L 6 VG 3644/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 VG 328/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 3644/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Oktober 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

 

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (OEG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen mehrfachen schweren sexuellen Missbrauchs durch ihren nach drei Verhandlungstagen vor der großen Jugendstrafkammer auf Antrag der Staatsanwaltschaft letztlich freigesprochenen, nicht vorbestraften Stiefvater B (im Folgenden nur Stiefvater) streitig.

Die 1997 geborene Klägerin hat einen älteren Bruder sowie eine jüngere Schwester. Zum leiblichen Vater der drei Kinder, von dem die Mutter seit ihrem vierten Lebensjahr getrennt lebt, besteht kein Kontakt mehr. Seit 2006 war ihre nicht berufstätige Mutter mit ihrem Stiefvater verheiratet.

Die Klägerin hat drei Jahre die Grundschule besucht, war – unter Wiederholung der Klassen 3 und 5 – auf einer Förderschule und hat – nach nochmaligem Schulwechsel – den Hauptschulabschluss erreicht. Anschließend hat sie eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau abgeschlossen, danach neben der Berufstätigkeit bei einem Modeunternehmen berufsbegleitend eine Ausbildung zur Betriebs- und Handelsfachwirtin absolviert. Seit ihrem 18. Lebensjahr wohnt sie in einer eigenen Wohnung (vgl. Anamnese C und M).

Am 27. Mai 2013 beantragte sie bei dem Landratsamt Ostalbkreis (LRA) die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG aufgrund posttraumatischer Belastungen nach sexuellem Missbrauch von 2010 bis August 2012.

Das LRA zog die Ermittlungsakte der Staatsanwalt Ellwangen (StA) bei (Az.: 16 Js 14336/12). Danach ergab sich Folgendes:

Bei ihrer ersten polizeilichen Vernehmung (31. August 2012, 2:38 Uhr) gab die Klägerin an, dass sie vor circa zwei Jahren abends gegen 18:00 Uhr Geschlechtsverkehr mit ihrem Stiefvater gehabt habe, während ihre Mutter nicht zu Hause gewesen sei. Es sei das erste Mal gewesen, dass sie mit einem Mann geschlafen habe. Er sei in ihr Zimmer gekommen, habe sie auf das Bett gestoßen, ihre kurze Hose und den Slip ausgezogen. Er habe sie festgehalten, sodass sie sich nicht habe wehren können. Zunächst habe er ihr Geschlechtsteil mit der Hand berührt und dann den ungeschützten Geschlechtsverkehr durchgeführt. Sie habe sich nicht getraut, dass ihrer Mutter zu erzählen, weil er ihr gedroht habe, sie umzubringen bzw. sie zu schlagen, er werde sie überall finden. Immer wenn er sie zum Arzt oder ins Schwimmbad gefahren habe, habe er gewollt, dass sie ihn mit dem Mund befriedigen solle. Er habe ihr dann den Kopf nach unten gegen sein Glied gedrückt. Das sei mehrfach in seinem Auto geschehen, zu weiteren sexuellen Handlungen sei es aber nicht gekommen.

Ihre ebenfalls vernommene Mutter sagte aus, dass es am 30. August 2012 seit ca. 17:00 Uhr immer wieder zu Ehestreitigkeiten gekommen sei, die sich bis etwa 20:00 Uhr hingezogen hätten. Sie habe Kopfschmerzen bekommen, im Nebenzimmer Kopfschmerztabletten geholt, ihre Tochter habe gesehen, dass sie eine Packung Tabletten in der Hand gehalten habe und sich zwischen sie und den Stiefvater gestellt. Ihr Mann habe zu ihrer Tochter gesagt, dass sie leise sein solle, die Klägerin habe entgegnet, dass sie nicht leise sein werde, sondern jetzt „auspacke“ und erzählt, dass ihr Stiefvater sie entjungfert habe. Dieser habe die Klägerin schlagen wollen, aber sie sei dazwischen gegangen. Später habe er dann das Haus verlassen.

Am Vormittag des 31. August 2012 wurden die Klägerin und ihre Mutter erneut vernommen. Die Klägerin ergänzte, dass sie mit ihrem Zeugnis zufrieden sei, in der Schule gefalle es ihr gut. Mit ihrem Stiefvater sei sie anfangs gut ausgekommen, seit zwei Jahren nicht mehr. Auf die Frage, wann genau der Vorfall gewesen sei, gab sie an, dass es schon lange her sei. Auf den Vorhalt, dass es wohl Sommer gewesen sein müsse, wenn sie eine kurze Hose getragen habe, sagte sie, dass es vor zwei Jahren gewesen sei, abends, den Tag könne sie nicht mehr sagen. Sie habe ihn gefragt, warum er das gemacht habe, er habe geantwortet, weil es die Mutter im Bett nicht mehr bringe. Auf Nachfrage gab sie an, dass sie Schmerzen gehabt habe, als er in sie eingedrungen sei. Ob sie geblutet habe und es bei ihm zum Samenerguss gekommen sei, wisse sie nicht, es sei alles ganz schnell gegangen, vielleicht fünf Minuten. Sie habe so allgemein etwas klebriges Feuchtes gespürt. Anschließend habe er ihr die Hose hingeschmissen und gesagt, dass sie dran sei, wenn sie irgendjemandem ein Wort sage, so dass sie niemandem davon erzählt habe. Seit dem Vorfall habe sie zweimal mit jemandem geschlafen. Lange später sei sie beim Frauenarzt gewesen und habe sich die Pille verschreiben lassen, weil sie während ihrer Blutungen immer so Bauchweh gehabt habe. Wie der Frauenarzt heiße, habe sie vergessen.

Zu den Autofahrten befragt führte sie aus, er habe als Gegenleistung für den Mofaführerschein von ihr verlangt, dass sie ihm „einen blase“, was sie nie gemacht habe. Der Stiefvater habe aggressiv darauf reagiert und zu ihr gesagt, dass sie eine Hure sei. Er habe immer ihren Kopf mit Gewalt auf seinen Schoß gedrückt. Einmal sei sie sogar ausgestiegen und nach Hause gelaufen. Auf Nachfrage, ob der Reißverschluss seiner Hose dabei offen gewesen sei, gab sie an, dass dieser zu gewesen sei.

Zu der Frage nach weiteren Taten ergänzte sie, er sei nachts, wenn ihre Mutter schon im Bett gewesen sei, zu ihr ins Zimmer gekommen, habe sie unter ihrer Bettdecke gestreichelt, worauf sie zu ihm gesagt habe, dass er gehen solle, weil sie sonst schreie, was er auch gemacht habe. Gewalt habe er keine angewendet. Ihr Stiefvater sei bestimmt fünf bis sechsmal im Monat in ihr Zimmer gekommen, zum letzten Mal vor zwei Monaten. Deswegen habe sie wiederholt ihre Schwester ins Zimmer geholt, einmal habe der Stiefvater immer wieder reingeschaut, ob ihre Schwester endlich weg sei. Sie sei auch zu ihrer Tante gegangen, letztes Jahr in den Sommerferien sechs Wochen.

Die Mutter der Klägerin sagte aus, dass sie von den sexuellen Übergriffen mit ihrer Tochter erst gestern Abend erfahren habe, die Tat sei vor zwei Jahren gewesen. Zum möglichen Zeitpunkt gab sie an, dass ihre Tochter seit sieben Monaten die Pille nehme, sie davon ausgehe, dass das irgendwie zusammenhänge. Ihr Mann solle geäußert haben, dass deswegen nichts passieren könne. Daher könne es eigentlich nicht vor zwei Jahren gewesen sein, oder es sei vor zwei Jahren gewesen und jetzt nochmals. Auf Nachfrage, ob es bis zum Samenerguss gegangen sei, antwortete sie „Ja, das war bei ihr in der Scheide und in dem Moment war sie nicht verhütet“. Sie glaube ihrer Tochter schon deshalb, weil der Stiefvater sie beim Sex auf die gleiche Weise behandelt habe. Außerdem habe sie bemerkt, dass er nie gewollt habe, dass ein weiteres Kind mitfährt, wenn er die Klägerin irgendwo hingebracht habe. Seit einer Woche habe er ihr gegenüber behauptet, dass er sowieso ins Gefängnis kommen werde, warum habe er ihr nicht erklärt. Auf die Frage, wie der Stiefvater reagiert habe, gab sie an, dass er ausziehen werde, wobei er käseweiß geworden sei, was immer geschehe, wenn er lüge. Wenn er unschuldig sei, wäre er dageblieben und hätte sich gewehrt. Sie habe ihm im Keller noch den Autoschlüssel weggenommen, damit er nicht abhauen könne. Wegen der Aufregung habe sie keine Luft mehr bekommen, nicht mehr sprechen können. Obwohl er gesehen habe, dass es ihr nicht gut gehe, habe er keinen Arzt verständigt, sei abgehauen. Ihre Mutter habe dann den Notarzt verständigt, sie sei ins Krankenhaus nach N gekommen und habe dort erzählt, was geschehen sei. Sie habe wieder nach Hause gewollt und von dort aus die Polizei verständigt. Der Stiefvater sei nachts nicht mehr zurückgekommen, sie vermute, dass er bei seiner Mutter gewesen sei. Ihre Tochter habe sich in letzter Zeit verändert, sich in ihrem Zimmer zurückgezogen, sei nicht mehr zum Essen heruntergekommen, gesagt „mit so einem sitze sie nicht mehr zum Essen“.

Am 3. September 2012 sprach die Mutter erneut bei der Polizei vor und berichtete, dass sie im Haus ein Pornoheft und einen Erotikkatalog, ebenso noch eine Pumpe gefunden habe, die verschmiert gewesen sei, sie gehe davon aus, dass er sich damit selbst befriedige. Außerdem habe sie noch andere Sexspielzeuge gefunden. Weiter habe sie erfahren, dass er sich der Freundin ihres Sohnes angenähert, diese immer wieder gestreichelt habe. Auch habe sie eine Pistole und Munition gefunden. Ihr Mann sei das ganze Wochenende um das Haus herumgeschlichen, habe mit Äpfeln auf das Haus geworfen. Es sei ein Laser auf das Gesicht der Klägerin gerichtet gewesen. Sie sei sich sicher, dass es ihr Mann gewesen sei, weil er sich rächen wolle, gesehen habe sie nur einen Schatten.

Am 4. September 2012 wurde auch die Klägerin nochmals vernommen, nachdem sie angab, sich über das Wochenende schriftliche Notizen hinsichtlich weiterer Vorfälle gemacht zu haben. Auf Nachfrage schilderte sie, dass es sich bei der Vergewaltigung vor zwei Jahren um den ersten Übergriff ihres Stiefvaters gehandelt habe. Sie könne den Termin nicht näher eingrenzen, sondern wisse nur, dass es im Sommer gewesen sei, etwa vor zwei Jahren. Danach sei er immer in ihr Zimmer gekommen, einmal habe er sie einschließen wollen. Dieses Jahr an Fasching habe sie etwas zu viel getrunken, ihre Kumpels hätten sie nach Hause gebracht, sie sei ins Bett und habe schon geschlafen, als ihr Stiefvater gekommen wäre, sie habe nur plötzlich kalte Hände unter ihrer Hot-Pants-Hose bemerkt. Er habe dann mit den Fingern „an ihr rum gemacht“, sei in ihre Scheide eingedrungen, habe dann an ihrem Busen rumgemacht, worauf sie ihn weggestoßen und gesagt habe, dass er das lassen solle und sie das nicht wolle. Am 13. August 2012 sei sie wegen einer Nasenoperation ins Krankenhaus gekommen. Ein paar Tage davor sei er in ihr Zimmer gekommen, habe sie angefasst, an den Armen gepackt, sie habe geschrien. Ihre Schwester habe das gehört, sei an ihre Zimmertüre gekommen und habe gefragt, was los sei. Ihr Stiefvater habe ihrer Schwester entgegnet, dass sie sofort wieder ins Bett gehen solle. Sie habe dann ihre Schwester zu sich ins Zimmer geholt. Kurze Zeit später hätten sie ihre Mutter aus dem abgeschlossenen Schlafzimmer heraus schreien hören. Am nächsten Morgen habe diese blaue Flecken an den Oberschenkeln, Oberarmen und der Hüfte gehabt, aber nur gesagt, dass sie hingeflogen sei oder sich hingeschlagen habe. Während sie im Krankenhaus gelegen sei, habe ihre Mutter ihr erzählt, dass jemand in ihrem Zimmer gewesen sei und alles durchsucht habe. Als sie nach Hause gekommen sei, habe sie das bestätigt gefunden, es fehlten nur die Briefe, sonst nichts. Unter ihrem Bett hätte sich eine Schachtel mit ihren geheimen Briefen befunden, darunter solche, die ihr der Stiefvater geschrieben habe. Auf Nachfrage gab sie an, dass dieser ihr geschrieben habe, dass sie sich schön anziehen oder sich auf das Bett legen solle, dass sie den Tanga anziehen solle, den er ihr geschenkt habe, er nachts zu ihr komme. Es seien ziemlich viele gewesen, nur kurze Notizen auf einem kleinen Notizzettel. Diese Briefe habe sie unter ihrem Kopfkissen, am Schreibtisch, am Nachtkästchen oder an ihrem Fernseher aufbewahrt, wo genau, habe der Stiefvater nicht gewusst. Kurz bevor sie ins Krankenhaus gekommen sei, habe sie ihm gesagt, dass sie ihn bald auffliegen lasse und die Briefe als Beweis habe. Ihr Stiefvater habe ihr auch mal einen Tanga gegeben habe, den sie für ihn habe anziehen sollen. Sie habe ihn angeschrien, dass sie sowas nicht tragen werde und für ihn schon gar nicht. Es seien dann immer öfter Tangas im Zimmer gewesen, auch immer andere. Entweder habe er sie zu ihrer Unterwäsche gelegt oder er habe sie ihr persönlich gegeben. Von den beiden jetzt mitgebrachten Tangas habe sie den einen von ihm erhalten und der andere sei in einer Schublade bei seinem Computer gefunden worden. Weiter sei er einmal in ihr Zimmer gekommen sei, als sie mit ihrem Freund telefoniert habe, gesagt, sie solle auflegen und habe ihr an die Brust gefasst. In den Sommerferien 2011 habe er sie gezwungen, sich auf seinem PC einen Porno anzuschauen, er habe gesagt, sie solle sich das anschauen, damit sie wisse, wie das gehe.

