Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung bei der Gewährung von Leistungen für Hilfe zur Pflege ist auch das Vermögen des Ehepartners des Hilfeempfängers (nach Abzug der Vermögensfreibeträge) in vollem Umfang zu berücksichtigen. Es ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, von wem das Vermögen angespart wurde.
Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 11. August 2021 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Gewährung von Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) für die Klägerin zu 2.
Die 1961 und 1962 geborenen Kläger sind verheiratet und haben einen 1996 geborenen Sohn, der studiert. Die Klägerin zu 2 leidet an Demenz, ihr ist seit 01.10.2020 Pflegegrad 4 (vgl. Pflegegutachten vom 20.11.2020) zuerkannt und sie ist seit Juni 2020 (Heimvertrag vom 17.07.2020) vollstationär im Seniorenstift S Haus E untergebracht. Der Kläger zu 1 wohnt noch in der den Klägern gehörenden 84 qm großen Eigentumswohnung in A. Die Klägerin zu 2 hat dem Kläger zu 1 eine General- und Vorsorgevollmacht erteilt (vgl. Urkunde des Notariats L vom 10.06.2010).
Am 11.11.2020 beantragte der Kläger zu 1 für Klägerin zu 2 Hilfe zur Pflege. Hierzu legte er verschiedene Unterlagen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Kläger vor. Hieraus ergibt sich zunächst, ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Klägers zu 1 von ca. 3.300,00 Euro (vgl. Verdienstabrechnungen für 2020 Bl. 48 d. VA), sowie ein Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung der Klägerin zu 2 in Höhe von monatlich 614,86 Euro (Stand 01.07.2020, Bl. 47 d. VA). Außerdem waren ausweislich der vorgelegten Unterlagen zum Antragszeitpunkt folgende Vermögenswerte der Kläger vorhanden:
Girokonto V-Bank |
47.454,32 Euro |
Geldmarkkonto V-Bank |
3.426,06 Euro |
S V-Bank |
12.612,89 Euro |
Geschäftsanteile V-Bank |
1.250,00 Euro |
Unieuro-Aktien U I |
1.531,17 Euro |
Privatfond U I |
23.510,56 Euro |
Unieuro-Aktien U I |
3.841,22 Euro |
Kreditkartenkonto V-Bank |
-846,19 Euro |
F V-Bank |
1.379,16 Euro |
Geschäftsanteile V-Bank |
1.250,00 Euro |
Bauspareinlagen |
17.954,39 Euro |
Bauspardarlehen |
-16.411,71 Euro |
Gesamt |
96.951,87 Euro |
Zudem bestehen verschiedene Lebensversicherungen bei der A und V AG, wobei hier zum Teil Teilkündigungen der Versicherungen bei der V, die auch der Klägerin zu 2 gehörten, vorgenommen wurden. Für den Kläger zu 1 ist eine Direktversicherung über seine Arbeitgeberin bei der R -Rentenversicherung abgeschlossen (bei Rentenbeginn am 01.03.2026 garantierte einmalige Kapitalabfindung von 63.702,66 Euro), der Stand der Lebensversicherung bei der A beträgt 16.271 Euro (garantierte Altersvorsorge zum 30.11.2021).
Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin zu 2 mit Bescheid vom 09.12.2020 ab, weil die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Leistung nicht vorlägen. Hilfe zur Pflege werde nur geleistet, soweit der Hilfesuchende und sein nicht getrennt lebender Ehegatte den erforderlichen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen beschaffen könne. Den Klägern zu 1 und zu 2 werde ein Schonvermögen von 10.000,00 Euro eingeräumt. Nach den vorliegenden Unterlagen verfügten die Kläger aber über ein Vermögen aus Aktiendepots, den Giro- und Sparkonten von insgesamt 95.049,19 Euro, so dass abzüglich des Schonbetrages ein übersteigendes Vermögen von 85.049,19 Euro vorliege. Die ebenfalls vorhandenen Lebensversicherungen und Zusatzrenten seien noch gar nicht berücksichtigt worden. Aus dem die Vermögensfreigrenze übersteigenden Betrag könnten die Heimkosten über viele Monate bezahlt werden. Nach erfolgtem Vermögensverbrauch stehe es den Klägern frei, einen erneuten Antrag zu stellen. Der Bescheid war adressiert an den Kläger zu 1. Im Betreff war aufgeführt: „Antrag vom 11.11.2020, E.R. (…), Übernahme der durch eigene Einkünfte nicht gedeckten Heimkosten (…)“.
