L 12 SB 3075/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 3003/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 SB 3075/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27.07.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Bei dem 1978 geborenen Kläger wurde ein GdB von 30 ab 01.01.2014 festgestellt (Bescheid vom 17.06.2014). Dem lag die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 13.06.2015 zugrunde, in der in Auswertung des Entlassberichtes der Kliniken S vom 15.05.2014 die Multiple Sklerose (MS) einschließlich Störungen der Koordination, Depression, Uveitis intermedia mit einem Einzel-GdB von 30 eingeschätzt und gleichzeitig der Gesamt-GdB mit 30 für zutreffend erachtet wurde.

Am 09.03.2015 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin H sowie Dr. D von der Universitäts-Augenklinik T und deren Auswertung durch den versorgungsärztlichen Dienst, empfahl dieser die Beibehaltung des bisherigen GdB, da eine wesentliche Verschlimmerung der MS (Erstdiagnose 1996/1997) nicht eingetreten sei. Dem folgend lehnte der Beklagte den Antrag auf Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 23.06.2015 ab.

Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch holte der Beklagte nochmals Befundberichte bei den behandelnden Ärzten ein, u.a. bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin H. Dieser verwies wie bereits zuvor auf bestehende Schluckbeschwerden, Blasenschwäche, allgemeine Erschöpfung und Müdigkeit bei Schlaf- bzw. Einschlafstörungen (Befundbericht vom 17.09.2015).

Der versorgungsärztliche Dienst, dem die ärztlichen Unterlagen zugeleitet wurden, vermochte weiterhin keine Verschlimmerung festzustellen und führte bezüglich der MS aus, neurologisch bestehe annähernd ein Normalbefund, Hirnnerven und Reflexe seien unauffällig. Im Rahmen der Grunderkrankung bestehe eine leichtgradige Urininkontinenz, eine geringe Schluckstörung sowie eine Fatigue, in welcher die Erschöpfung und Schlafstörung enthalten seien. Die im Zusammenhang mit der MS stehende Uveitis intermedia habe sich sehr gut erholt.

Der Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2015 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 17.11.2015 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zu deren Begründung u.a. darauf verwiesen, dass die Augenerkrankung ein dreimal wöchentliches Spritzen erfordere, ferner wegen der erhöhten Reizbarkeit und dem teilweise aggressiven Verhalten eine Psychotherapie sowie eine Psychopharmakatherapie durchgeführt werde und neuerdings ein Schlafapnoe-Syndrom sowie Schulterbeschwerden rechts bestünden.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen und sodann ein Gutachten bei der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N-S eingeholt.

Dr. B, Facharzt für HNO-Heilkunde, hat unter dem 29.03.2016 mitgeteilt, es bestehe ein obstruktives Schlafapnoesyndrom, das mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei.

Dr. R, Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, hat in seiner Auskunft vom 29.04.2016 die Diagnosen einer Tendinitis der Supraspinatus- und der langen Bizepssehne mit Begleitbursitis bei geringgradiger AC-Gelenksarthrose am rechten Schultergelenk gestellt und eine aktiv freie Beweglichkeit beschrieben.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie G hat unter dem 17.05.2016 eine Befundverschlechterung insoweit beschrieben, als eine rasche Erschöpfbarkeit sowie kognitive Defizite bestünden, die bislang nicht vorhanden gewesen seien.

Dr. D hat aufgrund einer Untersuchung am 14.04.2016 die mit der MS assoziierte beidseitige Uveitis intermedia mit einem Einzel-GdB von 0 bewertet. Der Facharzt für Allgemeinmedizin H hat über eine Zunahme des Fatigue-Syndroms und der ständigen Schlafstörungen mit hierdurch bedingter erhöhter Reizbarkeit berichtet (Auskunft vom 13.07.2016).