Weiter wurde anwaltlich ein Platz- und Annäherungsverbot gegen den Stiefvater erwirkt (Beschluss des Amtsgerichts Ellwangen vom 4. September 2012, Az.: 5 F 324/12), später noch ein Kontaktverbot (Beschluss vom 12. Juli 2013, Az: 5 F 233/13).

Am 18. September 2012 wurde die Klägerin erneut bei der Polizei vorstellig, sagte aus, dass vor circa zwei Monaten ihr Stiefvater während einer Fahrt von ihr verlangt habe, dass sie „ihm einen blase“, damit er ihr den Mofa-Führerschein bezahle. Er habe dann seine Hose geöffnet, sein Glied sei nicht steif gewesen, sie habe gesehen, dass er eine circa 15 cm lange Narbe am Bauch habe. Auf weitere Nachfrage gab sie an, dass er eigentlich nur sein Geschlechtsteil rausgeholt habe, richtig runtergezogen habe er die Hose nicht. Auf Vorhalt, warum sich die Klägerin immer wieder in das Auto des Stiefvaters gesetzt habe, obwohl sie Angst vor ihm gehabt haben wolle, gab sie an, dass vor diesem Vorfall ja lange Zeit nichts gewesen sei. Sie habe gedacht, dass ihm jetzt klar sei, dass er sie in Ruhe lassen solle. Sie habe nicht damit gerechnet, dass es nochmal zu einem Übergriff von seiner Seite komme. Einmal sei ihre Schwester unter der Dusche gestanden, der Stiefvater sei dazu gekommen, habe gesagt, dass er mitduschen wolle, was ihre Schwester so erzählt habe. Sie habe ihre Schwester gefragt, ob er sich auch an ihr vergriffen habe, was diese verneint habe. Ihren Freund habe sie schon seit fast einem Jahr. Beim Geschlechtsverkehr mit ihm habe sie keine Probleme. Ihre Noten in der Schule hätten sich total verschlechtert, es sei für sie der reine Terror gewesen. Ihre Periode habe sie mit 12 Jahren bekommen.

Ebenfalls am 18. September 2012 zeigte die Mutter der Klägerin selbst den Stiefvater wegen einer Vergewaltigung am 11. August 2012 an.

Die Aussagen wurde in der richterlichen Vernehmung der Klägerin und ihrer Mutter am 25. Januar 2013 beim Amtsgericht Ellwangen bestätigt.

Die StA veranlasste ein aussagepsychologisches Gutachten bei der C1, Universität T, aufgrund ambulanter Untersuchung vom 25. März 2013, während der sie mittels Tonträger Wortprotokolle fertigte und diese abgeschrieben ihrem Sachverständigengutachten beifügte.

Danach gab die Mutter bei der Untersuchung an, dass die Meilensteine der frühkindlichen Entwicklung der Klägerin ganz normal gewesen seien. Sie sei in die Regelschule gekommen und nach der dritten Klasse in die Förderschule umgeschult worden. Der Lernstoff sei für sie zu schwer gewesen, nach zwei Jahren Förderschule habe sie in die Hauptschule gewechselt. Diese habe sie ohne Klassenwiederholung bewältigt, momentan sei sie leistungsmäßig sehr schlecht, da sie in der Klasse gemobbt werde. Zum neuen Schuljahr wechsle sie in eine Berufsschule, um dort den Hauptschulabschluss zu erwerben.

Die Klägerin habe berichtet, ihr bisherigen, schriftlich protokollierten Aussagen zwei Tage vor der richterlichen Vernehmung zweimal, dann nochmals zur Vorbereitung der gutachterlichen Untersuchung am 23. März 2013 durchgelesen zu haben. Sie habe von mehreren sexuellen Übergriffen durch den Stiefvater berichtet, der erste sei in den Sommerferien nach der Zeugnisübergabe gewesen, zwei Jahre bevor sie ihre erste Aussage gemacht habe. Danach sei es fünf bis sechsmal monatlich dazu gekommen, dass er etwas Sexuelles gewollt habe. Das letzte Mal sei es kurz vor ihrer Nasenoperation zu einem sexuellen Übergriff gekommen. Nur einmal sei er aber mit dem Geschlechtsteil in sie eingedrungen, sie sei anschließend auf die Toilette gegangen und habe im Urin etwas Weißes gesehen, glaube auch, dass sie etwas Blut im Urin gehabt habe. Danach sei sie runter in die Küche gegangen, ihre Mutter habe draußen die Wäsche abgehängt, ihr Stiefvater habe gekocht, sie dann gepackt und dabei ein Messer in der Hand gehabt, sie damit am rechten Unterarm verletzt, ob absichtlich, wisse sie nicht. Es habe aber nicht geblutet. Erst im Nachhinein sei das eine Narbe geworden. Ansonsten habe er sie immer nur angefasst oder mit seinen Fingern etwas gemacht, im Monat sei er etwa zweimal mit dem Finger in ihrer Scheide gewesen. Weiter habe die Klägerin von mehreren Ereignissen berichtet, bei denen der Stiefvater von ihr verlangt habe, dass sie „ihm einen blase“, was sie aber niemals gemacht habe. Mit einer Ausnahme habe er immer seinen Hosenladen zu gehabt. Ihr Stiefvater habe ihr insgesamt 10 Tangas gegeben und sie aufgefordert, diese anzuziehen, was sie niemals gemacht habe. Der Vorfall mit dem Pornofilm sei in den Sommerferien 2011 gewesen.

Sie habe erzählt, ihre erste Regel zwischen 12 und 13 Jahren bekommen zu haben, vor dem ersten Übergriff durch den Stiefvater. Sie sei sexuell aufgeklärt, habe zum Zeitraum der Anzeigeerstattung schon einige sexuelle Erfahrungen mit Geschlechtsverkehr gehabt. Der Stiefvater sei aber der erste Mann gewesen, mit dem dies unfreiwillig gewesen sei. Sie wisse nicht mehr, wie alt sie gewesen sei, als sie mit ihrem Freund geschlafen habe, das sei aber okay gewesen. Sie könne heute nicht richtig erklären, warum sie sich nicht früher ihrer Mutter anvertraut habe. Wahrscheinlich habe sie Angst gehabt, dass der Stiefvater ihr etwas antue, womit dieser immer gedroht habe. Auf die Frage nach Selbstverletzungen habe die Klägerin angegeben, sich einmal an ihrem linken Unterarm eine Schnittverletzung zugefügt zu haben, als der erste sexuelle Übergriff gewesen sei. Sie sei zweimal im Monat in psychologischer Behandlung.

Zum Untersuchungsbefund führte die Sachverständige aus, dass die Klägerin körperlich altersentsprechend entwickelt gewesen sei. Sie sei bewusstseinsklar und vollständig orientiert gewesen. In der Untersuchungssituation habe sie belastet gewirkt und längere Zeit heftig geweint. Die psychische Belastung sei vom klinischen Eindruck deutlich zu bemerken gewesen. Darüber hinaus sei das formale und inhaltlich Denken ungestört, ohne Hinweise auf Wahrnehmungsstörungen, Ich-Störungen oder dissoziative Störungen in der Untersuchungssituation. Mit hoher Wahrscheinlichkeit könne davon ausgegangen werden, dass keine Einschränkungen der aussagerelevanten Kompetenzen bestünden. Hinsichtlich der Aussagezuverlässigkeit ergebe sich, dass die Erstmitteilung der Ereignisse an die Mutter in einer Streitsituation erfolgt sei. Noch in der Nacht sei die Anzeige erstattet und ihre Mutter ins Krankenhaus gekommen. Insgesamt fände sich eine komplexe Sachverhaltsschilderung über den Ablauf der sexuellen Handlungen, aber auch über konkrete Einzelfälle, die sie ungeordnet sprunghaft dargestellt habe, bei Nachfragen hätten sich die Einzelangaben ohne logische Brüche in einen schlüssigen Gesamtzusammenhang integrieren lassen. Es hätten sich mehrfach aufeinander bezogene Handlungen und Reaktionen gefunden, wobei sich Angaben über innerpsychisches Erleben und gedankliche Reflexionen ergeben hätten. Weiter habe sie von einem Schweigegebot des Stiefvaters ihr gegenüber berichtet, was als deliktstypisches Merkmal zu bewerten sei. Die aussageimmanente Qualitätsanalyse sei so zusammenzufassen, dass die vorliegende Aussage eine hohe Aussagequalität habe, die sich deutlich von Schemawissen zu vergleichbaren Ereignissen unterscheide. Andererseits sei als Falschaussagemotivation denkbar, dass die Klägerin schon länger eine schlechte Beziehung zum Stiefvater gehabt habe. Besonders die Wegnahme des Handys am Vortag könne diese nochmals aktualisiert haben. Um eine Trennung ihrer Mutter vom Stiefvater herbeizuführen, könne sie unzutreffende Angaben über einen sexuellen Missbrauch gemacht haben. Aufgrund dessen sei die Fantasiehypothese zu prüfen. Da die Klägerin die schriftlichen Protokolle nochmals gelesen habe, könne aber die Aussagekonstanz nicht beurteilt werden. Der Prüfschritt der Konstanz-Prüfung zur Verwerfung der Fantasiehypothese müsse deswegen offenbleiben.

Im seinem Bericht vom 15. Oktober 2013 über die persönliche Anhörung des Stiefvaters führte der Gerichtshelfer F aus, dass der Stiefvater seit sieben Jahren verheiratet, seit den Tatvorwürfen aber getrennt lebend sei und gegenwärtig wieder bei seiner Mutter wohne. Die Ehe sei schon seit drei bis vier Jahren krisenhaft. Häufige Streitpunkte seien das Spielen der Ehefrau gewesen und dass diese sich, während er gearbeitet und als Alleinverdiener das Familieneinkommen erwirtschaftet habe, weder um den Haushalt noch ausreichend um die Versorgung der Kinder gekümmert habe. Er habe nach Feierabend noch den Haushalt gemacht und für die Kinder gekocht. Er erziele ein monatliches Einkommen von 1.500 € netto, es bestünden gemeinsame Schulden mit der Ehefrau in Höhe von circa 18.000 €, die aus einem Autokauf, verschiedenen Möbelkäufen sowie einer Kinderwunschbehandlung und Spielschulden der Ehefrau (Spielcasino) resultierten. Er habe als Alleinverdiener seiner Ehefrau immer das Geld zum Spielen geben müssen. Zur Tilgung der Schulden wende er monatlich 420 € auf. Gesundheitliche Einschränkungen seien keine angegeben worden, er konsumiere keine Drogen und nur gelegentlich Alkohol. Es habe sich eine unauffällige biographische Entwicklung vor einem eher einfachen Bildungshintergrund gezeigt. Seinen Schilderungen nach habe er das Spielen und die Untätigkeit der Ehefrau aufgefangen, um die Ehe aufrecht zu erhalten.

Im Strafverfahren wies der Verteidiger des Stiefvaters darauf hin, dass sein Mandant von der Klägerin einer erneuten Belästigung am 3. Dezember 2012 in der Schule beschuldigt worden sei, obwohl er nachweislich an diesem Tag das Haus nicht verlassen habe. Für die Tage vom 25. Oktober 2012 und 16. Mai 2013, für die die Klägerin eidesstattlich versichert hatte, dass ihr Stiefvater ihr an der Schule aufgelauert habe, konnte dieser durch Stundenzettel und Arbeitszeiterfassung nachweisen, dass er von 8:00 bis 15:30 Uhr gearbeitet habe.

Der Stiefvater wurde nach drei Verhandlungstagen, in denen er sich zur Sache geäußert hatte und zahlreiche Zeugen vernommen wurden, durch Urteil des Landgerichts Ellwangen (LG) am 30. Januar 2014 – dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgend – aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, da sich die Kammer keine sichere Überzeugung von seiner Täterschaft habe bilden können. Es seien Zweifel verblieben, die sich nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zu Gunsten des Angeklagten auswirkten. Da der Angeklagte die Taten in Abrede stelle, seien die Vorwürfe im Rahmen der Beweisaufnahme näher aufzuklären gewesen. Objektive Beweisanzeichen fehlten gänzlich. Die Kammer habe daher nur auf die Zeugenangaben der mutmaßlich Geschädigten und ihrer Mutter zurückgreifen können. Die Aussage des Angeklagten habe gegen die Aussagen der beiden Zeuginnen gestanden. Die Kammer habe bedacht, dass die Angaben der Klägerin einige gute Qualitätsmerkmale aufgewiesen hätten. Andererseits habe die C1, die die Aufgabe gehabt habe, die Glaubhaftigkeit der Angaben zu untersuchen, die Fantasiehypothese (im Sinne einer Falschbelastung des Angeklagten durch die Zeugin) nicht verwerfen können, da eine Konstanz-Analyse der Aussage nicht möglich gewesen sei. Zudem hätten sich in der Hauptverhandlung Verdachtsmomente ergeben, dass ein Komplott zum Nachteil des Angeklagten vorliegen könne. Hinsichtlich einzelner Anklagepunkte seien im Rahmen der Angaben der Zeugen erhebliche, nicht ohne weiteres erklärbare Widersprüche, auch hinsichtlich des Kerngeschehens zu Tage getreten. Zudem hätten die Klägerin und ihre Mutter teils wortgleiche Formulierungen genutzt, die jedenfalls auf eine Absprache untereinander hindeuten könnten.