Hiergegen ist am 18.12.2020 Widerspruch erhoben worden. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die angelegten Gelder ganz wesentlich dem Kläger zu 1 und nicht der Klägerin zu 2 zuzuordnen seien. Die Klägerin zu 2 verfüge allein über 5.654,75 Euro (V-FlexSparen 1.379,16 Euro, Geschäftsanteile V-Bank 1.250,00 sowie Anteil Girokonto 3.025,59 Euro) und zur Hälfte über den Bausparvertrag (17.954,39 Euro abzüglich Schulden in Höhe von 16.411,71 Euro) und das V Giro V-Bank in Höhe von 17.065,12 Euro. Alle anderen Vermögenswerte seien allein dem Kläger zu 1 zuzuordnen. Derzeit zahle der Kläger zu 1 inkl. Zuzahlungen für Medikamente und Kosten der Betreuung monatlich durchschnittlich 3.200,00 Euro. Mit Schreiben vom 30.04.2021 wurde erneut vorgetragen, dass das Vermögen im Wesentlichen dem Kläger zu 1 zuzuordnen sei. Die Klägerin zu 2 verfüge allein über Bankeinlagen (die nun in einer Höhe von 5.258,32 Euro angegeben wurden). Die Bauspareinlage von 17.954,39 Euro stehe beiden Klägern zu. Hier müsste aber noch das Bauspardarlehen iHv 16.411,71 Euro gegengerechnet werden, da man das Guthaben der Bauspareinlage stehen gelassen habe, da dieses mit 1,5 Prozent verzinst werde, was derzeit ansonsten bekanntlich nicht zu erzielen sei.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2021 als unbegründet zurück. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen verfügten die Kläger zu 1 und zu 2 über ein um den Vermögensfreibetrag von 10.500,00 Euro bereinigtes Vermögen in Höhe von 84.909,19 Euro, welches über viele Monate ausreiche um die Heimkosten inklusive eines angemessenen Barbetrages zu finanzieren. Dieser Widerspruchbescheid war adressiert an die Klägerbevollmächtigten. Im Betreff des Widerspruchsbescheides war u.a. folgendes ausgeführt: „Ihr Widerspruch vom 18.12.2020 (…) gegen den Bescheid vom 09.12.2020 wegen Ablehnung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII) für Frau E. R. (…) vertreten durch den Ehemann, Herrn R. R. (…)“.
Hiergegen ist am 31.05.2021 (Montag) von den Klägern zu 1 und zu 2 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm erhoben worden. Zur Begründung wird der bisherige Vortrag wiederholt. Ergänzend wird vorgetragen, dass eben gerade nicht das Vermögen des Klägers zu 1 berücksichtigt werden könne, da nur die Klägerin zu 2 bedürftig sei. Das Gesetz spreche auch nur von einer gemeinsamen Anrechnung des Einkommens. Das Vermögen der Klägerin zu 2 sei schlichtweg erschöpft.
