L 13 R 3389/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1108/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3389/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

(I)


Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtigt war, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus der von der Klägerin bezogenen Witwenrente für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 – 31. Januar 2017 i.H.v. insg. 3.904,44 € rückwirkend einzubehalten.

Mit Bescheid vom 3. August 1990 bewilligte die Beklagte der im Jahr 1955 geborenen Klägerin nach dem Ableben ihres Ehegatten am 28. Mai 1990 ab diesem Tag eine Witwenrente. Zum 1. Juni 1990 übernahm die Klägerin die zuvor von ihrem Ehegatten geführte Firma, bei der sie zuvor versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist. Ab der Übernahme der Firma war sie nicht mehr versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Im Hinblick hierauf bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 1. Oktober 1990 einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung.

Unter dem 24. November 2016 teilte die Verrechnungsstelle für katholische Kirchengemeinden der Beklagten mit, dass die Klägerin zum 1. Oktober 2014 eine Beschäftigung aufgenommen habe. Das hierfür bezogene Entgelt habe sich im Jahr 2015 auf insg. 10.139,13 € und in den Monaten Oktober und November 2016 auf jeweils 844,06 € belaufen. Die I, die spätere Beigeladene, bestätigte der Beklagten am 16. Dezember 2016, dass dort wegen der Aufnahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zum 1. Oktober 2014 eine Pflichtmitgliedschaft (in der gesetzlichen Krankenversicherung) bestehe. Die Verrechnungsstelle des Arbeitgebers der Klägerin bestätigte der Beklagten, dass die Klägerin zum 1. Oktober 2014 angemeldet worden sei und diese von der späteren Beigeladenen unter dem 8. Oktober 2014 vom Bestehen der Mitgliedschaft dort in Kenntnis gesetzt worden ist. Im Rahmen einer Datenübermittlung am 17. Januar 2017 teilte die I der Beklagten mit, dass die Klägerin dort bereits seit dem 1. Januar 2009 als versicherungspflichtig gemeldet sei.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2016 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin ab dem 1. Oktober 2016 neu. Von der laufenden Rente i.H.v. 652,43 € brachte sie den Beitragsanteil zur Krankenversicherung von 47,62 €, den Zusatzbeitrag der Krankenversicherung i.H.v. 9,13 € sowie den Beitrag des Rentners zur Pflegeversicherung i.H.v. 16,64 € in Abzug und bezifferte den Zahlbetrag auf monatlich 579,04 €.

Nach Anhörung der Klägerin (Schreiben vom 29. Dezember 2016) entschied die Beklagte mit Bescheid vom 25. Januar 2017, dass von der Rente rückwirkend für die Zeit vom 1. Oktober 2014 - 31. Januar 2017 Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgeführt werden und die hieraus eintretende Überzahlung i.H.v. 1.879,92 € von der Klägerin nach § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu erstatten sei. Begründend führte sie aus, von den Renten von in der Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversicherten Personen seien Beiträge an die Krankenkasse abzuführen. Dies gelte auch dann, wenn dem Betroffenen das Bestehen einer Versicherungspflicht nicht bekannt gewesen sei. Aufgrund der Beschäftigung der Klägerin ab dem 1. Oktober 2014 sei diese pflichtversichert in der Kranken- und Pflegeversicherung gewesen, weswegen aus den laufenden Rentenleistungen Beiträge abzuführen gewesen wären. In der Vergangenheit nicht einbehaltene Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge seien nach § 255 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. § 60 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten, soweit keine Hilfebedürftigkeit i.S.d. Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB II bzw. SGB XII) eintrete. Die Beklagte führte hierzu aus, dass der Betrag von 1.879,92 €, wenn dies gewünscht sei, von der Klägerin (auch vollständig) überwiesen werden könne. Sie, die Beklagte, behalte sich vor, sollten weitere Ermittlungen einen früheren Eintritt der Versicherungspflicht bestätigen, weitere rückständige Beiträge einzubehalten.

Mit weiterem Bescheid vom 25. Januar 2017 hob die Beklagte den Bescheid über die Bewilligung eines Beitragszuschusses zur Krankenversicherung vom 1. Oktober 1990 mit Wirkung vom 1. Oktober 2014 mit Bescheid vom 25. Januar 2017 nach § 48 SGB X auf und forderte überzahlte Beitragszuschüsse i.H.v. insg. 1.284,44 € von der Klägerin nach § 50 SGB X zurück.