Dr. N-S ist in ihrem Gutachten vom 26.11.2016 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beeinträchtigungen durch die MS, die in drei Funktionssystemen vorliegen würden, minimal seien. Die Einschränkung der koordinativen Leistungen würde sich nur unter erschwerten Bedingungen, nämlich bei Augenschluss und Tandemgang mit einer leichten Stand- bzw. Gangunsicherheit zeigen. Die im Zusammenhang mit der MS stehende und vom Kläger beklagte Störung der Blasenentleerung mit Nachträufeln sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Bezüglich der im Rahmen der MS weiterhin zu berücksichtigenden Fatigue im Sinne einer vermehrten Erschöpfbarkeit in kognitiver und motorischer Hinsicht sei eine exakte Einschätzung der Beeinträchtigung schwierig, da hier Überlappungen zum Schlafapnoe-Syndrom und zur Dysthymie bestünden. Trotz der nur minimalen Einschränkungen durch die MS sei unter Berücksichtigung der Nebenwirkungen des dreimal wöchentlich zur Behandlung der Uveitis einzunehmenden Beta-Interferons für die neurologische Erkrankung ein Einzel-GdB von 20 zu rechtfertigen. Ferner bestehe eine Dysthymie. Diese sei bei überwiegend leichten Symptomen mit Blick auf die durchgeführte Medikation im oberen Bemessungsrahmen anzusiedeln und mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Insgesamt sei der GdB auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet mit 30 einzuschätzen. Unter Berücksichtigung des seit September 2015 bestehenden Schlafapnoe-Syndroms bei unkomplizierter Maskenbeatmung, welches mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei, betrage der Gesamt-GdB 40 ab September 2015.

Das vom Beklagten unterbreitete Vergleichsangebot vom 01.09.2016, den GdB mit 40 ab 18.09.2015 festzustellen, hat der Kläger nicht angenommen.

Zuletzt hat der Kläger den Befundbericht der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie T vom 27.07.2017 vorgelegt, wonach eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige depressive Episode, bestehe.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.07.2018 hat das SG den Beklagten verurteilt, den GdB ab 18.09.2015 mit 40 festzustellen und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Gegen den dem Kläger am 06.08.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 28.08.2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er macht geltend, die MS sei mit einem Einzel-GdB von 50 und die Dysthymie sowie das Schlafapnoe-Syndrom jeweils mit mehr als 20 zu bewerten, sodass insgesamt ein GdB von 70 gerechtfertigt sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27.07.2018 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2015 zu verurteilen, bei ihm den GdB mit mindestens 70 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zunächst die Psychotherapeutin Händle als sachverständige Zeugin befragt und sodann von Amts wegen ein Gutachten bei Prof. Dr. Steinert, Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg, Ravensburg und auf Antrag des Klägers ein Gutachten bei Dr. Wennrich, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, eingeholt.

Die Psychotherapeutin H1 hat unter dem 22.01.2020 die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung (gegenwärtig schwere Episode), einer Dysthymia mit struktureller Neigung zu depressiver Erlebnisverarbeitung, ferner Impulskontrollstörungen und Schlafstörungen gestellt.

Prof. Dr. S1 hat in seinem Gutachten vom 13.05.2020 ausgeführt, die MS sei wegen des sehr günstigen Verlaufs mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Ferner bestehe eine depressive Störung, für die ein höherer GdB als 20 nicht in Betracht komme, da der Antrieb nicht vermindert, die Interessen erhalten, wesentliche Selbstwertprobleme oder Schuldgefühle nicht zu eruieren seien und eine wesentliche Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit bei voller Berufstätigkeit nicht vorliege. Für das Schlafapnoesyndrom hat der Sachverständige einen Einzel-GdB von 20 für angemessen erachtet und er hat dem Fatigue-Syndrom, das nicht einer einzelnen Erkrankung zugeordnet werden könne, eine zusätzliche Beeinträchtigung zugesprochen und mit einem Einzel-GdB von 20 berücksichtigt. Insgesamt sei ein Gesamt-GdB von 40 gerade noch zu rechtfertigen.

