Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Oktober 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits, der durch die Tochter, der jetzigen Klägerin, als Rechtsnachfolgerin der am 8. November 2020 Verstorbenen fortgeführt wird, ist die Gewährung von Leistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (OEG) aufgrund behaupteten Missbrauchs in der Kindheit streitig.
Die Verstorbene war am 1. April 1966 geboren und jobbte nach dem Realschulabschluss zunächst in der Fabrik. Nach vier Jahren musste sie diese Tätigkeit aufgrund von Allergien aufgeben und führte eine Umschulungsmaßnahme zur Erzieherin bis 1992 durch. Von 1993 bis 1997 arbeitete sie in diesem Beruf, teilweise in leitender Funktion und wurde von einem anderen Kindergartenbetrieb abgeworben. Die Tätigkeit konnte wegen psychischer Beeinträchtigungen nicht fortgeführt werden. Von 1998 bis 1999 nahm sie an einer Bildungsmaßnahme teil und absolvierte von 2000 bis 2002 eine Ausbildung zur Mediengestalterin. Da sie gegen Ende der Ausbildung schwanger wurde, konnte sie in dem Beruf nicht mehr Fuß fassen. Nach dem Bezug von Arbeitslosen- und Übergangsgeld, bekam sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und erhielt zuletzt Rentenleistungen der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV). Mit Bescheid vom 10. Juli 2007 erkannte das LRA einen GdB von 50 seit dem 1. Juni 1997, 40 vom 1. Juni 1998 bis 31. Dezember 2004, wiederum 50 ab dem 1. Januar 2005 (seelische Störung Teil-GdB 40; Ausfall der rechten Niere Teil-GdB 30) an und erhöhte diesen mit Bescheid vom 11. Juni 2010 auf 60 seit dem 23. März 2010.
Am 29. Mai 2007 beantragte sie bei dem Landratsamt Emmendingen (LRA) die Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen Übergriffe durch ihren Stiefvater. Sie habe bis zu ihrem ersten Krankenhausaufenthalt 1997 mehrfach extreme körperliche sowie psychische Probleme gehabt. Ihre Verdrängungsleistung habe sie seit dem Sommer durch Therapie immer mehr abgebaut. Aufgrund ihrer Sozialisation habe sie keine Chance gehabt, sich gegen ihren Stiefvater zu wehren, geschweige denn ihn anzuzeigen. Seit 1994 lebe ihr jüngerer Bruder wieder bei seinem leiblichen Vater, ihrem Stiefvater. Da diesem bei Strafantragstellung massivste seelische und körperliche Gewalt drohe, habe sie bislang nichts unternommen. Sie nehme als einzige aus der Familie therapeutische Hilfe in Anspruch. Ihre Geschwister seien auf die Verdrängungsleistungen angewiesen, sofern sie nicht stark genug seien, sich mit der brutalen Thematik in der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die restliche Verwandtschaft habe ihr Repressalien angedroht, wenn sie strafrechtliche Schritte in Erwägung ziehe. Ihre Therapeutin halte einen solchen Schritt für ihre körperliche und psychische Verfassung für unzumutbar.
Der Entlassungsbericht des Zentrums für Psychiatrie Emmendingen über den stationären Aufenthalt vom 19. bis 23. Juni 1997 gab als Diagnose eine akute polymorphe psychotische Störung ohne Symptome einer Schizophrenie bei akuter Belastung an. Die Verstorbene sei wegen der Entwicklung eines paranoiden Syndroms bei einer sehr konfliktbehafteten Situation im beruflichen Bereich überwiesen worden. Sie lebe in Trennung von ihrem Mann und habe keine Kinder. Seit dem 15. Januar sei sie in einem privaten Kindergarten als Erzieherin tätig und empfinde die Arbeit als sehr problematisch. Seit einer Woche habe sich die Situation auf ein unerträgliches Maß zugespitzt. Sie fühle sich von ihrem Arbeitgeber akut bedroht und halte es durchaus für möglich, dass man versuche sie zu ermorden. Sie befürchte auch, dass man ihre Praktikantin „abmurksen“ könne. Im psychischen Befund sei die Verstorbene bewusstseinsklar, allseits orientiert, aber affektiv inadäquat kichernd gewesen. Es hätten sich Konzentrationsschwierigkeiten bei umständlichen Denken gezeigt. Paranoide Denkinhalte seien geäußert worden. Die tatsächliche Situation im Kindergarten habe nicht geklärt werden können. Während des Aufenthaltes habe die Verstorbene Abstand zu der auslösenden Situation gewonnen. Eine stationäre Behandlung werde angeraten.
Im anschließenden Entlassungsbericht der M-Klinik über den daraufhin eingeleiteten stationären Aufenthalt vom 24. Juli bis 9. Oktober 1997 wurde eine Behandlung wegen einer Anpassungsstörung vor dem Hintergrund einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung beschrieben. Die Verstorbene habe am Arbeitsplatz die letzten Wochen eine Mobbing-Situation erlebt. Sie arbeite in einem privaten Kindergarten, sodass die Eltern gleichzeitig ihre Arbeitgeber seien. Sie habe es mit einem schwer auffälligen Jungen zu tun gehabt, von dem sie mitbekommen habe, dass er vor allem Mädchen tyrannisiere und diese gegen ihren Willen mit Hilfe eines anderen Jungen gewalttätig zu sexuellen Spielen nötige. Sie habe daraufhin die Mutter des Jungen veranlasst, diesen aus der Gruppe zu nehmen und den Vorstand informiert. Der Vater des Jungen habe sie nach Dienstschluss abgefangen und zu einem Gespräch genötigt, in dessen Verlauf er sie beschimpft und der Unfähigkeit bezichtigt habe. Nachdem sie den Eindruck gewonnen habe, dass die Eltern den Vorfall eher bagatellisierten, sei sie in eine schwere Gewissensnot geraten, da sie sich verpflichtet gefühlt habe, die anderen Kinder vor diesem Jungen zu schützen. Der Arbeitsplatz bestehe nicht mehr, da sich der Kindergarten wegen der Querelen der Eltern untereinander aufgelöst habe. Nach dem Tod ihres Vaters habe ihre Mutter erneut geheiratet. Sie und ihre Schwester seien vom Stiefvater drangsaliert worden. Er habe sie in Abwesenheit der Mutter geschlagen und sie gezwungen zu essen, auch wenn sie bereits satt gewesen seien. Wenn sie auf der Toilette gewesen sei, habe der Stiefvater vor der Tür gestanden und darauf geachtet, dass sie nicht zu viel Toilettenpapier nehme. Auch dafür seien sie geschlagen worden. Die Mutter habe das mitbekommen und sie nicht mehr alleine zu Hause gelassen, sondern zur Großmutter oder zur Tante gebracht. Dort sei sie von einem Cousin mehrfach sexuell genötigt worden. Die Mutter habe dann noch zwei weitere Kinder von dem Stiefvater bekommen und sich schließlich nach neunjähriger Ehe, als sie 14 Jahre alt gewesen sei, von ihm getrennt.
Nach ihrer eigenen Schulausbildung habe sie eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht und 1989 geheiratet. Sie habe zunächst in L1 gearbeitet und nach ihrer Trennung 1995 dann in F, wo es zu den beschriebenen Vorfällen gekommen sei. Durch den frühen Verlust des Vaters im ersten Lebensjahr und die fehlende Präsenz der Mutter, die für den Lebensunterhalt habe aufkommen müssen, habe die Verstorbene durch wechselnde Bezugspersonen keine ausreichend stabilen, positiv gefärbten Objektbeziehungen aufbauen können. Sie habe diesen Mangel schon früh mit einem narzisstischen Rückzug bewältigt, verbunden mit einer vorzeitigen Autonomieentwicklung. Durch zahlreiche folgende Traumata sei dieses Abwehrsystem verstärkt worden, unbewusste Wünsche nach Geborgenheit und Anlehnung hätten keinen Raum gefunden. Entsprechend habe die Verstorbene sowohl ihre Beziehungen zu Männern, aber auch zu Frauen unbewusst konflikthaft gestaltet, wobei sie auch da ihr Ablehnungsbedürfnis nicht habe ausleben können. Sie suche sich vielmehr anhängige Partner und gehe beengende Beziehungen ein, aus denen sie sich schließlich enttäuscht und abrupt abwende, sich somit selbst immer wieder beweise, dass niemand für sie da sei, sie jedoch auch jemanden brauche.
In ähnlicher Weise konfliktbehaftet habe sich ihre Beziehung zu ihren Arbeitsgebern entwickelt, wo sie zunächst narzisstische Bestätigung gefunden habe. Durch die schweren innerbetrieblichen Konflikte sei sie unbewusst in die Angst geraten, vereinnahmt und missbraucht zu werden, der zugrundeliegende Konflikt sei heftig reaktiviert worden, sodass sie in eine schwere innerseelische Krise mit Mobilisierung heftigster Angst und Aggressionseffekte geraten sei. Im Behandlungsverlauf sei es der Verstorbene gelungen, auch in ihrem persönlichen Umfeld konfliktbehaftete Beziehungen ausgewogener zu gestalten. Ein anhaltend großes Problem bis zum Ende der Behandlung habe die Angst vor dem Wiedereintritt ins Berufsleben dargestellt. Auf dem Hintergrund dieser schwierigen Erfahrung sehe sich die Verstorbene aktuell nicht in der Lage, weiterhin als Erzieherin tätig zu sein. Im Rahmen der Behandlung sei deutlich geworden, dass es sich dabei mit großer Wahrscheinlichkeit um einen neurotisch bedingten Berufswunsch gehandelt habe, wobei sie eigene unbewusste und nicht ausgelebte Bedürfnisse nach Geborgenheit und Schutz auf die ihr anvertrauten Kinder übertragen habe und somit nicht zu einer notwendigen inneren Distanzierung von deren Schicksal in der Lage gewesen sei. Es sei daher auf längere Sicht zu erwarten, dass sich die Verstorbene immer wieder in schwierige berufliche Situationen verwickele, wenn sie ihre erzieherischen Ansprüche nicht zu verwirklichen sehe.