Gegen die Bescheide vom 25. Januar 2017 erhob die Klägerin unter dem 15. Februar 2017 jeweils Widerspruch, zu dessen Begründung vom bevollmächtigten Rentenberater vorgetragen worden ist, dass nicht anzunehmen sei, dass ein durchschnittlicher Betrachter nicht hätte erkennen können, ob und wann wegen der Aufnahme einer Beschäftigung kein Recht auf einen Beitragszuschuss mehr bestehe. Für sie, die Klägerin, habe keine Veranlassung bestanden, der Beklagten eine Mitteilung von der Aufnahme der Tätigkeit zu machen, da die Krankenkasse hiervon Kenntnis gehabt habe. Diese, und nicht sie, sei verpflichtet gewesen, die Beklagte hiervon zu unterrichten. Die Beklagte habe überdies einen Erstattungsanspruch nach § 50 SGB X erlassen, obschon in der Sache ein Aufrechnungs- bzw. Verrechnungsbescheid hätte ergehen müssen. Eine Erstattungsforderung setze eine vorherige Aufhebung der Rentenbewilligungsbescheide voraus, die nicht erfolgt sei.

Mit Bescheid vom 23. November 2017 entschied die Beklagte, dass von der Rente der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2012 – 30. September 2014 rückwirkend Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgeführt werden. Die sich hieraus ergebende Überzahlung i.H.v. 2.024,52 € sei von der Klägerin nach § 50 SGB X zurückzuzahlen. Begründend führte sie aus, die Klägerin sei bereits seit dem 1. Januar 2009 bei der I in der Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert gewesen. Da ihr, der Beklagten, dies nicht bekannt gewesen sei, seien keine Beiträge von der Rente einbehalten worden. In der Vergangenheit nicht einbehaltene Beiträge könnten nach § 255 Abs. 2 SGB V und § 60 SGB XI bis zur Grenze der grundsicherungsrechtlichen bzw. sozialhilferechtlichen Hilfebedürftigkeit aus der weiterhin gezahlten Rente einbehalten werden. Da Ansprüche auf Beiträge nach § 25 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in vier Jahren verjährten, seien Beiträge rückwirkend für die Zeit vom 1. Januar 2012 – 30. September 2014 abzuführen. Beitragsansprüche für die davor liegende Zeit seien verjährt. Die Beklagte führte aus, dass der Betrag von 2.024,52 €, wenn dies gewünscht sei, von der Klägerin (auch vollständig) überwiesen werden könne. Der Bescheid werde, so die Beklagte, Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2018 wies die Beklagte den Widerspruch betr. der Einbehaltung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung zurück. Nach § 249a SGB V trage der Rentenversicherungsträger die Hälfte der nach dem allgemeinen Beitragssatz bemessenen Beiträge aus der Rente, im Übrigen trage der Rentner die Beiträge. Die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung seien seit dem 1. April 2004 in voller Höhe vom Rentner zu entrichten (§§ 59 Abs. 1, Abs. 5 SGB XI). Sie, die Beklagte, sei Einzugsstelle für die aus der Rente zu entrichtenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Das Einbehalten der Beiträge sei zwingend vorgeschrieben, hierbei sei es unbeachtlich, aus welchem Grund die Beitragserhebung zunächst nicht erfolgt sei. Von der Forderung der Beiträge könne daher nicht abgesehen werden. Mit der nachträglichen Einbehaltung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen werde nicht eine überzahlte, d.h. ohne die vorgeschriebene Einbehaltung ausgezahlte Rente zurückgefordert, sondern eine nachträgliche Beitragserhebung vorgenommen. Die Beitragsansprüche von 2.024,52 € (Krankenversicherungsbeiträge: 1.625,25 €, Pflegeversicherungsbeiträge: 399,27 €) betr. den Zeitraum 1. Januar 2012 – 30. September 2014 und 1.879,92 € (Krankenversicherungsbeiträge: 1.470,60 €, Pflegversicherungsbeiträge: 409,32 €) betreffend den Zeitraum 1. Oktober 2014 – 31. Januar 2017 seien von der laufenden Rente einzubehalten.

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin betr. die Aufhebung der Bewilligung des Beitragszuschusses zur Krankenversicherung zurück.