Hinsichtlich der zu dem Verfahren hinzu verbundenen Vorwürfe einer gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Stiefsohnes P, bezüglich der angeblichen Täterschaft ihres Stiefvaters die Klägerin ebenfalls eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, sowie eines Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz (behauptetes Stalking, s.o.) erfolgte ebenfalls ein Freispruch aus tatsächlichen Gründen.

Weiter zog das LRA das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse (IKK classic) sowie Befundscheine der behandelnden Ärzte bei.

Der W beschrieb rezidivierendes Bluterbrechen sowie Unterbauchschmerzen seit dem Missbrauch durch den Stiefvater, erstmals dokumentiert am 3. September 2012. Die Hämatemesis sei erstmals am 30. Januar 2013 beklagt und behandelt worden. Seit 2012 werde eine psychotherapeutische Behandlung durchgeführt, die Klägerin beklage seit dem Missbrauch Schlafstörungen und Angstträume. Ergänzend legte er den Bericht des S vom 14. Mai 2013 vor, der als Diagnose eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) mit Migräne im Jugendalter, hier ohne Angabe einer etwaigen Missbrauchssituation benannte. Die Klägerin habe über stattgehabte Erlebnisse, Ereignisse und eigene Reaktionen berichtet. Im Vordergrund stehe eher kritisch abwartendes Verhalten mit gewisser Abwehr, was sich dann im Verlauf deutlich löse, durch entsprechende Alltagsberichte eine Deeskalation durchaus möglich mache. Die Migräneattacken träten zweimal die Woche auf, die schulische Situation sei durchaus zu bewältigen. Dabei helfe die laufende psychologisch/psychotherapeutische Behandlung. Über eine etwaige Missbrauchssituation sei nicht berichtet worden. Floride Symptome hätten nicht bestanden, ebenso kein Überdruss oder eine Wesensänderung. Bei orientierender Beurteilung liege ein altersgerechter psychomentaler Entwicklungsstatus ohne akutes Psychosyndrom vor. Es handele sich um eine PTBS, zur Therapie sei zunächst eine medikamentöse Behandlung, dann nichtmedikamentös empfohlen worden.

Im Entlassungsbericht des O-Klinikums über den stationären Aufenthalt vom 4. bis 9. Februar 2013 wurde eine Gastritis sowie ein Zustand nach sexuellem Missbrauch beschrieben. Die Entlassung sei in stabilem Allgemeinzustand erfolgt, ein Gespräch mit der Sozialpädagogin habe stattgefunden.

S teilte mit, dass eine Wiedervorstellung der Klägerin nicht erfolgt sei und verwies auf seinen – bereits aktenkundigen – Befundbericht vom 14. Mai 2013.

Die H, Kontaktstelle der LRA gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen, beschrieb, die Klägerin seit September 2012 psychologisch zu betreuen. Diese sei in der Folge des mutmaßlichen Missbrauchs durch den Stiefvater und der langen Dauer des strafgerichtlichen Verfahrens im vergangenen Jahr stark belastet und in ihrer Lebensführung massiv beeinträchtigt gewesen. Es handele sich um krankheitswertige Folgen durch das Misshandlungs- und Missbrauchsgeschehen. Die Klägerin habe, als sie im September 2012 von der Mutter bei ihr vorgestellt worden sei, unter diversen Ängsten gelitten. Sie habe sich nicht alleine aus dem Haus oder in die Schule getraut, habe keine Nacht mehr durchgeschlafen, sei nachts voller Panik aufgewacht und sei tagsüber müde und antriebslos gewesen, habe kaum Appetit gehabt. Sie habe ihr berichtete, dass täglich Erinnerungen an den Missbrauch und die Gewalt durch den Stiefvater unkontrolliert auftauchten. Ihr Umfeld habe damals berichtet, dass sie schnell gereizt reagiere und massive Stimmungsschwankungen bestünden. In der Beratung sei sie nicht selten apathisch, teilnahmslos gewesen, man habe nur schwer Zugang zu ihr bekommen. Sie habe berichtet, dass sie sich im Alltag nicht auf andere Dinge konzentrieren könne und sie nicht in der Lage gewesen sei, ihre schulischen Leistungen abzurufen. Sie sei immer wieder Mobbingsituationen und Hänseleien in der Klasse ausgesetzt gewesen. Den Hauptschulabschluss habe sie nicht wie vorgesehen schaffen können, sei dann 2013 auf eine andere Schule nach A gewechselt. Im Jahr 2012/2013 habe sie aufgrund von Erkrankungen viele Fehlzeiten in der Schule gehabt. Sie habe mehrfach wegen Magenschleimhautentzündungen mit teilweise blutigem Erbrechen und anderer somatischer Beschwerden in der Kinderklink stationär aufgenommen werden müssen. Während der letzten zwei Jahre sei sie circa ein- bis zweimal monatlich in die Beratungsstelle gekommen. Seit Februar 2014 finde keine Beratung mehr statt. Die Gespräche hätten zum Ziel gehabt, die Klägerin während der langen Dauer des strafgerichtlichen Verfahrens zu stabilisieren und sie für eine therapeutische Behandlung zu motivieren. Sie habe nicht in eine stationäre psychotherapeutische Behandlung einwilligen können, obwohl diese dringend geboten gewesen sei. Jede Trennung von der Familie, speziell von der Mutter, habe sie als große Belastung erlebt. Nach einem mit Hilfe des Weißen Rings finanzierten Ferienaufenthalt mit der ganzen Familie habe sie erholt und halbwegs stabilisiert gewirkt. Ihr Zustand habe sich jedes Mal nach den Aufenthalten im Krankenhaus kurzfristig verbessert. Zu Hause habe sich das Befinden erneut verschlechtert, ein therapeutischer Erfolg sei nicht anhaltend und durch die lange Verfahrensdauer sowie durch Bedrohungen durch den Stiefvater gefährdet gewesen. Die Klägerin habe jetzt einen Warteplatz auf eine ambulante Psychotherapeutin.

Mit Bescheid vom 15. Oktober 2014 lehnte das LRA die Gewährung von Beschädigtenversorgung ab. Angriffshandlungen seien nicht erwiesen, die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs verbunden mit der Nötigung hätten nicht glaubhaft gemacht werden können. Der Stiefvater habe jegliche Vorwürfe in Abrede gestellt, objektive Beweismittel fehlten. Im Ermittlungsverfahren sei ein aussagepsychologisches Sachverständigengutachten eingeholt worden, das im Gerichtsverfahren zur Beweiswürdigung nur bedingt habe herangezogen werden können, weshalb eine Abschlussbeurteilung den Aussagen in der Hauptverhandlung vorbehalten gewesen sei. Zu einer sicheren Überzeugung von der Täterschaft bzw. den geschilderten Tathandlungen sei es bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens nicht gekommen. Der Stiefvater sei deshalb aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden. Die beigezogenen medizinischen Befunde könnten nur bedingt zur Aufklärung des Sachverhaltes herangezogen werden und reichten zur Beweisführung nicht aus, da diese im Wesentlichen nur anamnestische Angaben ohne Beweiswert beinhalteten. Nach Auswertung aller Beweismittel seien zum derzeitigen Zeitpunkt die vom OEG geforderten Anspruchsvoraussetzungen mangels Glaubhaftmachung nicht erfüllt. Somit sei es zwar durchaus möglich, dass die Klägerin Opfer einer Gewalttat geworden sei, aber die Zweifel am Geschehensablauf hätten mit den vorhandenen Beweismitteln nicht ausgeräumt werden können.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und legte neben dem Pressebericht über den ersten Verhandlungstag eine Kopie eines handschriftlichen nicht unterzeichneten Briefs („Habe dich ganz doll Lieb. Ich liebe dich“) vor, welcher vom Stiefvater stamme. Dieses Schriftstück habe sie anlässlich ihres Umzugs im April 2014 gefunden, damit erst nach dem Strafurteil, sonst hätte sie diesen im damaligen Strafprozess vorgelegt. Nach Akteneinsicht in die OEG- und Strafakte wurde ausgeführt, dass der Beklagte seiner Amtsermittlungspflicht nicht genüge und hinter den aus § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) resultierenden Erfordernissen zurückbleibe. Es werde der Nachholung und der Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens entgegengesehen. Dafür komme es nur darauf an, ob die Angaben mit relativer, nicht aber darauf, ob sie aus aussagepsychologischer Sicht als mit hoher Wahrscheinlichkeit als erlebnisfundiert angesehen werden könnten.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2015 zurück. Das OEG begründe einen Anspruch auf Versorgung nur beim Vorliegen eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs. Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssten nachgewiesen sein. Es sei nicht zweifelsfrei erwiesen, dass die Klägerin Opfer eines solchen Angriffs geworden sei. Objektive Beweismittel wie Zeugen oder eindeutige medizinische Unterlagen gäbe es nicht. Ein entscheidender Nachweis für den sexuellen Missbrauch durch den Stiefvater habe nicht erbracht werden können. Dieser sei viel mehr vom Gericht freigesprochen worden, da der Missbrauch nicht habe nachgewiesen werden können. Die fehlende Beweisbarkeit gehe zu Lasten der Klägerin. Es sei somit festzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG nicht gegeben seien. Aus der Widerspruchsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigten. Der vorgelegte Pressebericht und der „Liebesbrief“ seien kein Beweis für das vorgetragene Geschehen.

Am 30. Januar 2015 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und wiederholend die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens für erforderlich erachtet. Der Beklagte habe fehlerhaft den Grundsatz „in dubio pro reo“, der nur im Strafprozess gelte, übernommen und die Beweiserleichterung nach § 15 KOVVfG nicht beachtet. Ergänzend hat sie einen weiteren handschriftlichen Zettel anzüglichen Inhalts, unterschrieben mit „J“, vorgelegt, der von dem Stiefvater stamme und an sie gerichtet sein solle. Dieser sei von ihrer Mutter in einem Umzugskarton aufgefunden worden.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass im Strafverfahren bereits ein aussagepsychologisches Gutachten eingeholt worden sei. Darin komme die Gutachterin zu dem Ergebnis, dass sie nicht unterscheiden könne, ob die Sachverhaltsschilderung der Klägerin auf ein persönliches Erleben zurückzuführen sei oder auf dem Nachlesen früherer Aussagen beruhe. Die Fantasiehypothese habe sie deswegen nicht verwerfen können. Da sich insoweit keine Änderungen ergeben hätten, sei nicht zu erkennen, aus welchen Gründen ein nochmaliges Gutachten zu einem anderen Ergebnis führen solle. Darüber hinaus habe das LG in seinem Urteil deutlich herausgestellt, dass sich im Rahmen der Hauptverhandlung Verdachtsmomente für das Vorliegen eines Komplotts zum Nachteil des Stiefvaters ergeben hätten. So seien bei den Angaben der Klägerin erhebliche, nicht ohne weiteres erklärbare Widersprüche, auch hinsichtlich des Kerngeschehens, zu Tage getreten. Zudem hätten die Klägerin und ihre Mutter teils wortgleiche Formulierungen benutzt, die auf eine Absprache hindeuten könnten. Auch der Zeuge Hehrer habe in der Hauptverhandlung von einem Gespräch mit der Klägerin einen Tag nach dem Angriff auf den Bruder berichtet, nachdem er zwar glaube, dass es der Stiefvater gewesen sei, dies aber nicht ganz sicher wisse. In ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 9. Juli 2013 habe die Klägerin jedoch unter anderem folgendes versichert: „Er und weitere Personen haben meinen Bruder P in der Nacht vom 5. auf den 6.7.2013 richtiggehend zusammen geschlagen“. Diese Aussagen ließen sich nicht zusammenbringen.

In der ersten mündlichen Verhandlung vom 18. März 2019 hat das SG die Klägerin erstmalig persönlich angehört (vgl. Protokoll vom gleichen Tag). Diese hat unter erneuter Schilderung angegeben, dass die Sache lange her sei, sie aber immer noch sehr belaste. Es verletze sie sehr, wenn sie ihren Stiefvater auf der Straße sehe, denn er lache sie immer aus. Sie sei damals sehr jung gewesen, aus heutiger Sicht hätte sie sich jemandem anvertraut. Er habe ihr Leben versaut, auf keinen Mann könne sie sich mehr einlassen, sie habe damals geschrieen, aber niemand habe es gehört. Bei jedem Vorfall habe sie gesagt, dass sie es nicht wolle. Den Zettel, den ihr Stiefvater geschrieben habe, habe sie beim Auszug, zeitlich nach dem Strafprozess, wiedergefunden.

Das SG hat daraufhin die mündliche Verhandlung zur Durchführung weiterer Ermittlungen vertagt und das graphologische Sachverständigengutachten des B1 sowie das psychiatrische Sachverständigengutachten der M1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 27. Mai 2019 erhoben.