Das LRA zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse (AOK) sowie einen Befundschein bei der L bei. Diese gab an, dass die Verstorbene durch die Kindheit schwerst traumatisiert sei. Es bestünden seelische und geistige Funktionsbeeinträchtigungen auf drei unterschiedlichen Ebenen, die sich zum Teil gegenseitig erheblich verstärkten. Zum einen seien dies chronische Ein- und Durchschlafstörungen, zum anderen aufgrund der verwahrlosenden Situation in der Kindheit ein permanent erhöhtes Erregungsniveau und letztlich eine dauernde Funktionsbeeinträchtigung, weil sie sich nur in geringem Maße über die Inanspruchnahme des sozialen Umfeldes stabilisieren könne. Weiter legte sie ihren „Antrag an den Gutachter zum Antrag auf Verhaltenstherapie“ vor. Daraus ergab sich, dass die Verstorbene nach dem Tod des Vaters bis zur Wiederheirat der Mutter eine ruhige Zeit verbracht habe. Die Mutter sei wenig für sie da gewesen, da sie mehr mit ihren alkoholkranken Männern beschäftigt gewesen sei. Diese sei eine unterwürfige, wenig wehrhafte Frau gewesen, die sie kaum vor den Übergriffen des Stiefvaters habe schützen können. Die Mutter sei wenig offen für ihre Probleme gewesen, sondern habe diese durch Witze bagatellisiert. Von dem Stiefvater sei sie schwer misshandelt worden (Anhängen der nackten Kinder an den Füßen, Schläge, gefesselt beim Schweineschlachten und Zersägen zusehen müssen etc.), wobei er nach außen absolutes Schweigen eingefordert habe. Später habe die Mutter sie zu einer Tante gebracht, wo sie durch ihren älteren Cousin mehrfach sexuell missbraucht worden sei. Als sie 14 Jahre alt gewesen sei, habe sich die Mutter von dem Stiefvater getrennt, sei jedoch weitere Partnerschaften mit alkoholkranken Männern eingegangen. Sie selbst habe die Rolle der Ratgeberin sowie Beschützerin eingenommen und teilweise die Männer aus der Wohnung beordert. Ihren Geschwistern sei sie nach wie vor suspekt und werde als „Psychotante“ bezeichnet, da sie die Einzige sei, die sich Unterstützung suche. Ihre schulischen Leistungen seien aufgrund der Belastungen, der immer wiederkehrenden Schlafstörungen sowie den Albträumen schlecht gewesen. In der Pubertät habe sie sich in dubiose Kreise begeben, bereits im Alter von zwölf Jahren Alkohol getrunken und sei Beziehungen mit schwierigen, oft drogenabhängigen Männern eingegangen. Nach dem Realschulabschluss habe sie sich mit Aushilfsjobs, durch die sie teilweise sogar noch ihre Familie unterstützt habe, über Wasser gehalten. Im Alter von 19 Jahren habe es anorektische Tendenzen gegeben, später bulimische. Aus dem Teufelskreis der Essstörungen und des Alkoholabusus habe sie sich durch einschlägige Literatur selbst befreien können. Von 1990 bis 1992 habe sie eine Ausbildung zur Erzieherin absolviert und in der Folgezeit feste Anstellungen gehabt. Wegen eines retraumatisierenden Ereignisses 1997 habe sie einen Nervenzusammenbruch erlitten, in der Tätigkeit nicht mehr arbeiten können und eine Ausbildung zur Mediendesignerin absolviert. Aufgrund der Schwangerschaft habe sie in dem Beruf nie Fuß fassen können. Von dem Vater ihrer Tochter lebe sie getrennt, er sei instabil und konfliktunfähig gewesen, zudem eifersüchtig auf andere Männer, obwohl er selbst fremdgegangen sei. Frühere Partnerschaften seien durch Alkoholismus, Drogenabusus und ebenfalls Instabilität dominiert gewesen. Aktuell sei sie in einen (noch) verheirateten Mann verliebt. Es bestehe eine Anpassungsstörung, ausgelöst durch die Trennung vom Kindsvater sowie eine seit der Kindheit bestehende Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), woraus sich weitreichende Konsequenzen für ihren Alltag, ihr Sozialleben, ihre Eigen- und Fremdwahrnehmung sowie ihre Identität ergäben. Prädisponierend seien die Gewalterfahrungen, die fehlende Stabilität und Geborgenheit, die mangelnde Verfügbarkeit und die frühzeitige Parantifizierung der Verstorbenen gewesen, die die Ausprägung eines gesunden Selbstwertgefühls sowie eines Kohärenzsinnes unmöglich gemacht hätten. Es fehle ein adäquates Muster für eine gesunde, durch Fürsorge, Stabilität, Vertrauen und liebevollen Umgang geprägte Familienatmosphäre und Partnerschaft, sodass sie vertraute Muster ihrer Mutter wiederhole und sich ebenfalls auf suchtkranke Männer einlasse.
Weiter wurde die Schwester der Verstorbenen schriftlich als Zeugin gehört. Diese gab an, dass Anlässe für die Misshandlungen durch den Stiefvater gewesen seien, dass z. B. das Essen nicht aufgegessen worden sei. Sie seien dann durch körperliche Gewalt (Rohrstock) dazu gezwungen worden den Teller zu leeren, wenn nötig bis zum Erbrechen. Wenn dies allein durch den Rohrstock nicht zu erreichen gewesen sei, habe er sie im Schweinestall oder im Heizungskeller eingesperrt. Kleinigkeiten wie ein liegengebliebener Stift hätten häufig ausgereicht. Willkürlich seien sie über den gesamten Zeitraum körperlich und seelisch gezüchtigt worden. Der Stiefvater habe mit schlimmeren Straftaten gedroht, wenn sie jemandem etwas erzählten. Nach der Schule hätten sie immer beim Arbeiten helfen müssen. Wenn etwas schief gegangen sei, sei es zu Züchtigungen gekommen. Nach außen habe er es sehr gut verstanden, den liebevollen Stiefvater zu markieren. Genaue Zeitabgaben könne sie nur schwer machen, geendet habe es, als sie 1980 fluchtartig das Haus verlassen hätten. Sie seien zunächst nach K gezogen und nach zwei Jahren zurück in den Schwarzwald. Ihrer Mutter zuliebe sei sie immer mitgefahren, wenn diese das Unterhaltsgeld vom Stiefvater in bar abgeholt habe. Die Übergriffe durch den Cousin (H2) könne sie insoweit bestätigen, als er sie auch sexuell habe belästigen wollen, sie aber stark genug gewesen sei, um sich zur Wehr zu setzen. Eine Anzeige gegen den Stiefvater sei nicht zustande gekommen, da dies zum Bruch mit der restlichen Verwandtschaft geführt hätte.
Im Befundbericht vom 16. Mai 2006 führte der Arzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie Heller aus, dass sich die Verstorbene vor 10 Jahren wegen einer schweren depressiv gefärbten Erschöpfung in einer unerträglichen Mobbingsituation an ihrem Arbeitsplatz im Kindergarten, in dem sie als ausgebildete Erzieherin tätig gewesen sei, in seine Behandlung begeben habe. Aufgrund der äußerst belastenden, traumatisierenden Biographie mit sexualisierter Gewalt durch Stiefvater und Cousin (Diagnose: PTBS) sei es unter der damaligen Situation zu einer schweren Dekompensation gekommen, die einen Klinikaufenthalt in der Michael-Balint-Klinik notwendig gemacht habe. Im Anschluss habe sie sich stabilisiert, erfolgreich eine Umschulung zur Graphikdesignerin absolviert und in dem Beruf erfolgreich gearbeitet. Es sei ihr gelungen, in einer partnerschaftlichen Beziehung zu leben, was angesichts ihrer Biographie auf einen nachhaltigen Heilungserfolg schließen lasse. Eine weitere Betreuung sei zunächst nur in großen Abständen und dann gar nicht mehr notwendig gewesen. Durch die Schwangerschaft der Verstorbenen sei die Beziehung zerbrochen und eine erneute Retraumatisierung aufgetreten, sodass es wiederum zu einer depressiven Dekompensation gekommen sei. Sie habe trotz ihrer tiefen Traumatisierung eine hohe Fähigkeit, Anforderungen sowohl beruflicher als auch privater Natur zu bewältigen. Dies sei psychodynamisch verständlich als früh eingeübte Überlebensmaßnahme, täusche die Außenwelt aber leider oft über den wahren inneren Zustand. Sie sei schwer beeinträchtigt, könne dies äußern und befürchte zu Recht eine weitere Dekompensation und vor allem eine Chronifizierung, die sie am Wiedereintritt ins Arbeitsleben hindern könne. Eine stationäre Rehabilitation sei daher indiziert.
Zur Akte gelangte der Entlassungsbericht der Klinik „A“ über die in der Zeit vom 12. September bis 31. Oktober 2006 durchgeführte stationäre Rehabilitation. Danach gab die Klägerin an, ein Jahr alt gewesen zu sein, als ihr leiblicher Vater verstorben sei. Die Mutter habe sich eineinhalb Jahre später mit dem Stiefvater liiert, der sehr sadistisch und gewalttätig gewesen sei. Er habe die Kinder grün und blau geschlagen, ihnen die Arme gebrochen und sie außerdem sexuell belästigt. Als sie zwölf Jahre alt gewesen sei, sei die ganze Familie vor dem Stiefvater geflüchtet. Die Mutter sei dem Stiefvater hilflos ausgeliefert gewesen, sie habe geglaubt, diese vor dem Stiefvater schützen zu müssen, indem sie abends im Bett laut geschrien habe. Die Mutter sei verstorben, als sie 19 Jahre alt gewesen sei, sie habe sich dann um den sechs Jahre jüngeren Halbbruder kümmern müssen. Da sie die einzige in der Familie sei, die sich in Therapie begeben habe, sei sie ihren Geschwistern suspekt. Ihr damaliger Freund habe sie während der Schwangerschaft mit der jetzt zweijährigen Tochter verlassen, da er keine Kinder gewollt habe. Sie habe schon eine Abtreibung hinter sich gehabt, keine zweite gewollt und sich entschieden, die Tochter alleine groß zu ziehen. In der letzten Zeit habe sie stärker unter Druck gestanden, sei schnell reizbar gewesen und habe wieder vermehrt geraucht, aus Angst, die Nervosität erneut mit Alkohol zu dämpfen.
