L 7 R 1827/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1995/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 1827/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der am 16. November 1970 geborene Kläger hat den Beruf des Kfz-Elektrikers erlernt und anschließend eine entsprechende Meisterqualifikation erworben. Von 1998 bis 2005 war er im elterlichen Kfz-Betrieb selbständig tätig. Seit 2006 war er in einem Kfz-Betrieb versicherungspflichtig beschäftigt und gab die Tätigkeit im Jahr 2007 aus gesundheitlichen Gründen auf. Wegen verschiedener gesundheitlicher Einschränkungen im internistischen Bereich bewilligte ihm die Beklagte bereits in den Jahren 2008 bzw. 2010 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Gestalt von Umschulungen zum Automobilkaufmann bzw. Einzelhandelskaufmann. Beide Maßnahmen wurden seitens der Beklagten aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten des Klägers abgebrochen. In den Jahren 2007 und 2011 nahm er jeweils an von der Beklagten getragenen medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen auf internistischem Fachgebiet teil (Reha-Klinik H. bzw. R.klinik). Im Anschluss war er arbeitsunfähig erkrankt bzw. arbeitslos.

Einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 13. August 2012 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. September 2012 und Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2013 ab.

Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (S 6 R 687/13). Nach Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen ließ das SG den Kläger zunächst durch den Internisten Burkhardt begutachten. Nach Einholung einer lungenfachärztlichen Zusatzuntersuchung bei Dr. T. am 19. Dezember 2013 stellte der Gutachter im Gutachten vom 31. Januar 2014 folgende Diagnosen:

  1. Zustand nach Aorten- und Mitralklappenersatz, rezidivierende supraventrikuläre Tachykardien, Dauerantikoagulation mit Marcumar, arterielle Hypertonie,
  2. Leichte kombinierte Lungenventilationsstörung,
  3. Chronische Diarrhoe, Zustand nach gastrointestinaler Blutung 2006,
  4. Chronisch-rezidivierendes LWS-Syndrom,
  5. Rezidivierende Nephrolithiasis, Zustand nach akutem Nierenversagen,
  6. Zustand nach mehrmaliger Halbseitensymptomatik, rezidivierende Schwindelanfälle,
  7. Ängstlich-depressive Anpassungsstörung mit Somatisierungstendenz und Hyperventilationsneigung.

Seitens der Gesundheitsstörungen auf internistischem Fachgebiet sei die Leistungsfähigkeit des Klägers insoweit eingeschränkt, als ihm keine schweren und keine durchgehend mittelschweren körperlichen Arbeiten mehr zugemutet werden könnten, insbesondere kein Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten, des Weiteren keine Tätigkeiten unter erhöhtem Zeitdruck oder sonstiger überdurchschnittlicher Stressbelastung (z.B. Akkordarbeit, Wechselschicht oder Nachtdienst) und wegen der Dauerantikoagulation keine Arbeiten mit erhöhter Unfallgefährdung. Ebenfalls nicht mehr zumutbar seien Arbeiten, die mit regelmäßigem Einwirken von widrigen Klimaeinflüssen (Kälte, Nässe, Zugluft) oder Lungenreizstoffen (Staub, Dämpfe, Gase) verbunden sind, des Weiteren keine Tätigkeiten mit häufigem, regelmäßigem Bücken und Knien und wegen der rezidivierenden Schwindelanfälle auch keine Arbeiten mit Absturzgefahr (z.B. auf Dächern, Leitern und Gerüsten). Am Arbeitsplatz müsse sich eine Toilette jederzeit in erreichbarer Nähe befinden. Unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen könnten leichte und gelegentlich auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten noch vollschichtig (sechs Stunden und mehr) ausgeübt werden. Beschränkungen des Arbeitsweges bestünden nicht.

Des Weiteren holte das SG bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. S. ein psychiatrisches Gutachten ein. Im Gutachten vom 22. September 2014 stellte der Gutachter folgende Diagnosen:

  1. Leichte depressive Störung,
  2. Generalisierte Angststörung mit phobischen Zügen,
  3. Somatisierungsstörung.

Nach eigenanamnestischen Angaben und aktenkundigen Vorbefunden seien zusätzlich ein Tinnitus aurium sowie ein Zustand nach transitorisch ischämischer Attacke 06/2011 zu diagnostizieren. Diese Gesundheitsstörungen führten zu Beeinträchtigungen der psychovegetativen Stressbelastbarkeit, der kognitiven Spitzen- und Ausdauerleistungsfähigkeit. Unter Berücksichtigung der weiterhin vorliegenden körperlichen Gesundheitsstörungen ergäben sich weitere Funktionsstörungen in Bezug auf die Koordinierungsfähigkeit, die ableistbare Arbeitsschwere sowie die Exposition gegenüber weiteren situativen Belastungs- und Gefährdungsmomenten. Die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen sowie die vordiagnostizierten somatischen Gesundheitsstörungen führten zu diversen qualitativen Leistungsdefiziten. Die Ausdauerleistungsfähigkeit sei hierdurch jedoch nicht beeinträchtigt. Der Kläger selber habe eine weitgehende Ausdauerleistungsdefizienz beschrieben, die so jedoch nicht zu objektivieren gewesen sei. Auch vor dem Hintergrund des vom Kläger im Rahmen der mehrstündigen Untersuchungssitzung gezeigten Leistungsvermögens sei er dazu in der Lage, berufliche Tätigkeiten, die den qualitativen Leistungsdefiziten Rechnung trügen, vollschichtig, d.h. bis zu acht Stunden an fünf Tagen pro Woche abzuleisten. Diese Leistungsbeurteilung entspreche eben nicht der leistungsbezogenen Selbsteinschätzung des Klägers, der sich jedoch nicht realistisch selbst beschreibe. Es hätten sich, auch unter Berücksichtigung der aktenkundigen Vorbefunde, keine Hinweise auf Krankheitsgründe, die gegen die Bewältigung üblicher Strecken zu und von Arbeitsplätzen zu Fuß sprechen würden, ergeben. Während die vom Kläger angegebene Vermeidung des Fahrens eines Pkw auf längeren Strecken krankheitsbedingt nachvollziehbar sei, spreche jedoch nichts gegen ein strukturiertes Benutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln, gegebenenfalls unter vorangegangenem systematischem Expositionstraining.

Mit Urteil vom 5. Dezember 2014 wies das SG die Klage ab. Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 4 R 5294/14) schlossen die Beteiligten einen Vergleich, in dessen Rahmen sich die Beklagte zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach verpflichtete.

Am 16. November 2015 begann der Kläger mit einer bis 18. Dezember 2015 dauernden Maßnahme zur Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk B. , an der er jedoch wegen erneuter Arbeitsunfähigkeit nur bis 25. November 2015 teilnahm. Nach dem Ergebnisbericht vom 7. Januar 2016 wurde ausgeführt, in Anbetracht der Gesamtergebnisse sei die Überprüfung der Erfüllung der Voraussetzungen einer (Teil‑)Erwerbsminderungsrente zu erwägen, um den Kläger gesundheitlich und körperlich wieder zu kräftigen. Außerdem werde eine weitergehende begleitende psychische Stabilisierung als indiziert angesehen, welche durch eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme und/oder eine psychotherapeutische Begleitung realisiert werden könnte. Aufgrund des aktuellen gesundheitlichen Zustandes bleibe gegebenenfalls eine Stabilisierung abzuwarten, bevor eine Überprüfung der Möglichkeiten für die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit erneut durchgeführt werden könne.

Am 17. Februar 2016 stellte der Kläger bei der Beklagten erneut einen Antrag auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Nach Beiziehung und Auswertung von medizinischen Befundunterlagen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Oktober 2016 den Antrag ab. Den im Wesentlichen auf den Ergebnisbericht des Berufsförderungswerks B.  gestützten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2017 zurück.

Am 30. Juni 2017 hat der Kläger Klage zum SG erhoben. Zur Begründung beruft er sich weiterhin auf die Ausführungen im Bericht des Berufsförderungswerk B.  vom 7. Januar 2016, wonach Anlass für eine erneute weitergehende Sachverhaltsaufklärung bestanden habe. Aufgrund der bei ihm bestehenden massiven Multimorbidität bei nicht nur schwer eingeschränkter körperlicher, sondern auch schwer eingeschränkter psychischer Belastbarkeit, sei sein Leistungsvermögen selbst für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf jedenfalls unter sechs Stunden täglich reduziert.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Hausarzt des Klägers Dipl.-Med. H. hat unter dem 7. November 2017 mitgeteilt, es bestehe eine Einschränkung der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit durch die kardiale Problematik mit Herzinsuffizienz NYHA II sowie depressiver Fehlentwicklung und zusätzlich jetzt auch von orthopädischer Seite chronisch rezidivierende Lumboischialgien.

Der Kläger hat medizinische Berichte aus den Jahren 2016 und 2017 (Bl. 36/121 SG-Akten) vorgelegt, u.a. das vom Landgericht Mosbach (2 OH 9/15) eingeholte Gutachten des Dr. S. vom 28. November 2016.