Dr. W ist demgegenüber in seinem Gutachten vom 13.12.2020 unter Mitberücksichtigung des neuropsychologischen Zusatzgutachtens von Dipl. Psychologin Dr. N vom 18.02.2021 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gesamt-GdB 50 betrage. Bei dem Kläger liege eine MS mit einer ausgeprägten Fatigue und einer Dranginkontinenz neben einer Dysthymie in Kombination mit rezidivierenden Episoden vor. Zum anderen seien eine Uveitis intermedia und ein Schlafapnoe-Syndrom zu diagnostizieren. Für die MS, ohne Berücksichtigung von Folgeschäden, sei ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Die im Zusammenhang mit der MS stehende Dranginkontinenz rechtfertige formal einen Einzel-GdB von 0 bis 10, mit Blick auf die hiermit verbundene narzisstische Kränkung sei jedoch ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Die Dysthymie mit rezidivierenden depressiven Episoden und die testpsychologisch nachgewiesene kognitive Fatigue würden zu einer erheblichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit führen und seien mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten. Der Einzel-GdB für die Uveitis intermedia betrage 20.

Der Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend, folgt im Ergebnis dem Sachverständigen Prof. Dr. S1 und Dr. N-S und wendet sich gegen die Einschätzung von Dr. W1 unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. W1 vom 04.06.2021.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27.08.2021, der Kläger mit Schriftsatz vom 27.08.2021 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen. 

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden kann, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist aber unbegründet.

Streitgegenständlich ist der Gerichtsbescheid vom 27.07.2018, mit welchem das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2015 verurteilt hat, beim Kläger den GdB ab 18.09.2015 mit 40 festzustellen und im Übrigen die Klage abgewiesen hat.

Rechtsgrundlage für die von dem Kläger begehrte Neufeststellung des GdB ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.1986, 9a RVs 55/85, juris m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 29.04.2010, B 9 SB 2/09 R; Urteil vom 10.09.1997, 9 RVs 15/96, beide in juris). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Anspruchsgrundlage für die GdB-Feststellung ist § 2 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in den bis zum 31.12.2017 und ab dem 01.01.2018 geltenden Fassungen in Verbindung mit § 69 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung. Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese – da Übergangsregelungen fehlen – nach dem Grundsatz anzuwenden, dass die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, welches zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände jeweils gegolten hat (BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris; BSG, Urteil vom 04.09.2013, B 10 EG 6/12 R, juris; vergleiche Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-143).

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. 

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.

Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 153 Abs. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine – also nicht nur für die medizinische – Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass – soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG in der bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der ab dem 01.07.2011 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ (AHP) getretene Anlage VG zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) sowie das Gesetz vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem 2. Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem 3. Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris). Nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.

Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, a.a.O.). Nach dieser Maßgabe sind die Funktionsbeeinträchtigungen beim Kläger ab 18.09.2015 nicht mit einem höheren Gesamt-GdB als 40 zu bewerten und ist auch die Bewertung mit einem Gesamt-GdB von 30 bis 17.09.2015 nicht zu beanstanden.

1. Im Vordergrund des Beschwerdebildes stehen bei dem Kläger die Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Dabei handelt es sich um die MS, für die in den VG, Teil B – worauf das SG zutreffend hingewiesen hat – keine GdB-Grade festgelegt sind. Der GdB bei dieser Erkrankung richtet sich nach den für Hirnschäden in den VG, Teil B, Nr. 3.1 vorgegebenen Werten. Bestimmend für die Bemessung des GdB ist nach den VG, Teil B, Nr. 3.1 Buchst. b das Ausmaß der bestehenden Ausfallserscheinungen. Dabei sind der neurologische Befund, die Ausfallserscheinungen im psychischen Bereich unter Würdigung der prämorbiden Persönlichkeit und ggf. das Auftreten von cerebralen Anfällen zu beachten. Bei der Mannigfaltigkeit der Folgezustände von Hirnschädigungen kommt ein GdB zwischen 20 und 100 in Betracht. Dabei sehen die in den VG, Teil B, Nr. 3.1.1 niedergelegten Grundsätze bei der Bewertung von Hirnschäden folgende Einteilung vor: Für Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung ist ein GdB-Rahmen von 30 bis 40, mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung ein GdB-Rahmen von 50 bis 60 und mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung ein GdB-Rahmen von 70 bis 100 vorgesehen.