Zum Aufnahmezeitpunkt habe der Vater der Tochter für sein Kind Alimente gezahlt, die Verstorbene im Übrigen von Arbeitslosengeld II gelebt. Bis 1997 habe sie als Kindergärtnerin gearbeitet, nach Bedrohungen durch den Vater eines Kindes, ausgelöst durch ein Gespräch mit ihm, weil sich sein Sohn grenzüberschreitend verhielt, sei es zu einer psychischen Dekompensation mit Reaktivierung der in der Kindheit erlebten Traumata gekommen. Sie habe eine Ausbildung zur Mediendesignerin begonnen, in dem Beruf aber nach der Schwangerschaft nicht Fuß fassen können. Aufgrund der biographischen Beziehungserfahrungen, die pervers-sadistisch geprägt gewesen seien, habe sich bei der Verstorbenen kein sicheres Bindungsverhalten entwickeln können. Sie sei schnell in erhöhter Alarmbereitschaft mit psychophysischer Labilisierung. Zur erneuten Symptomzunahme sei es gekommen, nachdem sich der Kindesvater von ihr während der Schwangerschaft getrennt habe. Bei mäßig integriertem Strukturniveau sei als Abwehrmechanismus vorrangig Somatisierung gesehen worden. Die Entlassung sei als arbeitsfähig erfolgt. Die psychische Belastbarkeit sei aufgrund einer PTBS beeinträchtigt. Hierdurch bestehe eine erhöhte Alarmbereitschaft mit situativer Konzentrations- und Leistungsminderung, weshalb es ihr nicht mehr möglich sei, in ihrer letzten beruflichen Tätigkeit als Erzieherin zu arbeiten, da sie in Zusammenhang mit dieser Tätigkeit eine Retraumatisierung erlitten habe. Deshalb habe sie bereits von 2000 bis 2002 eine Ausbildung zur Mediendesignerin absolviert, aufgrund von Schwangerschaft, Geburt und Erziehungszeiten aber keine Berufserfahrungen sammeln können. Um ihr den Einstieg ins Erwerbsleben zu erleichtern, sei während des Aufenthalts ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) gestellt worden. Ferner sei eine Bescheinigung zur Vorlage beim Jugendamt ausgestellt worden, um die finanzielle Kostenübernahme der Betreuung der Tochter zu sichern und der Verstorbenen so den nötigen Freiraum zu ermöglichen, den beruflichen Wiedereinstieg vorzubereiten. Eine traumaspezifische Behandlung mit Stabilisierungstechniken sei empfohlen worden.
Der H1 führte in seiner ärztlichen Stellungnahme vom 18. Mai 2007 aus, die Verstorbene bereits seit 10 Jahren zu kennen. Nach dem Ergebnis der Rehabilitation sei von einer maximal halbschichtig zumutbaren Tätigkeit auszugehen, die in keinem Fall im Erstberuf stattfinden dürfe und von der körperlichen Arbeitsschwere mit „leicht“ einzustufen sei.
Das LRA holte das psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten der S aufgrund ambulanter Untersuchung vom 8. Oktober 2017 ein. Diese führte aus, dass die Verstorbene zwischen 1970 und 1980 mehrfach und langjährig Opfer seelischer und körperlicher Gewaltanwendung durch den Stiefvater sowie mehrfacher sexueller Übergriffe durch den Cousin geworden sei, der zum Zeitpunkt der Übergriffe minderjährig gewesen sei. Eine Strafanzeige sei nicht erfolgt, da der jüngste Stiefbruder seit 1994 wieder beim leiblichen Vater lebe und zusätzlich aus therapeutischen Gründen ein solcher Schritt für die körperliche und psychische Verfassung für unzumutbar gehalten worden sei. Ihre Tochter besuche halbtags den Kindergarten, sie habe viele Bewerbungen für den Beruf der Mediengestalterin geschrieben. Früher habe es in den Arbeitsverhältnissen schon viele Ausfälle gegeben, letzte Woche sei die Teilberentung beantragt worden. Aktuell lebe sie von Hartz IV und dem Kindesunterhalt in einer Eigentumswohnung, die noch mit 30.000 € Schulden belastet sei. Die Beziehung zum Vater der Tochter sei praktisch schon in der Schwangerschaft beendet gewesen, da es einen gewalttätigen Übergriff bereits in der Schwangerschaft gegeben habe. Ihre Hobbies seien Chorgesang, dort habe sie auch ihren jetzigen Partner kennengelernt. Im Moment sei das allerdings sehr schwierig, da die Ex-Ehefrau des Partners auch in dem Chor singe. Weiter betreibe sie gerne Bogen schießen, allerdings sei der Vater ihrer Tochter dort Jugendtrainer. Wenn sie nicht zu müde sei, lese sie, schaue im Fernsehen Talkshows und Filme, allerdings kämen da auch oft Bilder von früher vor ihr inneres Auge. Da sie gut zuhören könne, sei sie im Freundes- und Bekanntenkreis für das Abladen ganz gut, sie selbst könne allerdings nur schlecht ihre Probleme äußern. Dank der Therapie habe sie jetzt ein paar Freundschaften beenden und ein paar neue beginnen können, in denen es ihr leichter falle sich abzugrenzen. Bis ins letzte Jahr habe sie einen Hund gehabt, diesen aber abgegeben. Ihr leiblicher Vater sei nach einer Herzoperation verstorben, die Mutter habe ab circa 1978 vermehrt Alkohol getrunken, massiv dann nach der Trennung 1979 bis zu ihrem Tod 1989. Der sechs Jahre jüngere Halbbruder sei psychisch schwer krank, sei schon in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen und leide unter massiven Verfolgungsängsten, könne seinem erlernten Beruf nicht nachgehen. Die anderen Geschwister (zwei Brüder, eine Schwester) verdrängten die Vergangenheit und wollten nichts mehr damit zu tun habe. Von der jüngeren Schwester wisse sie, dass diese unter Essstörungen leide. Mit 16 Jahre sei sie selbst magersüchtig gewesen, daraus habe sich eine Bulimie entwickelt. Das Essverhalten sehe die Verstorbene im Zusammenhang mit den in der Kindheit gemachten Erfahrungen mit Nahrungsentzug und Zwang zum Essen. Mit 17 bis 18 Jahren habe sie vermehrt Alkohol getrunken, damals auch die Essstörung entwickelt. Mit Hilfe von Büchern sei sie da wieder rausgekommen, die Mutter sei ein abschreckendes Beispiel gewesen. Vor der Schwangerschaft mit der Tochter habe es eine Abtreibung gegeben, unter der sie sehr gelitten habe. Trotz der Nierenproblematik sei die Schwangerschaft problemlos gewesen.
Zum Tagesablauf habe sie beschrieben, die Tochter morgens in den Kindergarten zu bringen. Danach fotografiere sie Sachen für den ebay-Verkauf, schreibe Bewerbungen, überlege, was sie koche und gehe einkaufen. Mittags hole sie die Tochter aus dem Kindergarten ab, diese verabrede sich mit anderen Kindern bei ihnen zu Hause, zu anderen Kindern gehe die Tochter nicht. Am Abend, wenn sie im Chor singe, nehme der Vater die Tochter, so könne sie selten einmal ins Kino gehen.
An die Schulzeit in Grund- und Realschule könne sie sich nicht erinnern, sie sei wohl eine schlechte Schülerin gewesen und habe auch nie Zeit gehabt, sich um das Lernen zu kümmern. Es habe andere Sorgen in ihrer Kindheit und Jugend gegeben. Sie habe einen schlechten Realschulabschluss geschafft, als Produktionshelferin in der Fabrik gejobbt und dann die Umschulungsmaßnahme zur Erzieherin durchgeführt. In diesem Beruf sei sie dann, auch in leitender Funktion, tätig gewesen, allerdings nicht durchgängig in Vollzeit.
Trotz der dokumentierten erheblichen lebensgeschichtlichen Belastungen sei es der Verstorbenen gelungen, nach mäßigem Realschulabschluss eine Berufsausbildung zur Erzieherin sowie eine Umschulung zur Mediengestalterin erfolgreich durchzuführen und abzuschließen sowie eine Essstörung und mindestens missbräuchliches Alkoholkonsumverhalten selbst zu bewältigen. Obwohl sie die Bezugsperson im ersten Lebensjahr verloren sowie im Folgenden eine ambivalente Beziehung zur Mutter geführt habe, die der Verstorbenen wenig Schutz und Orientierung habe geben können, sei aufgrund der Ausgestaltung des Symptomkomplexes und der zeitlichen Entwicklung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der wesentliche Anteil auf die erlebten seelischen und psychischen Übergriffe seitens des Stiefvaters zurückzuführen. Die Übergriffe durch den damals minderjährigen Cousin dürften eine eher untergeordnete Rolle spielen. Der aktuell zu bewertende Beschwerdekomplex erfülle die Kriterien einer PTBS, jedoch fänden sich Anteile einer passiv/aggressiven, emotional instabilen Persönlichkeit, insoweit könnte der Beitrag einer dauerhaften Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung diskutiert werden. Im Hinblick auf die Vergangenheit könne die Konfliktsituation im Kindergarten 1997 im Sinne einer Retraumatisierung gewertet werden, ähnliches gelte für die belastete Beziehung und Trennung vom Partner in der Schwangerschaft mit der Tochter 2001/2002. Die aktuell bestehende Symptomatik solle mit der Tenorierung PTBS bei deutlich akzentuierter Persönlichkeitsentwicklung entsprechend einer mittelgradigen Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im unteren Bereich mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30 bewertet werden.
Mit Erstanerkennungsbescheid vom 3. April 2008 erkannte das LRA eine PTBS hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 OEG und eine daraus folgende Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v. H. ab dem 1. Mai 2007 an und gewährte Beschädigtengrundrente ab dem 1. Mai 2007. Über die Höherbewertung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit und die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs (BSA) werde nach Rückgabe des Fragebogens entschieden.
Die Verstorbene legte in der Folge den ausgefüllten Fragebogen sowie Unterlagen zu ihrem beruflichen Werdegang vor, darunter die Abschlusszeugnisse der Realschule T vom 28. Juni 1983, der Hauswirtschaftlichen Berufsfachschule V vom 17. Juli 1984 und des Berufsförderwerks H über den Abschluss der Ausbildung zur Mediengestalterin für Printmedien vom 22. Januar 2003 (Notendurchschnitt: sehr gut, 1,5).