Ferner hat das SG ein internistisches Gutachten bei dem Facharzt für Innere Medizin Dr. B. eingeholt. Dieser hat im Gutachten vom 3. September 2018 (Bl. 142/213 SG-Akten) folgende Diagnosen gestellt:

  1. Folgezustand nach Aorten- und Mitralklappenersatz durch mechanische Doppelflügelprothesen nach Staphylokokkus aureus-Sepsis mit Endokyokarditis; rückfällige AV-Knoten-Reentry-Tachykardien; orale Dauerantikoagulation mit Phenprocoumon (Marcumar) und Selbstkontrolle; arterielle Hypertonie; Ausschluss einer hypertensiven Herzkrankheit bei ausreichender linksventrikulärer Pumpfunktion,
  2. Leichtgradige, derzeit klinisch nicht relevante hypochrome mikrozitäre Anämie mit einem Hämoglobinwert von 12,6 g/dl bei vordergründigem Eisenmangel und nachrangiger Hämolyseaktivität an den mechanischen Klappenprothesen,
  3. Folgenloser Zustand nach dreimaliger sensibler Halbseitensymptomatik, differentialdiagnostisch auch Hyperventilationseffekt; rückfällig Schwindelzustände,
  4. Periphere Atemflusslimitierung ohne relevante obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung,
  5. Folge nach Yersiniose, oberer und unterer Gastrointestinalblutung mit anamnestisch seither permanenten, hochfrequenten wässrigen Durchfällen ohne über Eisenmangel hinausgehende Mangelerscheinungen,
  6. Folgenloser Zustand nach Hanta-Virusinfektion mit akutem Nierenversagen, abgegangenes linksseitiges Harnleiterkonkrement ohne Hinweis auf fortbestehende Nephrolithiasis oder Nierenfunktionsstörung,
  7. Rückfälliges pseudoradikuläres Lendenwirbelsäulensyndrom bei gegenwärtig kleinem, medialem Bandscheibenprolaps L 4/5 und beidseitigen mittelgradigen Spondylarthrosen ohne Spinalkanalstenose,
  8. Autonome somatoforme Störung mit Anpassungsstörung, Somatisierungsstörung und Hyperventilationsneigung.

Es bestehe ein eingeschränktes Leistungsvermögen. Dieses sei jedoch ausreichend für leichte bis kurzzeitig mittelschwere Männerarbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausgeglichener Körperhaltung fortgesetzt im Gehen, Stehen und Sitzen. Diese Tätigkeiten beinhalteten keine unmittelbare Gefährdung für die Gesundheit. Einschränkungen ergäben sich hinsichtlich der geistig-psychischen Belastbarkeit, insbesondere seien erhöhter Zeitdruck (Fließband- und Akkordarbeit), Wechselschicht und Nachtschicht der Gesundheit des Klägers abträglich. Auszuschließen seien auch erhöhte Anforderungen an das Auffassungs- und Konzentrationsvermögen wie etwa Tätigkeiten an laufenden Maschinen sowie Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Sachwerte. Weitere Ausschlusskriterien seien Lärmeinwirkung, besondere Anforderungen an das Gehör, Vibrationen, besondere Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen. Nicht zumutbar seien auch dauerhaftes oder ständiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über zehn Kilogramm Gesamtgewicht sowie einseitige Körperhaltungen und Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufiges Treppensteigen, Knien oder Bücken, Tätigkeiten mit unsicherem Stand, auf Leitern und Gerüsten, mit erhöhter Unfall‑ und Absturzgefahr und Tätigkeiten mit erhöhter Infektionsgefahr. Besondere Arbeitsbedingungen seien dahingehend unerlässlich, dass im Hinblick auf die reklamierten, aber nicht konsistent nachvollziehbaren Durchfälle die Verfügbarkeit einer schnell erreichbaren Toilette gewährleistet sein sollte. Wegefähigkeit sei gegeben.

Auf Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten hat Dr. B. unter dem 6. Dezember 2018 (Bl. 220/222 SG-Akten) erneut Stellung genommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. Mai 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe zwar bereits in relativ jungen Jahren erhebliche Erkrankungen, insbesondere im Bereich des Herzens, durchgemacht. Die objektivierbaren dauerhaft verbliebenen Folgen schränkten das berufliche Leistungsvermögen aber nur hinsichtlich der Art der noch möglichen Arbeiten ein. Zu dieser Einschätzung sei das Gericht insbesondere aufgrund des überzeugenden Gutachtens des erfahrenen Sachverständigen Dr. B. gelangt. Dieser habe die Aktenlage und Krankheitsvorgeschichte umfassend ausgewertet und sodann aufgrund sorgfältiger Anamnese und Befunderhebung eine schlüssige Leistungsbeurteilung abgegeben. Insbesondere zeige die unauffällige Belastungsreaktion bei alters- und konstitutionsentsprechend ausreichender ergometrischer Belastbarkeit bis zur unvollendeten 125-Watt-Stufe ohne Hinweis auf Myokardischämie, hypertensive Entgleisung oder Herzrhythmusstörungen, dass keine gravierende krankheitsbedingte Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit bestehe. Auch die zur weiteren Abklärung auf Veranlassung von Dr. B. durch den Lungenfacharzt S. durchgeführte Bodyplethysmographie habe bestätigt, dass die Hyperventilationen des Klägers auch keine objektiv feststellbare Ursache im Bereich der Atemwege hätten. Die wesentliche Ursache für die Begrenzung der Leistungsfähigkeit des Klägers sei damit eine Hyperventilation, die ebenso wie die beklagten Durchfälle auf keine eindeutige körperliche Erklärung zurückzuführen sei. Ein Ausschluss jeglicher Berufstätigkeit im Umfang von sechs Stunden täglich lasse sich daraus nicht ableiten. Wesentliche weitergehende Erkenntnisse ergäben sich nicht aus der Auskunft des Hausarztes H. vom 7. November 2017 und auch nicht aus der Begutachtung im Zivilprozess vor dem Landgericht Mosbach. Auch dort sei aufgefallen, dass die beklagten gesundheitlichen Einschränkungen objektiv nicht vollständig erklärbar gewesen seien. Einer erneuten psychiatrischen Begutachtung habe es nicht bedurft, nachdem sich aus der gesamten medizinischen Sachverhaltsaufklärung keine wesentlichen Anhaltspunkte für richtungsweisende Veränderungen seit der gutachtlichen Untersuchung durch den Psychiater Prof. Dr. S. im Verfahren S 6 R 687/13 am 1. August 2014 ergeben hätten. Dieser habe seinerzeit den Gesundheitszustand des Klägers auf seinem Fachgebiet ausführlich begutachtet und eine generalisierte Angststörung sowie eine leichte depressive Störung herausgearbeitet, die mit den bereits berücksichtigten Einschränkungen hinsichtlich der Art der noch möglichen Arbeiten, nicht aber mit einer Einschränkung des sogenannten qualitativen Leistungsvermögens verbunden seien.

