L 3 U 158/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 196 U 565/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 158/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2018 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 

 

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von weiteren Unfallfolgen.

 

Die 1970 geborene Klägerin war als Verkäuferin beschäftigt, als sie am 27. März 2013 auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall als Beifahrerin in einem PKW erlitt. Sie saß angeschnallt hinten rechts auf der Rückbank, wobei ihre Hände auf dem Schoß lagen, als das Fahrzeug hinten rechts mit einem anderen PKW kollidierte, sich drehte und nochmals mit dem rechten Hinterradbereich den anderen PKW touchierte (Unfallanzeige vom 08. Juli 2013, Polizeibericht vom 27. März 2013). Sie wurde ins Unfallkrankenhaus B (UKB) gebracht und dort zwei Tage stationär behandelt. Bei der Aufnahme ergab sich kein Anhalt für einen Kopfanprall oder ein Schädel-Hirn-Trauma, alle vier Extremitäten waren aktiv frei beweglich, die Klägerin klagte über Schmerzen im Bereich der Thoraxwand und der Wirbelsäule. Die weiteren Untersuchungen ergaben eine Thorax- und Wirbelsäulenprellung und es wurden Schmerzmittel verordnet (Arztbrief vom 28. März 2013).

 

Wegen anhaltender Beschwerden suchte die Klägerin am 08. April 2013 das V Klinikum in N auf und klagte dort auch über Schulterprobleme. Die dortige Röntgenuntersuchung zeigte einen Bruch des Schlüsselbeines rechts und der fünften Rippe rechts; es erfolgte eine Ruhigstellung im Gilchristverband.

 

Die Weiterbehandlung erfolgte durch den Durchgangsarzt (DA) Dr. R im J Krankenhaus. Es wurden Physiotherapie und Schmerzmittel verordnet bei weiter bestehender Arbeitsunfähigkeit. Wegen anhaltender Schmerzen am rechten Schlüsselbein, rechten Schultereckgelenk bzw. Schulter und der rechten Thoraxseite  wurde dort am 04. Juli 2013 eine Magnetresonanztomographie (MRT) der rechten Schulter veranlasst, die u. a. eine „ansatznahe gelenkseitige Teilruptur der Supraspinatussehne rechts auf dem Boden einer vorbestehenden Tendinopathie" als Befund ergab. Bei der danach am 09. Juli 2013 im J Krankenhaus erfolgten Vorstellung wurden nunmehr deutlich rückläufige Beschwerden im Bereich der Rippenregion rechts, eine Schmerzfreiheit im Bereich der rechtsseitigen Klavikula sowie anhaltend starke Schmerzen und Bewegungseinschränkungen der rechten Schulter vermerkt. Von den behandelnden Ärzten wurden Zweifel an der Unfallursächlichkeit des Unfalls für die im MRT zu sehenden Veränderungen an der rechten Schulter geäußert und die Erstellung eines Zusammenhangsgutachtens empfohlen. Bei der erneuten Vorstellung der Klägerin im J Krankenhaus am 02. September 2013 zeigte sich röntgenologisch eine komplette Durchbauung der Klavikulafraktur sowie der Fraktur der fünften Rippe. Weiterhin zeigte sich ein Acromiontyp I-II nach Bigliani sowie eine AC-Gelenksarthrose und ein leichter Hochstand des Humeruskopfes. Bei positiven Impingementtests wurde der Verdacht auf ein primäres Engpasssyndrom im Bereich des rechten Schultergelenkes geäußert und zu einer Arthroskopie geraten, um evtl. die Enge zu mindern.

Am 24. September 2013 wurde die arthroskopische Operation vorgenommen. Dabei zeigte sich, dass keine Teilruptur sondern eine leichte Auffaserung der Supraspinatussehne an der Ansatzstelle als Folge einer auch vorgefundenen subacromialen Enge sowie einer hypertrophen Bursitis vorlagen. Es erfolgte eine subacromiale Dekompression und Bursektomie.

 

Mit Bescheid vom 09. Oktober 2013 wurden das Ereignis vom 27. März 2013 als Arbeitsunfall anerkannt und Entschädigungsleistungen über den 04. Juli 2013 hinaus abgelehnt. Die anhaltende Beschwerdesymptomatik der rechten Schulter sei nicht durch die Unfallschädigung, die ausgeheilten Brüche des rechten Schlüsselbeines und der fünften Rippe, sondern durch degenerative und unfallfremde Veränderungen an der rechten Schulter initiiert.

