Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 4. Juni 2018 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Tenor dahingehend gefasst wird, dass der Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2016 abgeändert und die Beklagte verurteilt wird, als Folgen des Arbeitsunfalls vom 22. Juli 2015 Narbenbildung, Muskelminderung, Muskelschwäche, endgradige aktive und passive Bewegungseinschränkungen mit Kraftminderung sowie Belastungs- und Nachtschmerzen bei chirurgisch versorgter Läsion der Supraspinatussehne der linken Rotatorenmanschette anzuerkennen.
Die Beklagte trägt auch im Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalls des Klägers vom 22.07.2015 streitig.
Der 1959 geborene Kläger erlitt am 22.07.2015 im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Gießereiarbeiter einen Arbeitsunfall. Als er ein Armierungseisen holen wollte, blieb er beim Übersteigen eines Gegenstandes mit dem linken Fuß hängen und stürzte nach links, wobei der linke Arm, mit dem er sich über Kopf festhielt, mit dem linken Schultergürtel nach hinten oben weggerissen wurde. Der Kläger stellte die Arbeit sofort ein und begab sich zum Durchgangsarzt B, Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie. Dieser hielt zum Unfallhergang fest: „Mit Fuß hängengeblieben, zu Sturz gekommen, mit linkem Arm festgehalten, dieser bei Sturz im Schultergelenk verdreht“. Zur klinischen Untersuchung gab er an, dass die Weichteilkontur des linken Schultergelenks unauffällig imponierte, der Kläger einen Druckschmerz im Bereich der ventralseitigen Gelenkkapsel und ziehende Beschwerden dort bei der Abduktion angab, die Elevation frei war. Die durchgeführten Röntgenaufnahmen des linken Schultergelenks in zwei Ebenen zeigten keine Läsion am Knochen. Er diagnostizierte eine Distorsion des linken Schultergelenks, legte dem Kläger eine Mitella an, rezeptierte Voltaren Resinat und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit für eine Woche (Bericht vom 22.07.2015). Danach hatte der Kläger Urlaub, den er nach seinen Angaben wegen Beschwerden der linken Schulter vorzeitig abbrach und sich unmittelbar wieder bei Herrn B vorstellte. Laut Nachschaubericht vom 24.08.2015 gab er anhaltende bzw. zunehmende Beschwerden an. Klinisch imponierte ein Druckschmerz in Höhe der ventralseitigen Gelenkkapsel und dem Schultereckgelenk. Die Beweglichkeit in Abduktion und Elevation war schmerzbedingt limitiert bis 80 Grad. Herr B diagnostizierte den Zustand nach einer Schulterprellung links, bescheinigte weitere Arbeitsunfähigkeit bis zunächst 04.09.2015, überwies den Kläger zur Kernspintomographie und rezeptierte Physiotherapie.
Die Unfallanzeige des Arbeitgebers erfolgte mit Schreiben vom 29.07.2015, darin wird angegeben, der Kläger sei mit dem Fuß hängen geblieben, zu Boden gestürzt und auf die linke Schulter gefallen.
Unter dem 31.08.2015 gab der Kläger im Fragebogen zum Unfallhergang an, er sei beim Materialholen wegen einem Gegenstand gestolpert und auf die linke Schulter gefallen. Er kreuzte an, er habe sofort stechende Schmerzen gehabt, nach Stunden/Tagen stärker werdend, habe Belastungs- und Ruheschmerzen, er habe die Arbeit sofort nach dem Unfall einstellen müssen. Weiter gab er an, er habe Schmerzen beim Anheben des Armes und Bewegen der Hand, bei jeglicher Art der Bewegung und könne keine Tätigkeiten mehr ausüben. Er kreuzte zur Frage der Armstellung bei dem Sturz oder Anstoß das Feld „auf die Seite mit ausgestrecktem Arm“ an und ergänzte „ungefähr so“. Weiter gab er an, er habe keine Verletzungen an der markierten Stelle gesehen. Die Frage, ob er versucht habe, den Sturz durch Festhalten abzufangen, bejahte er und gab an, er habe sich mit der linken Hand abfangen wollen, dies sei ihm nicht gelungen. Er sei dann auf die linke Schulterseite gefallen.
Am 01.09.2015 erfolgte eine MRT-Untersuchung des linken Schultergelenks. Der Facharzt für Diagnostische Radiologie W beurteilte diese mit Bericht vom gleichen Tag dahingehend, dass eine Insertionstendinopathie und Impingement mit deutlicher Tendinopathie der distalen Supraspinatussehne und der proximalen Bizepssehne, diskret der superioren Subscapularissehne vorliege, eine Peritendinitis mit Bursitis subdeltoidea/subacromialis. Prädisponierend sei ein flaches Acromion und eine hypertrophe AC-Arthrose. Daneben bestünden Zeichen einer Kapsulitis geringer Ausprägung mit Kapselwandverdickung infraglenoidal. Es bestehe ein allenfalls minimaler Gelenkerguss, keine signifikante Omarthrose und eine diffuse superiore Labrumdegeneration. Es liege keine transmurale Rotatorenmanschettenruptur oder muskuläre Atrophie vor.
Am 04.09.2015 wurde der Kläger wegen weiterhin bestehender Beschwerden und einer Bewegungseinschränkung mit Abduktion und Elevation bis 90 Grad bei Herrn B vorstellig. Dieser verlängerte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 18.09.2015 und rezeptierte nochmals krankengymnastische Anwendungen. Unter Bezugnahme auf den MRT-Bericht hielt er fest, dass bei etwaigem darüber hinausgehenden Behandlungsbedarf die Weiterbehandlung zu Lasten der Krankenkasse geführt werden müsse (Zwischenbericht vom 04.09.2015). Unter dem 18.09.2015 hielt Herr B fest, dass sich unter Physiotherapie eine Verbesserung des Beschwerdebildes gezeigt habe. Bekanntermaßen bestünden im MRT nur wenige Residuen eines Traumas. Die Arbeitsunfähigkeit verlängere er aufgrund der noch vorgesehenen Physiotherapie für eine Woche bis 25.09.2015 (Bericht vom 18.09.2015). Am 25.09.2015 stellte sich der Kläger bei dem Praxiskollegen des Herrn B Dr. W1 vor (Bericht vom 25.09.2015), der eine Einschränkung der Abduktion auf 70 Grad und der Anteversion auf 90 Grad festhielt, eine Tendinopathie der Supraspinatussehne und eine Schulterkontusion diagnostizierte sowie die Arbeitsunfähigkeit bis 09.10.2015 verlängerte. Bei der Nachschau durch Herrn B am 09.10.2015 bestanden anhaltende Beschwerden mit nur etwas Verbesserung des Beschwerdebildes durch die Physiotherapie. Er verordnete nochmals Physiotherapie zu Lasten der Beklagten und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis 22.10.2015. Am 24.10.2015 entließ Herr B den Kläger aus der ambulanten Behandlung. Eine ärztliche Behandlung sei nicht mehr erforderlich.
Mit Schreiben vom 19.10.2015 wies die Beklagte die Krankenkasse des Klägers an, ab 24.10.2015 kein Verletztengeld mehr zu ihren Lasten auszuzahlen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sowie Behandlungsbedürftigkeit auf Grund von Unfallfolgen werde nur bis einschließlich 23.10.2015 anerkannt.
Vom 28.01.2016 bis 18.02.2016 befand sich der Kläger zur stationären medizinischen Rehabilitation in der F-Klinik B. Hierzu wird auf den Entlassungsbericht vom 18.02.2016 Bezug genommen.