Aus der beigezogenen Rentenakte der DRV ergab sich das Gutachten des B aufgrund ambulanter Untersuchung vom 14. März 2008. Diesem gegenüber gab die Verstorbene an, dass der Stiefvater in die Familie gekommen sei, als sie eineinhalb Jahre alt gewesen sei. Die Mutter habe mit ihnen die Flucht vor dem Stiefvater ergriffen, als sie zwölf Jahre alt gewesen sei und sei mit ihnen nach K gezogen. Dort habe die Verstorbene häufiger die Schule geschwänzt und geklaut. Während der Zeit in der hauswirtschaftlichen Schule habe sie eine Magersucht entwickelt, vermehrt Alkohol getrunken bzw. sich betrunken. Ein Jahr später habe eine Bulimie bestanden. 1988 habe sie einen sieben Jahren älteren Mann, einen Kaufmann, kennengelernt und geheiratet. Dieser sei 1989 verstorben. Bis 1997 habe sie als Erzieherin gearbeitet und von 2001 bis 2003 eine zweijährige Umschulung zur Mediengestalterin in H absolviert. Der dann anstehenden Berufsausübung habe die eingetretene Schwangerschaft im Wege gestanden.
Kindheit und Jugend seien äußerst ungünstig gewesen, was sich dann früh mit Störungen wie Bettnässen, sich abzeichnender Verwahrlosung, Schulschwänzen, Anorexie, später Bulimie und Tendenz zu Suchtmittelmissbrauch deutlich gemacht habe. Bei fehlendem familiäre Rückhalt, abschreckendem Stiefvater wie hilfloser Mutter seien Störungen im Bereich sozialer Beziehungen wie des Selbstwertgefühls und Durchsetzungsvermögens verständlich. Durch „Mobbing“ sei es 1997 erstmals zu einem depressiven bzw. suizidalen Zusammenbruch gekommen. Nach eingetretener Schwangerschaft vom Freund sitzengelassen zu werden, habe vor dem Hintergrund der biographischen Erfahrungen und Beziehungsstörungen zu fortdauernder Dekompensation mit erheblicher Leistungseinbuße geführt. Bei fortgesetzter medikamentöser wie psychotherapeutischer Behandlung sei eine Besserung zu erwarten. Die geistige Leistungsfähigkeit sei unter testpsychologischen Untersuchungen anlässlich des Heilverfahrens als unterdurchschnittlich beurteilt worden. Das Leistungsvermögen als Mediengestalterin wurde ebenso wie das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden täglich eingeschätzt. Mit Bescheid vom 8. Juli 2008 gewährte die DRV bis 2010 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. April 2008 bis 30. Juni 2010. Diese wurde zuletzt mit Bescheid vom 12. September 2012 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze weitergewährt.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) teilte auf Anfrage des LRA mit, dass die Verstorbene vom 25. Januar 2001 bis 22. Januar 2003 Übergangsgeld wegen einer Umschulung, vom 23. Januar 2003 bis 22. April 2003 Anschluss-Übergangsgeld und vom 23. April 2003 bis 1. Februar 2004 Arbeitslosenhilfe bezogen habe.
S führte versorgungsärztlich aus, dass die Verstorbene im Anschluss an die Umschulungsmaßnahme von Februar 2003 bis März 2004 arbeitslos gewesen sei. In den Unterlagen fänden sich keine eindeutigen Begründungen für die Arbeitslosigkeit. Die Verstorbene habe sowohl bei ihrer Begutachtung wie auch bei weiteren Begutachtungen angegeben, dass sie wegen der Schwangerschaft im Beruf nicht habe Fuß fassen können. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung werde eine grundsätzliche Arbeitsfähigkeit unter drei Stunden befristet bis zum 1. April 2010 angenommen. Es bestünden gravierende Beeinträchtigungen des Sozialverhaltens und der psychischen Belastbarkeit. Eine besondere Berufsunfähigkeit im zuletzt erlernten Beruf der Mediengestalterin werde nicht angenommen, sondern es bestehe eine grundsätzliche Leistungseinschränkung für den Beruf der Mediengestalterin als auch für vergleichbare Berufe. Die bestehenden Einschränkungen der psychischen Belastbarkeit, des Sozialverhaltens und der geistigen Leistungsfähigkeit seien als global anzusehen und nicht als berufsspezifisch. Der Beruf der Mediengestalterin könne nicht im besonderen Maß als retraumatisierend und damit das Beschwerdebild aufrecht erhaltend angesehen werden. Im Hinblick auf die Schädigungsfolgen könne nicht grundsätzlich von einer Berufsunfähigkeit für den durch die Umschulungsmaßnahme erlernten Beruf als Mediengestalterin ausgegangen werden.
Mit Bescheid vom 8. März 2010 lehnte das LRA den Antrag auf Höherbewertung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit und auf Gewährung von Berufsschadensausgleich ab. Die Verstorbene befinde sich wegen ihrer nach dem OEG anerkannten Schädigungsfolgen nach wie vor in laufender psychotherapeutischer Behandlung. Diese müsse zur Stabilisierung bzw. Verbesserung des Gesundheitszustandes weiterhin durchgeführt werden. Diese Psychotherapie stelle eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 29 Bundesversorgungsgesetz (BVG) dar.
Im Oktober 2010 leitete das LRA eine Nachprüfung ein und erhob Befundscheine der behandelnden Ärzte.
Die L beschrieb, dass die neben der chronischen Schädigung aufrechterhaltenden Belastungen weiterhin bestünden. Inzwischen seien zusätzliche einschneidende Belastungen hinzugekommen. Es habe sich herausgestellt, dass der Kindsvater vermutlich sexuell missbräuchlich mit der gemeinsamen Tochter umgehe. Wiederholte Termine zu Gesprächen beim Jugendamt fänden weiterhin statt, seien aufgrund der Thematik und der ausgeprägten Unzuverlässigkeit und Cholerik des Ex-Mannes ein starker Stressauslöser. Der Kindsvater halte die gemachten Vereinbarungen häufig nicht ein, sodass sie immer wieder in Sorge um die kleine Tochter sei. Das Zusammenziehen mit dem Partner sei aufgrund dessen Suchtthematik und der eigenen beeinträchtigten Beziehungsfähigkeit immer wieder hoch konflikthaft. Die Verstorbene fände im Partner wenig seelische oder pragmatische Unterstützung, sie sei diejenige, die für Struktur in der Beziehung sorgen müsse. Hierdurch sei wenig Entlastung im Sinne von Entspannung möglich.
Die P gab an, dass bei der Verstorbenen eine frühe Traumatisierung durch Missbrauch und Depravation bestehe. Vom 16. bis 19. Lebensjahr habe sie unter einer Anorexia nervosa gelitten, danach unter Bulimie und zeitweisem Alkoholabusus. Seit dem 18. Lebensjahr komme es zu rezidivierenden depressiven Phasen, zum Teil mit Suizidalität. Es bestehe eine erheblich eingeschränkte Beziehungsfähigkeit sowie soziale Integration durch Ängste und dissoziative Zustände. Aktuell komme es zu innerer Unruhe, Depressivität, Alpträumen, Schlafstörungen und Ängsten in Triggersituationen. Es bestünden eine rasche Erschöpfbarkeit und eine erheblich eingeschränkte psycho-/physische Belastbarkeit. Sie sei durch Haushalt und Betreuung ihrer Tochter grenzwertig belastet, eine berufliche Integration voraussichtlich auf Dauer nicht möglich.
Das LRA holte ein weiteres Gutachten bei S aufgrund ambulanter Untersuchung am 14. September 2011 ein. Die Verstorbene habe berichtet, dass die Psychotherapie seitens der Krankenkasse ausgeschöpft sei. Sie lebe von ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente und der Rente nach dem OEG. Der Vater ihrer Tochter sei nicht kooperativ und habe seit eineinhalb Jahren eine neue Beziehung. Die Tochter sei wohl beim Vater gegängelt worden, auch durch die neue Partnerin wegen Manieren und Essen. Sie habe wohl deshalb Alpträume gehabt. Zusätzlich habe die neue Frau behauptet, dass der Vater mit der Tochter Sachen mache, die man nicht mit einem Kind mache. Das sei jetzt geklärt, dass da wohl etwas gewesen sei. Sie wolle nicht, dass die neue Partnerin des Vaters da sei, wenn ihre Tochter bei ihm sei. Sie träume davon, dass die neue Partnerin Gewalt gegen ihre Tochter anwende. Sie mache alles mit sich alleine aus, rauche Zigaretten, trinke Wein. Wenn sie angespannt sei, könne es auch mal eine Flasche Wein am Abend sein. Einmal in der Woche gehe sie in den Chor, das koste 40 € im Jahr. Über den Chor habe sie ein wenig Kontakt. Dann habe sie noch eine Freundin, mit der sie wandern gehen könne, wenn die Tochter beim Vater sei. Ihre Tochter wolle an den Wochenenden beim Vater übernachten. Sie wolle das nicht, da sie immer noch einen möglichen sexuellen Missbrauch im Hinterkopf habe. Sie selbst sei eine neue Beziehung eingegangen, es sei kein aggressiver Mann. Sie organisiere, tue alles, irgendwie sei das jetzt so, dass sie zusammengekommen (richtig wohl: zusammengezogen) seien, allerdings in getrennten Stockwerken. Sie sei vielleicht einfach nicht für eine Beziehung geschaffen. Die Tochter wohne bei ihr oben, der Partner im Erdgeschoss. Dieser habe selbst eine Tochter, die alle 14 Tage und einmal die Woche da sei. Sie habe die alte Wohnung verkauft, sei zwischenzeitlich um die 20 Mal umgezogen. Jetzt habe sie einen Kredit für das gemeinsame Haus aufgenommen, zahle im Monat 500 €, der Partner 1.000 €.
Mit der Familie laufe es nicht so gut. Bei Geschwistertreffen sei sie die Kranke. Der ältere Bruder sei ganz sarkastisch, habe wohl mit dessen Krebs zu tun. Der jüngere Bruder sei in der Psychiatrie oder tobe in der Wohnung herum. Er habe 10 Jahre beim Vater gewohnt, der jetzt tot sei. Sie habe Angst vor ihm, er sei paranoid. Beruflich wünsche sie sich, dass sie auf dem Reiterhof helfen könne und dafür Reitstunden für die Tochter bekomme. Ihr Hobby sei das Wandern, allerdings könne sie das nur machen, wenn die Tochter beim Vater sei, da bekomme sie alles aus dem Kopf. Sie habe jetzt einen Hund aus dem Tierheim, mit dem sie täglich ein bis zwei Stunden laufe, wenn die Tochter in der Schule sei.