 

Die Klägerin erhob am 18. Oktober 2013 Widerspruch, der mit anwaltlichem Schreiben vom 21. November 2013 begründet wurde. Die andauernden Beschwerden am rechten Schultergelenk bzw. der Einriss einer gelenknahen Struktur im Bereich der rechten Rotatorenmanschette seien auf den Unfall zurückzuführen. Vor dem Unfallereignis sei sie beschwerdefrei gewesen. Die MRT-Untersuchung vom 04. Juli 2013 habe eine gelenkseitige Teilruptur der Supraspinatussehne rechts ergeben. Insoweit könne dem Arthroskopiebericht des J Krankenhauses nur teilweise gefolgt werden, denn eine Spontanheilung der im MRT-Befund gesehenen Ruptur sei ausgeschlossen.

 

Unter dem 12. Februar 2014 teilte DA Dr. R vom J Krankenhaus der Beklagten mit, dass die Klägerin am 22. September 2013 aus der ambulanten Behandlung entlassen worden und ab dem 23. September 2013 wieder arbeitsfähig sei.

 

Die Beklagte veranlasste eine Zusammenhangsbegutachtung bei Prof. Dr. E vom UKB. In dem nach Untersuchung der Klägerin durch Prof. Dr. S und Dr. N vom 06. März 2014 erstellten Gutachten vom 17. April 2014 kommen die Gutachter zu dem Ergebnis, dass folgende Unfallfolgen bei der Klägerin vorlägen:

- eine mäßige Bewegungseinschränkung der rechten Schulter nach Partialruptur der Supraspinatussehne,

- reizlose Narben nach Schultergelenksarthroskopie rechts,

- eine in günstiger Stellung knöchern vollständig konsolidierte Klavikulaschaftfraktur rechts,

- eine in günstiger Stellung verheilte Fraktur der fünften Rippe rechts,

- eine folgenlos ausgeheilte Prellung der Wirbelsäule.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde mit 20 vom Hundert (v.H.) eingeschätzt.

Zur Begründung führten sie aus, der Unfallhergang sei geeignet, Frakturen des Schlüsselbeins bzw. der Rippen zu verursachen. Ein direkter Anprall werde jedoch eher als ungeeignet angesehen, eine Läsion der Rotatorenmanschette auszulösen. Da die Klägerin seit dem Unfalltag persistierende Beschwerden im Bereich der rechten Schulter und des rechten Brustkorbes beklage, sei ein zeitlicher Zusammenhang zum Unfall zu sehen. Der intraoperative Befund könne die im MRT gesehene subtotale Ruptur der Supraspinatussehne nicht vollständig bestätigen. In Zusammenschau aller Befunde gelange man zu der Ansicht, dass der Unfall vom 27. Februar 2013 zu einer Klavikulafraktur und Fraktur der fünften Rippe rechts geführt habe. In Anbetracht der festgestellten Frakturen habe vermutlich ein Unfall mit größerer Krafteinwirkung stattgefunden. MRT-morphologisch sei bei fehlenden degenerativen Veränderungen sowie unter Beachtung des jungen Alters der Klägerin von einer frischen Verletzung der Supraspinatussehne auszugehen, zumindest in Form einer Partialruptur.

 

 

Die Beklagte wies – wohl nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme - mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2014 den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei der am 24. September 2013 durchgeführten Schultergelenksarthroskopie hätten sich ein Teilriss der Supraspinatussehne oder andere Verletzungen der Rotatorenmanschette nicht bestätigt und seien daher nicht nachgewiesen. Vielmehr habe sich ein Impingement(Einklemmungs)-Syndrom der gesamten Rotatoren-manschette mit Verengung des Raumes unterhalb des Schulterdaches gezeigt, was die Beschwerden an der rechten Schulter verursacht habe. Daher habe man der Beurteilung durch Prof. Dr. E nicht folgen können, denn es handele sich um typische anlagebedingte Erkrankungen.

 

Am 14. August 2014 hat die Klägerin durch ihren damaligen Prozessbevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben, mit Schriftsatz vom 25. September 2014 begründet und zunächst begehrt, ihr Verletztengeld seit dem 08. Mai 2013 zu zahlen und eine Rente zu gewähren. Vor dem Unfall sei sie im Bereich der rechten Schulter völlig beschwerdefrei gewesen. Jetzt leide sie unter einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung, belastungsabhängigen Schmerzen sowie einer ständigen Schwellneigung. Zudem sei eine beachtliche Kraftminderung des rechten Arm-Schulterbereiches festzustellen. Dies sei nach dem Gutachten von Prof. Dr. E unfallbedingt und führe zu einer rentenberechtigenden MdE. Die Klägerin hat eine sozialmedizinische Stellungnahme der Ärztin L, erstellt für die Bundesagentur für Arbeit am 04. September 2014, sowie den Bescheid über die Anerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 20 vom 28. November 2013 vorgelegt.