Am 29.02.2016 stellte sich der Kläger in der S-Klinik in S vor. Der Chefarzt Dr. B1 diagnostizierte eine posttraumatische Frozen Shoulder links mit einer Beweglichkeit in Anteversion/Abduktion/ARO von 80/60/20, passiv erweiterbar auf 90/70/20. Laut Bericht vom 29.02.2016 war der Jobetest schmerzhaft und kraftgemindert im Vergleich zur Gegenseite, Schürzen- und Nackengriff waren nicht durchführbar. Die Röntgenaufnahmen der linken Schulter vom gleichen Tag zeigten regelrechte Artikulationsverhältnisse, keine Fraktur und keinen Humeruskopfhochstand. Physiotherapie und ein Cortison-Stufenschema wurden verordnet. Am 11.04.2016 erfolgte eine Befundkontrolle (Zwischenbericht Dr. B1 vom 12.04.2016). Bei gleichbleibender Diagnose und gleichen Befunden wurden konservative und operative Maßnahmen diskutiert, eine Überweisung zur EAP ausgestellt und Arbeitsunfähigkeit bis 22.05.2016 bescheinigt.
Am 25.04.2016 erfolgte eine erneute MRT-Untersuchung des linken Schultergelenks. Laut Bericht des Facharztes für Diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin Dr. A vom 26.04.2016 beurteilte er diese wie folgt:
1. Bei deutlichem Impingement (abgeflachtes leicht hakenförmig ausgebildetes Acromion sowie AC-Arthrose) entsprechend der Voruntersuchung noch nachweisbarer arthritischer Reizzustand im AC-Gelenksbereich mit Kapselverdickung. Omarthrose mit Randosteophyten und kleinen subchondralen Zysten am lateralen Humeruskopf.
2. Im Wesentlichen entsprechend der Voruntersuchung deutliche Tendinopathie der Supraspinatussehne im mittleren und insbesondere distalen Drittel mit geringer Kaliberunregelmäßigkeit im Ansatzbereich bei hier verstärkt intratendinösen muzinös degenerativen Einlagerungen. Wie vorbestehend begleitender Erguss der Bursa subacromialis, zwischenzeitlich Rückbildung der vormaligen Bursitis subdeltoidea.
3. Wie vorbestehend Insertionstendinopathie der Subscapularissehne sowie weiterhin noch deutliche Paratendinitis im proximalen Verlauf der langen Bizepssehne. Noch geringer Erguss der Bursa subkorakoidea, diese im Verlauf rückläufig. Keine muskuläre Athrophie oder Retraktion.
Die Beklagte holte die fachradiologische beratungsärztliche Stellungnahme des Radiologen Prof. Dr. D vom 14.05.2016 ein. Er gelangte zu der Einschätzung, dass bei dem Kläger eine stufenförmige Konfiguration des AC-Gelenks mit kleiner subacromialer Knochenleiste und hierdurch ein Impingement der Rotatorenmanschette vorliege, eine partielle Läsion der Rotatorenmanschette mit ausgeprägter Ansatztendinopathie und Bursitiden. Auch bestehe eine geringe Mitbeteilung der Sehne des langen Bizepskopfes. Verletzungsspezifische Begleitverletzungen seien auch in der unfallnahen MRT-Untersuchung nicht nachweisbar. Aus diesem Grunde und aufgrund der Befundkonstellation seien die genannten Läsionen bezüglich des Unfallereignisses am 22.07.2015 zeitlich nicht sicher zuordenbar. Ausnahme hiervon seien die atypische Konfiguration des AC-Gelenks sowie die Ansatztendinopathie der Rotatorenmanschette, die aufgrund der bereits fortgeschrittenen knöchernen Veränderungen dem Unfallereignis zeitlich eindeutig vorzuordnen seien.
In einem Mitglieds- und Vorerkrankungsverzeichnis vom 09.06.2016 bescheinigt die Krankenkasse des Klägers (AOK), dass in den Jahren vor dem 22.07.2015 lediglich Arbeitsunfähigkeitszeiten von jeweils einigen Tagen aufgetreten sind, die jeweils nicht im Zusammenhang mit der linken Schulter standen und seit dem 22.07.2015 Arbeitsunfähigkeit vorlag.
Am 31.05.2016 stellte sich der Kläger ambulant in der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie des S1-Klinikums S-G vor (Bericht vom 01.06.2016). Dort wurde eine Impingementproblematik der linken Schulter bei zunehmend eingeschränkter Funktion im Sinne einer Frozen Shoulder diagnostiziert. Funktionell sei ein Anheben des Armes nicht mehr über die Horizontale möglich, auch bestünden eine deutliche, auch schmerzbedingte Kraftminderung des linken Armes und nächtliche Schmerzen, die entsprechenden Tests seien eindeutig. In der Kernspintomografie finde sich ein ansatznaher Supraspinatussehnendefekt ohne sonstige Re-traktion. Der Supraspinatusmuskel sei atrophiert. Es seien subacromiale Osteophyten insbesondere im Bereich der mäßig hypertrophen AC-Gelenksarthrose vorhanden. Die Indikation zur Dekompressionsoperation einschließlich Repair werde gesehen. Vom 13.06.2016 bis 16.06.2016 befand der Kläger sich sodann stationär in der dortigen Klinik (Bericht vom 15.06.2016). Unter den Diagnosen subacromiales Impingementsyndrom mit Rotatorenmanschettenruptur der Supraspinatussehne links und ACG-Arthrose erfolgte eine offene subacromiale Dekompression, eine ACG-Resektion und Rotatorenmanschettennaht mittels Knochenanker im Bereich der linken Schulter. Laut Operationsbericht vom 13.06.2016 zeigte sich das ACG aufgebraucht, Diskusreste sowie ca. 0,5 cm des gelenktragenden Anteils der Clavicula und subarticuläre Osteophyten wurden entfernt. Unter Resektion einer acromialen Schuppe mit anterolateraler Basis wurde eine Acromioplastik durchgeführt und eine subtotale Resektion der Bursa subacromialis. Es zeigte sich eine c-förmige Läsion der Supraspinatussehne mit Retraktion der Sehne um ca. 0,5 cm mit degenerativ veränderten Rändern. Nach Anfrischung der Sehne und des sog. footprints am Tuberkulum majus wurde ein Healix Peak-Anker eingebracht, auf den die Supraspinatussehne spannungsfrei herunter geknotet werden konnte. Ein Gewebestück wurde histologisch untersucht. Laut Bericht vom 14.06.2016 handelte es sich um ein ligamentartiges kollagenes Bindegewebe von der linken Supraspinatussehne mit teilweise hyalin transformiertem Grundstroma und abortiver chondroider Metaplasie und teilweise älterer Pannusreaktion wie bei chronisch gestörter Funktionsmechanik mit wohl rezidivierten Mikrotraumen.
In einer Kurzstellungnahme vom 28.06.2016 gelangte Dr. F zu dem Ergebnis, dass die Berichte des Herrn B schon den geplanten Abschluss der Behandlung zu Lasten der Beklagten beschrieben haben, damit sei die Zerrung im Bereich der Schulter ausgeheilt. Die jetzt entstandene Frozen Shoulder sei nicht Folge des Unfalls, sondern Folge der degenerativen Erkrankungen, die damals festgestellt worden seien.