Beim Kläger ist die Diagnose einer MS gesichert. Seit der Erstdiagnose im Jahr 1996/1997 ist es jedoch zu keinen weiteren Krankheitsschüben gekommen, sodass die Krankheitsaktivität als gering einzuschätzen ist. Die initial stärker ausgebildete Koordinationsstörung hat sich weitgehend zurückgebildet. Es bestehen lediglich minimale Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen, die jedoch im Grenzbereich des Gesunden liegen und – so Prof. Dr. S1 – nicht sicher als pathologisch einzuordnen sind. Auch Dr. N-S hat lediglich einen kleinen Ausfallschritt nach links im Romberg-Stehversuch festgestellt, wobei hier die Augen geschlossen waren und nur beim Tandemgang (ein Fuß wird vor den anderen gesetzt) eine leichte Unsicherheit festgestellt und den von ihr erhobenen neurologischen Befund deshalb zu Recht als unauffällig gewertet.

Ferner besteht eine verminderte Kontinenz in Form eines Nachtröpfelns nach dem Wasserlassen, bei der es sich um eine MS-assoziierte Symptomatik handelt und die – so Dr. N-S – als minimale Beeinträchtigung einzuschätzen ist (welche von Prof. Dr. S1, da vom Kläger bei der Untersuchung nicht angegeben, sogar als nicht vorhanden gewertet wurde). Der MS zuzuordnen ist ferner die Nebenwirkung durch die immunmodulatorische Behandlung mit Beta-Interferon, die unter der dreimal wöchentlich erforderlichen Medikation zeitweise Schüttelfrost und ein grippeähnliches Krankheitsgefühl verursacht, bei der Einnahme einer Schmerzmedikation jedoch wieder verschwindet.

Insgesamt geht der Senat – gestützt auf die Sachverständigen Dr. N-S und Prof. Dr. S1 – von einer minimalen Beeinträchtigung durch die MS aus, sodass ein Hirnschaden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung, der einen Bewertungsrahmen von 30 bis 40 eröffnet, nicht angenommen werden kann und ein Einzel-GdB von 20 angemessen ist. Auch der Wahlgutachter Dr. W hat den GdB für die MS mit 20 bewertet. Der Ansicht von Dr. W, für die Inkontinenz einen Einzel-GdB von 20 anzusetzen, kann der Senat nicht folgen. Selbst wenn dem Sachverständigen dahingehend gefolgt wird, dass für die Inkontinenz ein Einzel-GdB festzustellen sei, so erreicht der GdB keinesfalls den Wert von 20. Denn Dr. W hat entsprechend den VG, Teil B, Nr. 12.2.4 lediglich den Schweregrad I für gegeben und damit einen GdB-Rahmen von 0-10 für eröffnet erachtet. Eine Höherbewertung kann auch nicht mit Verweis auf die mit einer Inkontinenz verbundenen psychischen Belastungen begründet werden, sind doch nach den VG, Teil A, Nr. 2 Buchst. i bei den in der GdB-Tabelle niedergelegten Sätze die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (z.B. bei Entstellung des Gesichts, Verlust der weiblichen Brust) bereits berücksichtigt. Nur dann, wenn die seelischen Begleiterscheinungen erheblich höher als aufgrund der organischen Veränderungen zu erwarten wären, ist ein höherer GdB gerechtfertigt (VG, Teil A, Nr. 2 Buchst. i.). Die von Dr. W im Zusammenhang mit der Inkontinenz angeführte narzisstische Kränkung, ohne dass weitergehende Ausführungen zum Ausmaß eines etwaigen Leidensdrucks gemacht werden, ist jedenfalls zu pauschal und vermag einen höheren GdB nicht zu begründen.

Beim Kläger besteht ferner eine seelische Störung, die insgesamt mit einem GdB von 20 zu bewerten ist. Zunächst ist festzuhalten, dass für die Bewertung der aus der psychischen Störung folgenden Funktionsbeeinträchtigungen die VG, Teil B, Nr. 3.7 (Neurosen, Persönlichkeitsstörung, Folgen psychischer Traumen) zugrunde zu legen sind. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob und in welchem Maße soziale Anpassungsstörungen vorliegen (vgl. hierzu Wendler/Schillings, Versorgungsmedizinische Grundsätze, 9. Auflage, 2018, S. 165).