Am 3. Juni 2019 hat der Kläger Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Auf die Einwendungen des Klägers, dass der Gutachter Dr. B. die Belastung bereits nach 30 Sekunden abgebrochen habe, sei das Gericht nicht eingegangen und auch die schwere Anämie des Klägers, die aus dem Gutachten des Dr. S., der im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Landgericht Mosbach ein Gutachten über den Kläger erstattet hat, hervorgehe, sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Ferner beruft er sich erneut auf die Ausführungen im Bericht des Berufsförderungswerks B. . Auch mit der Wegefähigkeit des Klägers habe sich das SG nicht ausreichend auseinandergesetzt. Bei ihm lägen zahlreiche Einschränkungen insbesondere auf internistischen Fachgebiet vor, so dass eine Summierung von Leistungseinschränkungen vorliege.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Mai 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2017 zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen voller hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Februar 2016 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat den Hausarzt des Klägers H. sowie den Kardiologen Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. M. hat im Wesentlichen auf seine Arztbriefe verwiesen (Bl. 28/47 Senatsakten). Dipl.-Med. H. hat unter dem 14. Oktober 2019 (Bl. 50/52 Senatsakten) mitgeteilt, vorrangig bestehe eine persistierende, sich allmählich verschlechternde kardiale Belastbarkeit durch die Herzerkrankung bei Zustand nach Implantation einer Aorten- und Mitralklappe, es bestünden wiederkehrende Anämien durch eine mechanische Irritation der Erythrozyten. Es bestünden Versorgungsängste sowie Ängste vor apoplektischem Insult bei rezidivierenden transitorisch ischämischen Attacken und sekundärer depressiver Fehlentwicklung. Erschwerend seien jetzt zusätzlich rezidivierende Lumboischialgien bei degenerativen LWS-Veränderungen. Der sachverständige Zeuge hat eine Vielzahl von Arztbriefen seit 2006 vorgelegt (Bl. 57/298 Senatsakten).

Der Kläger hat hinsichtlich einer stationären Behandlung vom 22. bis 23. Dezember 2019 den Entlassbrief der N.-Klinik (vorläufig vom 23. Dezember 2019 bzw. endgültig vom 27. Dezember 2019; Bl. 312/316, 329/332 Senatsakten), den vorläufigen Entlassbrief über den stationären Aufenthalt vom 22. Januar 2020 (Bl. 321/321 Senatsakten) sowie den Bericht des Universitätsklinikum H. vom 29. Januar 2020 (Bl. 333/338 Senatsakten) über eine erfolgreiche Slow-Pathway-Ablation am 28. Januar 2020 vorgelegt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Gerichtsakten im Verfahren S 6 R 687/13 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), aber unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 6. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2017 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG), mit der er die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Februar 2016 geltend macht. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit macht der Kläger zu Recht nicht geltend, weil er nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist und damit von vornherein nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten dieser Rente gehört (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]).

Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zutreffend verneint. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2017 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung (Gesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn neben den oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben von Amts wegen (§ 103 SGG) mit Hilfe (medizinischer) Sachverständiger (§ 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG) zu ermitteln und festzustellen, a) Art, Ausprägung und voraussichtliche Dauer der Krankheit(en) oder Behinderung(en), an denen der Versicherte leidet, b) Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen (Minderbelastbarkeiten, Funktionsstörungen und -einbußen)  sowie den c) Ursachenzusammenhang („wegen“) zwischen a) und b) (z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris Rdnr. 13).

Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bezogen auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass der Kläger erwerbsgemindert ist. Das SG hat zutreffend dargelegt, dass bei dem Kläger Gesundheitsstörungen auf kardiologischem Fachgebiet im Vordergrund stehen, die daraus folgenden Beeinträchtigungen lediglich zu einer qualitativen Leistungseinschränkung, nicht jedoch zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich führen. Der Senat weist die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Etwas anderes folgt nicht aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren.

Soweit der Kläger behauptet, der Gutachter Dr. B. habe die Belastung bereits nach 30 Sekunden abgebrochen, ist dies durch die Ausführungen des Gutachters in der ergänzenden Stellungnahme vom 6. Dezember 2018 widerlegt, worauf schon das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid hingewiesen hat. An den vom Gutachter beschriebenen Befunden bestehen aufgrund der vorliegenden Fahrrad-Ergometrie-Dokumentation (Bl. 200 SG-Akten) keinerlei Zweifel.

Auch auf den Ergebnisbericht des Berufsförderungswerkes B.  vom 7. Januar 2016 kann der Kläger einen Anspruch auf die begehrte Rente wegen Erwerbsminderung nicht stützen. Der Bericht enthält keine medizinischen Befunde, die eine zeitlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit für qualitativ den Leistungseinschränkungen des Klägers entsprechende Tätigkeiten begründen. Vielmehr ist durch das Gutachten von Dr. B. und auch das im vorangegangenen Klageverfahren S 6 R 687/13 von Prof. Dr. S. erstattete Gutachten belegt, dass die vom Kläger beklagten Beschwerden nicht in einem solchen Umfang objektiviert werden können, dass von einer zeitlichen Leistungseinschränkung selbst für körperlich leichte Tätigkeiten ausgegangen werden könnte. In psychiatrischer Hinsicht konnte Prof. Dr. S. ein gravierendes depressives Syndrom im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung nicht feststellen. Zwar zeigte sich die Stimmungslage als herabgemindert und die emotionale Schwingungsfähigkeit als eingeengt, auch wurden Störungen der Vitalgefühle und ein Insuffizienzerleben festgesteilt. Hingegen fanden sich keinerlei Störungen von Antrieb, Ausdrucksverhalten, auch keine formalgedanklichen oder kognitiven Störungen. Symptome, wie sie sich bei schwerstgradiger Depression finden - etwa Ich-Störung, Wahnerleben oder Wahrnehmungsstörung - waren klar auszuschließen. Der Kläger beschrieb zwar im Beck‑Depressionsinventar ein schwer ausgeprägtes depressives Erleben. Bei strukturierter Fremdbeurteilung mittels der Hamilton-Depression-Scale ergab sich hingegen das Bild eines leichtgradigen depressiven Syndroms. Gegen eine schwere depressive Störung sprachen auch die erhobenen klinischen Befunde und die durchgeführten Behandlungen. Das breite Spektrum von körperlichen Beschwerden, dass bei der Begutachtung durch Prof. Dr. S. eigenanamnestisch zur Darstellung kam, ließ sich nach seinen schlüssigen Ausführungen so mit den auch aktenkundig vordokumentierten körperlichen Erkrankungen nicht bzw. nicht ausreichend erklären. Der Gutachter hat danach eine leichte depressive Störung sowie eine Somatisierungsstörung, darüber hinaus eine generalisierte Angststörung mit phobischen Zügen diagnostiziert, woraus sich nachvollziehbar Beeinträchtigungen der psychovegetativen Stressbelastbarkeit, der kognitiven Spitzen- und Ausdauerleistungsfähigkeit, in Bezug auf die Koordinierungsfähigkeit, die ableistbare Arbeitsschwere sowie die Exposition gegenüber weiteren situativen Belastungs- und Gefährdungsmomenten ergeben. Die Ausdauerleistungsfähigkeit war nach den Feststellungen von Dr. S. jedoch nicht beeinträchtigt. Insbesondere ergaben sich im Rahmen der Untersuchung keine Hinweise auf eine Störung basaler Motivations- oder Antriebsfunktionen, wie sie sich etwa in primär gemindertem Antrieb oder substanziell erhöhter Ermüdbarkeit hätten zeigen müssen. Auch sind die diagnostizierten Gesundheitsstörungen nach Art und Ausprägung nicht so markant, dass grundsätzlich eine qualitative Leistungsminderung begründbar wäre. Der Kläger beschrieb selbst eine weitgehende Ausdauerleistungsdefizienz, die so jedoch nicht zu objektivieren war. Der Gutachter gelangte danach auch vor dem Hintergrund des vom Kläger im Rahmen der mehrstündigen Untersuchungssitzung gezeigten Leistungsvermögens überzeugend zu der Einschätzung, dass dieser dazu in der Lage ist, berufliche Tätigkeiten, die den qualitativen Leistungsdefiziten Rechnung tragen, vollschichtig abzuleisten. Dass sich der Gesundheitszustand des Klägers seit der Begutachtung durch Prof. Dr. S. in nervenärztlicher Hinsicht wesentlich verschlechtert hätte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere die von dem sachverständigen Zeugen Dipl.-Med. H. angegebene sekundäre depressive Fehlentwicklung, wiederholt auftretende Angstzustände und bestehende Versagensängste sprechen nicht für eine Verschlimmerung, sondern für das schlichte Fortbestehen der von Prof. Dr. S. festgestellten Gesundheitsstörungen und daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich der Kläger in psychiatrischer Behandlung befände. Auch Dr. B. hat im Rahmen seiner Begutachtung ein nur leicht eingeschränktes Affektverhalten bei etwas gedrückter Stimmung, ausreichenden Antrieb, keine erkennbaren mnestischen, gnostischen oder praktischen Leistungsdefizite sowie ein unauffälliges Kurz- und Langzeitgedächtnis beschrieben. In körperlicher Hinsicht hat der Gutachter Dr. B. den Umfang der Leistungsfähigkeit des Klägers anhand der erhobenen Untersuchungsbefunde überzeugend auf mindestens sechs Stunden eingeschätzt, wobei die Beschwerdesymptomatik des Klägers derjenigen in den diversen Vorgutachten entsprach und neue Beschwerden vom Kläger nicht vorgebracht worden waren. Insbesondere die Einschränkung der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit liegt danach nicht in dem vom Kläger beklagten Ausmaß vor. Schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigungen infolge der bestehenden Gesundheitsstörungen hat Dr. B. nicht festgestellt. Im Rahmen des durchgeführten Belastungs-EKG zeigte sich eine unauffällige Belastungsreaktion bei alters- und konstitutionsentsprechend ausreichender ergometrischer Belastbarkeit bis zur unvollendeten 125 Watt-Stufe, ohne Hinweis auf eine Myokardischämie, hypertensive Entgleisung oder auf Herzrhythmusstörungen. Der Belastungsabbruch erfolgte wegen peripherer Muskelerschöpfung und Hyperventilation. Die oxymetrische Sauerstoffspannung war vor, während und nach der Belastung mit konstant 99 % unauffällig. Lungenfunktionell war die periphere Atemflusslimitation ohne Hinweis auf eine relevante obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung. Echokardiographisch fand sich ein normal großer, nicht wandverdickter linker Ventrikel mit einer linksventrikulären Pumpfunktion im Bereich der unteren Normgrenze. Ein Hinweis auf regionäre Wandbewegungsstörungen fand sich nicht. Die Funktion der Mitral‑ und Aortenklappenprothese war einwandfrei. Es zeigten sich eine Trikuspidalinsuffizienz I. Grades, ein vergrößerter linker Vorhof, unauffällige Rechtsherzverhältnisse und kein Perikarderguss. Die Farbduplexsonographie der extrakraniellen Hirnarterien zweigte die zuführenden Kopfarterien ohne fassbare Strömungsbehinderung, keine degenerativen Endothelveränderungen, keine Plaques und keine Gefäßengen. Als wesentliche Ursache für die begrenzte Leistungsfähigkeit des Klägers hat Dr. B. die erhebliche Hyperventilation ausgemacht, welche sich – nach seinen Worten – wie ein roter Faden durch die gesamten umfangreichen Akten zieht. Dr. B. hat jedoch aufgezeigt, dass die Neigung zur Hyperventilation durch verbale Intervention zumindest zum Teil beeinflussbar ist, wodurch im Rahmen seiner Untersuchung eine wesentlich bessere Leistung zu erzielen war als bei den Vorbegutachtungen durch Dr. T., den Sachverständigen Burkhardt und Prof. Dr. S. vom Universitätsklinikum Würzburg.