Mit Bescheid vom 23.09.2016 erkannte die Beklagte den Unfall des Klägers vom 22.07.2015 als Arbeitsunfall mit der Folge einer folgenlos ausgeheilten Prellung/Weichteilzerrung der linken Schulter an. Nicht als Folgen des Arbeitsunfalls erkenne sie im Bereich der linken Schulter folgende Gesundheitsstörungen an: „teilweise Zusammenhangstrennungen/Strukturschäden im Bereich mehrerer Schultersehnen (Supraspinatussehne, Subscapularissehne, lange Bizepssehne) mit Sehnenansatzentzündungen, deutliches Schulterengpasssyndrom bei anlagebedingter Fehlform des Schulterdaches, Schleimbeutelentzündung, zystische Veränderungen im Bereich des Oberarmkopfes mit knöchernen Anbauten in diesem Bereich sowie Arthrose des Schultereckgelenks.“ Weiter führte die Beklagte aus, dass ein Anspruch auf Leistungen, insbesondere Heilbehandlung und sonstige Geldleistungen über den 23.10.2015 hinaus, nicht bestehe. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den als Unfallfolgen abgelehnten Gesundheitsschäden, die aus dem MRT-Bericht vom 01.09.2015 entnommen seien, und dem Unfall vom 22.07.2015 sei nicht wahrscheinlich, da bei dem Kläger anlagebedingt ein abgeflachtes Schulterdach vorliege, welches den Schulterraum, in dem die Sehnen verlaufen, einenge und zu einem vermehrten Verschleiß der Schultersehnen durch mechanische Kräfte führe. Es seien zystische Veränderungen und knöcherne Anbauten im Bereich des Oberarmkopfes sowie eine Arthrose des Schultereckgelenks festgestellt worden, welche nicht traumatisch entstanden, sondern Folge von degenerativen Veränderungen seien. Diese könnten nicht in der kurzen Zeit zwischen dem Unfall und dem MRT am 01.09.2015 entstanden sein. Es seien weder Knochenbrüche noch Anzeichen von Einblutungen im Bereich der Sehnen feststellbar, welche auf eine traumatische Schädigung hinweisen könnten. Es seien mehrere Schultersehnen strukturell verändert und teilweise zusammenhangsgetrennt. Auch dies sei typisch für einen Verschleiß der Sehne. Bei traumatischen Verletzungen liege in der Regel ein vollständiger Riss vor, welcher jedoch von anderen Verletzungen wie z.B. Brüchen oder Einblutungen begleitet werde. Zusammenhangstrennungen der zur Rotatorenmanschette gehörenden Schultersehnen beruhten nach herrschender medizinischer Lehrmeinung überwiegend auf einer schicksalhaften Degeneration des Sehnengewebes. Bis zum 23.10.2015 sei die Prellung/Weichteilzerrung der linken Schulter den medizinischen Erfahrungswerten zufolge spätestens ausgeheilt und die darüber hinaus vorliegenden Beschwerden Folge der unfallunabhängigen Gesundheitsschäden.
Den Widerspruch des Klägers, den er im Wesentlichen damit begründete, dass die bei ihm im Bereich der linken Schulter bestehenden Beschwerden seines Erachtens und auch nach Auffassung von Herrn B auf den Unfall zurückzuführen seien, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2016 zurück. Insgesamt sei weiterhin davon auszugehen, dass der Kläger unfallbedingt lediglich eine Zerrung und Prellung der linken Schulter erlitten habe, welche binnen kürzester Zeit, spätestens aber am 23.10.2015 folgenlos ausgeheilt gewesen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 28.11.2016 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, weitere Gesundheitsstörungen im Bereich der linken Schulter als Unfallfolge anzuerkennen. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass sein Vorerkrankungsverzeichnis in Bezug auf die linke Schulter leer sei, damit keinerlei Anhaltspunkt für Vorerkrankungen oder Vorverletzungen im Bereich der linken Schulter bestünden. Der Unfallhergang sei ein geeigneter Unfallmechanismus. Er sei in eine Sturzbewegung gekommen, habe sich festhalten wollen, wobei er den linken Arm massiv überstreckt habe und schließlich auf den nach körperauswärts gedrehten ausgestreckten linken Arm mit massiver Wucht/vollem Körpergewicht gestürzt sei. Dies sei klassischer Anlass für die tatsächlich eingetretene Rotatorenmanschettenruptur. Auch habe er von Anfang an diesen Unfallhergang geschildert. Wenn die Beklagte insoweit auf Widersprüche zu seinen Angaben im Unfallbogen verweise, müsse er klarstellen, dass er diesen nicht selbst ausgefüllt habe, da er nicht so gut Deutsch schreiben könne. Degenerative Veränderungen seien entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht eindeutig nachweisbar, jedenfalls nicht ursächlich für die vorliegenden Dauerfolgen und Verletzungen. Die Beklagte habe das Widerspruchsvorbringen nicht gewürdigt und den erstbehandelnden Durchgangsarzt Herrn B nicht befragt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten unter Verweis auf die Stellungnahme des Prof. Dr. D und der MRT-Befunde vom 01.09.2015 und 24.05.2016.
Eine weitere MRT-Untersuchung der linken Schulter vom 17.11.16 beurteilte der Facharzt für Radiologie Dr. W2 laut Bericht vom 17.11.2016 dahingehend, dass nach dem Rotatorenmanschetten-Repair aktuell keine Risse mehr vorliegen. Nach der subakromialen Dekompression sei geringe Flüssigkeit im Bereich der Bursa subacromialis wie bei einer dennoch persistierenden geringen Bursitis zu erkennen.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung von Herrn B sowie des Hausarztes des Klägers als sachverständige Zeugen und hat ein weiteres Vorerkrankungsverzeichnis bei der Krankenkasse des Klägers eingeholt. Hierzu wird insgesamt auf Bl. 28 bis 73 der SG-Akte Bezug genommen. Weiter hat das SG ein fachorthopädisch-unfallchirurgisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. L vom 23.08.2017 sowie seine ergänzende Stellungnahme vom 22.12.2017 eingeholt. Darin gelangte er zu der Einschätzung, dass bei dem Kläger im Bereich der linken oberen Gliedmaße eine Narbenbildung, Muskelminderung, Muskelschwäche, endgradige aktive und passive Bewegungseinschränkung mit Kraftminderung sowie Belastungs- und Nachtschmerz bei chirurgisch versorgter Läsion der Rotatorenmanschette der linken Schulter vorliege. Er sehe überwiegende Hinweise darauf, dass die Gesundheitsstörungen überwiegend auf das Ereignis vom 22.07.2015 zurückzuführen seien. Für den Zusammenhang spreche die Beschwerdefreiheit und vollständige Beweglichkeit vor dem Unfall, der nach der Schilderung des Klägers theoretisch geeignete Unfallhergang, das unmittelbare Eintreten von Beschwerden nach dem Ereignis, die sofortige Arbeitsniederlegung und das Aufsuchen des Arztes, der Primärbefund, wie vom Kläger geschildert, der Umstand, dass die Röntgenuntersuchung vom 22.07.2015 keine Hinweise auf einen degenerativen Vorschaden ergeben habe, dass trotz konsequenter Physiotherapie Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung ausgeblieben seien, dass der MRT-Befund vom 01.09.2015 einen Teilriss und möglicherweise eine Einblutung in die Sehne (Ödem) zeige, wobei das MRT erst sechs Wochen nach dem Unfall erfolgt sei, so dass ganz frische traumatypische Veränderungen zu diesem Zeitpunkt bereits zurückgebildet gewesen sein könnten. Gegen den Zusammenhang spreche die Angabe einer freien Elevation im Bericht des Herrn B vom Unfalltag, wobei allerdings mangels näherer Angaben unklar bleibe, ob dabei eine Messung der aktiven Beweglichkeit erfolgt sei, dass der schriftliche MRT-Befund vom 01.09.2015 das Fehlen einer transmuralen Ruptur beschreibe ebenso wie der Befundbericht vom 25.04.2016, das Lebensalter des Klägers und die körperlich schwere Arbeitsbelastung seit 38 Jahren. Insgesamt gewürdigt spreche damit eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Kläger am 22.07.2015 eine schwere Zerrung der linken Schulter mit einem Teilriss der Supraspinatussehne zugezogen habe. Im Verlauf sei es unbehandelt zur Entstehung einer posttraumatischen Schultersteife gekommen, die sich erst nach der zwölf Monate später erfolgten Operation weitgehend zurückgebildet habe. Entgegen der Einschätzung des Prof. Dr. D liege ein Vorschaden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor. Prof. Dr. D habe eine rein fachradiologische Betrachtung ohne Mitberücksichtigung der klinischen Symptomatik vorgenommen. Bei degenerativen Veränderungen des AC-Gelenks und bei symptomatischer Ansatztendinopathie der Rotatorenmanschette hätte der Kläger bei seiner schweren körperlichen Arbeit bereits vor dem Unfall über Schmerzen im Bereich der linken Schulter klagen müssen. Die im Bereich des großen Rollhügels im MRT vom 01.09.2015 beschriebenen zystischen Veränderungen als mögliche Hinweise eines degenerativen Vorschadens seien im Kontroll-MRT vom 25.04.2016 nicht mehr nachweisbar. Soweit Dr. F in seiner Kurzstellungnahme angebe, die erstmals am 29.02.2016 diagnostizierte Frozen Shoulder stehe nicht im Zusammenhang mit dem Unfallereignis, sondern sei auf eine degenerative Erkrankung zurückzuführen, sei dem entgegenzuhalten, dass bereits im Nachschaubericht vom 24.08.2015 eine schmerzhaft limitierte Beweglichkeit der Abduktion und Elevation bis 80 Grad dokumentiert sei und bereits im MRT vom 01.09.2015 Zeichen einer Kapsulitis geringer Ausprägung mit Kapselwandverdickung infraglenoidal zu erkennen seien. Dies seien bereits Zeichen einer posttraumatischen Schultersteife gewesen.