Gemäß den VG, Teil B, Nr. 3.7 sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Einzel-GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Einzel-GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Einzel-GdB von 80 bis 100 zu bewerten.

Gestützt auf die Sachverständigen Dr. N-S und Prof. Dr. S1 geht der Senat davon aus, dass beim Kläger eine Dysthymie mit im Vordergrund stehendem leicht depressivem Affekt, leichter Antriebsminderung und Grübelzwang besteht. In psychisch-emotionaler Hinsicht liegen Beeinträchtigungen durch die depressiven Kognitionen, die vorwiegend morgens auftreten, durch die depressive Stimmung und die vermehrte Reizbarkeit vor. In sozial-kommunikativer Hinsicht liegen leichtgradige Beeinträchtigungen durch Konflikte mit der Ehefrau, aufgrund der vermehrten Reizbarkeit und ein leichter sozialer Rückzug vor. Zu Beziehungsabbrüchen oder Schwierigkeiten im Erwerbsleben ist es nicht gekommen. In körperlich-funktioneller Hinsicht liegen Einschränkungen durch die Einschlafstörungen bei Grübelneigung und die vermehrte Erschöpfung vor. Beeinträchtigungen im Konzentrationsvermögen oder der Merkfähigkeit sowie des Gedächtnisses konnten in den Untersuchungen weder von Dr. N-S noch von Prof. Dr. S1 erhoben werden. Auch der Bericht der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie T hat keinerlei Beeinträchtigungen der mnestischen Funktionen befundet und im Übrigen ebenfalls nur einen leicht reduzierten Antrieb, eine leicht gedrückte Affektlage und eine eingeschränkte Schwingungsfähigkeit festgestellt.

In Anwendung der VG, Teil B, Nr. 3.7 ist die Bewertung der seelischen Erkrankung mit einem Einzel-GdB von 20 zutreffend. Dies entspricht leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen. Vor dem Hintergrund der vollschichtigen Berufstätigkeit, der Fähigkeit, in der Freizeit den Umbau und die Renovierung des Eigenheimes voranzutreiben sowie dem Hobby Segeln nachzugehen, kann von stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, welche einen Einzel-GdB von 30 bis 40 rechtfertigen könnte, nicht angenommen werden.

Bei der Bewertung mit einem Einzel-GdB von 20 ist das Fatigue-Syndrom bereits mitberücksichtigt. Das Fatigue-Syndrom ist nach den VG, Teil B, Nr. 18.4 jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen. Für die vom Kläger beklagte vermehrte Erschöpfbarkeit in kognitiver und motorischer Hinsicht kommt als Vergleichsmaßstab die in den VG, Teil B, Nr. 3.7 aufgeführten psychovegetativen oder psychischen Störungen in Betracht, sodass die Grundsätze für die Beurteilung von psychovegetativen und psychischen Störungen analog heranzuziehen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.09.2015, L 11 SB 35/13; Wendler/Schillings, a.a.O., S. 350 ff.). Vor dem Hintergrund, dass die Dysthymie ebenfalls mit einer Erschöpfung einhergeht und dies dort bei der GdB-Bewertung bereits berücksichtigt wurde, kommt ein höherer GdB nicht in Betracht. Im Übrigen hat Dr. N-S auf die Inkonsistenz hinsichtlich der vom Kläger im Fragebogen (Fatigue-Scala für Motorik und Kognition) angegebenen schwergradigen Fatigue einerseits und der Schilderung des Tagesablaufs und der aktiven Wochenend-Gestaltung andererseits hingewiesen.