 

Das SG hat ein schriftliches orthopädisch-chirurgisches Sachverständigengutachten von PD Dr. L vom 20. Oktober 2015 eingeholt.  PD Dr. L ist nach Untersuchung der Klägerin am 13. August 2015 und Auswertung der in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen nebst bildgebenden Befunden zu dem Ergebnis gekommen, bei der Klägerin bestehe

a) ein Zustand nach Schlüsselbeinfraktur rechts und Fraktur der fünften Rippe rechts dorsal und

b) ein sogenanntes Outlet Impingement des rechten Schultergelenkes mit degenerativen Veränderungen an der Supraspinatussehne, aber auch am Musculus supraspinatus und beginnend am Musculus infraspinatus; außerdem eine entzündliche Bursitis subdeltoidea und subacromialis.

Der Zustand zu a) sei eindeutig Folge des Ereignisses vom 27. März 2013, da als Erstschaden sowohl in der Polytraumaspirale, der Röntgendiagnostik im Krankenhaus N wie auch auf späteren Röntgenkontrollen gesichert. Die Frakturen seien bei regelrechter Zeitabfolge mit geringer Verschiebung knöchern konsolidiert und daher ausgeheilt. Die Beschwerden der Klägerin durch ihr chronisches allergisches Asthma mit entsprechenden Hustenanfällen seien mit großer Wahrscheinlichkeit durch muskuläre Verspannungen des Rückens verursacht. Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 25. Juni 2013 bestanden, da dann von Seiten der behandelnden Ärzte bei den verheilten Frakturen kein wesentlicher pathologischer Befund am Schlüsselbein und im Bereich der fünften Rippe rechts dorsal mehr habe gefunden werden können. Eine MdE sei nicht verblieben.

Bei dem Gesundheitsschaden zu b) handele es sich um einen bereits unfallunabhängig vorbestehenden Zustand, der lediglich im Rahmen des Geschehens und der erforderlichen diagnostischen Maßnahmen offenkundig geworden sei. Im MRT der rechten Schulter vom 04. Juli 2013 wie auch im intraoperativen Befund hätten sich keinerlei Traumafolgen sondern degenerative Veränderungen gezeigt. Die hierfür typisch im Sinne eines Crescendo verlaufenden Beschwerden (im Gegensatz zu traumatisch verursachten Beschwerden, die im Sinne eines Decrescendo verliefen)  hätten im Behandlungsverlauf auch zu der Arthroskopie des Schultergelenkes rechts geführt, die nicht im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen zu sehen sei. Wechselwirkungen zwischen den Unfallfolgen und dem unfallunabhängigen Leiden beständen nicht.

 

Nachdem die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 29. Januar 2016 Kritik am Gutachten geäußert hat, hat das SG von PD Dr. Leine ergänzende Stellungnahme vom 04. März 2016 eingeholt, der seine Einschätzung nochmals anhand unfallmedizinischer Literatur begründet hat.

 

In der mündlichen Verhandlung des SG vom 20. Juni 2018 hat die Klägerin erklärt, die Beklagte sei bis zum 03. Juli 2013 für die Kosten der Heilbehandlung aufgekommen und habe ihr bis dahin auch Verletztengeld gezahlt. Die Klägerin hat nunmehr beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festzustellen, dass die Bewegungseinschränkungen und die Schmerzen an der rechten Schulter auch Unfallfolgen sind.

Das SG hat durch Urteil vom gleichen Tage die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe in zulässiger Weise ihre kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf eine Anfechtungs- und Feststellungsklage umgestellt (§§ 56, 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 3, 99 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), diese sei jedoch unbegründet.

Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung sei anerkannt, dass neben dem Antrag auf Leistungen auch die Feststellung von Gesundheitsstörungen oder des Todes als Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit begehrt werden können (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Ebenso könne die Feststellung zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls an sich, eines Gesundheitserstschadens sowie einer Berufskrankheit verlangt werden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Es stehe dem Beteiligten in der Klägerposition zudem frei, das jeweilige Begehren im Wege der Verpflichtungs- oder Feststellungsklage zu verfolgen (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 05. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, in juris). Demgemäß könne auch im Streitverlauf grundsätzlich von dem einen zu dem anderen Begehren gewechselt werden.

Die Klägerin sei durch die angefochtenen Bescheide auch nach der Umstellung der Klage nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn diese seien rechtmäßig. Sie habe keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen im Bereich ihrer rechten Schulter. Die Anerkennung von länger dauernden Folgen setze zunächst voraus, dass diese aus einem Unfallerstschaden resultierten, durch die unfallbedingte Verschlimmerung eines schon vorhandenen Leidens entstanden seien oder als weitere Folgen von Unfallschäden zu Tage träten, was hier nicht der Fall sei. Die Klägerin habe aufgrund des Unfalls am 27. März 2013 als Gesundheitserstschaden „nur" einen Schlüsselbeinbruch rechts und einen Bruch der fünften Rippe rechts erlitten.