In der mündlichen Verhandlung des SG hat der Kläger persönliche Angaben gemacht. Hierzu wird auf die Niederschrift vom 04.06.2018 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 04.06.2018 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2016 verurteilt, als Folge des Arbeitsunfalls vom 22.07.2015 Narbenbildung, Muskelminderung, Muskelschwäche, endgradige aktive und passive Bewegungseinschränkungen mit Kraftminderung sowie Belastungs- und Nachtschmerz bei chirurgisch versorgter Läsion der Rotatorenmanschette der linken Schulter anzuerkennen. Zur Begründung hat es sich auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L in dessen Gutachten und ergänzender Stellungnahme gestützt. Dieser habe die Pro- und Contrakriterien zur Unfallbedingtheit der schweren Zerrung der linken Schulter mit Teilriss der Supraspinatussehne gegeneinander abgewogen und sei dabei zu dem schlüssigen und überzeugenden Ergebnis gekommen, dass überwiegende Kriterien dafür sprechen, dass die Läsion der Rotatorenmanschette mit Wahrscheinlichkeit einer überwiegend traumatischen Ursache zuzuordnen und nicht auf stumme degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette zurückzuführen sei. Dem schließe es sich vollständig an.
Gegen das ihr am 18.06.2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 11.07.2018 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung verweist sie darauf, dass laut Durchgangsarztbericht des Herrn B die Elevation des linken Armes bei der Erstvorstellung am Unfalltag frei gewesen sei, eine für eine traumatisch bedingte Rotatorenmanschettenruptur typische Pseudoparalyse damit eindeutig nicht vorgelegen habe. Die bildtechnischen Aufnahmen zeigten beim Kläger ein abgeflachtes Schulterdach (AC-Gelenk), das den Schulterraum einenge und somit zu einem vermehrten Verschleiß der Sehnen führe. Im MRT vom 01.09.2015 seien zystische Veränderungen und knöcherne Anbauten im Bereich des Oberarmkopfes beschrieben, welche nicht in der Zeit zwischen dem 22.07.2015 und dem 01.09.2015 entstanden sein könnten und damit Folgen vorbestehender degenerativer Veränderungen seien. Daher habe Herr B auch die Behandlung zu ihren Lasten am 23.10.2015 abgeschlossen. Überdies sei eine Ansatztendinopathie im Bereich des linken Schultergelenks beschrieben worden, die ebenfalls eindeutig gegen einen ursächlichen Zusammenhang spreche. Beim Kläger seien mehrere Schultersehnen strukturell verändert und teilweise zusammenhangsgetrennt. Auch dies sei typisch für einen Verschleiß der Sehnen. Bei traumatisch bedingten Verletzungen der Rotatorenmanschette liege in der Regel lediglich ein vollständiger Riss einer Sehne und nicht eine Verletzung mehrerer Sehnen vor. Auch habe beim Kläger keine für eine traumatische Verletzung typische Begleitverletzung des Knochen-Band-Apparates vorgelegen. Auch die am 13.06.2016 operativ durchgeführte subacromiale Dekompression sowie ACG-Resektion spreche gegen eine traumatische Verursachung ausgehend vom Operationsbericht und der Beurteilung im histologischen Befund. Selbst nach den Angaben des Klägers im Fragebogen habe direkt nach dem Unfallereignis kein für traumatische Verletzungen typisches Schmerzmaximum vorgelegen, sondern er habe angegeben, dass die Schmerzen sich nach Stunden/Tagen verschlimmert hätten. Prof. Dr. L gehe von einem theoretisch geeigneten Unfallhergang auf der Grundlage der vom Kläger bei ihm gemachten Angaben aus. Diese stünden aber im Widerspruch zu den Angaben des Klägers im Fragebogen. Damit könne kein geeigneter Unfallhergang im Vollbeweis angenommen werden. Die Auswertung des MRT vom 24.05.2016 durch Prof. Dr. L stehe im Widerspruch zu dem schriftlichen Befund des Dr. A vom 26.04.2016. Soweit Prof. Dr. L im Gutachten ausgeführt habe, dass dem MRT vom 01.09.2015 ein Teilriss mit Einblutung in die Sehne (Ödem) zu entnehmen sei, habe er dies in seiner ergänzenden Stellungnahme selbst relativiert und eine entsprechende Interpretation als Ödem nur als möglich angegeben. Damit seien auch keine verletzungsspezifischen Begleitverletzungen nachgewiesen.
Die Berichterstatterin des Senats hat mit den Beteiligten am 19.02.2019 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Im Nachgang hierzu hat die Beklagte die weitere Stellungnahme des Prof. Dr. D vom 09.03.2019 vorgelegt. Darin hat er sich der Einschätzung des Prof. Dr. L, dass es sich bei der in der koronaren Schnittführung der MRT-Untersuchung in der T2 Wichtung sichtbaren Signalanhebung der Supraspinatussehne um eine verletzungsspezifische Veränderung (Ödem) handeln könnte, angeschlossen mit der Klarstellung, dass es sich dabei aber eben auch um eine Aufquellung mit mukoider Degeneration von Sehnengewebe handeln könnte. Aufgrund der vielfältigen Ursachen einer Signalanhebung in der T2-Wichtung sei das genaue anatomische Korrelat nicht eindeutig bestimmbar. Aber aufgrund der sonstigen Begleitveränderungen sei davon auszugehen, dass die Läsion der Supraspinatussehne zumindest weit überwiegend degenerativ bedingt und dem Unfallereignis zeitlich vorzuordnen sei. Ob im Rahmen des Unfallereignisses eine Verschlimmerung des Schadens und ggf. in welchem Ausmaß eingetreten sein könnte, lasse sich anhand der vorliegenden Untersuchungen nicht feststellen. Der nur geringgradige Progress der vorbeschriebenen Schäden im MRT vom 25.04.2016 spreche eher gegen eine relevante Verschlimmerung im Rahmen des Unfallereignisses.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei dem Facharzt für Chirurgie, Sektionsleiter Schulter und Ellenbogengelenk der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des B-Krankenhauses in U Dr. A1. In seinem Gutachten vom 28.06.2021 hat Dr. A1 im Bereich des linken Schultergelenks eine eingeschränkte Beweglichkeit, Funktionalität sowie Belastbarkeit bei Zustand nach offener subacromialer Dekompression, AC-Gelenksresektion und Naht der Supraspinatussehne über einen Nahtanker bei subacromialem Outlet-Impingement mit symptomatischer AC-Gelenksarthrose sowie ansatznaher Rotatorenmanschettenruptur der Supraspinatussehne vom 13.06.2016 diagnostiziert. Aktuell sei eine noch anhaltende Restsymptomatik mit Punctum maximus im Bereich der ventro-lateralen Gelenkabschnitte festzustellen. Bei dem Kläger hätten nach dem Unfall vom 22.07.2015 eine transmurale, ansatznahe Läsion der Supraspinatussehne, ein subacromiales Impingement-Syndrom und eine symptomatische AC-Gelenksarthrose vorgelegen, welche zu einer Einschränkung der Belastbarkeit, der Bewegungsfähigkeit und der Funktionalität geführt hätten. Auch weiterhin bestünden insoweit symptomatisch betrachtet die bereits von Prof. Dr. L beschriebenen Gesundheitsstörungen. Die diagnostizierten Erkrankungen mit den einhergehenden Gesundheitsstörungen seien zumindest im wesentlichen Umfang durch den Unfall vom 22.07.2015 hervorgerufen worden. Diese Einschätzung gründe er auf eine Berücksichtigung von Unfallmechanismus, Verhalten des Klägers nach dem Unfall, klinischem Befund, bildtechnischem Befund, intraoperativem Befund und feingeweblichem Befund. Die einzelnen Aspekte zeigten jeweils für sich betrachtet kein ganz eindeutiges Bild. Bei der Gesamtbetrachtung spreche aber mehr für als gegen den Unfall als Ursache für die Sehnenschädigung. Er stimme auch mit Prof. Dr. L überein, dass der Befund einer Signalanhebung in der T2-gewichteten Aufnahme als verletzungsspezifische Veränderung gewertet werden könne. Es sei möglich, dass erste degenerative Veränderungen im Bereich des Schultergelenks bereits vorgelegen hätten, es sei aber durch das Unfallereignis zu einer unfallbedingten acute-on-chronic-Situation gekommen, bei der schließlich die wesentlichen Aspekte einerseits unfallbedingt aktiviert/verursacht wurden, andererseits eine traumabedingte Supraspinatussehnenläsion entstanden sei.