Nachdem das SG mit Schreiben vom 05.07.2021 darauf hingewiesen hat, dass die Klage des Klägers zu 1 schon unzulässig sein dürfte, da gegenüber diesem kein Verwaltungsakt ergangen sei und die Klage im Übrigen unbegründet sein dürfte, da § 19 Abs. 3 SGB XII gerade auf den Ehegatten und dessen Vermögen verweise, hat der Klägervertreter mit Schreiben vom 20.07.2021 u.a. weiter ausgeführt, dass im Sozialrecht immer auf die Bedarfsgemeinschaft abgestellt werde und man deshalb, obwohl bewusst sei, dass Antragstellerin zunächst die Klägerin zu 2 sei, vorsorglich Klage für beide Eheleute erhoben habe, weil man vermeiden wolle, „dass irgendjemand auf die Idee kommt, es hätte die Bedarfsgemeinschaft klagen müssen“. Zudem betreffe die Entscheidung beide Ehegatten elementar. In der Sache selbst führe die Ansicht des Gerichts dazu, eine gesamte Familie zum Sozialfall zu machen. Gewichtige Stimmen in der Literatur verlangten eine verfassungskonforme Auslegung der § 19 Abs. 1 und § 27 Abs. 2 SGB XII dergestalt, dass die Individualisierung auch im Hinblick auf die (vertikale) Einkommenszuordnung zunächst zu erzielenden Person beizubehalten sei (LPK-SGB XII/Schoch zu § 27 Rn 12; GWF/Wrackmeyer-Schoene § 27 Rn. 6). Dies sei jedenfalls in Fallgestaltungen angezeigt, in denen einzelne Mitglieder der Einsatzgemeinschaft ihren Bedarf, nicht aber den Bedarf auch der anderen Mitglieder aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken könnten und diese durch die gemeinsame Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen de jure hilfebedürftig würden (vgl. BSGE 108, 241 Rn. 19).
Nach vorheriger Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.08.2021 abgewiesen. Die Klage des Klägers zu 1 sei schon unzulässig, da ihm gegenüber kein Verwaltungsakt ergangen sei. Denn zulässig sei eine Anfechtungsklage nur, wenn der Kläger behaupten könne, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG; sog. Klagebefugnis). An dieser Klagebefugnis fehle es, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht komme (BSG Urteil vom 17.12.2015 - B 2 U 2/14 R -, juris). So liege der Fall hier. Denn der angefochtene Bescheid sei nur gegenüber der Klägerin zu 2, nicht aber gegenüber dem Kläger zu 1 ergangen. Orientiert am „Empfängerhorizont“ eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtige, sei gerade keine Regelung gegenüber dem Kläger zu 1 vom Beklagten getroffen worden. Unerheblich sei, dass der Verwaltungsakt an den Kläger zu 1 gerichtet sei, denn dies sei lediglich aufgrund der vorliegenden Bevollmächtigung für die Klägerin zu 2 erfolgt. Das Vorliegen einer möglichen Beschwer sei nur dann unzweifelhaft, wenn ein Verwaltungsakt dem Kläger zu 1 als dessen Adressaten eine Verbindlichkeit auferlege oder ihm Rechte entziehe (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 10 am Ende; BSG, Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 2/18 R -, SozR 4-2500 § 95 Nr 38, Rn. 28). Der Beklagte habe jedoch lediglich den Anspruch der Klägerin zu 2 auf (ergänzende) Hilfe zur Pflege abgelehnt und nicht auch über Ansprüche oder Rechte des Klägers zu 1 entschieden. Damit liege eine für Kläger zu 1 anfechtbare Beschwer offensichtlich nicht vor, weil hinsichtlich des Klagebegehrens eine gerichtlich überprüfbare Entscheidung nicht vorliege (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16.07.2020 - L 10 U 1635/17 -, Rn. 17, juris unter Verweis auf BSG).
Die Klage der Klägerin zu 2 sei unbegründet. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch bestimme sich nach § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 61 ff. SGB XII in der ab dem 01.01.2017 geltenden Fassung. Gem. § 19 Abs. 3 SGB XII werde u.a. Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet seien, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches (§§ 82 ff. SGB XII) nicht zuzumuten sei. Gem. § 61 Satz 1 SGB XII hätten Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII seien, Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten sei, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen.
Die Klägerin zu 2, die in Pflegegrad 4 eingestuft sei, sei pflegebedürftig. Aufgrund ihrer fortgeschrittenen Demenzerkrankung habe sie auch Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen nach § 65 SGB XII, da häusliche oder teilstationäre Pflege nicht mehr möglich sei. Dies sei zwischen den Beteiligten unstreitig.
Von eigenem Einkommen oder Vermögen könne die Klägerin zu 2 ihren Bedarf auch nicht decken. Dies sei ebenfalls unstreitig.