Dies folge für die Kammer zur vollen Überzeugung aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. L vom 20. Oktober 2015, aber auch aus den übrigen medizinischen Unterlagen. Ein irgendwie gearteter Riss der Rotatoren-manschette (Supraspinatussehne), wie die Klägerin behaupte und so ihre Beschwerden erklärt sehe, liege bei ihr überhaupt nicht vor und könne folglich auch nicht durch den Unfall entstanden sein. Zwar habe das am 04. Juli 2013 gefertigte MRT nach dem schriftlichen Befund eine ansatznahe gelenkseitige Teilruptur der Supraspinatussehne rechts ergeben. Durch die Operation an der rechten Schulter am 24. September 2013 habe aber durch direkten Einblick in diese Strukturen festgestellt werden können, dass tatsächlich kein vollständiger und auch kein Teilriss der Supraspinatussehne vorgelegen habe. Vielmehr habe sich eine Enge zwischen dem Schulterdach und dem Oberarmkopf gezeigt, so dass dadurch die Supraspinatussehne an ihrer Ansatzstelle dauerhaft gereizt worden sei und sich so allmählich eine Auffaserung gebildet hätte (Engesyndrom). Somit sei auch dem Gutachten von Prof. Dr. E, das die Beklagte im Verwaltungsverfahren am 17. April 2014 eingeholt habe, nicht zu folgen. Der Gutachter spreche noch von einem Teilriss der Supraspinatussehne, der aber nachweislich nicht vorliege. Auch dazu habe der gerichtliche Sachverständige sich in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 04. März 2016 klar geäußert und überzeugend erläutert, dass diese Auffassung nicht zutreffend sein könne. Dem folge die Kammer uneingeschränkt.

Bei der Klägerin sei durch den Unfall auch keine Verschlimmerung eines anlagebedingten Leidens mit entsprechend darauf zu beziehenden weiteren dauerhaften Gesundheitsstörungen eingetreten. Der Sachverständige habe auch diesbezüglich dargelegt, dass neben dem Engesyndrom und der sich daraus ergebenden dauerhaften Reizung der Supraspinatussehne bis zur allmählichen Auffaserung, was allesamt unfallunabhängig, damit schicksalhaft sei, keine weiteren auf Traumata zurückzuführenden Veränderungen an der rechten Schulter vorlägen. Das von Prof. Dr. E im Verwaltungsgutachten angesprochene Ödem im Bereich des Ansatzes der Supraspinatussehne sei nicht traumatisch entstanden. Die Operation an der Schulter am 24. September 2013 habe auch insofern gezeigt, dass es im rechten Schulterbereich nur degenerative Veränderungen gegeben habe. Was Prof. Dr. E als Knochenmarködem bezeichne, sei ebenso keine traumabedingte Veränderung, sondern eine sog. Enthesiopathie, eine schmerzhaft entzündliche Veränderung durch Degeneration in dem Bereich, wo die Sehne am Knochen ansetze. Soweit die Klägerin angebe, dass vor dem Unfall keine Beschwerden an der rechten Schulter bestanden hätten, also diese nur darauf zurückzuführen sein könnten, sei das nicht stichhaltig. Allein aus dem zeitlichen Zusammenhang lasse sich nicht folgern, dass deswegen ein Unfallleiden vorliege. Zunächst sei für die Kammer gar nicht erwiesen, dass die von der Klägerin im weiteren Verlauf beklagten Schulterbeschwerden überhaupt zeitnah nach dem Unfall eingesetzt hätten. Denn beim UKB habe sie darüber nicht geklagt. Die Beschwerden hätten nach ihren Angaben erst später begonnen, als sie am 08. April 2013 das V Klinikum in N aufgesucht habe.

Aber selbst wenn man davon ausginge, wäre das Unfallereignis nicht wesentlich für das Auftreten der Beschwerden danach. Ursache im Rechtssinne wären vielmehr die degenerativen Veränderungen an der Schulter mit der Auffaserung der Sehne, die nach dem bisherigen stummen Verlauf nun in eine klinisch symptomatische Phase geraten seien. Die gesamte Symptomatik an der Schulter der Klägerin beruhe einzig auf degenerativen Veränderungen, wie der Sachverständige ausgeführt habe. Dem folge die Kammer uneingeschränkt. Das Ereignis wäre somit beliebig austauschbar, da die unfallfremden Mechanismen in Gestalt der Enge zwischen dem Schulterdach und dem Oberarmkopf sowie der daraus resultierenden dauerhaften Reizung der Sehne allmählich zu ihrer Auffaserung/Aufrauhung geführt hätten und es nur noch eine Frage der Zeit gewesen sei, wann diese auch Beschwerden verursachten. Der Unfall wäre damit nur ein sog. Anlassgeschehen für den Eintritt der Symptome an der rechten Schulter.