Gegenüber M1 hat die Klägerin angegeben, dass die Partnerschaft ihrer Mutter mit ihrem Stiefvater seit ihrem sechsten Lebensjahr bestehe, sie seien in ein gemeinsames Haus gezogen. Ab ihrem elften Lebensjahr retrospektiv habe sich das Verhältnis zu ihrem Stiefvater verändert, der sie dann mit circa 13 Jahren vergewaltigt, es sei ihr erster Geschlechtsverkehr gewesen. Ihr Schlaf sei insbesondere in den ersten drei Jahren nach dem sexuellen Missbrauch eine regelrechte Katastrophe gewesen. Sie leide heute noch unter Albträumen von dem Missbrauch. Im Verlauf der letzten sechs Jahre sei eine deutliche Verbesserung der seelischen Symptomatik eingetreten, während die ersten drei Jahre mit höchstem Leidensdruck verbunden gewesen seien, sie habe sich in dieser Lebensphase stark zurückgezogen und innerlich vor anderen verschlossen. Nun sei sie wieder offener und zukunftsorientiert, sie könne sich gut ablenken und sei ein fröhlicher Mensch. Die Alltagsbewältigung sei unproblematisch, sie verbringe gerne Zeit mit ihrer Familie und mit ihrem Freund. Gehandicapt sei sie nur dadurch, dass sie nach einer Oberschenkelfraktur bei einem Verkehrsunfall 2017 keinen Sport mehr treiben und ihrem früheren Hobby Fußballspielen nicht mehr nachkommen könne. Der Freispruch ihres Stiefvaters sei für sie eine Katastrophe gewesen, der Rechtsanwalt habe ihr allerdings von einer Revision abgeraten und ihr wenig Hoffnung gemacht, dass es noch zu einem Schuldspruch komme.

Nach dem Offenbarwerden des sexuellen Missbrauchs habe es in der Schule große Probleme gegeben, sie habe sich vor den Klassenkameraden sehr geschämt und sei Hänseleien ausgesetzt gewesen. So sei sie dann in der 8. Klasse in die Hauptschule nach A gewechselt, wo sie die neunte Schulklasse wiederholt und den Hauptschulabschluss mit 3,0 erreicht habe. Anschließend habe sie eine Ausbildung zur Verkäuferin bei einem Modeunternehmen begonnen, diese nach zwei Jahren abgeschlossen und mit einem weiteren Lehrjahr den Abschluss als Einzelhandelskauffrau erreicht. Auf ihre Abschlussnote mit 2,0 sei sie sehr stolz. Über die abgeschlossene Ausbildung sei ihr die Mittlere Reife zuerkannt worden. Gegenwärtig absolviere sie berufsbegleitend die Ausbildung zur Betriebs- und Handelsfachwirtin.

Als Kind erinnere sie sich an ein normales Verhältnis zur Mutter, nach dem sexuellen Missbrauch habe sich die Beziehung zur Mutter dauerhaft schwieriger gestaltet. Das Verbleiben in dem Haus, in dem der sexuelle Missbrauch stattgefunden habe, sei für sie eine enorme zusätzliche seelische Belastung gewesen. Dies alles habe zu ihrem frühen Auszug mit 18 Jahren aus dem mütterlichen Haushalt beigetragen. Sie lebe nun im selben Haus, in dem auch ihr Bruder mit seiner Freundin wohne, was ihr das Gefühl von Sicherheit vermittele, da sie noch sehr oft Probleme beim Schlafen und Albträume habe.

Seit einem Jahr bestehe eine Liebesbeziehung. Der Freund sei Schichtleiter bei Bosch und absolviere berufsbegleitend den Bachelor-Studiengang für BWL. Den vier Jahre älteren Partner habe sie bereits vor einigen Jahren über den Fußballsport ihres Bruders kennengelernt. Er lebe in S1, sodass sie sich bislang nur am Wochenende sehen könnten. Sie habe aber einen Führerschein und ein eigenes Auto, sei so selbstständig. Das größte Problem stelle für sie die Sexualität dar, es sei für sie sehr schwierig, sich zu entspannen und sich einzulassen. Am Vortag habe sie ihren 22. Geburtstag bei einem Geburtstagsessen mit Mutter, Geschwistern, Großeltern und dem Freund zusammen in einem Lokal gefeiert. Für dieses Jahr habe sie noch keine Urlaubsplanung, zuletzt sei sie vor zwei Jahren zusammen mit ihrer Tante und den Geschwistern im Urlaub in Kroatien gewesen. Sie plane allerdings, zusammen mit ihrem Freund Urlaub zu machen.

Die körperliche Untersuchung habe keine Hinweise für ein selbstverletzendes Verhalten ergeben. Im psychischen Befund sei sie bewusstseinsklar, allseits orientiert bei nicht beeinträchtigter Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Auffassung gewesen. Formalgedanklich seien die Schilderungen initial häufig wenig detailliert und kurz. Bei der Exploration des sexuellen Missbrauchs habe sie eine massive psychovegetative Unruhe mit Nesteln und fahriger Psychomotorik gezeigt. Sie habe die Arme vor der Brust verschränkt, den Oberkörper nach vorne geneigt und geschaukelt. Einmalig sei sie dabei dissoziativ erschienen. Die durch verschiedene Vorgutachten erfahrene Klägerin sei nicht darum bemüht gewesen, ihre seelischen Beschwerden nachdrücklich zu schildern, habe die Funktionalität ihrer Handlungen betont und detailliert dargestellt, wie sie in ihrer Krankheitsbewältigung ohne therapeutische Interventionen in der Vergangenheit und zuletzt habe voranschreiten können.

Die Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass nach dem DSM-5 wie nach der ICD-10 die Diagnosekriterien für eine PTBS im klinischen Vollbild in leichter bis mittelgradiger Ausprägung erfüllt seien. Diese sei als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zu sehen, ab dem 27. Mai 2013 mit einem GdS von 40 für die Dauer von drei Jahren und ab dem 27. Mai 2016 mit einem GdS von 30 zu bewerten. Die Prognose sei unter der Annahme, dass eine ambulante Psychotherapie aufgenommen werde, als günstig zu einzuschätzen. Die Schilderung der Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs sei authentisch gewesen. Auffällig sei ihre Neigung gewesen, Beschwerden zu bagatellisieren und sich als stark und leistungsfähig darzustellen. Die Brüchigkeit dieser Außendarstellung sei offenbar geworden, als sie geschildert habe, dass sie in ihrer Alltagsbewältigung in B2 doch umfangreich auf die Unterstützung der Geschwister angewiesen sei, es vermeide, alleine die Stadt aufzusuchen und nachts unter mehrfach wöchentlich auftretenden Albträumen zu leiden. Der dramatische Verkehrsunfall 2017 habe hingegen nicht zu einer nachhaltigen seelischen Destabilisierung geführt, insbesondere fahre die Klägerin täglich mit dem PKW an ihren Arbeitsplatz. Seit einem Jahr befinde sie sich in einer stabilen Liebesbeziehung und meistere ihren Alltag unter Hinzuziehung von Bezugspersonen. Stabilisierend wirke die hohe Arbeitsplatzzufriedenheit mit dem Wunsch, sich beruflich weiter zu qualifizieren.

Der Sachverständige B1 hat in seinem graphologischen Sachverständigengutachten vom 24. September 2019 ausgeführt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass der strittige Text vom Vergleichstextschreiber, dem Stiefvater, von dem ihm mehrere Unterschriften zum Vergleich vorlägen, selbst hergestellt worden sei. Mit physikalisch technischen Methoden ergäben sich auf dem strittigen Schriftträger keinerlei Hinweise auf Manipulationen irgendwelcher Art. Vor allen Dingen fehlten latente Merkmale, die auf eine Schriftnachahmung oder auf eine Schriftverstellung hindeuten könnten. Die physikalisch-technische Befundstruktur belege vielmehr eine natürliche Primärbeschriftung. Die Schreibleistungen auf dem Zettel „Hallo mein Schatz…werde ich erst an deine Brustwarzen nuckeln. J.“ stammten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von dem Stiefvater.

Der Beklagte ist den Sachverständigengutachten des B1 entgegengetreten. Daraus ergäbe sich keine Erklärung für die Tatsache, dass die zu untersuchende handschriftliche Notiz auf dem Zettel der Reichsstadt-Apotheke mit der Abkürzung „J.“ unterzeichnet sei, obwohl sich das Namenskürzel dem Stiefvater nicht zuordnen lasse. Der als Vergleichstext vorgelegte Einschreiberückschein enthalte keinen Nachweis für dessen Urheberschaft, er sei nicht vom Stiefvater unterzeichnet und naturgemäß nicht an ihn adressiert. Zum psychiatrischen Sachverständigengutachten könne ohne den Nachweis eines tätlichen Angriffs keine Stellung genommen werden. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Angaben werde an den bisherigen Ausführungen festgehalten. Die vom LG angenommenen Verdachtsmomente für das Vorliegen eines Komplotts zum Nachteil des Stiefvaters seien weiterhin nicht entkräftet.

Auf die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung hat sich der Stiefvater auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, woraufhin das SG dessen Ladung aufgehoben hat.

In der zweiten mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2020 mit neuer Kammervorsitzender hat das SG die Klägerin erneut angehört (vgl. Protokoll vom gleichen Tag). Dabei hat sie unter anderem angegeben, dass sie sich zwischenzeitlich wieder in psychologischer Behandlung befinde. Das letzte Gutachten habe alles wieder aufgewühlt. Ob ihr Stiefvater einen Spitznamen habe, wisse sie nicht und auch nicht, weshalb er den Liebesbrief mit „J.“ unterschrieben habe. Den Brief hätten sie beim Umzug gefunden, wann der Umzug gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Er habe in einer Schublade gelegen. Sie sei sich sicher, dass dieser Brief von dem Stiefvater stamme und an sie gerichtet sei, weil er ihr öfter solche Briefe geschrieben habe. Als der sexuelle Missbrauch begonnen habe, habe sie noch keinen Freund gehabt, gegen Ende allerdings schon. Das Verhältnis zu ihrer Mutter sei seitdem zerstört, sie machten sich gegenseitig Vorwürfe, das Thema stehe zwischen ihnen.

Die als Zeugin über über das Zeugnisverweigerungsrecht belehrte gehörte Mutter hat zusätzlich ausgesagt, dass sie den Liebesbrief im Zimmer der Klägerin beim Auszug gefunden hätten. Dies müsse 2013 oder 2014 gewesen sein. Sie meine, dass er hinter oder unter einem Schrank gelegen habe. Sie sei erstmal erschrocken, als sie ihn gelesen habe und ihr sei klar gewesen, dass er von dem Stiefvater stamme, da es seine Schrift sei. Warum der Brief mit „J.“ unterschrieben sei, könne sie sich nicht erklären.

Die Schwester der Klägerin, L, hat als Zeugin nach Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht gehört, angegeben, dass es in der Vergangenheit häufiger so gewesen sei, dass ihr Stiefvater im Zimmer der Schwester gewesen sei und die Tür zugehalten habe, damit sie nicht hinein könne. Ein paar Tage bevor die Klägerin ihnen von den Vorfällen erzählt habe, sei der Stiefvater zu ihr ins Bad gekommen und habe mit ihr duschen wollen. Sie habe ihrer Mutter davon berichtet und es sei zu einem großen Ehestreit gekommen, der Stiefvater habe alles abgestritten. Ein paar Tage danach habe die Klägerin alles erzählt und sie habe ihr dies geglaubt. Sie sei zu dem Zeitpunkt zehn Jahre alt gewesen und habe noch nicht alles begreifen können. Sie habe nie gesehen, dass ihr Stiefvater Liebesbriefe in das Zimmer der Klägerin gelegt habe, wisse nur, dass er beim Leerräumen des Hauses unter einem Schrank gelegen sei. Der Umzug sei etwa 2013 gewesen. Auf den Vorhalt, dass die Verhandlung vor dem LG im Januar 2014 gewesen sei, gab die Zeugin an, dass sie sich sicher sei, dass der Umzug danach stattgefunden habe.

Mit Urteil vom gleichen Tag hat das SG den Bescheid vom 15. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2015 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, Beschädigtengrundrente nach einem GdS von 40 für die Zeit vom 27. Mai 2013 bis 26. Mai 2016 und nach einem GdS von 30 ab dem 27. Mai 2016 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zu Gunsten der Klägerin der Beweismaßstab der Glaubhaftmachung anzuwenden sei, nachdem der Stiefvater die Aussage verweigert habe und Tatzeugen nicht vorhanden seien. Die Kammer stütze sich auf die glaubhaften Angaben der Klägerin im Ermittlungs-, Straf- und sozialgerichtlichen Verfahren. Sie habe die Missbrauchssituationen durchgehend übereinstimmend geschildert. Danach sei es zu sexuellen Übergriffen in den Sommerferien 2010, am Rosenmontag 2011, im Sommer 2011 und im August 2012 gekommen. Die Gutachterin im Strafverfahren C1 sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aussage eine hohe Aussagequalität habe, die sich deutlich vom Schemawissen zu vergleichbaren Ereignissen unterscheide. Die Schwester der Klägerin habe bestätigt, dass sich der Stiefvater öfter im Kinderzimmer der Klägerin aufgehalten und ihr den Zutritt verwehrt habe. Weiter habe sie angegeben, dass dieser auch ihr gegenüber zudringlich geworden sei. Gestützt würden die Angaben zudem durch den vorgelegten „Liebesbrief“, der nach dem graphologischen Sachverständigengutachten des B1 von dem Stiefvater stamme. Die Klägerin habe glaubhaft geschildert, während der Zeit des sexuellen Missbrauchs mehrere solche Briefe erhalten zu haben. Diese habe sie als Beweisstücke aufbewahrt, sie seien während ihres Krankenhausaufenthaltes 2012, nachdem sie dem Stiefvater gedroht habe, den Missbrauch öffentlich zu machen und die Briefe als Beweis vorzulegen, verschwunden. Der nun vorgelegte Brief sei bei einem Umzug im Kinderzimmer aufgefunden worden. „J“ könne auch das Kürzel des Namens der Klägerin sein. Das Urteil des LG Ellwangen führe zu keiner anderen Beurteilung, da im Gegensatz zum gerichtlichen Strafverfahren bei der Glaubhaftmachung gewisse Zweifel am Vorliegen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs bestehen könnten. Im sozialgerichtlichen Verfahren hätten sich keine Anhaltspunkte für das vom LG vermutete Komplott zu Lasten des Stiefvaters ergeben. Weder sei es zu Widersprüchen noch zu wortgleichen Angaben im Rahmen der Vernehmung der Klägerin bzw. der Zeuginnen gekommen. Soweit das Gutachten der C1 die Fantasiehypothese nicht endgültig verworfen habe, führe dies nicht zu durchgreifenden Zweifeln an den Angaben der Klägerin. Zwar habe die Gutachterin nicht verlässlich entscheiden können, ob die Klägerin den Sachverhalt übereinstimmend geschildert habe, weil sie diesen erlebt und sich diese Ereignisse besonders gut im Gedächtnis festgesetzt hätten, oder weil sie ihre Aussage zuvor nochmals gelesen habe. Da ein sachgerecht erstelltes Glaubhaftigkeitsgutachten den Vollbeweis ermöglichen solle, müsse ein für die Auskunftsperson ungünstiges Ergebnis eines solchen Gutachtens nicht bedeuten, dass die betreffenden Angaben nicht glaubhaft sein könnten. Als Schädigungsfolge bestehe eine PTBS, die bereits im Mai 2013 diagnostiziert worden sei, mit einem GdS von zunächst 40, schließlich 30.