Soweit Dr. W die Dysthymie und rezidivierende Depression sowie die Fatigue insgesamt mit einem GdB von 40 eingeschätzt hat, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Bei den von ihm angenommenen kognitiven Einschränkungen, die er maßgeblich seiner Bewertung zu Grunde gelegt hat, hat er sich vor allem auf die eigenen Angaben des Klägers gestützt, ohne diese anhand des psychopathologischen Befundes zu überprüfen sowie durch Fremdbeurteilungstests zu verifizieren. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist auch seinen Ausführungen nicht zu entnehmen.

Entsprechend der Vorgabe der VG, Teil A, Nr. 2 Buchst. b ist der GdB für das Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ zusammenfassend zu beurteilen, sodass sich für die Beeinträchtigungen auf neurologischem sowie psychiatrischem Fachgebiet insgesamt ein Einzel-GdB von 30 ergibt.

2. Für das Schlafapnoe-Syndrom ist seit der Diagnose am 18.09.2015 ein Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen. Nach den VG, Teil B, Nr. 8.7 ist bei Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung ein Einzel-GdB von 20 vorgesehen.

3. Die Beschwerden im Bereich der Schultern erreichen keinen Einzel-GdB von 10 und sind damit nicht GdB-relevant, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer eigenen Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

4. Die Uveitis intermedia hat sich nach den Ausführungen von Dr. D gut zurückgebildet und Funktionsbeeinträchtigungen im Sehvermögen in GdB-relevantem Ausmaß nicht hinterlassen. Soweit Dr. W (fachfremd) einen Einzel-GdB von 20 für angemessen erachtet hat, fehlt jegliche Begündung. Die Nebenwirkungen durch die Behandlung der Erkrankung mit einem Beta-Interferon sind bei der Bewertung der MS bereits berücksichtigt und können nicht erneut in Ansatz gebracht werden.

5. Ein Restless-Legs-Syndrom konnte bei den gutachterlichen Untersuchungen nicht sicher diagnostiziert werden und vermag deshalb keinen Eingang in die GdB-Bewertung zu finden. Auch der Kläger hat zuletzt ein Restless-Legs-Syndrom nicht weiter geltend gemacht.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Einzel-GdB-Werte und der bereits dargelegten Grund­sätze für die Bildung des Gesamt-GdB kommt ein solcher von 50, wie vom Kläger begehrt, nicht in Betracht. Ausgehend von einem Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem „Gehirn und Psyche“ sowie eines Einzel-GdB von 20 für das Schlafapnoe-Syndrom und damit für das Funktionssystem „Atmung“ ist der Gesamt-GdB mit 40 ab 18.09.2015 zutreffend festgestellt. Denn nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d, ee ist es auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Dass der Gesamt-GdB ab 18.09.2015 zutreffend mit 40 einzuschätzen ist, ergibt sich auch daraus, dass nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Bemessung des Gesamt-GdB ein Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern anzustellen ist, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind. So ist ein GdB von 50 beispielsweise nach den VG, Teil B, Nr. 3.7. bei einer schweren psychischen Störung, z.B. einer schweren Zwangskrankheit anzunehmen. Hinter einer solch gravierenden Funktionsbehinderung bleiben die bei dem Kläger dokumentierten Einschränkungen zurück. Für die Zeit vor Feststellung des Schlafapnoe-Syndroms beträgt der Gesamt-GdB 30, insoweit folgt der Senat vollumfänglich dem SG und sieht von weiteren Ausführungen ab.

Der Sachverhalt ist aufgeklärt. Weitere Ermittlungen von Amts wegen sind nicht veranlasst. Soweit der Kläger gestützt auf das Gutachten von Dr. W die Bewertung der Inkontinenz und der Uveitis mit einem Einzel-GdB von jeweils 20 für zutreffend und deshalb die Einholung von weiteren Gutachten für erforderlich erachtet hat, ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht geboten. Seinem Vorbringen ist keine Verschlechterung im Gesundheitszustand zu entnehmen, die eine weitere Ermittlung begründen würde. Die bloße Bewertung des GdB ist tatrichterliche Aufgabe und erfordert nicht die Einholung eines Gutachtens. Im Übrigen hat Dr. W die Notwendigkeit eines augenärztlichen Gutachtens mit Blick auf den klinisch stabilen Verlauf verneint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. 

Rechtskraft
Aus
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