Es sei auch nicht wahrscheinlich, dass die stattgehabte Erstschädigung durch den Unfall, nämlich der Bruch des rechten Schlüsselbeines und/oder der Bruch der fünften Rippe rechts, zu dem symptomatischen Beschwerdebild an der rechten Schulter geführt haben könnten (Folgeschaden). Beide Verletzungen seien auf den jeweiligen Bereich bezogen und folgenlos abgeheilt. Möglich sei, dass die Klägerin zunächst durch die Schonhaltung infolge der Brüche auch Beschwerden bekommen habe, die sich für sie örtlich auf die rechte Schulter beziehen ließen. Allerdings könnten dort damit keine strukturellen Veränderungen mit dauerhaft fortbestehenden Beschwerden einhergehen. Spätestens als die Brüche ausgeheilt waren, wären auch evtl. durch Schon- oder Fehlhaltung hervorgerufene zusätzliche Beschwerden an der Schulter abgeklungen. Für eine andere Einschätzung gebe es keine medizinisch nachvollziehbaren Anhaltspunkte.

 

Gegen das ihrem vormaligen Prozessbevollmächtigten am 23. Juli 2018 zugestellte Urteil richtet sich die Klägerin mit ihrer am 15. August 2018 beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingelegten Berufung. Zur Begründung führt sie in ihrem Schriftsatz vom 10. Januar 2019 aus, da das MRT vom 04. Juli 2013 bezüglich der Frage einer traumatischen Schulterverletzung von zwei Sachverständigen unterschiedlich bewertet worden sei, sei ein radiologisches Gutachten einzuholen. Auch hätte das SG vor Einholung eines Gutachtens sämtliche ärztlichen Befunde und Auskünfte von den behandelnden Ärzten beiziehen müssen. Eine Verengung des Schulterdaches könnte sich auch in den seit dem Unfall vergangenen Monaten entwickelt haben. Zur Klärung der Unfallbedingtheit der Ruptur sei neben dem Unfallmechanismus eine feingewebliche Untersuchung hilfreich, was bisher nicht geklärt sei.

 

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

 

das Urteil des SG Berlin vom 20. Juni 2018 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 09. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2014 abzuändern und festzustellen, dass die Bewegungseinschränkung und die Schmerzen an der rechten Schulter Folgen des Arbeitsunfalls vom 27. März 2013 sind.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung auch im Hinblick auf das Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme für zutreffend.

 

Der Senat hat zunächst die CD‘s betreffend die röntgenologischen, CT- und MRT-Untersuchungen vor der Operation vom 24. September 2013 beigezogen und vom J Krankenhaus den Entlassungsbericht vom 26 September 2013 nebst ausführlichen Operationsbericht sowie die Auskunft vom 25. Mai 2020 eingeholt, wonach eine histologische Gewebeuntersuchung nicht vorliegt. Des Weiteren hat er einen Befundbericht von dem behandelnden Facharzt für Chirurgie Dr. B vom 24. Juli 2020 angefordert (Behandlung seit Oktober 2013 wegen Bewegungs-einschränkung, Kraftminderung und Schmerzen der rechten Schulter; Diagnosen: Impingement-Syndrom rechte Schulter mit schmerzhafter Schultersteife, Depressionen). Dem Bericht waren u. a. Entlassungsberichte des A Rehazentrums in G vom 23. Mai 2014 (stationäre Behandlung vom 14. April bis zum 10. Mai 2014 wegen Impingement-Syndrom der Schulter rechts und vorwiegend allergischem Asthma bronchiale) sowie der Fachklinik A vom 16. März 2015 (stationäre Behandlung vom 18. Februar bis zum 25. Februar 2015 wegen Agoraphobie mit Panikstörung, somatoforme autonome Funktionsstörung des Atmungssystems, leichte depressive Episode, vorwiegend allergisches Asthma bronchiale, Impingement-Syndrom der Schulter) beigefügt.

 

Sodann hat der Senat zwecks Nachbefundung der vor der Operation vom 24.  September 2013 gefertigten und vom Gericht angeforderten Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen und zur Frage des Vorliegens von Zeichen frischer Verletzungen von Knochen, Knorpel, Bändern, Sehnen sowie sonstigen Weichteilen bzw. degenerativer oder anlagebedingter Veränderungen den Facharzt für diagnostische Radiologie Prof. Dr. O mit der Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 12. Januar 2021 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, unzweifelhaft sei es durch das Trauma im März 2013 zu radiologisch eindeutigen Frakturen der fünften und sechsten Rippe dorsal sowie der rechten Klavikula medial gekommen. Die Heilungsphase habe sich radiologisch typisch vollzogen und sei bis März 2014 morphologisch komplett abgeschlossen. Evidente Weichteilschäden - auch im Bereich der rechten Schulter - seien im CT (Polytrauma vom 27. März 2013) nicht dokumentiert. Die MRT-Untersuchung der rechten Schulter vom Juli 2013 zeige typische degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette, die nicht durch ein Trauma erklärlich seien.