Am 17. November 2020 hat der Beklagte Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die Entscheidung könne schon deshalb keinen Bestand haben, weil im Tenor des Urteils keine Schädigungsfolgen bezeichnet würden, was einen Verstoß gegen die Unzulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage darstelle. Außerdem bestünden erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin, sodass eine Anwendung von § 15 KOVVfG nicht in Betracht komme. Der angeschuldigte Stiefvater sei im Strafprozess freigesprochen worden. Schon das Glaubhaftigkeitsgutachten stelle fest, dass aus der hohen Übereinstimmung der Schilderung der Sachverhalte zu verschiedenen Aussagezeitpunkten nicht auf eine Erlebnisfundiertheit geschlossen werden könne, da die Klägerin schriftliches Material über die vorhergehende Aussage zur Verfügung gehabt habe und anhand dessen ihre früheren Aussagen nochmals habe auffrischen können. Eine Konstanz-Analyse sei deshalb nicht möglich gewesen. Das LG habe deutlich herausgestellt, dass sich im Rahmen der Hauptverhandlung Verdachtsmomente für das Vorliegen eines Komplotts der Klägerin und ihrer Mutter zum Nachteil des Angeklagten ergeben hätten. So hätten sich wortgleiche Formulierungen von Mutter und Tochter gefunden, die auf eine Absprache hindeuteten.

Der Nachweis eines sexuellen Übergriffs gelinge nicht durch die Auswertung angeblicher Liebeszettel. In der mündlichen Verhandlung habe die Klägerin erklärt, dass nach einem Krankenhausaufenthalt alle in einem Schuhkarton gesammelten Zettel plötzlich weg gewesen seien. Die Mutter der Klägerin habe ausgesagt, sie habe den mit „J.“ unterzeichneten Liebesbrief auf einem Zettel der Reichsstadtapotheke bei einem Abbau der Möbel 2013 oder 2014 hinter oder unter einem Schrank gefunden. Schon in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2019 habe die Klägerin angegeben, lediglich einen Zettel gefunden zu haben, dieser sei jener mit „J.“ unterzeichnete Zettel gewesen, den sie beim Aufräumen gefunden habe. Im Widerspruchsverfahren habe die Klägerin einen anderen Zettel mit einer angeblichen Liebesbotschaft des Stiefvaters vorgelegt, welchen sie bei dem Umzug im April 2014 gefunden habe. Das graphologische Sachverständigengutachten sei ebenfalls untauglich, sexuelle Übergriffe zu beweisen. Das SG habe keine überzeugende Erklärung dafür finden können, warum dieser Zettel mit „J.“ unterzeichnet sei, was sich dem Stiefvater in keiner Weise zuordnen lasse. Als Vergleichsschriften lägen nur die Unterschriften des Stiefvaters aus dem Wohnungsmietvertrag und auf dem Dokument wegen der Schlüsselübergabe vor. Damit lasse sich eine Zuordnung der maßgeblichen Notiz nicht vornehmen. Außerdem enthalte der vorgelegte Einschreiberückschein als diejenige Vergleichsschrift des Gutachtens mit dem größten Textinhalt keinen Nachweis für eine Urheberschaft von dem Stiefvater. Soweit das SG hierzu auf die Aussage der Mutter verweise, wonach diese angeben habe, dass der Stiefvater den maßgeblichen Rücksendeschein ausgefüllt hat, müsse beachtet werden, dass Grundlage eines graphologischen Sachverständigengutachtens nur eindeutig nachgewiesene Vergleichsschriften sein könnten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Oktober 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen,

hilfsweise ein aussagepsychologisches Gutachten bei K, Zentrum für Trauma- und Konfliktmanagement- (ZTK) GmbH, C2str., K1 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz einzuholen.

Sie verweist auf die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung und darauf, dass die tatbedingten Schädigungen durch das psychiatrische Sachverständigengutachten nachgewiesen seien. Mit dem graphologischen Sachverständigengutachten sei belegt, dass die geständnisgleichen Schriftstücke vom Täter stammten. Sie habe nicht behauptet, dass der Stiefvater bereit sei, eine Schriftprobe abzugeben oder Angaben zur Sache zu machen, vielmehr habe sie nur einen Beweisantritt vorgenommen.

Ergänzend hat sie ausgeführt, dass sie von dem Stiefvater am 11. März 2021 in dem Geschäft, in dem sie als Verkäuferin arbeite, aufgesucht und bedroht worden sei. Zeitlich vorgängig habe in der von ihr bewohnten Wohnung ein Einbruchsversuch stattgefunden, sodass nicht auszuschließen sei, dass dies ebenfalls der Stiefvater gewesen sei. In chronologischer Hinsicht ließe sich solches recht gut und plausibel einordnen, sollte der Beklagte mit diesem wegen der Regressnahme korrespondiert haben. Durch die Ladung zum Verhandlungstermin und die durch den Strafverteidiger erklärte Aussageverweigerung sei er sicherlich über die Tatsache eines möglichen Regresses informiert gewesen. Zu Bedrohungen und Beschimpfungen sei es nicht verbaler Art gekommen, da, wie der Stiefvater wisse, sein reines Erscheinen ausgereicht habe, dass sie in Tränen ausgebrochen sei. Ihre Vorgesetzte habe ein Hausverbot gegen den Stiefvater ausgesprochen, hinsichtlich dessen anwaltlich eine Rücknahme verlangt worden sei. Sie habe gegenüber ihrem Arbeitgeber eine Stellungnahme abgegeben müssen, die sie als Anlage vorgelegt hat. Die Polizei habe sich der Sache nicht angenommen, ermittelt werde lediglich wegen des Wohnungseinbruchs.

Weiter hat sie das Attest des K2 vom 12. März 2021 vorgelegt. Danach bestehe eine PTBS, die auf sexuelle Übergriffe durch den Stiefvater in der Vergangenheit zurückzuführen sei. Dies sei bei vorherigen Gesprächen mehrfach geschildert worden und erscheine glaubhaft. Eine entsprechende gebietsärztliche Mitbehandlung finde statt. Die Klägerin habe ihm heute mitgeteilt, von dem Stiefvater auf der Arbeitsstelle aufgesucht und psychisch und physisch bedroht worden zu sein. Es werde deshalb anheimgestellt, ein Begegnungsverbot gegen den Stiefvater zu erwirken, um so einen weiteren körperlichen und seelischen Schaden von der Klägerin abzuwenden.

Der Beklagte hat ergänzend darauf hingewiesen, dass der Vorhalt, dass Regressansprüche geltend gemacht worden seien, jeder Grundlage entbehre. Ein solches Vorgehen sei dem LRA schon zeitlich gar nicht möglich gewesen, da die Akten beim SG bzw. LSG gewesen seien.

Der Senat hat die Akten des LG (Az.: 2 KLs 16 Js 14336/12 Jug.Sch.) beigezogen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 SGG), auch im Übrigen zulässig und begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 22. Oktober 2020, mit dem der Beklagte auf die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) verurteilt worden ist, unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 15. Januar 2015 Beschädigtengrundrente nach einem GdS von 40 bzw. 30 zu gewähren. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.

Die Begründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 15. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie kann die Gewährung einer Beschädigtengrundrente nicht beanspruchen, sodass der Beklagte den Anspruch zu Recht abgelehnt hat und das SG der Klage nicht hätte stattgeben dürfen.

Das SG hat zwar keine unzulässiger Elementenfeststellung nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG getroffen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 13 f.; BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – B 9 VS 2/98 R –, juris, Rz. 12), also nicht isoliert über ein Tatbestandsmerkmal entschieden, sondern auf die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zur Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach einem bestimmten GdS verurteilt, mithin den Anspruch als erfüllt angesehen. Von welchen Schädigungsfolgen das SG dabei ausgegangen ist, ergibt sich aus den Entscheidungsgründen, die darüber Auskunft geben, welche Feststellungen, Erkenntnisse und rechtliche Überlegungen das Gericht getroffen hat und die die Überprüfung der Entscheidung gerade ermöglichen sollen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a. a. O., § 136 Rz. 7).

Das SG hätte aber weder den Schädigungstatbestand für mehr als möglich halten dürfen noch einen dadurch begründeten rentenberechtigenden GdS.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, unter anderem auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit <MdE> bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2014 – L 6 VS 413/13 –, juris, Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).

Für einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 – B 9 V 1/12 R –, BSGE 113, 205 <208 ff.>):

Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 – B 9 VG 1/08 R –, juris, Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person („wer“), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind. In Altfällen, also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und dem Inkrafttreten des OEG am 16. Mai 1976 (BGBl I S. 1181), müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen gemäß § 10 Satz 2 OEG in Verbindung mit § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sein. Nach dieser Härteregelung erhalten Personen, die in diesem Zeitraum geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich des OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Schwerbeschädigung liegt nach § 31 Abs. 2 BVG vor, wenn ein GdS von mindestens 50 festgestellt ist.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes „vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VG 2/10 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer – jedenfalls versuchten – vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 – B 9 VG 1/09 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 ‑ B 9 VG 2/10 R ‑, SozR 4 3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 ‑ B 9 V 1/13 R ‑, juris, Rz. 23 ff.).

In Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Sinne von § 176, § 176a StGB hat das BSG den Begriff des tätlichen Angriffes noch weiter verstanden. Danach kommt es nicht darauf an, welche innere Einstellung der Täter zu dem Opfer hatte und wie das Opfer die Tat empfunden hat. Es ist allein entscheidend, dass die Begehensweise, also eine sexuelle Handlung, eine Straftat war (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 ‑ B 9 VG 1/09 R ‑, SozR 4 3800 § 1 Nr. 17, Rz. 28 m. w. N.). Auch der „gewaltlose“ sexuelle Missbrauch eines Kindes kann demnach ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG sein (vgl. BSG, Urteile vom 18. Oktober 1995 – 9 RVg 4/93 –, BSGE 77, 7, <8 f.> und – 9 RVg 7/93 –, BSGE 77, 11 <13>). Diese erweiternde Auslegung des Begriffes des tätlichen Angriffs ist speziell in Fällen eines sexuellen Missbrauchs von Kindern aus Gründen des sozialen und psychischen Schutzes der Opfer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des OEG geboten.

Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.

Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 35/09 R –, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).

Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 6/13 R –, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein „deutliches“ Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.

Bei dem „Glaubhafterscheinen“ im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3 3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 ‑ B 9 V 23/01 B ‑, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend – seit Juli 2004 – den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 ‑ B 9 V 6/13 R ‑, juris, Rz. 17).

Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des erkennenden Senats in Auswertung der unterschiedlichen Aussagen und Gutachten nicht vor, ein schädigendes Ereignis ist danach weder nachgewiesen noch wenigstens glaubhaft gemacht, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme verbleibende reine Möglichkeit genügt nicht zur Anspruchsbegründung.

Von dem Beweismaßstab der Glaubhaftmachung hat der Senat deshalb auszugehen, weil er auch dann anwendbar ist, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind. Nach dem Sinn und Zweck des § 15 Satz 1 KOVVfG sind damit nur Tatzeugen gemeint, die zu den zu beweisenden Tatsachen aus eigener Wahrnehmung Angaben machen können. Personen, die von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben, sind dabei nicht als Zeugen anzusehen. Entsprechendes gilt für eine als Täter in Betracht kommende Person, die eine schädigende Handlung bestreitet. Denn die Beweisnot ist in diesem Fall nicht geringer, als wenn der Täter unerkannt geblieben oder flüchtig ist. Die Beweiserleichterung gelangt damit auch zur Anwendung, wenn sich Aussagen des Opfers und des vermeintlichen Täters gegenüberstehen und Tatzeugen nicht vorhanden sind (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 9 V 3/15 R –, juris, Rz. 30).