Es bestehe weiterhin ein erhebliches Beschwerdebild, das sich nicht wesentlich vom Vorbefund unterscheide. Die Verstorbene leide an einem deutlich reduzierten Alltag, der praktisch ausschließlich auf die Tochter fixiert sei. Es bestehe eine immense Angst, die Kontrolle über die Tochter bzw. die Tochter selbst zu verlieren. Weiterhin lägen Schlafstörungen vor, durchgängig sei eine erhebliche Erschöpfung. Die Symptomatik könne zwischenzeitlich als chronifiziert bezeichnet werden. Sie sei im Wesentlichen auf das schädigende Ereignis zurückzuführen und weiterhin mit einem GdS von 30 zu bewerten. Im Hinblick auf den chronifizierten Verlauf sei mit einer wesentlichen Besserung kaum zu rechnen. Allerdings solle die ambulante Therapie dringend fortgeführt werden. Dies jedoch nicht im Sinne einer Besserung der Symptomatik, sondern zur Stabilisierung auf dem jetzigen Niveau. Hier solle sicher auch die enge Beziehung zur Tochter eine Rolle spielen. Im Rahmen der Psychotherapie müsse das Aufzeigen von Grenzen zum Schutz der Tochter Berücksichtigung finden, sonst bestehe die Gefahr einer weiteren Zunahme der bereits jetzt symbiotischen Beziehung.
Am 29. November 2012 beantragte die L für die Verstorbene die Übernahme psychotherapeutischer Behandlung und legte den Entlassungsbericht der Klinik M1 über die vom 1. bis 29. August 2012 durchgeführte stationäre Rehabilitation vor. Ergänzend führte sie aus, dass die Verstorbene nach dem Aufenthalt in der Klinik die Kraft gefunden habe, die schon häufig in der Therapie anvisierte Trennung vom psychisch sehr beeinträchtigten Partner in Angriff zu nehmen. Dieser Schritt, die daraus entstandene finanzielle Verschuldung und starke Erschöpfung durch ein kräftezehrendes Zusammenleben benötige dringend engmaschigerer psychotherapeutischer Begleitung.
Der Entlassungsbericht selbst beschrieb, dass die Verstorbene mit zwei leiblichen Geschwistern und zwei Halbbrüdern bei ihrer Mutter und ihrem Stiefvater aufgewachsen sei. Die Mutter sei alkoholabhängig gewesen und habe sich gegen den Stiefvater nicht wehren können. Dieser sei gewalttätig und sadistisch gewesen. Er habe vor ihren Augen ein Schwein geschlachtet und ihr erklärt, dass er das auch mit ihr machen werde, wenn sie etwas verrate. Er sei auch sexuell übergriffig gewesen, die Mutter habe sie nicht schützen können. Die ein Jahr jüngere Schwester habe sich von vorne herein wie ein Junge entwickelt und sich so der Übergriffe entzogen. Sie seien nach K geflohen, hätten dort aber nicht Fuß fassen können und seien schließlich zurückgekehrt. Die Mutter habe in der Folgezeit viele wechselnde Männerbekanntschaften gehabt, habe viel getrunken und sei 49-jährig an einem Herzinfarkt verstorben. Danach habe sie die Vormundschaft über ihren jüngsten Halbbruder bekommen. In dieser Situation sei sie wieder mit ihrem Stiefvater konfrontiert gewesen, der ebenfalls das Sorgerecht angestrebt habe. Ihre Ehe sei nach 10 Jahren auseinandergegangen, später habe sie den Vater ihrer Tochter kennengelernt, der ebenfalls gewalttätig gewesen sei. Von ihm habe sie sich getrennt, als sie mit ihrer Tochter hochschwanger gewesen sei. Der Mann sei mit ihr mit dem Auto im wilden Tempo in ein Maisfeld gefahren, auch da habe sie Todesängste gehabt. Sie lebe jetzt noch mit einem Mann zusammen, mit dem sie vorübergehend eine Beziehung gehabt habe. Die Beziehung sei beendet, sie lebten jetzt in einer Art Wohngemeinschaft. Die Klägerin vermeide Situationen, die sie nicht kontrollieren könne und habe ein tiefes Misstrauen gegenüber Menschen entwickelt. Aufgrund der recht frühen und lang andauernden traumatischen Erlebnisse sei die Persönlichkeit der Verstorbenen sehr tief geprägt worden, sodass von einer dauerhaften Persönlichkeitsänderung ausgegangen werden müsse, die sie in der Fähigkeit ihrer Lebensgestaltung deutlich und dauerhaft beeinträchtige. Die Verstorbene sei unter größten Anstrengungen in der Lage, den häuslichen Alltag einschließlich der Sorge um die Tochter zu bewältigen. Den zusätzlichen Belastungen durch eine regelmäßige Erwerbstätigkeit sei sie nicht gewachsen. Daher sei sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als leistungsunfähig einzustufen und es sei nicht absehbar, wann die Leistungsfähigkeit wieder eintrete.
Der B1 führte aus, dass angesichts der eingetretenen Chronifizierung und der Tatsache, dass durch die langjährigen therapeutischen Anstrengungen die Erwerbsunfähigkeit nicht habe verhindert werden können, ein therapeutischer Erfolg im eigentlichen Sinne nicht mehr zu erwarten sei. Es sei davon auszugehen, dass es in Krisenzeiten therapeutischer Begleitung bedürfe. Für bis zu 10 Stunden könnten Therapiekosten übernommen werden. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2012 gewährte das LRA 10 Stunden verhaltenstherapeutische Behandlung für das Jahr 2013.
Am 30. November 2017 reichte die Verstorbene den „Fragebogen zur Prüfung der Voraussetzungen für eine Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG und Gewährung von Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 bis 11 BVG“ erneut beim Beklagten ein und verwies darauf, dass die zu machenden Angaben aus dem vorherigen Antrag bekannt seien. Sie beziehe Rente wegen voller Erwerbsminderung und könne einer Arbeitstätigkeit nicht mehr nachgehen.
Mit Bescheid vom 6. März 2018 lehnte das LRA die Höherbewertung des Grades der Schädigungsfolgen wegen besonderer beruflicher Betroffenheit und den Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich ab. Von Juli 1999 bis Januar 2001 habe die Verstorbene sei eine Berufsfindungsmaßnahme bzw. im Anschluss daran von Januar 2001 bis Januar 2003 eine Umschulung zur Mediengestalterin absolviert worden, da sie aufgrund der Schädigungsfolgen dauerhaft den Beruf als Erzieherin nicht mehr ausüben könne. Es fänden sich aber keine eindeutigen Begründungen für die im Anschluss an die Umschulungsmaßnahme eingetretene Arbeitslosigkeit. Bei der Gutachterin S habe die Verstorbene angegeben, aufgrund der Schwangerschaft/Geburt der Tochter im Beruf der Mediengestalterin nicht Fuß gefasst zu haben. Gleiche Angaben seien bei der Rentenbegutachtung gemacht worden. Eine besondere Berufsunfähigkeit im zuletzt erlernten Beruf der Mediengestalterin werde nicht angenommen, sondern es habe eine grundsätzliche Leistungseinschränkung für den Beruf der Mediengestalterin ebenso wie auch für vergleichbare Berufe bestanden. Die zumindest damals bestehenden Einschränkungen seien als global anzusehen und nicht als berufsspezifisch.
Gegen den Bescheid erhob die Verstorbene Widerspruch und wandte sich gegen die Ablehnung des Berufsschadensausgleichs.
Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2018 zurück. Es sei zutreffend, dass der Beruf der Erzieherin schädigungsbedingt aufgegeben worden sei, weil die Verstorbene diesen nicht mehr habe ausüben können. Im Anschluss sei jedoch eine Umschulung zur Mediengestalterin durchgeführt worden. Dass die Verstorbene auch diesen Beruf schädigungsbedingt nicht ausüben könne, sei nicht nachgewiesen. Die vorhandenen Unterlagen bestätigten dies nicht. Anlässlich der durchgeführten Untersuchungen im Jahr 2009 habe sie angegeben, wegen der Schwangerschaft und der Geburt der Tochter an der Berufsausübung gehindert gewesen zu sein bzw. in dem Beruf nicht „Fuß“ gefasst zu haben. Zu keinem Zeitpunkt seien die Schädigungsfolgen als maßgebliche Ursache für die Aufgabe bzw. Nichtfortführung dieses Berufs angegeben, wie es beim Berufsbild der Erzieherin der Fall gewesen sei. Hinzukomme, dass in den angeführten Gutachten auch wesentliche schädigungsunabhängige Faktoren für die Gewährung der EU-Rente aufgezeigt seien, die es nicht wahrscheinlich machten, dass die Beendigung der Tätigkeit als Mediengestalterin und der dadurch eingetretene Einkommensverlust durch die Schädigungsfolgen kausal bedingt sei.
Am 26. September 2018 hat die Verstorbene Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und die Erhöhung des Grades der Schädigungsfolgen wegen besonderer beruflicher Betroffenheit sowie die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs beantragt.
Zur weiteren Sachaufklärung hat das SG sachverständige Zeugenauskünfte eingeholt.
Der H1 hat bekundet, dass das Beschwerdebild im Wesentlichen immer dasselbe sei und aus rezidivierenden schweren depressiven Einbrüchen mit Verlust der Fähigkeit zur Alltagsbewältigung, Antriebslosigkeit und schwersten Schlafstörungen bestehe. Die Diagnose laute komplexe PTBS, eine wesentliche und dauerhafte Änderung des Beschwerdebildes habe sich nicht ergeben. Bei der zugrundeliegenden Erkrankung sei dies auch nicht möglich, bei allen Bemühungen könne es immer nur darum gehen, die Verstorbene zu stabilisieren und ihr die Teilhabe am sozialen Leben in kleinen Dosierungen zu ermöglichen. Kleinste Irritationen könnten schwere Retraumatisierungen und Erschütterungen auslösen, die alles Erreichte wieder zunichte machten.