Am 5. März 2018 hat die Klägerin gegen die „Rückforderung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung“ i.H.v. 1.879,92 € im Bescheid 25. Januar 2017 (Änderungsbescheid vom 23. November 2017, Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2018) Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG; - S 8 R 1108/18 -) erhoben. Gleichfalls am 5. März 2018 hat sie gegen die Aufhebung der Bewilligung eines Beitragszuschusses und die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Zuschüsse Klage zum SG erhoben (- S 8 R 1109/18 -).

Zur Begründung der Klage - S 8 R 1108/18 - hat die Klägerin vorgebracht, die Beklagte fordere von ihr die Rückzahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung betr. die Zeit vom 1. Oktober 2014 – 31. Januar 2017 i.H.v. 1.879,92 €. Hierbei handele es sich um einen reinen Erstattungsbescheid nach § 50 SGB X. Eine solche Erstattungsentscheidung sei jedoch nur dann möglich, wenn zuvor, der Rentenbewilligungsbescheid aufgehoben worden wäre, was nicht geschehen sei. Die Beklagte hätte vielmehr einen Aufrechnungs- und Verrechnungsbescheid bekannt geben müssen. Die Beklagte müsse sich indes am Wortlaut des Bescheides festhalten lassen. Dieser sei ersatzlos aufzuheben. Sie, die Klägerin, sei im Übrigen bei allen Änderungen des Versicherungsverhältnisses bei den zuständigen Beratungsstellen gewesen. Es sei, so die Klägerin weiter, auch von einer Verwirkung auszugehen. Der I sei bereits im Jahr 2009 bekannt gewesen, dass sie (seit 1995) in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Dieses Wissen müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Sie, die Klägerin, habe vor diesen zeitlichen Abläufen davon ausgehen dürfen, dass keine Beiträge mehr erhoben werden würden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgebracht, mit der Regelung des § 255 Abs. 2 SGB V habe der Gesetzgeber die nachträgliche Beitragserhebung aus einer Rente abschließend geregelt. Ein Ermessensspielraum sei nach dieser Regelung nicht eröffnet. Auch sei nicht maßgeblich, ob der Rentenversicherungsträger oder die Krankenkasse die unterbliebene Beitragserhebung zu verantworten habe. Der Sache nach handele es sich bei der nachträglichen Beitragserhebung nicht um eine Aufhebung nach § 48 SGB X. Vielmehr seien die Beiträge, wie von ihr unternommen, bei einer weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. § 51 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) gelte entsprechend, indes sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch eine Aufrechnung bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung hilfebedürftig i.S. des SGB II oder des SGB XII werde. Soweit sie, die Beklagte, sich im Bescheid vom 25. Januar 2017 bzw. vom 23. November 2017 auf § 50 SGB X gestützt habe, sei dies versehentlich geschehen.

Mit Beschluss vom 27. März 2018 hat das SG die I notwendig zum Verfahren beigeladen.

Das SG hat die Klägerin (auch im Verfahren - S 8 R 1109/18 -) im Rahmen eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 11. Februar 2019 und anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2020 persönlich angehört. Hinsichtlich des Inhalts der klägerischen Angaben wird auf das Protokoll vom 11. Februar 2019 (Bl. 103 und 104 der SG-Akte) und vom 15. Juli 2020 (Bl. 134 – 136 der SG-Akte) verwiesen.

Mit Urteil vom 15. Juli 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2018 verwiesen (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Ergänzend hat es ausgeführt, die Beklagte habe im Bescheid vom 25. Januar 2017 einen Bescheid über „die Einbehaltung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen und Aufrechnung der Rente" erlassen. In der Begründung habe sie ausgeführt, dass Beiträge nach § 255 SGB V einzubehalten seien. Im Rahmen der §§ 255, 256 SGB V komme es weder auf Verschulden der Klägerin noch auf ein Ermessen an. Entscheidend sei einzig die Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit. Dies habe die Klägerin jedoch bereits nicht geltend gemacht.

Gleichfalls mit Urteil vom 15. Juli 2020 hat das SG die Klage gegen die Aufhebung der Bewilligung eines Beitragszuschusses und die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Zuschüsse (- S 8 R 1109/18 -) abgewiesen. Die hiergegen erhobene Berufung ist (nunmehr) beim erkennenden Senat anhängig (- L 13 R 3405/20 -).