Allerdings habe der Kläger zu 1 ausreichendes Vermögen, so dass kein Anspruch der Klägerin zu 2 auf Hilfe zur Pflege bestehe. Auf verwertbares Vermögen und Einkommen des Ehemanns komme es nach der Regelung des § 19 Abs. 3 SGB XII nur dann nicht an, wenn die Eheleute im streitigen Zeitraum getrennt gelebt hätten (BSG, Urteil vom 06.12.2018 - B 8 SO 2/17 R -, BSGE 127, 85-92, SozR 4-3500 § 19 Nr. 6, Rn. 16). Hierfür ergäben sich vorliegend keine Anhaltspunkte. Denn, dass die Klägerin zu 2 aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit ab Juni 2020 der vollstationären Betreuung bedürfe, führe noch nicht zum Getrenntleben der Ehegatten im Sinne dieser Vorschrift, nachdem weder die Klägerin noch deren Ehemann einen hierfür erforderlichen objektiv hervortretenden Trennungswillen nach außen dokumentiert hätten (vgl. Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 04.04.2019 - L 11 SO 2/18 -, Rn. 25, juris m.w.N.).
Gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII sei das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Die Sozialhilfe dürfe gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII aber nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei sei eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen. Die Sozialhilfe dürfe ferner gemäß § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen habe, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde.
Die genaue Höhe der geschützten Beträge bestimme sich nach § 96 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII. § 1 Satz 1 Nrn 1 und 2 der Durchführungsverordnung schützten jedoch (lediglich) einen Vermögensgesamtwert in Höhe von (für jede in § 19 Abs. 3 genannte Person) je 5.000 Euro, hier also für Kläger zu 1 und 2 zuzüglich 500 Euro für den studierenden Sohn, insgesamt somit von 10.500 Euro. Tatsächlich verfüge der Kläger zu 1 jedoch schon über Bankeinlagen und Wertpapiere im Wert von 93.626,22 Euro. Dabei noch nicht berücksichtigt seien Kapitallebensversicherungen, die ebenfalls grundsätzlich verwertbares Vermögen i.S.d. § 90 Abs. 1 SGB XII darstellten (vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 19/10 R -, juris).
Der Einsatz des Vermögens des Klägers zu 1 bedeute auch keine besondere Härte i.S.d. § 90 Abs. 3 SGB XII, nachdem er über ein monatliches Einkommen von mindestens 2.900 Euro verfüge und nicht ersichtlich sei, dass durch die Verwertung seiner Bankeinlagen oder Wertpapiere eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschweren würde. Eine ungerechtfertigte Verschlechterung der bisherigen Lebensverhältnisse werde dabei weder substantiiert geltend gemacht, noch ist eine solche erkennbar (vgl. auch Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 04.04.2019 - L 11 SO 2/18 -, Rn. 27, juris). Denn der Kläger zu 1 könne mit seinem Einkommen unstreitig seinen Lebensunterhalt in der bisherigen Form weiterhin sicherstellen. Die Vermögenswerte stellten bereite Mittel dar und es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger zu 1 sich weigern würde, diese Mittel der Klägerin zu 2 zur Verfügung zu stellen (andernfalls wären der Klägerin zu 2 zwar Leistungen nach § 19 Abs. 5 SGB XII zu bewilligen, für die der Kläger zu 1 wiederum in Anspruch genommen werden könnte).
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 16.08.2021 gegen elektronisches Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 27.08.2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erheben lassen und haben zur Begründung zunächst auf die bisherigen Ausführungen verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass die Sichtweise des Gerichts dazu führe, dass der Kläger zu 1 völlig sinnlos über Jahre gespart habe, um seinen Lebensabend abzusichern. Ihm werde zugemutet, aus seinem ersparten Vermögen monatlich einen höheren Betrag zu verwenden, als er tatsächlich netto in diesem Monat verdiene. Die Konsequenzen für die Kläger in dieser konkreten Situation seien völlig unerträglich und entsprächen sicherlich nicht der gesetzgeberischen Absicht. Man habe verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Auslegung.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 11. August 2021 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Dezember 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin zu 2 Hilfe zur Pflege ab 11. November 2020 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die erstinstanzliche Entscheidung und weist ergänzend darauf hin, dass im hier zu entscheidenden Fall bislang keine persönliche Härte der Familie erkennbar sei.