Die L hat beschrieben, dass durch die komplexe PTBS eine schwere depressive Antriebslosigkeit, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme, Insuffizienz- und Wertlosigkeitsgefühle sowie sozialer Rückzug bestünden. Bei so schweren andauernden Krankheitsbildern sei eine Heilung im herkömmlichen Sinne nicht möglich, die Schädigung entspräche den Folgen nach Foltererfahrungen und ginge mit einer permanent erhöhten Wachsamkeit und einer hohen Schreckhaftigkeit einher. Ergänzend hat sie den Entlassungsbericht der Klinik D über die in der Zeit vom 26. März bis 14. April 2018 durchgeführte stationäre Rehabilitation vorgelegt. Danach habe die Verstorbene über eine erneute Retraumatisierung geklagt, die sie im vergangenen Jahr im Nachfeld einer Beziehungstrennung erlebt habe. Einbrüche dieser Art wiederholten sich alle paar Jahre, dieses Mal habe ein neuer Partner ihre Trennung von ihm nicht akzeptiert und sie über ein halbes Jahr gestalkt, bis sie sich nur noch mit polizeilicher Hilfe habe schützen können. Sie werde dann psychisch in die ersten 10 Jahre ihres Lebens zurückversetzt, in denen sie von einem sadistischen Stiefvater schwer traumatisiert worden sei. An ihrem letzten Arbeitsplatz, einem Minijob (Krankheitsvertretung in einem Kindergarten) hätten subjektive Einschränkungen bestanden. Sie habe diesen nicht aufrechterhalten können, da auf körperlicher Ebene ihr Infektionsrisiko erhöht gewesen sei und auf psychischer Ebene die heute hohe Anzahl vernachlässigter und traumatisierter Flüchtlingskinder eigene Traumata getriggert hätten. Im psychotherapeutischen Abschlussgespräch habe die Klägerin angegeben, sich insgesamt erholt und entspannt zu haben. Sie sei nach wie vor sehr empfindlich und erlebe sich weiterhin mit Blick auf die nach wie vor täglichen Triggermomente und nächtlichen Alpträume ungeschützt. Die Verstorbene habe sich aus ihrer Restdepression lösen können, fühle sich aber weiterhin belastet und bedroht durch die sich im Alltag immer wieder ereignenden Trigger traumatischer Ängste.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Verstorbene habe eine Umschulung zur Mediengestalterin gemacht. Dieser Beruf sei sozial gleichwertig mit dem Beruf der Erzieherin. Im Januar 2003 sei eine Abschlussnote von 1,5 erzielt worden, trotzdem habe von Februar 2003 bis März 2004 Arbeitslosigkeit bestanden. Im März 2004 habe sie eine Tochter geboren und sei danach wieder arbeitslos gewesen. Seit September 2007 beziehe sie eine Erwerbsminderungsrente. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Oktober 1995 (9 RV 18/94) begründe eine Arbeitslosigkeit im Umschulungsberuf keinen Anspruch nach § 30 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Außerdem halte der Beklagte weiterhin daran fest, dass die mit einem GdS von 30 festgestellte PTBS keine mindestens gleichwertige Bedingung für die Nichtausübung des Berufes der Mediengestalterin darstelle. Nach der psychiatrisch/psychotherapeutischen Stellungnahme der S stünden vielmehr schädigungsunabhängige Gründe wie Schwangerschaft und Geburt der Tochter sowie persönlichkeitsbedingte Einschränkungen im Vordergrund. Nach dem Befundbericht des H1 vom 26. Dezember 2018 sei die Verstorbene dort seit 1997 in Behandlung. Eine wesentliche oder dauerhafte Änderung des Beschwerdebildes bzw. des Gesundheitszustandes habe sich im Laufe der Behandlung nicht ergeben. Der Abschlussbericht der Klinik D führe ebenfalls keine neuen Gesichtspunkte zur Berufsaufgabe im Jahr 2007 auf. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Verstorbene schädigungsunabhängige seelische Störungen habe, weswegen bei ihr ein Teil-GdB von 40 für das Funktionssystem „Psyche“ festgestellt worden sei.
Auf schriftlichen Hinweis des SG hat der Beklagte an seiner Rechtsauffassung festgehalten. Zwar möge sich der gesundheitliche Zustand seit 1997 nicht verändert haben, jedoch sei die Verstorbene trotz der Schädigungsfolgen in der Lage gewesen, von 1989 bis 1993 eine Ausbildung zur Erzieherin zu machen und diese Tätigkeit über vier Jahre auszuüben. Außerdem habe sie von 1999 bis 2001 eine Berufsfindungsmaßnahme absolvieren und von 2001 bis 2003 eine Umschulung zur Mediengestalterin mit einer Abschlussnote von 1,5 erreichen können. Eindeutige Begründungen für die Arbeitslosigkeit ab Februar 2003 fänden sich weder in den Akten, noch habe die Verstorbene hierzu eine nachvollziehbare Erklärung abgeben können.
Mit Urteil vom 23. Oktober 2020 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2018 verurteilt, den bei der Klägerin (der Verstorbenen) bestehenden Grad der Schädigung wegen besonderer beruflicher Betroffenheit um 10 ab dem 30. November 2017 höher zu bewerten und ihr einen Berufsschadensausgleich in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Unter den gegebenen Umständen lasse sich sagen, dass die im Hinblick auf die Bezugsberufe bestehenden beruflichen Nachteile mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich durch die anerkannten Schädigungsfolgen im Sinne einer PTBS verursacht seien. Die Verstorbene könne schädigungsbedingt weder den Beruf der Erzieherin noch den der Mediengestalterin ausüben. Es bestehe ein seit 2007 mehr oder weniger gleichbleibender Dauerzustand, der dazu führe, dass die Verstorbene einer Erwerbstätigkeit im für die Bestreitung des Lebensunterhaltes relevanten Umfang nicht nachgehen könne. Das schließe naturgemäß die Erwerbstätigkeit im Bezugsberuf der Mediengestalterin mit ein. Dies sei nach der Beurteilung des Gerichts mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich durch die Schädigungsfolge PTBS verursacht. Das ergebe sich zum einen daraus, dass es eine schädigungsunabhängige psychische Erkrankung nicht gebe und zum anderen daraus, dass eine schädigungsunabhängige außergesundheitliche Ursache, die die PTBS hinsichtlich ihrer Bedeutung für die bestehenden gesundheitlichen Nachteile gänzlich in den Hintergrund dränge, nicht erkennbar sei. Es möge zwar sein, dass die fehlende Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Umschulungsberuf auch durch die Schwangerschaft und die Geburt der Tochter 2003/2004 sowie die nachfolgende Betreuung als alleinerziehende Mutter mitverursacht sei. Das schließe aber die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung jedenfalls in dem hier maßgebenden Zeitpunkt nach Antragstellung nicht aus, zumal der vergleichsweise stringente Erwerbsverlauf mit zwei abgeschlossenen Berufsausbildungen und mehrjähriger Tätigkeit in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung die Annahme nahelege, dass die Verstorbene einer Erwerbstätigkeit hätte nachgehen wollen, hierdurch aber nach ärztlichem Urteil maßgeblich durch die schädigungsbedingte psychische Erkrankung gehindert werde. Bei der psychischen Erkrankung handele es sich mithin mit Wahrscheinlichkeit zumindest um eine rechtlich wesentliche Teilursache, die die Annahme einer besonderen beruflichen Betroffenheit begründe. Der GdS sei daher um 10 zu erhöhen. Die genannten Zusammenhänge begründeten auch einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich, weil die Verstorbene in dem hier maßgeblichen Zeitraum schädigungsbedingt entweder überhaupt nicht oder nur gelegentlich geringfügig erwerbstätig gewesen sei, nicht aber in einem für die Bestreitung des Lebensunterhaltes relevanten Umfangs einer Teilzeitbeschäftigung.
Gegen das am 23. März 2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 31. März 2021 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die Verstorbene habe wegen der anerkannten Schädigungsfolgen dauerhaft ihren Beruf als Erzieherin nicht mehr ausüben können. Von Juli 1999 bis Januar 2001 habe deshalb eine Berufsfindungsmaßnahme bzw. im Anschluss daran von Januar 2001 bis Januar 2003 eine Umschulung zur Mediengestalterin stattgefunden. Anschließend sei die Verstorbene arbeitslos gewesen. Am 20. März 2004 habe sie ihre Tochter geboren und seit September 2007 eine Erwerbsminderungsrente bezogen. Es gebe keine Nachweise, dass die Verstorbene dauerhaft den Umschulungsberuf der Mediengestalterin schädigungsbedingt nicht habe ausüben können. Eindeutige Begründungen für die Arbeitslosigkeit seien nicht angegeben worden. Bei der Begutachtung durch S 2007 habe die Verstorbene vorgetragen, dass sie aufgrund der Schwangerschaft/Geburt der Tochter im Beruf der Mediengestalterin nicht habe Fuß fassen können. Gleiche Angaben seien aufgrund der Beantragung der Erwerbsunfähigkeitsrente im Gutachten von Juni 2008 gemacht worden. Eine besondere Berufsunfähigkeit im zuletzt erlernten Beruf der Mediengestalterin könne nicht angenommen werden, denn es habe eine grundsätzliche Leistungseinschränkung für den Beruf der Mediengestalterin als auch für vergleichbare Berufe bestanden. Die mit einem GdS von 30 festgestellte PTBS sei keine mindestens gleichwertige Bedingung für die Nichtausübung des Berufs der Mediengestalterin. Die Verstorbene sei trotz der anerkannten Schädigungsfolgen in der Lage gewesen, von 1989 bis 1993 eine Ausbildung zur Erzieherin zu machen und diese Tätigkeit zum Teil in leitender Funktion über vier Jahre auszuüben. Bei der Umschulung zur Mediengestalterin habe sie eine Abschlussnote von 1,5 erzielt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Oktober 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie verweist auf die angefochtene Entscheidung. Es sei nicht zutreffend, dass der Umschulungsberuf zur Mediengestalterin möglich gewesen sei. Aufgrund der PTBS habe die Verstorbene schädigungsbedingt weder als Erzieherin noch als Mediengestalterin arbeiten können.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143, 144 SGG), auch im Übrigen zulässig und begründet. Trotz des Versterbens der Klägerin zwischen der mündlichen Verhandlung und der Absetzung des schriftlichen Urteils ist eine Unterbrechung des Verfahrens nicht eingetreten, da eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattgefunden hat (§ 246 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Der Rechtsstreit wird durch die Tochter der Verstorbenen als Sonderrechtsnachfolgerin fortgeführt. Nach § 56 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten nacheinander dem Ehegatten (Nr. 1), dem Lebenspartner (Nr. 1a), den Kindern (Nr. 2), den Eltern (Nr. 3), dem Haushaltsführer (Nr. 4) zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Haushaltsführer im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ist derjenige Verwandte oder Verschwägerte, der an Stelle des verstorbenen oder geschiedenen oder an der Führung des Haushalts aus gesundheitlichen Gründen dauernd gehinderte Ehegatte oder Lebenspartner den Haushalt des Berechtigten mindestens ein Jahr lang vor dessen Tod geführt hat und von diesem überwiegend unterhalten worden ist, § 56 Abs. 4 SGB I. Diese Voraussetzungen liegen vor, nachdem die – minderjährige – Tochter auf die ausdrückliche Nachfrage des Senats erklärt hat, bis zum Tode ihrer Mutter mit dieser in einem gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben.