Gegen das ihr am 19. Oktober 2020 zugestellte Urteil (- S 8 R 1108/18 -) hat die Klägerin am 27. Oktober 2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Zu deren Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie, die Klägerin, sei ihren Meldeverpflichtungen nachgekommen und habe davon ausgehen dürfen, dass keine Forderungen mehr erhoben würden; die Beitragsansprüche der Beklagten seien auch deswegen verwirkt. Sie betont, dass die Beklagte keinen Verrechnungsbescheid i.S.d.§ 255 Abs. 2 SGB V, sondern einen Erstattungsbescheid erlassen habe. Solche seien jedoch im konkreten Zusammenhang unzulässig. Auch die Ausführungen der Beklagten hierzu, dies sei versehentlich erfolgt, änderten hieran nichts.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Juli 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 2017 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 23. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 4. August 2021, vom 13. September 2021 und zuletzt vom 27. September 2021 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass gerichtlicherseits beabsichtigt sei, über die Berufung im Wege eines Beschlusses nach § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden. Gelegenheit zur Stellungnahme ist den Beteiligten eingeräumt worden, wovon die Klägerin ihren Rechtsstand wiederholt hat. Ferner ist die Übersendung des „Protokolls über die Herstellung der Einstimmigkeit“ geltend gemacht worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für die Klägerin geführte Leistungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.


(II)

Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin nach § 153 Abs. 4 SGG ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ohne die Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden hierzu gehört. Gründe, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich machen, liegen nicht vor, insb. ist der tatsächliche Sachverhalt im Wesentlichen unstreitig. Soweit durch den bevollmächtigten Rentenberater der Klägerin (vor der Beschlussfassung) die Übersendung eines Protokolls über die Herstellung der Einstimmigkeit beansprucht worden ist, ist diesem (zuletzt) mitgeteilt worden, dass ein solches nicht gefertigt wird, vielmehr die Einstimmigkeit durch die Unterschriften der Richter dokumentiert wird.

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft (vgl. § 143 SGG), da der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,- € bei einem streitgegenständlichen Betrag der nachberechneten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. insg. 3.904,44 € überschritten ist, und auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung führt jedoch für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin war ab dem 1. Januar 2009 aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 in der gesetzlichen Krankenversicherung und nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Soweit der bevollmächtigte Rentenberater hierzu unsubstantiiert vorbringt, es sei nicht sicher, ob ein Befreiungsantrag gestellt worden sei, die Klägerin sei immerhin privat krankenversichert gewesen, ist dieser Vortrag unbeachtlich, da die Versicherungspflicht von der Krankenkasse festgestellt worden ist. Dies ist der Klägerin auch mit Schreiben der Beigeladenen vom 8. Oktober 2014 so kommuniziert worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nicht pflichtversichert gewesen ist, bestehen für den Senat mithin nicht (zur Berechtigung der Beklagten, die Frage des Bestehens der Versicherungspflicht zu überprüfen: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 31. März 2017 - B 12 R 6/14 R -, in juris, dort Rn. 29).

Mit der Pflichtmitgliedschaft der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung geht eine Beitragspflicht einher. Die Beiträge sind nach § 223 Abs. 1 SGB V für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt. Die Beiträge werden nach § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Bei versicherungspflichtig Beschäftigten werden der Beitragsbemessung nach § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V (betr. die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI) u.a. auch der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde gelegt. Als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung gelten nach § 228 Abs. 1 Satz 1 SGB V Renten der allgemeinen Rentenversicherung, worunter nach § 33 SGB VI Renten wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder wegen Todes rechnen. Die letztbenannten Renten sind Witwenrenten oder Witwerrenten (§ 46 SGB VI i. V. m. §§ 242a ff. SGB VI), wie sie von der Klägerin seit dem 28. Mai 1990 bezogen wird, weswegen die Witwenrente der Beitragspflicht in die gesetzliche Krankenversicherung unterliegt.