 

Der Klägerin ist mit gerichtlichem Schreiben vom 26. Januar 2021 das Gutachten zur Stellungnahme übersandt und auf die Möglichkeit der Beantragung eines Gutachtens nach § 109 SGG bis zum 25. Februar 2021 hingewiesen worden. In dem Erörterungstermin mit der Berichterstatterin vom 24. März 2021 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert und der Klägerin nochmals Gelegenheit zur Prüfung einer Rücknahme der Berufung gegeben worden.

 

Die Beteiligten haben sich jeweils mit Schriftsätzen vom 10. Juni 2021 mit einer Entscheidung des Senats im schriftlichen Verfahren gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

 

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte verwiesen, die bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben.

 

Entscheidungsgründe

 

 

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu schriftlich ihr Einverständnis erklärt haben.

 

Die gemäß § 151 SGG frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.

 

Das Urteil des SG Berlin vom 20. Juni 2018 sowie der Bescheid der Beklagten vom 09. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der an ihrer rechten Schulter bestehenden Bewegungseinschränkungen und Schmerzen als Folgen des Arbeitsunfalls vom 27. März 2013.

 

Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII bzw. § 8 Abs. 2 SGB VII begründenden Tätigkeit; Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(erst)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. 

 

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung zur Zeit des Unfalls“, „Unfallereignis“ sowie „Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden“ im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit; ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden. Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (ständige Rechtsprechung, Bundessozialgericht <BSG>, vgl. Urteile vom 04. Dezember 2014 – B 2 U 18/13 R -, Rn. 16 ff., 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R -, Rn. 20 ff., 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R -, Rn. 16 ff., 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, Rn. 15 ff., 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 R -, Rn. 18 ff., 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, Rn. 13 ff., alle zitiert nach juris, siehe auch: Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9.  Aufl. 2017, Kap. 1.7, S. 21 f.).  Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 8/06 R -, Rn. 20 zitiert nach juris; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Kap. 1.8, S. 29 ff.). Danach werden im Sozialrecht als rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach den Einwirkungen, Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte (vgl. zum Kausalitätsbegriff in der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteile vom 09. Mai 2006 – B  2 U 1/05 R -, Rn. 13 ff.,  zitiert nach juris).

 

Hiervon ausgehend hat die Klägerin zwar am 27. März 2013 einen versicherten Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 i.V.m Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (Wegeunfall) erlitten, was zwischen den Beteiligten unstreitig und von der Beklagten im von der Klägerin angefochtenen Bescheid auch anerkannt worden ist. Jedoch ist der Senat nicht in dem nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Maße, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, davon überzeugt, dass die Klägerin bei dem Unfall eine Teilruptur der Supraspinatussehne rechts erlitten hat. Die nach der Wesentlichkeit der Ursache zu bemessende haftungsausfüllende Kausalität der von der Klägerin seit dem 08. April 2013 beklagten und zur Arthroskopie am 24. September 2013 an der rechten Schulter führenden Beschwerden wie auch die seitdem bestehenden Bewegungseinschränkungen und Schmerzen an der rechten Schulter kann nicht festgestellt werden. Vorliegend überwiegen die Gesichtspunkte, die gegen den Unfall vom 27. März 2013 als wesentliche Ursache der geltend gemachten Beschwerden und Gesundheitsstörungen sprechen. Hierfür stützt sich der Senat auf das erstinstanzlich eingeholte orthopädisch-chirurgische Sachverständigengutachten von PD Dr. L vom 20. Oktober 2015 nebst ergänzender Stellungnahme vom 04. März 2016 sowie das im Berufungsverfahren eingeholte radiologische Gutachten von Prof. Dr. O vom 12. Januar 2021. Beide Sachverständige haben sich sachkundig mit den im Behandlungsverlauf erhobenen klinischen, intraoperativen und bildgebenden Befunden unter Beachtung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes auseinandergesetzt.