Das Rubrum war nicht zu ändern und das Land Niedersachsen nicht als neuer Beklagter aufzunehmen. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 OEG ist für eine berechtigte Person, die am 19. Dezember 2019 bereits Leistungen nach § 1 erhält, und in den Fällen nach Abs. 2 Satz 1, in denen Leistungen nach § 1 gewährt werden, bis zum 31. Dezember 2020 das Land zur Gewährung der Versorgung verpflichtet, in dem die Schädigung eingetreten ist; dies gilt auch, wenn Anträge auf zusätzliche Leistungen gestellt werden. Ab dem 1. Januar 2021 ist dasjenige Land zur Gewährung der Versorgung verpflichtet, in dem die leistungsberechtigte Person im Sinne des Satzes 1 ihren Wohnsitz, bei Fehlen eines Wohnsitzes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ausgehend von diesen Maßstäben lässt sich der Akte zwar entnehmen, dass die Verstorbene zwischenzeitlich nach Aurich und somit in das Land Niedersachen (nicht wie vom Beklagten angegeben Schleswig-Holstein) verzogen war, jedoch ist in der mündlichen Verhandlung beim SG mitgeteilt worden, dass die Verstorbene wieder nach Waldkirch verzogen war, sodass die Zuständigkeit des Landes Baden-Württemberg bestehen geblieben ist. Im Übrigen ist sie noch im Jahr 2020 verstorben. Nachdem sie bereits Beschädigtengrundrente und damit Leistungen bezog, hätte ein Zuständigkeitswechsel erst zum 1. Januar 2021 eintreten können, sodass das Land Baden-Württemberg für die hier streitigen Leistungen zuständig geblieben ist.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 23. Oktober 2020, mit dem der Beklagte auf die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) verurteilt worden ist, unter Aufhebung des Bescheides vom 6. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 28. August 2018, den GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit zu erhöhen und Berufsschadensausgleich in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung. Dementsprechend hat der Senat zu berücksichtigen, dass die dem Grunde nach zugesprochenen Leistungen nur bis zum Todestag, dem 8. November 2020, beansprucht werden können, nicht aber darüber hinaus.
Die Begründetheit der Berufung folgt aus der Unzulässigkeit der Klage, soweit eine Erhöhung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit begehrt worden ist und im Übrigen, hinsichtlich des Berufsschadensausgleichs, aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 6. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2018 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Verstorbene nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Soweit die Verstorbene die Erhöhung des GdS aufgrund einer besonderen beruflichen Betroffenheit begehrt, handelt es sich um keinen abtrennbaren Streitgegenstand, der isoliert verfolgt werden kann. Vielmehr sind der GdS im allgemeinen Erwerbsleben nach § 30 Abs. 1 BVG und das berufliche Betroffensein nach § 30 Abs. 2 BVG als Teilfaktoren eines einheitlichen Rentenanspruchs anzusehen (so bereits Senatsurteil vom 19. Dezember 2013 – L 6 VU 2550/11 – n. v.; BSG, Urteil vom 6. Oktober 1977 – 9 RV 66/76 –, juris, Rz. 12). Die besondere berufliche Betroffenheit ist lediglich ein Umstand, der ebenso wie andere – medizinische – Bemessungsfaktoren für den GdS in Betracht kommen soll. Aus diesen Gründen kann in einem Gerichtsverfahren nur insgesamt über die Höhe der Grundrente entschieden werden. Wenn die Versorgungsverwaltung somit nach einer Entscheidung über die Beschädigtengrundrente gesondert über eine Erhöhung wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit entscheidet, ist dies eine Entscheidung über die Grundrente insgesamt. Der zuvor ergangene und bestandskräftige Bescheid wird dann, wenn sich eine höhere Rente ergibt, von Amts wegen nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geändert (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Januar 2017 – L 6 VH 789/15 –, juris, Rz. 64). Das erneut von der Verstorbenen vorgelegte Formular hätte vom Beklagten daher so ausgelegt werden müssen, dass die Verstorbene eine Erhöhung der Beschädigtengrundrente unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit begehrt. Zutreffender Prüfungsmaßstab wäre daher gewesen, ob die Verstorbene eine – teilweise – Rücknahme des Bescheides vom 3. April 2008 mit dem erst- und letztmalig über die Beschädigtengrundrente entschieden worden ist, nach § 44 Abs. 1 SGB X beanspruchen kann. Die Ablehnung einer besonderen beruflichen Betroffenheit ist daher ebenso eine unzulässige Elementenfeststellung, wie auch das SG eine entsprechende Verpflichtung zur Erhöhung des GdS nicht hätte aussprechen dürfen. Für eine solche Feststellung fehlt es an einer materiellen Anspruchsgrundlage und sie wird von der prozessualen Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG nicht gedeckt. Dies kann allerdings deshalb dahinstehen, da hinsichtlich der besonderen beruflichen Betroffenheit bzw. der Gewährung einer höheren Beschädigtengrundrente, das gemäß § 78 SGG erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden ist. Die im Widerspruchsverfahren fachkundig vertretene Verstorbene hat mit der Widerspruchsbegründung nur die Ablehnung der Gewährung eines Berufsschadensausgleichs angegriffen und sich damit nur gegen diesen abtrennbaren Teil der Verwaltungsentscheidung gewandt. Eine solche Beschränkung lag in ihrer Dispositionsbefugnis, sodass es nicht darauf ankommt, dass sich der Beklagte im Widerspruchsbescheid auch zur Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit verhalten hat. Eine Sachentscheidung hierüber war ihm verwehrt. Zwar ist im Zweifel von einer uneingeschränkten Anfechtung aller Verfügungssätze, die in einem angegriffenen Verwaltungsakt enthalten sind, auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 1979 – 9 RV 43/78 –, juris, Rz. 11; so auch Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a. a. O., § 84 Rz. 2), indessen ergeben sich solche Zweifel aus der – fachkundig gefertigten – Widerspruchsbegründung gerade nicht. Dort ist zunächst ausgeführt, dass mit dem Bescheid der Antrag auf Höherbewertung der Schädigungsfolgen wegen besonderer beruflicher Betroffenheit sowie dem Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich nicht entsprochen worden sei. Sodann wird, durch einen Absatz getrennt, mitgeteilt, dass sich der Widerspruch gegen die Ablehnung des Berufsschadensausgleichs richtet und die weitere Begründung befasst sich nur mit diesem Aspekt. Es wird somit deutlich, dass der weitergehende Regelungsgehalt des Bescheides erkannt und in dessen Kenntnis eine Beschränkung des Widerspruchs vorgenommen worden ist. Der Bescheid ist somit im Übrigen bestandskräftig geworden.
Soweit die Verstorbene – zulässig – einen Berufsschadensausgleich begehrt, ist die Klage unbegründet.
Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolge gemindert ist, erhalten nach Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 v. H. des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 6 BVG (§ 30 Abs. 3 BVG). Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfasst, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG der Einkommensverlust (§ 30 Abs. 4 Satz 3 BVG). Wer also in der Vergangenheit zeitweise schädigungsbedingte Einkommenseinbußen hatte, die über niedrigere Rentenversicherungsbeiträge zu Lücken im Versicherungsverlauf und damit zu einer niedrigeren Rente geführt haben, erhält insoweit einen so genannten Renten-Berufsschadensausgleich (vgl. Dau in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012., § 30 BVG Rn. 47). Wenn die Zeiten schädigungsbedingt geminderten Einkommens dagegen mehr als die Hälfte des Erwerbslebens ausgemacht haben, bleibt es bei der Anwendung des § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – L 18 VS 5/10 –, juris, Rz. 39).
Für die Feststellung des Vergleichseinkommens ist in einem ersten Schritt zu ermitteln, welche berufliche Position („Hätte-Beruf“) ohne die Schädigung und ihre Folgen wahrscheinlich erreicht worden wäre (Dau, in: Knickrehm, a. a. O., § 30 Rn. 31, 32). Regelmäßig ist dabei von dem Beruf auszugehen, aus dem der Beschädigte seinerzeit durch die Schädigung verdrängt worden ist, einschließlich der Entwicklung, die ein Nichtbeschädigter in diesem Beruf wahrscheinlich genommen hätte. Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass nach den objektiven Umständen mehr für als gegen den hypothetischen Berufserfolg spricht. Die bloße Möglichkeit eines beruflichen Aufstiegs genügt nicht (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 27. Februar 2018 – L 3 VE 7/15 –, juris, Rz. 40; BSG, Urteil vom 15. September 1988 – 9/9a RV 50/87 –, juris, Rz. 12).
Der Senat orientiert sich bei der Prüfung, ob gesundheitliche Schäden Ursache einer Einkommensminderung sind, an der seit 1. Januar 2009 an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 – 9/9a RVs 1/91 – BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 9. April 1997 – 9 RVs 4/95 – SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 – 9a/9 RVs 7/89 – BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ (AHP) 2008 getretenen Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV). Danach genügt für die Annahme, dass eine schädigungsbedingte Gesundheitsstörung Ursache für eine Einkommensminderung ist, versorgungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (VG, Teil C, Nr. 3 a Sätze 1 und 2). Grundlage für die medizinische Beurteilung sind die von der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung vertretenen Erkenntnisse über Ätiologie und Pathogenese (VG, Teil C, Nr. 3.1.4). Aus dem Umstand, dass der Zusammenhang nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ausgeschlossen werden kann, lässt sich nicht folgern, dass er darum wahrscheinlich sei. Ebenso wenig kann ein ursächlicher Zusammenhang bejaht werden, wenn er nur möglich ist (VG, Teil C, Nr. 3.1.4).