Die Beklagte hält das Gutachten des Dr. A1 für nicht nachvollziehbar und weist weiter auf die auch gegen das Gutachten des Prof. Dr. L vorgebrachten Aspekte hin. Hieraus ließen sich eindeutig dem Unfall zeitlich vorbestehende Vorschäden nachweisen, die bei zutreffender Würdigung des Gesamtsachverhalts für die anhaltenden Beschwerden des Klägers ursächlich seien, wohingegen sich ein Zusammenhang mit dem Unfall nicht wahrscheinlich machen lasse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 4. Juni 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend und sieht diese durch das Gutachten des Dr. A1 bestätigt.
Mit Schreiben vom 09.09.2021 und vom 24.09.2021 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Streitgegenstand ist das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 04.06.2018, mit dem das SG den Bescheid der Beklagten vom 23.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2016 abgeändert und die Beklagte verurteilt hat, als Folge des Arbeitsunfalles vom 22.07.2015 Narbenbildung, Muskelminderung, Muskelschwäche endgradige aktive und passive Bewegungseinschränkungen mit Kraftminderung sowie Belastungs- und Nachtschmerz bei chirurgisch versorgter Läsion der Rotatorenmanschette der linken Schulter anzuerkennen. Das SG hat der auf diese Verurteilung gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 56 SGG; zum Wahlrecht der Versicherten zwischen Feststellungs- und Verpflichtungsklage: Bundessozialgericht <BSG>, Urteile vom 15.05.2012 – B 2 U 31/11 R –, Juris Rn. 15 ff. und vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R -, Juris Rn. 12) zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 23.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte als Folge des von ihr anerkannten Arbeitsunfalls vom 22.07.2015 eine folgenlos ausgeheilte Prellung/Weichteilzerrung anerkannt, die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen im Bereich der linken Schulter aber abgelehnt hat. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung der von ihm geltend gemachten Unfallfolgen, wie vom SG zutreffend ausgeführt, da diese hinreichend wahrscheinlich rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 22.07.2015 zurückzuführen sind.
Anspruchsgrundlage für den Anspruch eines Versicherten auf Feststellung und Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des feststellenden Verwaltungsakts für den Unfallversicherungsträger ist § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Anspruchsvoraussetzung ist, dass der Versicherte einen Versicherungsfall und, soweit die Feststellung von Unfallfolgen begehrt wird, weitere Gesundheitsschäden erlitten hat, die im Wesentlichen durch den Gesundheitserstschaden verursacht oder einem Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 05.07.2011 a.a.O., Juris Rn. 15).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist für einen Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R -, Juris m. w. N.). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit", „Verrichtung", „Unfallereignis" sowie „Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R -, Juris). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkt des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen ist oder nur möglich ist (BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R -, Juris).
Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne voraus. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen, die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R -, Juris).
Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-)verursacht hat. Wesentlich ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, Juris). Bei mehreren Ursachen ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 a. a. O. m. w. N.).
Gesundheitserstschaden im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenze) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Versicherungsfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolge) oder der versicherten Tätigkeit aufgrund der Spezialvorschrift des § 11 SGB VII als Versicherungsfall (mittelbare Unfallfolge) zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R -, Juris).
Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass der Versicherte nach §§ 7 ff. SGB VII in dem Gesundheitszustand versichert ist, in dem er sich zum Unfallzeitpunkt befindet.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beklagte zur Feststellung der vom Kläger geltend gemachten Unfallfolgen verpflichtet, da diese hinreichend wahrscheinlich wesentlich durch den Unfall verursacht sind.
Die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls sind bei dem Ereignis vom 22.07.2015 dem Grunde nach erfüllt, wie von der Beklagten im angefochtenen Bescheid insoweit bestandskräftig anerkannt. Hierbei ist bei dem Kläger als Gesundheitserstschaden nicht nur eine Zerrung/Weichteilprellung der linken Schulter, sondern neben einer schweren Zerrung der linken Schulter auch eine Verletzung der Rotatorenmanschette der linken Schulter in Form eines Teilrisses der Supraspinatussehne eingetreten. Dieser Gesundheitsschaden ist auch nicht bis zum 23.10.2015 folgenlos ausgeheilt, sondern hat zu einer posttraumatischen Schultersteife (Frozen Shoulder) geführt, die sich erst nach der im Juni 2016 durchgeführten Operation weitgehend zurückgebildet hat. Noch verblieben sind auch nach der chirurgischen Versorgung der Läsion der Supraspinatussehne im Bereich der Rotatorenmanschette links eine Narbenbildung, eine Muskelminderung, eine Muskelschwäche, eine endgradige aktive und passive Bewegungseinschränkung mit Kraftminderung sowie ein Belastungs- und Nachtschmerz, weshalb diese Gesundheitsstörungen wie vom SG ausgeurteilt als Unfallfolgen anzuerkennen sind. Hierbei stützt sich der Senat, ebenso wie das SG, auf das vom SG eingeholte Gutachten des Prof. Dr. L samt seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme. Bestätigt wird dessen Einschätzung auch durch das vom Senat eingeholte Gutachten von Dr. A1. Übereinstimmend sind beide Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, dass diese beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen im Bereich der linken Schulter hinreichend wahrscheinlich wesentlich durch den anerkannten Unfall vom 22.07.2015 verursacht wurden.
Dass bei dem Kläger im Bereich der linken Rotatorenmanschette eine zwischenzeitlich operativ versorgte Teilruptur der Supraspinatussehne im Vollbeweis vorliegt, ergibt sich aus den Berichten vom 01.06.2016 und 15.06.2016 sowie dem OP-Bericht vom 13.06.2016 der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie des S1-Klinikums S-G, aber auch schon aus den MRT-Aufnahmen vom 01.09.2015 und vom 25.04.2016. Dies haben sowohl Prof. Dr. L als auch Dr. A1 schlüssig und widerspruchsfrei in ihren jeweiligen Gutachten dargelegt. Diese Läsion der Supraspinatussehne ist auch mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich durch den Unfall vom 22.07.2015 herbeigeführt worden.