Der angeschuldigte Stiefvater hat im Strafverfahren die Taten in Abrede gestellt. Beim SG hat er sich – zulässig – auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er hieran nicht festhält (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 18. November 1986 – I ZR 99/85 –, juris, Rz. 12). Abgesehen von der Angehörigenstellung als Ex-Mann der Mutter der Klägerin (vgl. auch § 118 Abs. 1 SGG i. V. m. § 383 Abs. 1 Zivilprozessordnung [ZPO]) weist der Senat darauf hin, dass nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 384 Nr. 2 ZPO das Zeugnis über Fragen verweigert werden kann, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem seiner in § 383 Nr. 1 bis 3 ZPO bezeichneten Angehörigen zur Unehre gereichen oder die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Dabei muss der Zeuge nur die allgemeinen Voraussetzungen des Weigerungsrechtes dartun, die sich oft schon aus der Frage selbst ergeben. Die Angabe des konkreten Weigerungsgrundes ist ihm bereits nicht mehr zuzumuten, weil sonst der Schutzzweck des Gesetzes illusorisch wäre (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 384 Rz. 2). Unabhängig von einem eventuellen Strafklageverbrauch durch den Freispruch könnten wahrheitsgemäße Angaben des Stiefvaters – ausgehend von den Anschuldigungen der Klägerin – diesem jedenfalls als Vorwurf der Pädophilie unzweifelhaft zur Unehre gereichen, sodass das Zeugnisverweigerungsrecht auch unter diesem Gesichtspunkt besteht.

Somit bleiben als Erkenntnismöglichkeiten nur die Aussagen der Klägerin, nach deren Auswertung für den Senat ebenso wie die große Jugendstrafkammer und dieser folgend der Beklagte aber die Glaubhaftmachung eines sexuellen Missbrauchs durch ihren Stiefvater nicht gelungen ist, dieser nur möglich bleibt.

Zwar deuten die klägerische Reaktion auf den bloßen Blickkontakt mit dem Stiefvater bei Prozessbeginn im vorangegangenen Strafverfahren auf einen gravierenden Konflikt mit diesem hin, was der Senat dem vorgelegten Pressebericht entnimmt. Ebenso ist es mit den ersten körperlichen Symptomen nach der Anzeige. Es kam zu blutigem Erbrechen bei Gastritis mit nachfolgender stationärer Behandlung, was nach damaliger ärztlicher Einschätzung auf eine Somatisierung hinweist. Allerdings hat der Beklagte zutreffend betont, dass sich hieraus ein Rückschluss auf die behauptete Schädigung verbietet. Das gilt umso mehr, als die Klägerin auch aktuell ohne Schädigungseinfluss noch an einer milderen Form der Gastritis leidet.

Hinsichtlich ihres gezeigten Aussageverhaltens bleibt auffällig, dass sie trotz der augenscheinlichen Belastung dreimal die Polizei aus eigenem Antrieb aufgesucht hat um mehrstündige Aussagen zu machen, was einigermaßen ungewöhnlich ist, ebenso, dass ein Opfer einen erlebten Sachverhalt nicht ohne jegliche Gedächtnisstütze schildern kann, sondern mehrfach seine Protokolle studiert bevor er weitere Aussagen tätigt. Dieses Verhalten konnte sie auf ausdrückliche Nachfrage im Senatstermin nicht erklären, blieb vielmehr, wie bei jeder vorangegangenen Nachfrage zur Präzisierung sehr vage.

Bereits die Feststellung eines Datums für die eine behauptete vollendete Vergewaltigung mit nachfolgendem weiteren Missbrauch oder eine zeitliche präzise Eingrenzung der Taten ist dabei nach den klägerischen Aussagen nicht möglich. Den in der Strafakte des LG, die im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. ZPO), enthaltenen, noch unbeeinflussten Erstangaben der Klägerin gegenüber der Polizei entnimmt der Senat, dass diese gar nicht in der Lage war, den Zeitraum des behaupteten schädigenden Ereignisses näher zu bestimmen oder einzugrenzen, obwohl es sich um eine Entjungferung unter Gewalteinwirkung bis zum Samenerguss gehandelt haben soll. Sie konnte sich nur daran erinnern, welche Kleidung sie dabei getragen haben will. Erst aus der suggestiven Nachfrage des Vernehmenden bei der zweiten Vernehmung, dass es wohl Sommer gewesen sein müsse, wenn sie eine kurze Hose getragen habe, resultierte dann die Präzisierung, dass es Sommer gewesen sei. Ebenso knüpfte die Aussage, dass sich das Ereignis vor zwei Jahren ereignet habe, nicht an konkrete Umstände oder Geschehnisse an, die sie plausibilisiert hätte. Soweit die Klägerin im weiteren Verfahrensverlauf mehrfach behauptet hat, dass sich das Ereignis in den Sommerferien ereignet habe, fehlt es ebenfalls an Anknüpfungspunkten dafür, worauf diese spätere Erkenntnis beruhen soll. Gegenüber der Sachverständigen M1 hat sie sich wiederum darauf festgelegt, 13 Jahre alt gewesen zu sein. Demgegenüber hat ihre Mutter ein Alter von 14 Jahren in den Raum gestellt.

Für einen Anspruch nach dem OEG reicht es aber nicht aus, dass der Antragsteller beweisen oder – unter den Voraussetzungen des § 15 KOVVfG – glaubhaft machen kann, irgendwann einmal zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt und bzw. oder irgendwo an einem nicht genau zu bestimmenden Ort Opfer einer Gewalttat geworden zu sein (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 2018 – L 6 VG 2096/17 –, juris, Rz. 73). Vielmehr muss die angeschuldigte Tat nach ihrem Sachverhalt, ihrem Ort und der Tatzeit ausreichend konkretisiert werden (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. Februar 2015 – L 7 VE 6/12 –, juris, Rz. 46). Das bedeutet nicht, dass eine Tat nach Datum oder gar Uhrzeit oder z. B. einem bestimmten Raum innerhalb eines Gebäudes spezifiziert werden muss, was nicht einmal die Strafgerichte in einem Verfahren gegen den Beschuldigten verlangen. Aber eine Tat, die nach Ort, Zeit oder Ablauf nicht derart konkret beschrieben wird, dass sie nach den verschiedenen rechtlichen Anforderungen des OEG überprüft werden kann, kann nicht Grundlage einer Verurteilung der Versorgungsverwaltung sein. Eine diesen Anforderungen entsprechende Konkretisierung ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht. Unabhängig davon ist das schädigende Ereignis aber auch aufgrund der weiteren Angaben der Klägerin nicht wenigstens glaubhaft gemacht.

Was genau im Sommer 2010 geschehen sein soll, bleibt nämlich ebenfalls vage und kann nicht Grundlage einer ausreichenden Überzeugungsbildung sein. Die Angaben zu dem vermeintlichen Vorfall im Sommer 2010 selbst weisen deutliche Widersprüchlichkeiten und Inkonsistenzen auf, die insbesondere aus dem aussagepsychologischen Sachverständigengutachten der C1 ersichtlich werden. Die damals getätigten, wörtlich wiedergegebenen Angaben der Klägerin kann der Senat unbeschadet des Umstandes, dass dieses im Strafverfahren eingeholt worden ist und den dort geltenden Maßstäben folgt, uneingeschränkt als generelle Tatsachen im Wege des Urkundsbeweises verwerten (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 9 V 3/15 R –, juris, Rz. 43).

Diese Verwertungsmöglichkeit besteht unabhängig von der Aussagekraft des strafrechtlich eingeholten Gutachtens, wozu der Senat seiner Entscheidung die dazu ergangene aktuelle Rspr. des BSG zugrunde legt.

Dass danach aussagepsychologische Sachverständige keine relative Wahrscheinlichkeit der Aussagen feststellen (können), wie dies für § 15 Satz 1 KOVVfG ausreicht, muss im Falle eines für die Auskunftsperson ungünstigen Ergebnisses eines Glaubhaftigkeitsgutachtens (d.h. Zweifel am Erlebnisbezug der Aussage können nicht ausgeschlossen werden) nicht bedeuten, dass die betreffenden Angaben nicht im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG als glaubhaft erscheinen können. Diesen Unterschied im Rahmen der Beweiswürdigung zu beachten, ist richterliche Aufgabe (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 9 V 3/15 R –, juris, Rz. 46 in Abgrenzung und unter Aufgabe zu BSG, Urteil vom 17. April 2013 – B 9 V 3/12 R –, juris, Rz. 55). Denn nach den strafrechtlichen Grundsätzen – die am Vollbeweis ausgerichtet sind – darf ein aussagepsychologischer Sachverständiger die Angaben erst dann als glaubhaft ansehen, wenn er alle Alternativhypothesen ausschließen kann. Diesen dem Sachverständigengutachten zu Grunde liegenden Prüfungsmaßstab berücksichtigt der Senat zwar im Rahmen seiner Beweiswürdigung im Hinblick auf die von der Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen. Jedoch ändert das nichts daran, dass zum einen die tatsächlichen Angaben der Klägerin uneingeschränkt zu verwerten sind, da ihre Erhebung gerade keinen besonderen, nur auf den Vollbeweis gerichteten, Regeln folgt und zum anderen die Ausführungen der Sachverständigen zur Aussagetüchtigkeit der Klägerin selbst uneingeschränkt herangezogen werden können.

So bestehen unterschiedliche Angaben dazu, ob der behauptete Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss abgeschlossen war. Gegenüber der Polizei hat die Klägerin bei ihren ersten Vernehmungen noch angegeben, dass die Vergewaltigung schnell abgelaufen ist, maximal fünf Minuten gedauert hat und sie sich nicht erinnern kann, dass es bei ihr zu Blutungen gekommen ist und ob der Stiefvater einen Samenerguss hatte. Der Sachverständigen C1 hat sie später hingegen geschildert, dass sie nach der Vergewaltigung in ihrem Urin etwas Weißes gesehen habe und meine, Blut im Urin gehabt zu haben. Die Angaben gehen somit über die Erstangaben der Klägerin hinaus, entsprechen vielmehr der Behauptung der Mutter in deren erster Vernehmung, dass es bis zum Samenerguss gekommen sei.

Unplausibel ist auch ihr weiteres Vorbringen zu der behaupteten Entjungferung. So hat sie bei der ersten Sachverständigen C1 ausgesagt, dass sie in dem Zeitraum der Anzeigeerstattung schon einige eigene sexuelle Erfahrungen mit Geschlechtsverkehr hatte, ihr Stiefvater aber der erste Mann war, mit dem dies unfreiwillig war. Dazu passend hat ihre Mutter davon berichtet, dass der damals Vierzehnjährigen bereits die Pille verordnet, also ein Verhütungsmittel für erforderlich erachtet wurde. Wenn die Klägerin dazu glauben machen möchte, dass ihr als gerade geschlechtsreifes Mädchen die Pille zur Bekämpfung von Regelbeschwerden rezeptiert wurde, ist das wenig glaubwürdig, zumal sie noch nicht einmal den Namen des Frauenarztes erinnern konnte, weiter nicht erwähnte, dass ihre Mutter sie zum Arzt begleitet haben soll. Der Sachverständigen M1 hat sie dann wiederum berichtet, dass es ihr erster Geschlechtsverkehr gewesen sei.

Weiter wird das Ausmaß der angeblich angewendeten Gewalt unterschiedlich geschildert. Bei der Polizei hat sie noch mehrfach bestätigt, dass es zu keinerlei Gewalt gekommen sei. Soweit die Klägerin erst- und einmalig gegenüber der Sachverständigen C1 angegeben hat, dass sie unmittelbar nach der Tat von dem Stiefvater mit einem Messer verletzt worden ist, lassen sich diese Angaben schon mit den von ihr berichteten Zeitablauf nicht vereinbaren. Aus den polizeilichen Vernehmungen wird nämlich deutlich, dass die Mutter der Klägerin Pistole und Munition erst an dem Wochenende nach der Offenlegung durch die Klägerin gefunden haben will, was die Schilderungen der Klägerin gegenüber der Sachverständigen M1 widerlegt, dass sie deshalb Angst vor dem Stiefvater gehabt habe, da dieser Waffen und Messer besessen habe. Tatsache ist vielmehr, dass die Waffen nach dem eigenen Bekunden der Mutter erst gefunden wurden, als der Stiefvater das Haus verlassen hatte und sie diese dann der Polizei übergeben hat, die Klägerin hiervon also keine Kenntnis haben konnte.

Auch der geschilderte zeitliche Ablauf der Vergewaltigung kann so nicht gewesen sein. Nach den Erstangaben der Klägerin hat der Stiefvater ihre Mutter zu einer Bekannten gefahren, soll nach seiner Rückkehr unmittelbar in ihr Zimmer gekommen sein und sie vergewaltigt haben. Anschließend will sie unmittelbar ins Bad gegangen sein und geduscht haben. Dass sie danach nach unten gekommen ist und der Stiefvater in der Küche gekocht hat, lässt sich noch nachvollziehen, nicht aber, dass sich die Mutter zu diesem Zeitpunkt schon wieder zu Hause befunden und Wäsche abgehängt haben soll. Auf den entsprechenden Vorhalt der Sachverständigen hat die Klägerin nur ausweichend angegeben, dass ihre Mutter ja gegen Abend heimgekommen gewesen sei, was nicht damit ein Einklang zu bringen ist, dass es bereits gegen 18 Uhr gewesen sein soll, als der Stiefvater zurückkam.

Weiter ist nicht schlüssig, dass er am 11. August 2012 erst versucht haben soll die Klägerin erneut zu missbrauchen, davon allein aufgrund der verbalen Gegenwehr abgelassen zu haben um dann gleich seine Ehefrau so zu vergewaltigen, dass die dabei zugefügten Verletzungen beiden Töchtern sichtbar waren, die Mutter sie indessen mit einem unglücklichen Fall erklärte, was für beide zunächst glaubhaft war.