Soweit der Kläger eine unzureichende Berücksichtigung der Anämie, wie sie insbesondere aus dem Gutachten von Prof. Dr. S. hervorgehe, reklamiert, ist darauf zu verweisen, dass nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. B. insoweit die Hämolyseaktivität an den mechanischen Klappenprothesen, die auch von Prof. Dr. S. als mitursächlich bewertet worden ist, nachrangig ist, wofür der normale Gesamt-Bilirubinspiegel, insbesondere das normwertige direkte, konjugierte Bilirubin spricht. Im Vordergrund steht vielmehr der Eisenmangel. Die Eisenmangelsituation ist jedoch abhängig von der adäquaten, subjektiv steuerbaren oralen Zufuhr von beispielsweise Eisen-Il-Sulfat. In der Vergangenheit, so Dr. B., sei von oraler auf perenterale Eisensubstitution übergegangen worden, nachdem der Eindruck entstanden war, der Kläger komme der oralen Eisenzufuhr nicht in ausreichendem Maße nach. Dr. B. hat sodann auch einen Hämoglobinwert von 12,6 g/dl ermittelt, der demgegenüber den Ausführungen von Prof. Dr. S. im Gutachten vom 28. November 2016 (Bl. 74/92 SG-Akten) von diesem nur mit 9,8 g/dl gemessen worden war.