Die Rotatorenmanschette unterliegt in hohem Maße der Texturstörung. Diese führt zu einer herabgesetzten mechanischen Belastbarkeit. Der Beginn wird ab dem dritten Lebensjahrzehnt angenommen. Untersuchungen im Rahmen von Sektionsbefunden haben ergeben, dass unter dem 40. Lebensjahr symptomlose Defekte an der Supraspinatussehne selten sind, die Wahrscheinlichkeit bei unter 5 % liegt. Zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr nehmen die Partialrupturen zu. Es bestehen inkomplette, meist gelenkseitige Teildefekte und Ausdünnungen des Sehnengewebes. Der symptomlose Defekt bleibt die Ausnahme. Zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr treten die meisten Rotatorenmanschettenschäden mit Krankheitsmerkmalen (Behandlungsbedürftigkeit, Arbeitsunfähigkeit) auf. Nach dem 60. Lebensjahr steigt die Wahrscheinlichkeit eines Rotatorendefekts rasch an und liegt je nach Studie, Alter u.a. zwischen 20 % und 100 %. Die nicht traumatischen, durch degenerative Prozesse bedingten Schäden der Rotatorenmanschette stellen in der Literatur den unbestritten größten Anteil der Sehnenläsionen dar (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 430 f.). Lange Zeit wurde ein Trauma als alleinige Ursache einer isolierten Rotatorenmanschettenruptur für unmöglich gehalten. Mittlerweile wird gerade bei jüngeren Menschen eine traumatische Ursache eines Sehnenschadens für möglich gehalten und darf nicht außer Acht gelassen werden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. S. 434) Verschiedene klinische und apparative Befunde sind für eine traumatische Schädigung typisch und können daher als Indiz in der Zusammenhangsbeurteilung verwendet werden. Chrarakteristische Befundkonstellationen sprechen für eine vorbestehende alterungs- und verschleißbedingte Läsion der Sehnen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. S. 434). Ein Überwiegen der verletzungstypischen Zeichen spricht dabei für eine wesentliche traumatische Schädigung, während deren Fehlen auf eine überwiegend alters- und verschleißbedingte Schädigung hinweist.
Wie Prof. Dr. L unter Bezugnahme auf die medizinische Literatur dargestellt hat, entwickeln sich die ersten Verschleißerscheinungen der Rotatorenmanschette häufig unbewusst, d.h. ohne subjektive Beschwerden oder gar Bewegungsstörungen zu verursachen. Dabei entwickelt sich bei degenerativen Schädigungen zunächst eine strukturelle Auffaserung, dann ein Teilriss und später ein „Loch“ (synonym Ruptur) in der Sehne, bevor diese schließlich ganz abreißt und der Schaden auch auf angrenzende Sehnen übergreifen kann. Die einzige Behinderung bei Menschen mit einem bis dahin unentdeckten, asymptomatischen Defekt der Rotatorenmanschette im Vergleich zur gesunden Seite besteht in einer diskreten, für die Betroffenen nicht bewussten Kraftminderung. In diesen Fällen treten dann im Verlauf meist innerhalb von Monaten oder wenigen Jahren ohne zusätzliche äußere Einwirkungen Symptome in Form von Ruhe- und Belastungsschmerzen sowie Bewegungsstörungen auf. Dies zeigt, dass die Abwesenheit von Symptomen nicht als eindeutiger oder sicherer Hinweise auf eine intakte Rotatorenmanschette gewertet werden kann. Nicht selten führen bei einem vorbestehenden strukturellen Schaden der Rotatorenmanschette einmalige ungewöhnliche Belastungen oder geringfügige äußere Gewalteinwirkungen, sog. Bagatelltraumen, zum Auftreten von Beschwerden. Die infolge dieser Symptome eingeleiteten diagnostischen Maßnahmen führen dann häufig zur primären Entdeckung einer Schädigung der Rotatorenmanschette, die jedoch mit der Verletzung ursächlich nicht in Zusammenhang gebracht werden kann, weil sie zum Zeitpunkt der Gewalteinwirkung bereits unentdeckt bestanden hat. In diesen Fällen bilden sich die Symptome unter krankengymnastischen und medikamentösen Behandlungsmaßnahmen in der Regel weitgehend zurück und der Zustand wie vor dem Ereignis tritt nach einiger Zeit wieder ein. Es ist aber auch möglich, dass es durch eine erhebliche äußere Gewalteinwirkung zu einer gewaltsamen, traumatischen Zerreißung von einzelnen Sehnen der Rotatorenmanschette kommt, ohne dass fortgeschrittene strukturelle Schädigungen vorbestanden haben. Ausschließlich traumatisch bedingte Risse sind sehr selten und werden nur bei jüngeren Patienten im Rahmen von erheblichen Verletzungsabläufen beobachtet. Weit häufiger trifft die Gewalteinwirkung auf eine durch physiologische Alterung und Verschleiß vorgeschädigte Sehne. Auch ist es möglich, dass die Gewalteinwirkung zu einer Vergrößerung vorbestehender kleinerer Sehnendefekte oder zum Abriss einer zuvor nur angerissenen Sehne führt (acute on chronic lesion). Ob in diesen Fällen dem Verletzungsereignis die Bedeutung einer conditio sine qua non für das Zustandekommen des resultierenden Körperschadens zukommt oder ob das Ereignis im Sinne eines Anlassgeschehens lediglich zu einer Beschwerdemanifestation ohne eine richtungsweisende Veränderung des zu erwartenden Krankheitsverlaufs bei schicksalhaftem Verschleiß geführt hat, ist im Einzelfall einzuschätzen. Zur Beurteilung eines Rotatorenmanschettenschadens sind daher die gesamten Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Dazu gehört u.a. der Unfallmechanismus, die Vorgeschichte, der Primärbefund und der Verlauf der Erkrankung einschließlich der radiologisch-bildgebenden, histologischen und intraoperativen Befunde.
1. Der Senat stellt den Unfallhergang dahingehend fest, dass der Kläger beim Übersteigen eines Gegenstandes mit dem linken Fuß hängengeblieben und nach links gestürzt ist, wobei der linke Arm, mit dem er sich etwas über seiner Kopfhöhe an aufgestapelten Kästen festgehalten hat, mit dem linken Schultergürtel nach hinten oben weggerissen wurde. Zwar steht dieser Unfallhergang teilweise nicht in Einklang mit den Angaben des Klägers im Fragebogen zum Unfallhergang. Aber zum einen hat der Kläger diesen Fragebogen nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nicht selbst ausgefüllt, da er sich, in der Türkei geboren und erst volljährig nach Deutschland übergesiedelt, nicht dazu in der Lage sah, sich ausreichend schriftlich in deutscher Sprache auszudrücken. Zum anderen sind die Angaben im Fragebogen nicht eindeutig, ohne dass dem zeitnah nachgegangen worden wäre. Auch lässt sich diesen Angaben gerade nicht entnehmen, dass der Kläger direkt auf die Außenseite seiner Schulter gefallen wäre, wie die Beklagte sinngemäß vorträgt. Dafür, dass der Unfall sich wie obenstehend ereignet hat, spricht hingegen nicht nur, dass der Kläger diesen Unfallhergang bei der Begutachtung durch Prof. Dr. L stringent geschildert hat, sondern auch, dass dieser Hergang in Einklang mit den vom Kläger am zeitnächsten zum Unfall gegenüber Herrn B gemachten Angaben steht, auch wenn dessen Aufzeichnung hierzu sehr knapp gefasst sind. Danach hat der Kläger bereits am 22.07.2015 angegeben, dass er mit dem Fuß hängengeblieben und zu Sturz gekommen ist, sich mit dem linken Arm festgehalten hat und dieser beim Sturz im Schultergelenk verdreht wurde. Ebenso entspricht dies der Unfallschilderung in der Klageschrift und den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung beim SG. Damit hat der Senat keine Zweifel daran, dass der Unfall sich dergestalt ereignet hat.