Das gilt ebenso für die Behauptungen der Klägerin, dass der Stiefvater sie in seinem Auto mehrfach versucht hat zu zwingen, ihn mit dem Mund zu befriedigen. Es ist schon schwer nachvollziehbar, dass die Klägerin sich immer wieder von dem Stiefvater hat fahren lassen, obwohl dieser regelmäßig übergriffig geworden sein soll. Auf den – schlüssigen – Vorhalt diesbezüglich in der polizeilichen Vernehmung hat die Klägerin nur ausweichend geantwortet. Sie sei davon ausgegangen, dass er nicht mehr übergriffig werde, da seit mehreren Monaten nichts mehr passiert sei, was sich indessen nicht damit vereinbaren lässt, dass sie an anderer Stelle behauptet hat, dass fünf bis sechs Übergriffe monatlich stattgefunden hätten. Gegenüber der Sachverständigen M1 hat sie sogar behauptet, dass der Stiefvater zuletzt fast täglich in ihrem Zimmer gewesen sei. In diesem Zusammenhang erschließt sich der Vortrag der Klägerin, sie habe bei den Fahrten immer die Anwesenheit von Bruder oder Schwester gewünscht, was der Stiefvater abgelehnt habe, nicht. Wenn dieser so übergriffig gewesen ist, wie die Klägerin glauben machen will, wäre jedenfalls ihre angeblich ebenfalls gefährdete Schwester dieser Gefahr dann zwangsläufig auch ausgesetzt gewesen, da diese mit dem Stiefvater auf der anschließenden Rück- bzw. Hinfahrt denknotwendig ebenfalls alleine im Auto gewesen wäre.

Wie glaubhaft es darüber hinaus ist, dass der körperlich überlegende und vermeintlich aggressive Stiefvater jeweils von der Klägerin abgelassen hat, sie das Auto zwanglos hat verlassen können und es zu keinen weiteren sexuellen Handlungen im Auto gekommen sein soll, lässt der Senat dahinstehen.

Nachdem die Klägerin selbst beschrieben hat, in den Sommerferien 2011 sechs Wochen, also die gesamten Schulferien, bei ihrer Tante verbracht zu haben, um dem Stiefvater zu entgehen, ist es weiter nicht glaubhaft, wenn sie nunmehr behauptet, während dieser Zeit von diesem gezwungen worden zu sein, sich einen Porno anzuschauen und sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen.

Dass sich der – nachträglich – behauptete Vorfall des Eindringens mit Fingern in ihre Scheide am Rosenmontag ereignet hat, ist nicht ebenfalls nicht glaubhaft. Bei ihrer polizeilichen Vernehmung hat die Klägerin nämlich angegeben, dass sich der Vorfall „dieses Jahr“ an Fasching zugetragen habe, also im Jahr 2012, während sie der Sachverständigen C1 geschildert hat, dass es im Jahr 2011 gewesen sei. Diese Angaben sind in den Wortprotokollen der Sachverständigen so vermerkt und die Jahreszahlen insbesondere bei der Übertragung ausgeschrieben worden, sodass ein Übertragungsfehler ausgeschlossen werden kann.

Die Behauptung der Klägerin gegenüber der Sachverständigen M1, dass es schon seit ihrem elften Lebensjahr zu Annäherungsversuchen des Stiefvaters gekommen sein soll, ist als gesteigertes Vorbringen zu werten. Hierfür fehlt es zum einen an jeglichen Anknüpfungstatsachen und zum anderen widersprechen die Behauptungen den eigenen Einlassungen der Klägerin gegenüber der Polizei, dass jedenfalls bis zu dem vermeintlichen Vorfall ein normales Verhältnis zu dem Stiefvater bestanden hat.

Wenn die Klägerin weiter gegenüber der Sachverständigen M1 Probleme mit dem Geschlechtsverkehr angibt, relativieren sich ihre Angaben dadurch, dass sie nach eigenen Bekunden mit ihrem ersten Freund zweimal Geschlechtsverkehr hatte und diesen – auf ausdrückliche Nachfrage der Sachverständigen C1 – als für sie „okay“ bezeichnete. Mit ihrem zum Zeitpunkt der Vernehmungen aktuellen Freund will sie damals schon ein Jahr eine Beziehung unterhalten haben, wenn es mit diesem auch noch zu keinem Geschlechtsverkehr gekommen sein soll. Dies widerlegt die Behauptungen gegenüber der Sachverständigen M1, dass sie erst zum Ende der Übergriffe des Stiefvaters einen Freund gehabt habe, sondern belegt vielmehr, dass sie nach dem vermeintlichen Vorfall mit dem Stiefvater – zeitnah – jedenfalls zwei Beziehungen eingegangen ist, wobei sie jedenfalls mit dem ersten Freund auch Geschlechtsverkehr hatte.

Nachdem der Stiefvater die Klägerin zur Geheimhaltung der vermeintlichen Vorgänge gezwungen haben soll, erschließt sich das Vorbringen der Klägerin, wonach er während eines Telefonat mit ihrem Freund in ihr Zimmer gekommen sein und ihr an die Brust gefasst haben soll, nicht. In dieser Situation hätte der Stiefvater zwingend davon ausgehen müssen, dass der Freund der Klägerin etwas von den Übergriffen mitbekommt, was auch der Fall gewesen sein soll, dieser nämlich nachgefragt habe, was los sei.

Der vermeintliche Nachweis durch das eingeholte graphologisches Sachverständigen des B1 zu dem angeblich später aufgefundenen Zettel kann ebenfalls nicht gelingen, ungeachtet des Umstandes, dass fraglich ist, warum immer wieder solche, mal durch die Klägerin, dann durch ihre Mutter gefunden werden, erst einer, dann eine E-Mail mit fehlerfreiem Deutsch und schließlich wieder ein Zettel, und diese nur im sozialgerichtlichen Verfahren vorgelegt wurden. Die Darlegungen zu den vermeintlichen Liebesbriefen des Stiefvaters überzeugen den Senat nicht. Die Klägerin hat schon gar nicht behauptet, von dem Stiefvater Briefe mit dem Inhalt bekommen zu haben, wie er aus dem jetzt vorgelegten Notizzettel ersichtlich ist, sondern nur mit der Aufforderung sich mit ihm mit bestimmter Bekleidung zu treffen. Ebenso hat sie nicht beschrieben, dass die an sie gerichteten Briefe mit „J.“ unterzeichnet gewesen wären, was sich durchaus als ein individuelles Erkennungsmerkmal erweisen würde. Vielmehr hat sie ebenso wie ihre befragte Mutter auf wiederholte Nachfragen nur angegeben, sich nicht erklären zu können, warum die Briefe mit „J.“ unterzeichnet sind. Die Mutmaßungen des SG, dass die Unterschrift mit „J.“ eine Abkürzung des klägerischen Namens darstelle, erweist sich schon deshalb als bloße Spekulation, weil der Vorname ihrer Schwester ebenfalls mit „J.“ beginnt, es demgemäß nicht ausgeschlossen sein kann, dass sich der Zettel an diese richtete, was das SG aber gar nicht in Betracht gezogen hat. Das gilt umso mehr, als das „J.“ mit seinem inhaltlichen Abschluss des Zettels eher als Unterschrift, denn als Anrede aufgefasst werden kann, worauf der Beklagte hingewiesen hat. Die Umstände des Auffindens des Briefes sind ebenso nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich, nachdem weder die Klägerin, noch ihre Mutter und auch nicht die Schwester konstante Angaben dazu machen konnten, wann diese Briefe wo aufgefunden worden sein sollen. Wie die Mutter während des Krankenhausaufenthaltes der Klägerin festgestellt haben will, dass das ganze Zimmer der Klägerin durchsucht worden ist, bleibt ebenso offen, wie und woran die Klägerin später noch erkannt haben will, dass ihre Unterwäsche und ihre Schubladen durchsucht wurden. Nicht überzeugend ist auch, dass nur die in einem Schuhkarton unter dem Bett gesammelten Briefe verschwunden sein sollen, nicht aber die der Klägerin – vermeintlich – vom Stiefvater geschenkten auffälligen Erotik-Tangas, deren Bilder der Strafakte zu entnehmen sind, und dass der nunmehr vorgelegte Brief in einer Schublade – so die Klägerin – bzw. unter einem Schrank, der auch eine Schublade gehabt haben soll – so die Mutter der Klägerin – aufgefunden worden sein soll, also nicht in einer Schachtel, und zwar erst über eineinhalb Jahre später. Dass weder die Klägerin, noch ihre Mutter und auch nicht ihre Schwester sich an den konkreten Zeitpunkt des Umzugs erinnern konnten, sondern vielmehr sowohl die Mutter als auch die Schwester zunächst das Jahr 2013, und damit einen Zeitpunkt vor der Strafverhandlung im Januar 2014 benannt haben, erschließt sich ebenfalls nicht. Gleiches gilt insofern, als die Klägerin einerseits angibt, dass sie ihre Schwester zu sich ins Zimmer geholt habe, um sich vor dem Stiefvater zu schützen, andererseits dessen Briefe unter anderem beim Fernseher, Schreibtisch und Nachtkästchen gelegen sein sollen, mithin sowohl für die Schwester als auch für jeden anderen offen bzw. zumindest einfach auffindbar wären. Der Zeugenaussage der Schwester entnimmt der Senat aber, dass diese keine Kenntnis von solchen Briefchen genommen hat. Es kann deshalb dahinstehen, ob die von der Mutter der Klägerin vorgelegten Vergleichsschriften authentisch sind, wie dies der Beklagte vorträgt, also nicht aus die Identität gesicherten beschlagnahmten Schriftstücken entstammen, und ob es für die Beweisführung eines graphologischen Sachverständigen ausreicht, wenn sich die Vergleichsschriftproben nur auf Unterschriften anstatt auf längere Texte beschränken, wie dies bei B1 der Fall war.

Gleiches gilt für das behauptete Verhalten nach der ersten Tat. Dass sich die Klägerin nach dem vermeintlichen Vorfall im Sommer 2010 zurückgezogen habe und nicht mehr mit dem Stiefvater zusammen am Tisch gesessen haben will, überzeugt schon deshalb nicht, da ihre Mutter ein derartig auffälliges Verhalten, welches zumindest auf ein dramatisches Ereignis hätte hindeuten können, im fraglichen Zeitraum gerade nicht bestätigen konnte. Diese hat vielmehr bekundet, eine Verhaltensänderung erst vor circa sieben Monaten, ausgehend vom Anzeigezeitpunkt, also Anfang 2012 bemerkt zu haben. Sie hat dazu ergänzend geschildert, dass sie damals mit der Klägerin beim Frauenarzt gewesen ist, diese seitdem die Pille nimmt und dass sie davon ausgehe, dass es in diesem Zeitraum zu einem Übergriff durch den Stiefvater gekommen sein dürfte. Sie hat diese Erinnerung insofern erhärtet, als sie weiter darlegte, dass die Klägerin berichtet habe, dass der Stiefvater geäußert habe, dass nichts passieren könne, da sie ja die Pille nehme. Das konnte die Mutter – nachvollziehbar – mit dem behaupteten Missbrauchszeitpunkt im Sommer 2010 nicht in Einklang bringen.

Ebenso wenig ist der behauptete Einbruch der schulischen Leistungen nach dem Sommer 2010 nachvollziehbar. Den Vernehmungsprotokollen entnimmt der Senat vielmehr, dass die Klägerin anfangs selbst berichtet hat, dass sie sich in der Schule wohl fühlt, mit ihrem Zeugnis zufrieden ist und noch nicht weiß, was sie später beruflich machen will. Soweit sie darüber hinaus behauptet hat, dass es in der siebten Klasse zu Mobbingsituationen gekommen sein soll, weil es das Gerücht gegeben habe, dass sie etwas mit einem älteren Mann habe, ist dies weder nach ihren Angaben bei der Vernehmung, noch nach dem schulischen Werdegang schlüssig. Die Klägerin selbst hat diese Aussage zuletzt gegenüber der Sachverständigen M1 dahingehend relativiert, dass die Gerüchte erst aufgekommen seien, nachdem sie sich offenbart habe. Aus den biographischen Daten, wie sie die Mutter der Sachverständigen C1 – im Beisein der Klägerin – mitgeteilt hat, ergibt sich indessen ein schon von Anfang an schwieriger schulischer Werdegang, nämlich dass die Klägerin nach drei Jahren Grund- bereits zwei Jahre die Förderschule und im Anschluss daran die Hauptschule besucht hat, wobei sich die Zeitpunkte des Übergangs von der Grund- auf die Förderschule und von der Förder- auf die Hauptschule mit den von der Klägerin angegebenen Wiederholungen der Klassen 3 und 5 vereinbaren lassen. Dass es während des laufenden Strafverfahrens zu Schwierigkeiten in der Schule gekommen ist, die zu einem Schulwechsel von B2 nach A führten, ist nachvollziehbar, lässt aber keinen belastbaren Rückschluss auf den behaupteten Missbrauch im Sommer 2010 zu.

Der Umstand, dass die Klägerin mit ihren Freunden an Faschingsveranstaltungen teilgenommen haben will, spricht im Übrigen gegen den von ihr behaupteten sozialen Rückzug nach dem vermeintlichen Vorfall, wie sie ihn insbesondere der Sachverständigen M1 gegenüber in ausgeprägter Form beschrieben hat. Dass sie – im Zusammenhang mit den vermeintlichen Übergriffen im Auto – über Fahrten ins Schwimmbad und ins Fußballtraining berichtet hat, ist ebenso mit einer Selbstisolierung nicht vereinbar.