Ferner ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs erforderlich ist, dass die Einkommensminderung wesentlich ursächlich auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen ist (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2014 – L 6 VS 5037/13 –, juris, Rz. 74 ff.; BSG, Urteil vom 18. Mai 2006 – B 9a V 6/05 R –, juris, Rz. 18). Ein schädigungsbedingtes Ende beruflicher Tätigkeit lässt sich nach Erreichen des 60. Lebensjahres regelmäßig nicht mehr nachweisen, jedoch wird der Zugang zum Berufsschadensausgleich für einen Beschädigten mit diesem Alter erleichtert. Die Schädigungsfolgen sind schon dann für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und einen dadurch eingetretenen Einkommensverlust als ursächlich anzusehen, wenn der Beschädigte sich zur vorzeitigen Erlangung einer Altersversorgung auf eine wesentlich durch Schädigungsfolgen bedingte Schwerbehinderung berufen muss (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2006 – B 9a V 6/05 R –, juris, Rz. 20).
Nach diesen Maßstäben liegt zur Überzeugung des Senats keine schädigungsbedingte Einkommensminderung vor. Dabei kommt der Verstorbenen zunächst keine Beweiserleichterung zugute. Denn sie ist nicht nach Erreichen des 60. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, sondern spätestens mit 41 Jahren, also mit der Gewährung von Rentenleistungen der DRV. Außerdem kann sie sich nicht auf eine durch Schädigungsfolgen bedingte Schwerbehinderung berufen, denn der Beklagte hat lediglich einen GdS von 30 bestandskräftig anerkannt. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze lassen sich nicht auf ein Ausscheiden weit vor Vollendung des 60. Lebensjahres übertragen, weil sie an eine im Rentenversicherungsrecht und im Beamtenrecht gerade für das Ausscheiden im höheren Lebensalter vorgezeichnete Beweiserleichterung anknüpfen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 – B 9a V 1/05 R –, juris, Rz. 35 = SozR 3-3100 § 30 Nr. 16).
Dem Anspruch steht entgegen, dass die Verstorbene erfolgreich hat umgeschult werden können. Das hat das SG verkannt, zumal es die sich auf den Zeitpunkt September 2007, dem Beginn des Bezugs der Erwerbsminderungsrente, festgelegt hat, also weit nach dem erfolgreichen Abschluss der Maßnahme.
Auch im Versorgungsrecht gilt der Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“, der seinen Ausdruck in § 29 BVG findet. Danach entsteht ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich, wenn Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgversprechend sind, frühestens in dem Monat, in dem die Maßnahmen abgeschlossen werden. Ebenso ist der in der gesetzlichen Rentenversicherung gesetzlich geregelte Grundsatz, dass sich der Versicherte immer auf einen „sozial gleichwertigen“ Umschulungsberuf verweisen lassen muss (§ 43 Abs. 2 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VI [aF] – bzw. § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB VI [nF]), entsprechend auch im Versorgungsrecht anzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 9 RV 18/94 –, juris, Rz. 19 f.). Wer erfolgreich umgeschult worden ist, kann ebenso wenig geltend machen, der Umschulungsberuf sei nicht sozial gleichwertig im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BVG, wie er im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung als Bewerber um eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis zum 31. Dezember 2000 beziehungsweise um eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI in der Fassung ab 1. Januar 2001 geltend machen konnte beziehungsweise kann, der Beruf sei nicht zumutbar. Dies gilt auch dann, wenn dieser Beruf dem Beschädigten aus tatsächlichen Gründen nicht zumutbar wäre (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 9 RV 18/94 –, juris, Rz. 18 f. = SozR 3-3100 § 30 Nr. 14).
Ausgehend hiervon hat die Verstorbene zunächst von Juli 1999 bis Januar 2001 eine Berufsfindungsmaßnahme durchlaufen und im Anschluss daran von Januar 2001 bis Januar 2003 eine Umschulung zur Mediengestalterin mit einer Durchschnittsnote von 1,5 abgeschlossen.
Nach einer solchen abgeschlossenen Umschulung gilt der Umschulungsberuf stets als sozial gleichwertiger Beruf (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. November 2018 – L 11 VH 44/10 –, juris Rz. 230). Dessen ungeachtet hat der Beklagte diese Tätigkeit schlüssig als sozial gleichwertig mit dem Beruf der Erzieherin angesehen.
Die Verstorbene ist weiter erfolgreich umgeschult worden. Ihre Abschlusszeugnisse belegen, dass sie über ein außerordentliches Leistungsvermögen für diese Tätigkeit verfügt hat, wie der Abschluss mit der Note 1,5 belegt und sich im Übrigen deutlich von ihren bislang errreichten Noten abhebt.
Dass die Verstorbene nach dem für die Umschulung gewährten Übergangsgeld keine entsprechende Tätigkeit gefunden hat, sondern vielmehr zunächst weiter Arbeitslosenhilfe und im Anschluss daran Leistungen nach dem SGB II bezogen hat, wie der Mitteilung der BA sowie den Entlassungsberichten zu entnehmen ist, begründet ebenso keinen Anspruch auf die Gewährung von Berufsschadensausgleich. Denn darauf, ob sie in dem Umschulungsberuf eine Beschäftigung findet, kommt es für die Frage, ob eine erfolgreiche Umschulung vorliegt, nicht an (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2013 – L 6 VS 4178/10 –, juris, Rz. 45; BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 9 RV 18/94 –, juris, Rz. 20).
Dies gilt im Falle der Verstorbenen umso mehr, als in Auswertung der Aktenlage sie selbst davon ausgegangen ist, dass sie in dem Umschulungsberuf beruflich Fuß fassen kann, sogar ihrem behandelnden Psychiater Heller davon berichtet hat, dass sie die Tätigkeit erfolgreich ausgeübt habe. Somit ist nicht davon auszugehen, dass sie den Umschulungsberuf schädigungsbedingt nicht ausgeübt hat. Nach ihren eigenen Angaben gegenüber den Rehabilitationskliniken und der Gutachterin S, die glaubhaft und insbesondere noch unbeeindruckt von den später streitigen Ansprüchen gewesen sind, war die Nichtaufnahme einer Tätigkeit nämlich ausschließlich ihrer Schwangerschaft geschuldet. Sie hat mehrfach angegeben, dass sie wegen der Schwangerschaft in der Tätigkeit als Mediengestalterin nicht Fuß gefasst hat. Passend hierzu hat sie gegenüber der Gutachterin S bei deren ersten Begutachtung beschrieben, viele Bewerbungen als Mediengestalterin geschrieben zu haben.
Dass weiter sogar ein tatsächliches Leistungsvermögen für den Umschulungsberuf bestanden hat, wird dadurch untermauert, dass die Verstorbene gegenüber der Gutachterin S ihre Bewerbungsbemühungen für eine Tätigkeit als Mediengestalterin beschrieben hat. Das wird im Weiteren durch den Entlassungsbericht der Klinik „A“ über die stationäre Behandlung vom 12. September bis 31. Oktober 2006, den der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]), bestätigt, dem zu entnehmen ist, dass die Verstorbene sogar als arbeitsfähig entlassen werden konnte, wenn auch eine fortbestehende Minderung der Belastbarkeit aufgrund der PTBS gesehen wurde. Wie konkret die behandelnden Klinikärzte ihr vorhandenes berufliches Leistungsvermögen nach mehrwöchiger Behandlung, also aufgrund einer längeren Beobachtungszeit, eingeschätzt haben wird darin deutlich, dass während des Aufenthalts nicht nur ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt wurde, um ihr den Einstieg ins Erwerbsleben zu erleichtern, sondern ihr eine Bescheinigung zur Vorlage beim Jugendamt ausgestellt wurde, um die finanzielle Kostenübernahme der Betreuung der Tochter zu sichern und der Verstorbenen so den nötigen Freiraum zu ermöglichen, den beruflichen Wiedereinstieg vorzubereiten. Im Übrigen zeigt schon die nur sechswöchige Behandlung, dass die Verstorbene einer Behandlung gut zugänglich war, unterstreicht also nochmals die Richtigkeit der Einschätzung als arbeitsfähig.
Deswegen ist nicht nachvollziehbar, wie die Sachverständige S in ihrem zweiten Gutachten zu dem Ergebnis gelangt ist, dass es schädigungsbedingt zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen für die letzte Tätigkeit wie auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gekommen sein soll, eine „globale Einschränkung“ bestehe, von der Tätigkeit als Mediengestalterin aber keine retraumatisierende Wirkung ausgehe. Das ist jedenfalls von den damals behandelnden Ärzten schlüssig anders bewertet worden, denen sich der erkennende Senat anschließt. Die Annahme wird insbesondere durch den tatsächlichen Ablauf widerlegt, denn die Erwerbsminderung als „globale Einschränkung“ für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ist erst ab 1. August 2008 und damit sechs Jahre nach Abschluss der Umschulung eingetreten.
Dass der Verstorbenen trotz erfolgreicher Umschulung und ausreichendem Restleistungsvermögen für diese Umschulungstätigkeit keine berufliche Eingliederung gelungen ist, sondern sie zunächst auf Arbeitslosenhilfe und danach auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen war, begründet nicht die Annahme eines schädigungsbedingten Minderverdiensts. Denn die spätere Arbeitslosigkeit nach erfolgreicher Umschulung stellt allenfalls einen Nachschaden dar, sodass die Regelungen des § 30 Abs. 11 SGB XI nicht einschlägig sind (vgl. BSG, Urteil vom 5. November 1997 – 9 RV 4/96 –, juris, Rz. 21 f.; so auch Dau in: Knickrehm, a. a. O., § 30 BVG Rn. 30). Letztlich ist es schädigungsbedingt zu keiner Minderung von Rentenbeitragszeiten gekommen, vielmehr stand die Verstorbene bereits seit 2004 im Sozialleistungsbezug, auch wenn es sich hierbei seinerzeit noch um Pflichtbeitragszeiten gehandelt hat.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Voraussetzungen für ein Grundurteil über den Berufsschadensausgleich auch ausgehend vom Rechtsstandpunkt des SG nicht vorgelegen haben, da keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, dass es tatsächlich zu einem Minderverdienst gekommen ist (siehe dazu oben). Hierbei handelt es sich um eine Tatbestandsvoraussetzung, die den Anspruch dem Grunde und nicht nur der Höhe nach betrifft.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen in beiden Instanzen. Das Verfahren ist auch in zweiter Instanz gerichtskostenfrei, da die Tochter der Klägerin Sonderrechtsnachfolgerin im Sinne des § 56 SGB I ist (vgl. oben), § 183 Satz 3 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.