Die Berichterstatterin hat am 24.01.2022 mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Der Beklagte hat hier sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Die Kläger haben dieser Verfahrensweise mit Schreiben vom 25.01.2022 zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Kläger, über die der Senat im Eiverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden konnte, ist auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG Ulm vom 11.08.2021 ist nicht zu beanstanden. Das SG hat die Klage(n) gegen den Bescheid vom 09.12.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2021 zu Recht abgewiesen. Die Klage des Klägers zu 1 ist bereits mangels Beschwer durch die angefochtenen Bescheide unzulässig gewesen. Die Klage der Klägerin zu 2 ist unbegründet gewesen, da die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und die Klägerin zu 2 nicht in ihren Rechten verletzten.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die von der Klägerin zu 2 begehrte Hilfe zur Pflege und die Regelungen zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen auf diese Leistungen (vgl. §§ 61 ff. SGB XII i.Vm. §§ 19 Abs. 3, 82 ff, hier insbesondere § 90 SGB XII) dargestellt und zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen dieser Norm hier nicht gegeben sind, da die Klägerin zu 2 zwar pflegebedürftig ist, mangels Hilfebedürftigkeit, da auch das Vermögen ihres Ehemannes zu berücksichtigen ist, aber kein Anspruch auf Hilfe zur Pflege besteht. Hinsichtlich der auch für den Kläger zu 1 erhobenen Klage hat das SG zutreffend die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Anfechtungs- (und Leistungsklage) dargelegt und hierzu zutreffend ausgeführt, dass sich aus den angegriffenen Bescheiden eindeutig ergebe, dass gerade keine Regelung gegenüber dem Kläger zu 1 getroffen worden ist und somit dieser durch diese auch nicht beschwert ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Kläger im Berufungsverfahren.
Es ist dem Klägervertreter zwar dahingehend Recht zu geben, dass vorliegend ein Anspruch der Klägerin zu 2 auf Hilfe zur Pflege geltend gemacht wird. Die §§ 61 ff. SGB XII setzen aber neben dem Vorliegen der Pflegebedürftigkeit als zweite Voraussetzung das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit voraus. Die Hilfe zur Pflege erfordert also mithin entsprechend dem Nachranggrundsatz der Sozialhilfe gemäß § 2 SGB XII die finanzielle Bedürftigkeit des Pflegebedürftigen. Diese ist nach § 61 SGB XII nur dann gegeben (hier wird wortgleich § 19 Abs. 3 SGB XII wiederholt), wenn die Tragung der benötigten Mittel aus eigenem Einkommen und Vermögen des Pflegebedürftigen selbst sowie seines nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners (sog. Bedarfsgemeinschaft) unzumutbar ist (vgl. LPK-SGB XII/Ingo Palsherm, 12. Aufl. 2020, SGB XII § 61 Rn. 17). Damit ergibt sich, entgegen den Ausführungen des Klägervertreters eine Berücksichtigung auch des Vermögens des Klägers zu 1 bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Hierbei ist es zudem unerheblich, dass das SG von einem Vermögen bei Antragstellung in Höhe von 93.626,22 Euro, der Beklagte von 95.049,19 Euro und der Senat nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen von 96.951,87 Euro ausgeht. Denn selbst wenn man zugunsten der Kläger den niedrigsten Wert annimmt, so liegt das Vermögen weit über dem maßgeblichen Vermögensfreibetrag.