Nach § 249a Abs. 1 Satz 1 SGB V tragen Versicherungspflichtige, die eine Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 SGB V beziehen, und die Träger der Rentenversicherung die nach der Rente zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. In der sozialen Pflegeversicherung tragen die Mitglieder (der sozialen Pflegeversicherung) die Beiträge aus einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung allein (§ 59 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz SGB XI). Die Beiträge sind hierbei nach § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen zu zahlen. Eine laufende Zahlung der Beiträge aus den Rentenzahlungen an die Klägerin ist vorliegend, da die Beklagte keine Kenntnis von der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung hatte, unterblieben. Für diesen Fall bestimmt § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V, der nach § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI für Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung entsprechend gilt, dass, wenn bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen nach Absatz 1 (des § 255 SGB V) unterblieben ist, die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten sind; § 51 Abs. 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. § 255 Abs. 2 SGB V, an dessen Verfassungsmäßigkeit, anders als vom bevollmächtigten Rentenberater angeführt, keine Zweifel bestehen, enthält keinen Ermessensspielraum des Trägers der Rentenversicherung und auch keine Regelung über einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz. Sie ist vielmehr so zu verstehen, dass der Rentenversicherungsträger bei Nichterfüllung der Abführungspflicht die rückständigen Beiträge von der Rente abziehen muss (vgl. BSG, Urteil vom 15. Juni 2000 - B 12 RJ 5/99 R -, in juris). Der Beitragspflichtige kann sich gegen die nachträgliche Einbehaltung der Beiträge daher nicht unter Berufung auf ein schutzwürdiges Vertrauen wehren (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 1989 - 12 RK 66/87 -, in juris, dort Rn. 22; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. April 2005 - L 7 R 952/04 -, in juris). Auf die Frage, ob den Versicherten oder den Rentenversicherungsträger hinsichtlich der nachträglichen Erhebung der Beiträge ein Verschulden trifft, kommt es gleichfalls nicht an (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22. November 2017 - L 1 R 484/15 -, in juris, dort Rn. 30).

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin durch den Einbehalt der Beiträge hilfebedürftig i.S.d. SGB II oder des SGB XII wird (vgl. § 51 Abs. 2 SGB I), sind dem Senat in Ermangelung eines entsprechenden Vortrages nicht ersichtlich.

Mithin ist die Einbehaltung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung betr. den Zeitraum vom 1. Januar 2012 – 30. September 2014 i.H.v. 2.024,52 € (Bescheid vom 23. November 2017) und vom 1. Oktober 2014 – 31. Januar 2017 i.H.v. 1.879,92 € Bescheid vom 25. Januar 2017) dem Grunde nach nicht zu beanstanden.

Soweit klägerseits gegen die Einbehaltung vorgebracht wird, die Beklagte habe unzulässigerweise einen Erstattungsbescheid erlassen und überdies die (Witwen-) Rentenbewilligung (zuvor) nicht aufgehoben, sie hätte vielmehr einen Auf- bzw. Verrechnungsbescheid erlassen müssen, ist dem zuzugeben, dass die Beklagte tatsächlich im Verfügungssatz der Bescheide vom 25. Januar 2017 und vom 23. November 2017 ausgeführt hat, dass die „Überzahlung“ von der Klägerin „gemäß § 50 SGB X zurückzuzahlen“ sei. Ferner ist zutreffend, dass die Regelung des § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V die allgemeinen Aufhebungs- und Erstattungsvorschriften der §§ 44 ff. SGB X verdrängt und diese daher nicht anzuwenden sind, dies führt jedoch, anders als vom bevollmächtigten Rentenberater vorgebracht, nicht dazu, dass die streitgegenständlichen Bescheide deswegen aufzuheben sind. Aus den Ausführungen in den Bescheiden kommt vielmehr hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Beklagte ihre Entscheidung auf § 255 Abs. 2 SGB V bzw. § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI gestützt hat und hiernach die zu Unrecht nicht einbehaltenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus der laufenden Rente einbehalten werden. Sie hat i.d.S. in den Bescheiden auf die diesbezügliche Grenze der Hilfebedürftigkeit hingewiesen und überdies und insb. ausgeführt, dass eine „Erstattung“ von 1.879,92 € bzw. 2.024,52 €, „falls“ (von der Klägerin) „gewünscht“ durch eine Überweisung erfolgen kann. Hieraus wird hinreichend deutlich, dass die Beklagte bereits in den Ausgangsbescheiden keine Erstattungsentscheidung i.S.d §§ 48, 50 SGB X getroffen hat, sondern entsprechend der Regelung des § 255 SGB V entschieden hat, dass die rückständigen Beiträge einbehalten werden sollen und nur, falls die Klägerin dies bevorzugt, der Betrag auch von dieser sofort und umfänglich entrichtet werden kann. Überdies hat sie im Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2018, in dessen Gestalt der Bescheid Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung wird (vgl. § 95 SGG) die klägerseits monierte Regelung des § 50 SGB X nicht mehr angeführt. Spätestens hiermit hat sie ggf. durch die Anführung des § 50 SGB X entstandene Mißverständlichkeiten ausgeräumt.