 

Zunächst stellt der Unfall vom 27. März 2013, bei dem ein PKW zweimal auf die hintere rechte Seite des Autos prallte, in dem die Klägerin rechts auf der Rückbank  angeschnallt mit auf dem Schoß liegenden Händen saß, schon keinen für eine Schädigung der Rotatorenmanschette potentiell geeigneten Verletzungsmechanismus dar. Dies gilt jedenfalls unter Zugrundelegung der Ausführungen im wissenschaftlichen Standardwerk zur medizinischen Unfallbegutachtung Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017 (vgl. Kap. 8.2.5.2, S. 432 ff.). Danach sind hierfür potentiell geeignete Verletzungsmechanismen ein massives plötzliches Rückwärtsreißen oder Heranführen des Armes, wenn dieser zuvor fixiert war, ein Sturz aus der Höhe nach vorn und Festhalten mit der Hand oder Treppensturz und Festhalten mit der Hand am Geländer, so dass der Arm nach hinten gerissen wird, das ungeplante Auffangen eines schweren stürzenden Gegenstandes oder der Sturz auf den nach hinten ausgestreckten Arm mit Aufprall auf Hand oder Ellenbogen. In diesem Sinne grundsätzlich ungeeignete Hergänge sind demgegenüber die direkte Krafteinwirkung auf die Schulter durch Sturz, Prellung oder Schlag, der Sturz auf den ausgestreckten Arm oder den angewinkelten Ellenbogen, eine fortgeleitete Krafteinwirkung bei seitlicher oder vorwärts geführter Armhaltung (Stauchung), aktive Tätigkeiten, die zu einer abrupten aber planmäßigen Muskelkontraktion führen und plötzliche Muskelanspannungen (vgl. ebenda, S. 433). Hierzu hat der Sachverständige PD Dr. L überzeugend dargelegt, dass direkte Traumen die unter dem kräftigen Muskelmantel und dem knöchernen Schulterdach befindliche Rotatorenmanschette nicht treffen könnten, ohne dass schwerwiegende Verletzungen auch an den knöchernen oder muskulären Strukturen einträten. Bei der Klägerin habe es weder am Schulterdach noch am Musculus deltoideus Frakturzeichen bzw. Einblutungen, im MRT auch keine Signalalterationen gegeben. Gehe man von einem seitlichen Anprall aus, der die Schulter treffe, liege die Supraspinatussehne direkt im Verlauf der einwirkenden Kraft, die sie im Sinne einer Stauchung belaste. Das durch diesen Vorgang eine Ruptur entstehen solle, sei nicht vorstellbar.

 

Soweit teilweise in der wissenschaftlichen Gutachtenliteratur vertreten wird, ein direktes Anpralltrauma oder der Sturz auf den nach vorne ausgestreckten oder seitlich abgelegten Arm schließe eine traumatische Unfallgenese a priori nicht aus (vgl. Beickert/Panzer/Geßmann/Seybold/Pauly/Wurm/Lehmann/Scholtysik, Begutachtung des Rotatorenmanschettenschadens der Schulter nach Arbeitsunfällen, Trauma und Berufskrankheit 2016, S. 222 ff., insbesondere S. 231), weist der Senat darauf hin, dass jedenfalls gewichtige weitere Argumente gegen einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen vom 27. März 2013 und den später aufgetretenen, am 24. September 2013 operativ behandelten Beschwerden der rechten Schulter sprechen.

 

So ist dem Sachverständigen PD. Dr. L nach den unfallmedizinischen Erkenntnissen dahingehend zuzustimmen, dass  der Erstbefund wie auch der klinische Verlauf nicht für eine frische (traumatische) Rotatorenmanschettenläsion sprechen (vgl. Schönberger/Mehrtens/ Valentin, a.a.O., Kap. 8.2.5.3, S. 434, 435, Beickert u. a., a. a. O.; insbesondere S. 236). Die Klägerin hatte nach dem Unfall bei der Erstuntersuchung im UKB weder über Beschwerden an der rechten Schulter geklagt, noch waren Bewegungseinschränkungen an der Schulter festgestellt worden. Vielmehr ergab sich bei der Untersuchung am 27. März 2013 eine aktiv freie Beweglichkeit aller vier Extremitäten (vgl. Arztbrief vom 28. März 2013). PD Dr. L  weist zutreffend darauf hin, dass die bei der Klägerin zeitlich erst nach dem Unfall sich entwickelnden Beschwerden, die zu der Arthroskopie des Schultergelenkes rechts führten, im Sinne eines Crescendo verliefen, während für traumatisch verursachte Beschwerden ein Verlauf im Sinne eines Decrescendo typisch sei.

 

Weiterhin deckten die Befunde der am 04. Juli 2013 erfolgten MRT-Untersuchung des rechten Schultergelenks  – worauf der Sachverständige PD Dr. L nach einer eigenen Auswertung der MRT-Aufnahme hinweist – wie auch der intraoperative Befund bei der Arthroskopie vom 24. September 2013keinerlei Traumafolgen sondern ein deutliches degeneratives Schadensbild auf, nämlich ein sogenanntes Outlet Impingement des rechten Schultergelenkes mit degenerativen Veränderungen an der Supraspinatussehne, am Musculus supraspinatus und beginnend am Musculus infraspinatus sowie einer entzündlichen  Bursitis subdeltoidea und subacromialis.