Bei diesem Unfallhergang kam es zu einer forcierten Außenrotation des Armes und maximaler forcierter Abduktion mit Umkehr von Fix- und Mobilpunkt und es liegt ein Unfallhergang vor, der geeignet ist, eine Läsion der Supraspinatussehne als Gesundheitserstschaden zu verursachen. Dies haben Prof. Dr. L und Dr. A1 jeweils in ihren Gutachten schlüssig und widerspruchsfrei dargestellt und entspricht auch der differenzierten Darstellung zu geeigneten und nicht geeigneten Unfallmechanismen in der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a. a. O. S. 431 ff.). Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass kein geeigneter Unfallmechanismus vorliegt, gründet sie dies auch nicht darauf, dass der vom Senat festgestellte Unfallhergang ungeeignet wäre, sondern darauf, dass sich dieser Unfallhergang nicht nachweisen lasse. Oben wurde aber bereits ausgeführt, dass und aus welchen Gründen der Senat entgegen diesem Vorbringen der Beklagten von diesem Hergang überzeugt ist.
2. Hinsichtlich der Vorgeschichte des Klägers besteht an der linken Schulter kein manifester Vorschaden. Der Kläger hatte bis zum Unfallzeitpunkt keine Beschwerden im Bereich der linken Schulter, weder Schmerzen noch Bewegungseinschränkungen, auch nicht bei seiner körperlich schweren Arbeit. Diese Angaben des Klägers selbst stehen in Einklang mit den Angaben der vom SG gehörten sachverständigen Zeugen und dem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK. Danach hat sich der Kläger in den Jahren vor dem Unfallereignis vom 22.07.2015 weder wegen Beschwerden der linken Schulter bei seinem Hausarzt oder bei Herrn B vorgestellt noch lagen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit im Zusammenhang mit der linken Schulter vor. Damit hält der Senat das Vorliegen eines manifesten Vorschadens für ausgeschlossen.
Gegen einen manifesten Vorschaden sprechen auch die Röntgenaufnahmen vom Unfalltag. Es gibt typische Röntgenveränderungen, die auf eine vorbestehende strukturelle Sehnenläsion in der Rotatorenmanschette hinweisen, wie z. B. ein Hochstand des Oberarmkopfes gegenüber der Schulterpfanne, eine Einengung des Gleitraums unter dem Schulterdach durch eine nach unten gerichtete Zacke im Bereich der Spitze der vorderen Schultergräte oder eine Verknöcherungsstörung des Schulterdaches. Auch eine erhebliche Verdichtung oder Konturveränderungen des Knochens im Bereich des großen Oberarmhöckers könnte zumindest für eine zum Zeitpunkt der Röntgenaufnahme vorbestehende Irritation der Sehnenansätze sprechen. Die am Unfalltag gefertigten Röntgenaufnahmen des Klägers zeigen aber keine dem Alter vorauseilende Verschleißveränderungen, die eine fortgeschrittene Sehnenschädigung vermuten lassen würden. Dies hat Prof. Dr. L insgesamt nachvollziehbar in seinem Gutachten dargelegt. Es zeigte sich auf den Röntgenaufnahmen vielmehr eine physiologische Zentrierung des Oberarmkopfes in der Schulterpfanne ohne Konturunregelmäßigkeiten der Gelenkflächen, keine Verschmälerung des Gelenkspaltes des Schultergelenks, eine nur diskrete Verdichtung des Knochens an der Unterfläche des Acromions, keine wesentlichen zystischen Aufhellungen im Bereich des großen Oberarmhöckers und damit ein insgesamt altersentsprechender unauffälliger Befund ohne fortgeschrittene Verschleißveränderungen des Schultergelenks. Auch die Röntgenaufnahmen der linken Schulter vom 29.02.2016 zeigten einen vergleichbaren Befund bei lediglich etwas hakenförmiger Darstellung des Acromions ohne Spornbildung.
Überdies ist im Bereich der rechten Schulter, der dominierenden Seite, die Rotatorenmanschette intakt und der Kläger insoweit komplett beschwerdefrei. Auch dies spricht gegen das Vorliegen eines Vorschadens im Bereich der linken Rotatorenmanschette.
3. Für eine traumatische Verursachung einer Sehnenverletzung spricht ein sofortiges Schmerzmaximum und ein sofortiger Funktionsverlust mit nur leichtem decrescendo-Effekt im weiteren Verlauf. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass beim Kläger am Unfalltag keine Pseudoparalyse des linken Armes festgestellt wurde und Herr B für die Untersuchung des Klägers am Unfalltag lediglich die Abduktion als schmerzhaft, hingegen die Elevation als frei angegeben hat, überdies der Kläger in dem von ihm unterschriebenen Fragebogen angegeben hat, dass die Schmerzen nach Stunden/Tagen zugenommen haben. Allerdings lag bei dem Kläger nur eine Teilruptur der Supraspinatussehne vor, so dass auch kein vollständiger Funktionsverlust im Sinne einer Pseudoparalyse zu erwarten war. Der Kläger hat auch angegeben, dass er bei dem Unfall sofort einen stechenden Schmerz verspürte und keine Tätigkeit mehr ausüben konnte. Dies steht in Einklang damit, dass er seine Arbeit sofort niedergelegt und sich unmittelbar dem Durchgangsarzt Herrn B vorgestellt hat, was für einen sofortigen, deutlichen Funktionsverlust und erheblichen Schmerz und damit für einen Unfallzusammenhang spricht, wie beide Sachverständigen übereinstimmend darlegen. Nach Angaben des Klägers konnte er den Arm ab sofort für mehrere Tage nicht mehr aktiv anheben, was ebenfalls eindeutig für eine traumatische Läsion spricht. Herr B hat zum klinischen Befund am Unfalltag neben ziehenden Beschwerden bei der Abduktion eine freie Elevation des Armes, erst in den folgenden Berichten ab dem 24.08.2015 auch eine eingeschränkte Elevation unter Angabe konkreter Bewegungsmaße für Abduktion und Elevation dokumentiert. Nähere Ausführungen zu den Bewegungsmaßen hat er im Bericht vom 22.07.2015 nicht gemacht, weder aktive noch passive Bewegungsmaße für Abduktion und Elevation angegeben und auch nicht die Durchführung typischer Tests beschrieben. In seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.03.2017 hat er initial ziehende Beschwerden des Klägers im vorderseitigen Gelenkanteil und eingeschränkte Abspreizbewegungen des Oberarmes links angegeben und in der Folgezeit anhaltende Beschwerden in diesem Sinne mit Ruhe- und auch Bewegungsschmerz. Angaben dazu, dass erst später eine Einschränkung der Elevation hinzugetreten wäre, hat er nicht gemacht. Der klinische Primärbefund des Klägers ist damit nicht ganz eindeutig, spricht aber bei Würdigung aller Umstände unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers eher für eine traumatisch verursachte Sehnenläsion.
Äußerlich sichtbare Verletzungen sind weder vom Kläger behauptet noch sonst festgestellt worden, wären aber, wie Prof. Dr. L angibt, bei dem Unfallhergang auch nicht typisch zu erwarten. Ob auch innere, bildtechnisch erkennbare typische Begleitverletzungen wie ein Ödem im Muskel-Sehnenübergang vorlagen, lässt sich vorliegend nicht eindeutig feststellen. Denn sowohl Prof. Dr. L als auch Prof. Dr. D haben jeweils in ihren ergänzenden Stellungnahmen angegeben, dass der Befund in der koronaren Schnittführung der MRT-Untersuchung in der T2-Wichtung eine Signalanhebung der Supraspinatussehne zeigt, die möglicherweise ein Ödem im Sinne einer verletzungsspezifischen Veränderung darstellen könnte, möglicherweise aber auch auf anderer Ursache beruhen könnte. Damit ist aber insoweit weder ein Pro- noch ein Contra-Kriterium gegeben.