Schließlich ergibt sich aus den Angaben der sachverständigen Zeugen und den im Berufungsverfahren beigezogenen Befundunterlagen keine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers seit der Begutachtung durch Dr. B.. Von dem sachverständigen Zeugen Dipl.-Med. H. wurden keine Befunde mitgeteilt. Die von ihm neben den internistischen Gesundheitsstörungen angegebenen Wirbelsäulenprobleme des Klägers waren bereits bei der Begutachtung durch Dr. B., der den Kläger am 27. Juni 2018 untersucht hat, bekannt und wurden von diesem berücksichtigt. So ergab nach dem Bericht der Radiologen Dr. H. vom 16. März 2017 (Bl. 285 Senatsakten) ein CT der Lendenwirbelsäule eine Bandscheibenprotrusion L5/S1 mit disko- und osteogener S1‑Recessusstenose beidseits und chronischer Wurzelirritation. Ein CT vom 9. März 2018 (Bl. 291/292 Senatsakten) ergab eine Kompression der L4-Strecken im lateralen Recessus beidseits bei Bandscheibenprotrusion im Segment L4/L5, jedoch keine Neuroforamenstenose. Nach einem MRT der Lendenwirbelsäule vom 4. Juni 2018 (Bl. 201 SG-Akten) fanden sich ein kleiner medialer etwas nach kranial sequestrierter NPP in Höhe L4/5, mittelgradige Spondylarthrosen L3-S1 beidseitig, aber keine knöcherne Spinalkanalstenose. Daraus ergeben sich jedoch keine Funktionsbeeinträchtigungen, die der mindestens sechsstündigen Verrichtung körperlich leichter, qualitativ angepasster Arbeiten, insbesondere ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges bzw. regelmäßiges Bücken oder Knien, entgegenstehen würden. Nach den von Dr. B. dokumentierten Untersuchungsbefunden besteht eine ausreichende Beweglichkeit im Wirbelsäulenbereich. Die Rückenmuskulatur ist kräftig und prinzipiell nicht tonusgesteigert mit Ausnahme einer leicht verspannten Lumbalmuskulatur. Den Finger-Boden-Abstand hat Dr. B. mit 20 cm erhoben. Kopf und Halswirbelsäule sind frei beweglich. Nach dem Bericht des Wirbelsäulenzentrums Würzburg vom 9. Juli 2018 (Bl. 296 Senatsakten), wonach der Kläger am 3. Juli 2018, somit wenige Tage nach der Untersuchung durch Dr. B., wegen einer seit acht Wochen bestehenden ausgeprägten Lumbago vorstellig war, wurde ein kleiner medialer Bandscheibenvorfall L4/5, jedoch ohne radikuläre Kompressionswirkung bestätigt. Wegen des festgestellten ISG-Syndroms wurde manuelle Therapie und Wärmetherapie empfohlen. Weitergehende Funktionsbeeinträchtigungen als nach dem Gutachten von Dr. B. ergeben sich aus dem Bericht nicht. Eine richtungsweisende Verschlimmerung der Wirbelsäulenschäden ist nicht ersichtlich. insbesondere ist nach den Angaben des Klägers im Erörterungstermin am 23. Januar 2020 hinsichtlich der neuerlich aufgetretenen Beschwerden weiterhin nur eine konservative Therapie empfohlen worden.

In kardiologischer Hinsicht ergeben sich aus dem Bericht von Dr. M. vom 23. September 2019 kaum Unterschiede zu dem Bericht vom 25. Juni 2018, insbesondere keine höhergradige Beeinträchtigung der Herzfunktion, worauf auch Dr. Lucas in der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 9. Oktober 2019 hingewiesen hat. Eine relevante Veränderung gegenüber den Feststellungen von Dr. B. kann daher daraus nicht hergeleitet werden. Gleiches gilt für die Berichte der N.-Kliniken über die stationären Aufenthalte vom 22. bis 23. Dezember 2019 und vom 22. Januar 2020. Danach war es zu einem Rezidiv bereits bekannter AV-Knoten-Reentry-Tachykardien gekommen. Ausweislich des Berichts des Uniklinikums H. vom 29. Januar 2020 wurde insoweit jedoch eine erfolgreiche Slow-Pathway-Ablation vorgenommen. Im Übrigen ergeben sich aus dem Bericht hinsichtlich einer Echokardiographie vom 29. Januar 2020 keine wesentliche Befundänderung im Vergleich zu einer Voruntersuchung vom 21. Februar 2008 und keine auffälligen Ergebnisse einer Lungenfunktionsprüfung.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger in der Lage ist, noch mindestens sechs Stunden täglich jedenfalls eine körperlich leichte Tätigkeit mit Ausnahme von Fließband- und Akkordarbeit, Tätigkeiten in Wechsel- und Nachtschicht, mit erhöhten Anforderungen an das Auffassungs- und Konzentrationsvermögen sowie Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Sachwerte, ebenso Tätigkeiten unter besonderer Lärmeinwirkung, Vibrationen oder mit besonderen Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen oder das Gehör, von Tätigkeiten mit häufigem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über zehn Kilogramm Gesamtgewicht, in einseitigen Körperhaltungen, Wirbelsäulenzwangshaltungen, mit häufigem Bücken oder Knie, häufigem Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie mit erhöhter Unfall- und Absturzgefahr sowie unter Exposition gegenüber Hitze, Nässe, Kälte, Zugluft, inhalativen Belastungen und extremen Temperaturschwankungen zu verrichten.