Weiter ist bei der Beweiswürdigung zu würdigen, wie es zu dem Freispruch des Stiefvaters kam. Im Strafverfahren haben sich insofern erhebliche Belastungstendenzen bis hin zu der Annahme eines Komplotts mit ihrer Mutter gegen den angeblichen Täter ergeben, so dass, was einigermaßen ungewöhnlich ist, selbst die Anklagebehörde nicht mehr von der Täterschaft des Stiefvaters überzeugt war, was der Senat dem Strafurteil entnimmt. Für die damals angenommenen Belastungstendenzen der offensichtlich wortgleich berichtenden Mutter spricht, dass diese in deren polizeilicher Vernehmung zwar einerseits ihrem Mann vorwirft, nach dem Streit trotz ihres Gesundheitszustandes keinen Arzt gerufen zu haben, sondern einfach „abgehauen zu sein“, sich aber gleichzeitig ergibt, dass sie, nachdem sie notärztlich stationär eingewiesen war, sich aus dem Krankenhaus gleich wieder selbst entlassen hat, um dann zu Hause die Polizei zu rufen. Das ist auch vor dem Hintergrund bemerkenswert, als sie zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnte, ob der Stiefvater in der Nacht nicht mehr in das Haus zurückkehren wird, wobei sie ihm nach eigenem Bekunden zuvor den Autoschlüssel abgenommen haben will, also damit rechnen musste, dass er sich nicht weiter entfernen kann.

Entsprechendes gilt für den Umstand, dass die Mutter die Angaben der Klägerin schon deshalb für glaubhaft erachtet, weil der Sexvorgang genauso gewesen sei wie bei ihr. Letztlich kommt es nicht darauf an, dass der Stiefvater die Mutter der Klägerin ebenfalls vergewaltigt haben soll, zumal sie sich nur zögernd dazu entschließen konnte, selbst eine Anzeige zu erstatten.

Schließlich kann bei der Beweiswürdigung nicht unbeachtet bleiben, dass die Klägerin mehrfach falsche eidesstattliche Versicherungen verfasst hat, nämlich hinsichtlich des angeblichen Stalkings wie des tätlichen Übergriffs auf ihren Bruder, was sich aus den beigezogenen Strafakten ergibt. 

Ein rechtswidriger, tätlicher Angriff ist mithin nicht glaubhaft gemacht, was zu Lasten der insoweit beweispflichtigen Klägerin geht, somit besteht schon deswegen kein Anspruch auf die Gewährung einer Beschädigtengrundrente.

Dazu ergänzend scheitert der Anspruch daran, dass rentenberechtigende schädigungsbedingte Funktionsstörungen nach einem GdS von 40 bzw. 30 weder in der Vergangenheit vorlagen noch aktuell bestehen, vielmehr noch nicht einmal ein solcher von 10 erreicht wird.

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 begründen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20 und stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist (Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 42; vgl. auch LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 17. Dezember – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Nach diesen Maßstäben liegt die von der Sachverständigen M1 gesehene stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht vor und hat eine solche auch in der Vergangenheit nicht bestanden.

Zeitnah zur angeschuldigten Tat haben sich die entsprechenden Aussagen der Klägerin zu ihrem sozialen Verhalten oder ihren Leistungen mit daraus folgenden Einschränkungen nicht erhärtet. Bereits S hat, wenngleich er eine PTBS diagnostisch übernommen hat, im Mai 2013, also dem Verurteilungszeitpunkt, als Facharzt keinen krankhaften Befund erhoben, vielmehr einen altersgerechten psychomentalen Entwicklungsstatus beschrieben. Er hat darüber hinaus eine Wesensänderung ausgeschlossen, sie als freundlich und fast aufgeschlossen geschildert, was mit einer aktuellen gravierenden Symptomatik nicht vereinbar ist, zumal die Klägerin noch nicht einmal auf Psychopharmaka angewiesen war. Die Klägerin hat diesem alles Mögliche erzählt, aber, obwohl dieser gerade vom zuvor allein behandelnden Internisten eingeschaltet wurde, noch nicht einmal von Missbrauchserfahrungen berichtet. An der ursprünglich behandelten Gastritis leidet die Klägerin schädigungsunabhängig im Übrigen immer noch. 

Auch der angeführte missbrauchsbedingte Einbruch in den schulischen Leistungen als Anzeichen einer psychischen Dekompensation lässt sich nach Aktenlage nicht nachvollziehen, vielmehr ist es der Klägerin nach Verlassen ihres Elternhauses erstmals gelungen sich schulisch und beruflich zu entwickeln. Schulische Schwierigkeiten bestanden schädigungsunabhängig bereits in der Grundschulzeit, also deutlich vor den angeschuldigten Ereignissen, was sich im Wechsel der Schulform zur Förderschule niederschlug. Nachfolgend konnte sie nur die Hauptschule besuchen und ist auch dort jedenfalls einmalig vor der behaupteten Schädigung sitzen geblieben. Erst nach dem Schulabschluss verbesserte sich ihr Leistungsvermögen soweit, dass ihr sogar mit dem Ausbildungsabschluss die mittlere Reife zuerkannt wurde. Die angeschuldigte Tat kann also gar nicht ihren schulischen oder beruflichen Werdegang behindert haben, vielmehr war sie sogar erst danach leistungsfähig.

Des Weiteren konnte sie bei der Polizei von einem Freundeskreis, Freizeitaktivitäten und einem festen Freund berichten, also bestand tatnah weder ein sozialer Rückzug noch eine Beeinträchtigung ihres Sexuallebens. Sie ist in einem stabilen Umfeld gut integriert. So unterhielt sie zum Begutachtungszeitpunkt seit über einem Jahr in eine feste Beziehung, hält enge familiäre Bindungen insbesondere zur Schwester und hat einen Freundeskreis, lebt also nicht sozial zurückgezogen. Sie geht zahlreichen Freizeitaktivitäten nach, pflegt demnach Hobbies. So gab sie an, an den Wochenenden gerne bei ihrem Freund in S1 aufzuhalten, diesen zu seinen Fußballspielen zu begleiten oder Unternehmungen mit dem Freund, seiner Familie und seinem Freundeskreis zu machen. Weiter hat sie beschrieben, gerne mit ihrem Freund ins Kino zu gehen oder einen Filmeabend zu machen. Die Versorgung ihres eigenen Haushaltes hat sie ebenfalls als unproblematisch möglich beschrieben.

Schließlich bestand keine Behandlungsbedürftigkeit. Vielmehr lehnte sie eine eigentliche Psychotherapie, auch in medikamentöser Form ab, sie wurde lediglich als Minderjährige fachkundig während des Strafverfahrens begleitet.

Die aktuellen eigenen Feststellungen der Sachverständigen tragen die Annahme einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ebenfalls nicht. Die Klägerin hat nach der angeschuldigten Tat vielmehr erfolgreich eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau abgeschlossen, ist in diesem Beruf vollschichtig erwerbstätig und befand sich zum Begutachtungszeitpunkt sogar in einer berufsbegleitenden weiteren Ausbildung zur Betriebs- und Handelsfachwirtin. Das unterstreicht nicht nur ein außerordentliches Leistungsvermögen, sondern belegt auch ihre Konzentrationsfähigkeit und Zielstrebigkeit, was mit der Annahme einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht in Einklang zu bringen ist.

Die anamnestischen Erhebungen der Sachverständigen M1 zeigen somit deutlich, dass die Klägerin nicht nur in der Lage ist, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, sondern daneben noch eine weitere Ausbildung absolvieren kann und zu einer aktiven Freizeitgestaltung genauso in der Lage ist wie dazu, ihren eigenen Haushalt zu versorgen. Ebenso hat ihr zum Begutachtungszeitpunkt der Arbeitsweg von B2 nach N mit dem PKW keine Schwierigkeiten bereitet, obwohl sie 2017 einen schweren Verkehrsunfall erlitten hat. Zwischenzeitlich ist die Klägerin sogar – ihrem bei der Sachverständigen bereits angegebenen Vorhaben folgend – nach S1 umgezogen, was die geschilderten Problemlagen innerhalb B2s – das zu Begegnungen mit dem dort noch lebenden Stiefvater kommen kann – obsolet erscheinen lässt. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die einen GdS von wenigstens 30 bedingt, wie M1 meint, folgt hieraus nicht.

Eine solche lässt sich schließlich nicht allein auf die Angaben der Klägerin zu nächtlichen Albträumen stützen, nachdem sich diese ersichtlich nicht auf die Tagesgestaltung relevant auswirken. Deswegen benötigt die Klägerin noch nicht einmal eine medikamentöse Behandlung, was gegen einen relevanten Leidensdruck spricht. Soweit die Sachverständige darüber hinaus aus Testergebnissen allein auf die Schwere und Ausprägung der von ihr angenommenen PTBS schließt, überzeugt auch dies nicht. Tragfähige medizinische Befunde, die ihre Einschätzung insoweit untermauern würden, sind gerade nicht gegeben. Solche lassen sich insbesondere nicht aus den Angaben des S aufgrund der einmaligen Untersuchung herleiten, da sich dessen Befundbericht entnehmen lässt, dass ihm gegenüber ein Missbrauch schon gar nicht berichtet worden ist. Korrespondierend hierzu konnte die Klägerin nicht angegeben, weshalb sie sich bei S überhaupt in Behandlung befunden hat.

Im psychischen Befund beschreibt die Sachverständige die Klägerin als bewusstseinsklar und allseits orientiert. Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Auffassung waren nicht beeinträchtigt, was sich darin zeigte, dass biografische Details in der richtigen zeitlichen Reihenfolge dargestellt werden konnten. Die bei Beginn der Anamnese bestehende Anspannung legte sich um Verlauf und die Klägerin konnte lebhaft, zügig und zielgerichtet berichten. Einen relevant abweichenden Befund hat C1 bei der vorangegangenen Untersuchung ebenfalls nicht erhoben.

Die Sachverständige M1 berücksichtigt bei ihren Ausführungen die zeitlichen Abläufe nicht hinreichend. Dass sie den GdS ab dem Zeitpunkt der Antragstellung am 27. Mai 2013 einschätzt, ändert nichts daran, dass das vermeintliche Ereignis zu diesem Zeitpunkt schon gute drei Jahre zurücklag. Schon deshalb ist ihrer gestuften GdS-Bewertung nicht zu folgen, da sie – den Angaben der Klägerin folgend – für die ersten drei Jahre nach dem Vorfall einen höheren GdS ansetzen wollte, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass das Ereignis bereits 2010 stattgefunden haben soll. Wenn die Klägerin ihr gegenüber glauben machen wollte und die Sachverständige sich hierauf stützt, dass sich nach dem Missbrauch das Verhältnis der Klägerin zu ihrer Mutter verschlechtert habe, übersieht sie, dass die H, die die Klägerin während des Strafverfahrens begleitet hat, beschreibt, dass die Klägerin keine stationäre Behandlung gewünscht hat, weil sie die Trennung von der Familie, insbesondere von der Mutter, als eine große Belastung erlebt hat und sich mit Hilfe eines vom Weißen Ring finanzierten Ferienaufenthaltes mit der ganzen Familie erholen und stabilisieren konnte.

Aus Vorstehendem folgt gleichzeitig, dass weiterer Ermittlungsbedarf nicht bestanden hat, es insbesondere keiner Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens bedurfte. Die Würdigung von Aussagen nicht nur erwachsender, sondern auch kindlicher oder jugendlicher Zeugen und anderer Auskunftspersonen gehört zum Wesen richterlicher Rechtsfindung und ist daher grundsätzlich dem Tatrichter anvertraut (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 9 V 3/15 R –, juris, Rz. 44). Ein Glaubhaftigkeitsgutachten kommt nur dann in Betracht, wenn dem Gericht ausnahmsweise die Sachkunde für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit fehlt. Dies kann der Fall sein kann, wenn der Sachverhalt oder Aussageperson Besonderheiten aufweisen, die eine Sachkunde erfordern, die ein Richter normalerweise nicht hat (Senatsurteile vom 22. September 2016 – L 6 VG 1927/15 –, juris, Rz. 61 und vom 15. Dezember 2011 – L 6 VG 854/11 –, juris, Rz. 41). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da weder der Sachverhalt noch die Klägerin als Aussageperson selbst solche Besonderheiten aufweisen. An der Aussagetüchtigkeit ergeben sich aus den Feststellungen der Sachverständigen M1 gerade keine Zweifel, diese ist im Übrigen von der Sachverständigen C1 ebenfalls nicht angezweifelt worden.

Auf das graphologische Sachverständigengutachten des B1 kam es, wie oben dargelegt, nicht entscheidungserheblich an, sodass der Senat schon aus diesem Grund der Anregung der Klägerin, den Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung zu laden, nicht gefolgt ist. Daneben ist nicht erkennbar, welchen Mehrwert eine solche Befragung ergeben sollte, abgesehen davon, dass das Fragerecht grundsätzlich auf die Instanz beschränkt ist, in der das Gutachten eingeholt worden ist (BSG, Beschluss vom 12. Oktober 2018 – B 2 U 12/18 BH –, juris, Rz. 5).

Den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG hat der Senat nach § 109 Abs. 2 SGG als verspätet abgelehnt. Die Ladung ist dem Prozessbevollmächtigten bereits am 3. Dezember 2021 zugestellt worden, sodass sich ein Zuwarten mit der Antragsstellung bis zum 21. Dezember 2021, mithin mehr als zwei Wochen, vor dem Hintergrund der auf den 13. Januar 2022 erfolgten Terminierung als grob nachlässig erweist und die Einholung des Sachverständigengutachtens den Rechtsstreit auch verzögern würde. Im Übrigen ist seit der Berufungseinlegung durch den Beklagten ausreichend Zeit verstrichen, um einen auf weitere medizinische Aufklärung abzielenden Antrag nach § 109 SGG zu stellen, für deren Notwendigkeit sich im Verfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte ergaben.

Auf die Berufung des Beklagten waren daher das Urteil des SG vom 22. Oktober 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin in beiden Instanzen.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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