4. Der Heilungsverlauf spricht vorliegend für einen Unfallzusammenhang. Die Verordnung konsequenter Physiotherapie, die regelmäßig durchgeführt wurde, brachte keine nennenswerte Verbesserung des aktiven Bewegungsausmaßes und der Schmerzen. Auch die stationäre Rehabilitationsmaßnahme Anfang 2016 brachte keine Verbesserung. Bei einer älteren degenerativen Rotatorenmanschettenläsion wäre aber eine Rückbildung von Schmerzen und Funktionsstörungen innerhalb weniger Wochen zu erwarten gewesen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a. a. O. S. 435).
5. Auch der intraoperative Befund der allerdings erst nahezu 12 Monate nach dem Unfall durchgeführten Rotatorenmanschettennaht mittels Knochenanker spricht eher für eine traumatisch bedingte Läsion. Eine übermäßige Degeneration im Schultergelenk wird nicht beschrieben, die aber im Rahmen eines Gesamtprozesses zu erwarten gewesen wäre, wenn eine grundsätzliche Degeneration schon länger bestehend an der Schulter vorgelegen hätte, wie Dr. A1 in seinem Gutachten darstellt. Auch bestand eine gute Rekonstruktionssituation mit unkomplizierter Möglichkeit zur Reposition und Refixation, was dafür spricht, dass der Befund nicht länger vorbestehend war. Dass bereits Degeneration am Rupturrand vorlag, lässt sich gut mit dem Abstand zwischen Unfallereignis und Operationszeitpunkt erklären. Insoweit schließt sich der Senat der Einschätzung des Dr. A1 an, der dies nachvollziehbar und widerspruchsfrei darstellt. Auch waren in den MRT-Aufnahmen vom 01.09.2015 und vom 25.04.2015 keine Anzeichen einer Atrophie des Muskelbauches zu erkennen, was als Zeichen einer älteren degenerativen Läsion zu werten wäre. Der histologische Befund des entnommenen Gewebestückes beschreibt durchaus eine gewisse degenerative Komponente. Allerdings hat dies wenig Aussagekraft, da keine näheren Angaben dazu enthalten sind, aus welchem Abschnitt der Sehne die Probe entnommen wurde. Soweit diese, wie üblich direkt aus der Rupturzone stammte, wäre der Aspekt eines möglichen degenerativen Anteils nachvollziehbar mit dem Zeitablauf zwischen Unfall und Operation. Hierbei stützt sich der Senat auf die Ausführungen des Dr. A1.
6. Dem Unfall kommt für die Beschwerden und Funktionseinschränkungen des Klägers entgegen dem Vorbringen der Beklagten auch nicht nur die Bedeutung einer unwesentlichen Teilursache bzw. eines lediglich eine vorbestehende Krankheitsanlage zur Manifestation bringenden Faktors zu. Auch wenn aus den MRT- und Röntgenaufnahmen beim Kläger ein abgeflachtes Schulterdach (AC-Gelenk) mit degenerativen Veränderungen ersichtlich wird, das den Schulterraum einengt und zu einem vermehrten Verschleiß der Schultersehen führen kann, kann damit nicht bereits ein Vorschaden der Supraspinatussehne festgestellt werden, insbesondere keiner, der bereits so weit fortgeschritten war, dass mit dem Eintritt der Supraspinatussehnenläsion bereits bei alltäglicher Belastung zu rechnen gewesen wäre. Nachweise hierfür liegen nicht vor. Vielmehr haben sowohl Prof. Dr. L als auch Dr. A1 in ihren Gutachten übereinstimmend, widerspruchsfrei und nachvollziehbar dargestellt, dass der Unfall wesentliche Ursache für die eingetretene Läsion der Supraspinatussehne war und diesem nicht nur Bedeutung im Sinne eines Anlassgeschehens mit einer Beschwerdemanifestation bereits vorliegender nachgewiesener Schäden ohne richtungsweisende Veränderung des zu erwartenden Krankheitsverlaufs bei schicksalhaftem Verschleiß zukommt. Prof. Dr. L hat insoweit bereits das Vorliegen eines relevanten Vorschadens verneint und auch darauf verwiesen, dass sich eine relevante Vorschädigung bei der körperlich schweren Arbeit des Klägers bereits vor dem Unfall zumindest in Schmerzen hätte manifestieren müssen. Dr. A1 hat insoweit unter Verweis auf die schriftliche Befundung der MRT-Aufnahmen ausgeführt, dass erste degenerative Veränderungen im Bereich des Schultergelenks vorgelegen haben könnten, aber in Abwägung der relevanten Einzelfallumstände allenfalls von einer acute on chronic- Situation auszugehen ist, bei der alle wesentlichen Aspekte als unfallbedingt aktiviert und die Supraspinatusläsion als unfallbedingt verursacht einzuordnen ist. Dies ist für den Senat widerspruchsfrei und nachvollziehbar.
Nicht zu folgen ist Prof. Dr. D insoweit, als er in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.03.2019 zu der Einschätzung gelangt, dass davon auszugehen sei, dass die Läsion der Supraspinatussehne zumindest weit überwiegend degenerativ bedingt und dem Unfallereignis vom 22.07.2015 zeitlich vorzuordnen ist. Dies begründet er mit Begleitverletzungen in Form von ausgeprägten Zeichen einer Ansatztendinopathie der Rotatorenmanschette mit ausgeprägten subkortikalen Ganglion-Zysten, einem deutlichen subakromialen Impingement und ausgeprägten Bursitiden der Rotatorenmanschette. Allerdings stützt er sich als Beleg dieser angegebenen Begleitverletzungen auf die Röntgen- und MRT-Untersuchungen vom 22.07.2015, 01.09.2015, 29.02.2016 und 25.04.2016, welche Prof. Dr. L teilweise abweichend interpretiert, jedenfalls Prof. Dr. D aber bereits bei seiner ersten Stellungnahme vom 14.05.2016 vorlagen. In dieser ersten Stellungnahme war er aber auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gekommen, die Läsion bezüglich des Unfallereignisses vom 22.07.2015 zeitlich nicht sicher zuordenbar sei. Weshalb er bei seiner Stellungnahme knapp drei Jahre später eine zeitliche Zuordnung der Sehnenläsion doch vornehmen konnte, legt er nicht dar und ist nicht ersichtlich. Allerdings schränkt er seine neue Einschätzung auch dahingehend ein, dass er die Frage, ob im Rahmen des Unfallereignisses eine Verschlimmerung des von ihm angenommenen Vorschadens und wenn ja in welchem Ausmaß aufgetreten sein könnte, offen gelassen hat, da dies anhand der vorliegenden Untersuchungen nicht feststellbar sei.
Aus der Supraspinatussehnenläsion entwickelte sich eine posttraumatische Schultersteife mit dem vom Kläger beklagten Schmerzen. Auch nach der operativen Versorgung bestehen noch die vom SG ausgeurteilten Gesundheitsstörungen, die auf den durch den Unfall verursachten Gesundheitserstschaden zurückzuführen sind. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die Feststellungen und Einschätzung der Sachverständigen.
Damit ergibt sich der geltend gemachte Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Feststellung der genannten Unfallfolgen. Lediglich klarstellend ist insoweit in den Tenor aufzunehmen, dass es sich bei der chirurgisch versorgen Läsion der Rotatorenmanschette der linken Schulter um eine Läsion der Supraspinatussehne der linken Rotatorenmanschette handelt.
Die Berufung der Beklagten ist mithin insgesamt mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.