Überdies ist, worauf ergänzend hingewiesen wird, ein Austausch der Rechtgrundlagen unbedenklich, da die Zielrichtung der Entscheidung, zu Unrecht nicht einbehaltene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung den Versicherungssystemen zuzuführen, in jedem Fall die gleiche ist und der Verwaltungsakt, selbst wenn zunächst eine Erstattungsentscheidung getroffen worden wäre, durch die „Änderung“ in eine Entscheidung über den Einbehalt nicht in ihrem Wesen geändert wird. Da überdies weder § 50 SGB X, noch die Regelung des § 255 SGB V die Ausübung von Ermessen erfordern, unterliegt die Vorgehensweise der Beklagten keinen durchgreifenden Bedenken. Schließlich wäre die Klägerin in dem Fall, dass die Beklagte tatsächlich eine Prüfung nach §§ 48, 50 SGB X vorgenommen hätte, worauf hilfsweise hingewiesen wird, hierdurch nicht beschwert, da die dortigen Regelungen eine Erstattung nach einer Aufhebung des Rentenbescheides nur unter engeren Voraussetzungen erlauben würden, als dies durch die Einbehaltung der rückständigen Beiträge der Fall wäre.

Die Beitragsnachforderung der Beklagten für den Zeitraum vom 1. Januar 2012- 30. September 2014 und vom 1. Oktober 2014 – 31. Januar 2017 ist auch nicht verjährt. Für die Beitragsansprüche nach § 255 Abs. 1 SGB V (und auch nach § 60 Abs. 1 SGB XI) gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (BSG, Urteil vom 15. Juni 2000 - B 12 RJ 6/99 R -., in juris, dort Rn 19 f.). Danach verjähren Beitragsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die aus der Witwenrente der Klägerin für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 zu zahlenden Beiträge waren deshalb noch nicht verjährt.

Die Forderung der Beklagten ist auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) auch im Sozialversicherungsrecht und insb. für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten anerkannt (st. Rspr. des BSG, u.a. Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 1/04 R – in juris, dort Rn. 43). Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67; BSG, Urteil vom 05. Dezember 1972 - 10 RV 441/71 -, beide in juris). Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 - 5 RJ 52/94 -, in juris). Ein "bloßes Nichtstun" als Verwirkungsverhalten reicht regelmäßig nicht aus; ein konkretes Verhalten des Gläubigers muss hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Forderung nicht besteht oder nicht geltend gemacht wird (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 1989 - 12RK 23/88 -, in juris, dort Rn. 26). Ein solches Verwirkungsverhalten der Beklagten, das bei der Klägerin das berechtigte Vertrauen begründen durfte, die Beklagte werde die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht erheben, liegt nicht vor. Die Beklagte hatte es aufgrund der fehlenden Meldung der Beigeladenen unterlassen, die Beiträge zu erheben. Dieses Unterlassen der Beklagten erfüllt nach den aufgezeigten Maßstäben weder die Anforderungen eines Vertrauen begründenden Verwirkungsverhaltens noch durfte die Klägerin das "bloße Nichtstun" der Beklagten als bewusst und planmäßig erachten und deshalb darauf vertrauen, dass die Beiträge nicht erhoben werden. Sofort nach Kenntnis vom Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses hat die Beklagte die rückständigen Beiträge geltend gemacht. Auf ein Fehlverhalten der Beigeladenen kommt es im Rahmen der Verwirkung nicht an, da diese nicht Berechtigte des Anspruchs war.

Mithin hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass rückständige, von der Klägerin zu tragende Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegversicherung für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 – 31. Januar 2017 von der laufenden Rentenzahlung einzubehalten sind.

Die Höhe der insg. einzubehaltenden Beiträge (1.879,92 € und 2.024,52 €) ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe von der Beklagten fehlerhaft ermittelt worden ist, bestehen für den Senat, auch und insb. mangels eines entsprechenden Vortrages, nicht.

Die Bescheide der Beklagten vom 25. Januar 2017 und vom 23. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2018 sind daher rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG vom 15. Juli 2020 ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
Saved