Steht das krankheits- bzw. behinderungsbedingte (Rest-)Leistungsvermögen fest, ist im nächsten Prüfungsschritt die Rechtsfrage zu klären, ob der Versicherte damit außerstande ist, „unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts“ tätig zu sein (dazu BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris Rdnr. 17 ff. m.w.N.). Diese Frage ist hier zu verneinen. „Bedingungen“ sind dabei alle Faktoren, die wesentliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind. Hierzu gehört vor allem der rechtliche Normrahmen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche Bestimmungen und tarifvertragliche Vereinbarungen. Die Bedingungen sind „üblich“, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl. Der Arbeitsmarktbegriff erfasst alle denkbaren Tätigkeiten, für die es faktisch „Angebot“ und „Nachfrage“ gibt. Das Adjektiv „allgemein“ grenzt den ersten vom zweiten - öffentlich geförderten - Arbeitsmarkt, zu dem regelmäßig nur Leistungsempfänger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Zugang haben, sowie von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für behinderte Menschen und andere geschützte Einrichtungen.

Der Kläger kann - wie dargelegt - an fünf Tagen in der Woche mindestens sechs Stunden arbeiten. Sieht man davon ab, dass ihm Schichtarbeiten krankheitsbedingt nicht mehr zugemutet werden dürfen, benötigt er im Hinblick auf Dauer und Verteilung der Arbeitszeit keine Sonderbehandlung, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unüblich wäre. Er hat auch keinen erhöhten, betriebsunüblichen Pausen- oder Urlaubsbedarf und ist in einem Betrieb, also außerhalb geschützter Einrichtungen, einsetzbar. Dabei ist der Senat der Auffassung, dass der Klägerin über die für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit notwendigen kognitiven Grundfähigkeiten verfügt. Nach der Rechtsprechung des BSG werden unter den Begriff der üblichen Bedingungen „auch tatsächliche Umstände“ verstanden, wie z.B. die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz, mithin ausschließlich kognitive Grundfähigkeiten (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R – juris Rdnr. 29). Wie dargelegt, liegt bei dem Kläger kein Leiden vor, das leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausschließt. Die angesprochenen kognitiven Grundfähigkeiten sind nicht betroffen, sondern allenfalls qualitative Leistungsausschlüsse für geistig und emotional besonders anspruchsvolle Tätigkeiten.

Die gesundheitlichen Einschränkungen sind weder in ihrer Art noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen (dazu BSG, a.a.O. Rdnr. 24 ff.). Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch in der Lage ist, körperlich leichte und geistige einfache Tätigkeiten – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten regelmäßig gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. zuletzt Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 79/09 RBSGE 109, 189 -; Urteil vom 11. Dezember 2019 – B 13 R 7/18 R – juris Rdnr. 27). Der Senat ist der Überzeugung, dass das Restleistungsvermögen des Klägers es diesem erlaubt, die oben genannten Verrichtungen oder Tätigkeiten, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, auszuüben. Es liegt weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass bei dem Kläger die erforderliche Wegefähigkeit vorliegt (beispielsweise BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 RBSGE 110, 1). Der Kläger ist nach der Einschätzung aller Gutachter noch in der Lage viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern in weniger als 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Wegefähigkeit durch die vom Kläger insbesondere im Rahmen von Begutachtungen angegebene Durchfallproblematik beeinträchtigt wäre. Dr. B. hat im Hinblick auf die feststellbare Gewichtszunahme entgegen des bei jahrelangem Bestehen einer Durchfallerkrankung im vom Kläger angegebenen Ausmaß mit 20 bis 40 Stuhlgängen pro Tag zu erwartenden Gewichtsverlusts nachvollziehbar Zweifel jedenfalls am behaupteten Ausmaß dargelegt. Im Rahmen der mehrstündigen gutachterlichen Untersuchung war diesbezüglich auch keine Unterbrechung erforderlich. Ebenso sind in den übrigen Gutachten keine Unterbrechungen wegen der Notwendigkeit des Aufsuchens einer Toilette dokumentiert.

Mit dem festgestellten Leistungsvermögen ist der Kläger weder teilweise noch voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI. Somit hat die Berufung keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2) liegen nicht vor

Rechtskraft
Aus
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