsten der Beklagten. Die Beklagte erklärte jedoch, sie sei zum Abschluss eines Vergleichs angesichts der Sach-und Rechtslage nicht bereit.
In der weiteren mündlichen Verhandlung am 30.03.2022 trug der Vertreter der beigeladenen Bayerischen Krankenhausgesellschaft (Beigeladene zu 7) vor, ein derartiger Ausschluss sei zunächst nicht vorgesehen gewesen. Erst auf Drängen der Beklagten sei dieser Ausschluss in der Vereinbarung aufgenommen worden. Der Ausschluss sei auch der Zeit geschuldet gewesen. So habe das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege auf die Verpflichtung hingewiesen, Kooperationsverträge zu schließen.
Die Beklagte führte aus, nicht alle Leistungen aus Kapitel 32.3 seien ausgeschlossen. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Leistungen nicht begründbar seien. Denn den Leistungen fehlten entsprechende Angaben.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin trug abermals vor, § 115 SGB V stelle für die vorgenommenen Leistungsausschlüsse keine Rechtsgrundlage dar. Es gehe darum, in der Notfallbehandlung eine Stabilisierung des Patienten zu erreichen. Dazu gehörten bestimmte Untersuchungen. So sei es auch wichtig, rechtzeitig ein wirksames Antibiotikum zu erhalten. Es werde auch ein Widerspruch zu § 4 der Vereinbarung gesehen. Ab dem 01.01.2019 gebe es einen solchen Ausschluss nicht mehr. Ziel des § 115 Abs. 2 Nr 3 SGB V sei, dass Leistungen nach dem EBM vorgenommen werden, die einen gewissen Mindeststandard garantierten. Die Vorschrift des § 115 Abs. 2 Nr 3 SGB V sei so zu interpretieren, dass ergänzende Regelungen on top getroffen werden könnten.
In der mündlichen Verhandlung am 30.03.2022 stellte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Anträge aus der Klageschrift vom 20.12.2019.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
Die anwesenden Vertreter der Beigeladenen zu 7 stellten keinen Antrag.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschriften vom 28.10.2021 und 30.03.2022 verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage - es handelt sich um eine kombinierte Anfechtungs-und Verpflichtungsklage gemäß § 54 SGG - ist zulässig, jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die sachlich-und rechnerische Richtigstellung im Quartal vom 4/18 beruht auf dem Ausschlusstatbestand in der dreiseitigen Vereinbarung nach § 4.1, 4.2. Danach sind u.a. Leistungen gemäß Kapitel 32.3 EBM (spezielle Laborleistungen) (Anlage 2) von der Abrechnung im Rahmen des Notdienstes ausgeschlossen. Auf dieser Grundlage wurde zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Kooperationsvertrag mit Wirkung ab dem 26.06.2018 geschlossen. Somit ist die dreiseitige Vereinbarung auch für die Klägerin verbindlich.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die dreiseitige Vereinbarung mit den darin vorgesehenen Vergütungsausschlüssen auch mit höherrangigem Recht zu vereinbaren. Rechtsgrundlage für die dreiseitige Vereinbarung ist § 115 SGB V. Danach schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und die Kassenärztliche Vereinigung mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsam Verträge. Ziel ist, durch enge Zusammenarbeit zwischen den Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern eine nahtlose ambulante und stationäre Behandlung der Versicherten zu gewährleisten. Nach § 115 Abs. 2 Ziff 3 SGB V regeln die Verträge u.a. insbesondere die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes. Darüber hinaus "können auf Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen ergänzende Regelungen zur Vergütung vereinbart werden".
Nach Auffassung des Gerichts kann aus dem Wortlaut von § 115 Abs. 2 Ziff 3 SGB V nicht abgeleitet werden, es dürften nur ergänzende "On-Topleistungen" Vertragsinhalt einer dreiseitigen Vereinbarung nach § 115 Abs. 1 SGB V sein. Denn, wollte der Gesetzgeber dies in diesem Sinne regeln, hätte er eine andere Formulierung wählen müssen, so zum Beispiel, dass ergänzende Regelungen der Vergütung über den EBM hinaus Vertragsinhalt sein können. Auch Sinn und Zweck der Regelung - Verzahnung der ambulanten und stationären Versorgung zur Gewährleistung einer nahtlosen ambulanten und stationären Behandlung der Versicherten - spricht nicht dagegen, einzelne Leistungen von der Vergütung auszuschließen. Schließlich ergibt sich auch aus der Verwendung des Wortes "insbesondere", dass die Aufzählung in § 115 Abs. 2 SGB V nicht abschließend ist und über den Katalog hinausgehende Vertragsinhalte in der dreiseitigen Vereinbarung vorgesehen werden können.
In der Sache selbst ist ein Widerspruch zwischen § 4 Abs. 1 und den Ausschlüssen der Anlage 2 nicht ersichtlich. Immerhin ist die Klägerin berechtigt, allgemeine Laboruntersuchungen, die durch Anlage 2 nicht ausgeschlossen sind, im Rahmen des Notdienstes zu erbringen und abzurechnen. Außerdem erschließt sich der mit zwei Ärzten fachkundig besetzten Kammer bei kursorischer Durchsicht der eingereichten Listen bis auf wenige Ausnahmen nicht die Notwendigkeit, routinemäßig Antibiogramme zu erstellen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Ergebnis der Untersuchung in der Regel erst drei Tage später vorliegt, sodass die Patienten, die am Freitag in der Notaufnahme erscheinen, am nächsten Werktag die hausärztlichen und fachärztlichen Behandlungsmöglichkeiten einschließlich spezieller Laboruntersuchungen wahrnehmen können. Wie in der mündlichen Verhandlung am 28.10.2021 vom Gericht ausgeführt wurde, kann in den meisten (95 %) der Fälle unabhängig von dem Antibiogramm eine Antibiotikagabe gezielt erfolgen.
Abgesehen davon fehlen, worauf die Beklagte hingewiesen hat, entsprechende Angaben zur Begründetheit der abgerechneten Leistungen.
Ohne Bedeutung ist, dass ein Ausschluss spezieller Laborleistungen nach Kapitel 32.3 EBM zunächst nicht vorgesehen war, erst auf Drängen der Beklagten aufgenommen wurde sowie der Notwendigkeit geschuldet war, baldmöglich eine Vereinbarung zu schließen. Die Beigeladene zu 7 hat in der mündlichen Verhandlung am 30.03.2022 vorgetragen, das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege habe auf die Verpflichtung zum Abschluss von Kooperationsverträgen schriftlich hingewiesen.
Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.