Der Senat kann im vorliegenden Fall auch keine besondere Härte erkennen, die nach § 90 Abs. 3 SGB XII den Einsatz oder die Verwertung eines Vermögens ausnahmsweise entfallen lassen würde. Eine solche Fallgestaltung kann z.B. vorliegen, wenn sie zwar von den Regelfällen des Verwertungsausschlusses in § 90 Abs. 2 Nr. 1-9 SGB XII nicht erfasst wird, diesen aber nach den daraus abzuleitenden Wertungen und Zielen gleichzusetzen ist. Als Beispiele hierfür nennt § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII, dass das Vermögen bei Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel von der Verwertung ausgenommen wird, soweit hierdurch eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde (vgl. Mecke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 90 SGB XII <Stand: 30.03.2020>, Rn. 110). Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Zunächst ist nicht erkennbar, dass der Kläger zu 1 mit dem von ihm bezogenen Einkommen von mindestens 3.000,00 Euro im Monat nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt zu finanzieren und damit eine angemessene Lebensführung nicht möglich sein soll. Auch ist nicht erkennbar, dass durch die Berücksichtigung des Vermögens, welches im Wesentlichen aus Aktiendepots besteht, die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde, denn der Kläger zu 1 ist abhängig beschäftigt und wird daher im Alter eine Regelaltersrente beziehen. Zusätzlich dazu bestehen z.T. noch Lebensversicherungen, die der Beklagte bei der Vermögensberechnung bislang ebenso wenig wie die von der Arbeitgeberin des Klägers zu 1 für diesen zusätzlich abgeschlossenen Direktversicherung bei der R -Rentenversicherung mit einer bei Rentenbeginn am 01.03.2026 garantierten einmaligen Kapitalabfindung von 63.702,66 Euro nicht berücksichtigt hat. Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1 die den Eheleuten gemeinsam gehörende Eigentumswohnung bewohnt und für Kosten der Unterkunft und Heizung lediglich die monatlich Neben-und Heizkosten, nicht aber zusätzlich Mietkosten entstehen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang nach Überzeugung des Senats, dass hier noch Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von rund 16.000 Euro bestehen. Diesen steht aber ein Bausparvertrag mit über 17.000,00 Euro gegenüber, auf dessen Ablösung bislang allein wegen der bestehenden, vergleichsweise hohen Zinszahlungen verzichtet worden ist.
Es ist zudem weiter weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das bei Antragstellung vorhandene Vermögen soweit aufgebraucht worden ist, dass es die maßgeblichen Schonbeträge des § 90 SGB XII nicht mehr übersteigt. Das Vermögen steht aber dem Leistungsanspruch solange entgegen, bis es verbraucht ist (vgl. Mecke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 90 SGB XII <Stand: 30.03.2020>, Rn. 50 u. 53).
Der Senat hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Berücksichtigung des Vermögens des Klägers zu 1 nach den hier einschlägigen Normen, zumal sich die vom Klägervertreter zitierte Literatur, die nach seiner Ansicht eine Beibehaltung der Individualisierung auch im Hinblick auf die (vertikale) Einkommenszuordnung fordere, nicht auf den hier einschlägigen § 19 Abs. 3 SGB XII, sondern § 19 Abs. 1 SGB XII und auch nicht die Vermögensanrechnung, sondern Einkommenszuordnung bezieht.
Soweit nach wie vor auch der Kläger zu 1 gegen die streitgegenständlichen Bescheide vorgeht, ist diese Klage - wie vom SG ausgeführt worden ist -, bereits mangels Klagebefugnis unzulässig. Wie der Klägerbevollmächtigte selbst ausgeführt hat, steht hier allein der Anspruch der Klägerin zu 2 im Streit. Der Kläger zu 1 ist durch die Entscheidungen nur mittelbar betroffen, da sein Vermögen bei der Prüfung der Hilfsbedürftigkeit der Klägerin zu 2 mit berücksichtigt wird. Dass der Beklagte allein über Ansprüche der Klägerin zu 2 entschieden hat, ergibt sich auch unmittelbar aus den angefochtenen Bescheiden. Dass der Bescheid vom 09.12.2020 an den Kläger zu 1 adressiert ist, beruht allein auf der Tatsache, dass dieser Bevollmächtigter der Klägerin zu 2 ist.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, da - wie bereits das SG ausgeführt hat -im vorliegenden Verfahren ein kostenrechtlich privilegierter Kläger (hier die Klägerin zu 2) und ein anderer (hier der Kläger zu 1) nicht von § 183 SGG erfasster Beteiligter gemeinsam, also in subjektiver Klagehäufung, auftreten. Der Gesetzgeber hat diese kostenrechtliche Situation nicht geregelt. Für die hier vorliegende subjektive Klagehäufung kann jedoch - immer bezogen auf den jeweiligen Rechtszug (dazu BSG, Urteil vom 26.09.2006 - B 1 KR 1/06 R - juris Rn 32) - nur eine einheitliche Kostenregelung getroffen werden (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 29.05.2006, - B 2 U 391/05 B - und Beschluss vom 26.07.2006, - B 3 KR 6/06 B -).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.