 

So hat der Sachverständige PD Dr. L den Senat überzeugenddargelegt, dass im MRT der rechten Schulter vom 04. Juli 2013 sich keine (Teil)Ruptur sondern nur eine ansatznahe gelenkseitige Ausdünnung der Supraspinatussehne auf dem Boden einer vorbestehenden Tendinopathie zeige. Bei den beschriebenen geringgradigen angrenzenden kleinzystischen Veränderungen im Humeruskopf handele es sich um eine Enthesiopathie, die sich sehr häufig kombiniert mit den degenerativen Veränderungen der Supraspinatussehne im Ansatzbereich zeige. Auch bei den geringen Zeichen einer Tendinopathie der Bicepssehne vor dem Sulcus bicipitalis handele sich nicht um Traumafolgen. Die arthroskopische Operation vom 24. September 2013 hat nach Darlegung von PD Dr. L ein sogenanntes Outlet Impingement-Syndrom der rechten Schulter bei subacromialer Enge mit einer chronischen Bursitis subacromialis und subdeltoidea ergeben. Nach der Bursektomie habe sich intraoperativ nur eine leichte Auffaserung der Supraspinatussehne, keine Ruptur, was sowohl von Bursaseite als auch von Gelenkseite geprüft worden sei, gezeigt. Insgesamt seien intraoperativ im Humeroglenoidalgelenk nur geringfüge Verschleißzeichen (Knorpelerweichung, vordere Synovialitis) gefunden worden.

 

Zudem spricht nach den überzeugenden, mit dem unfallmedizinischen Erkenntnisstand in Übereinstimmung befindlichen Ausführungen des Sachverständigen PD Dr. L das bei der Klägerin im MRT vom 04. Juli 2013 und intraoperativ am 24. September 2013 in der rechten Schulter vorgefundene „Schadensbild“ eindeutig für einen vorbestehenden degenerativen Schaden. So zeigt sich die kurzstreckige minimale Ausdünnung der Sehne an typischer Stelle, nämlich dort wo infolge der Durchblutungssituation und der Einwirkung der Engpasssituation unter dem Schulterdach die degenerativen Veränderungen beginnen. Anatomisch ist der Ansatzbereich insbesondere der Sehne des Musculus supraspinatus am schlechtesten durchblutet. Zudem reduziert sich die arterielle Versorgung ab dem 30. Lebensjahr stark. Im MRT vom 04. Juli 2013 und nach dem Operationsbericht habe sich bei der Klägerin eine Engpasssituation unter dem Schulterdach (Form des Acromion Bigliani 3) mit den typischen Folgen „Degeneration der Supraspinatussehne im ansatznahen Bereich, Bursitis subacromialis und subdeltoidea, Enthesiopathie im Sehnenansatzbereich im Humeruskopf“ gezeigt. Solche Veränderungen, so PD Dr. L, entständen über einen längeren Zeitraum chronisch ohne, dass das mit Beschwerden verbunden sei. So sei nach Untersuchungen auch der völlige Ausfall der Supraspinatussehne, die am häufigsten degenerativ verändert sei, mit einem nur geringen Kraftverlust verbunden, der vom Deltamuskel ausgeglichen werden könne. Daher spricht auch die von der Klägerin für die Zeit vor dem Unfallereignis geltend gemachte Beschwerdefreiheit nicht gegen die Beurteilung des Sachverständigen, dass die im MRT wie auch intraoperativ beschriebenen Veränderungen in der rechten Schulter bereits zum Zeitpunkt des Unfalls vorgelegen haben.

 

Nichts anderes ergibt sich aus dem vom Senat vom Facharzt für diagnostische Radiologie Prof. Dr. O eingeholten Sachverständigengutachten vom 12. Januar 2021. Prof. Dr. O ist aufgrund seiner Nachbefundung der beigezogenen Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen aus der Zeit vor dem arthroskopischen Eingriff am 24. September 2013 zu dem Ergebnis gelangt, dass sich außer den (ausgeheilten) Frakturen an der fünften bzw. sechsten Rippe rechts und  der rechten Klavikula medial keine frischen traumatischen Veränderungen fänden. Evidente Weichteilschäden - auch im Bereich der rechten Schulter - seien im akuten CT (Polytrauma vom 27. März 2013) nicht dokumentiert. Die MRT-Untersuchung der rechten Schulter vom Juli 2013 zeige typische degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette im Sinne eines partiellen Defektes, einer Ansatztendinopathie der Rotatorenmanschette, eine häufige Beteiligung der Bursa subacromialis sowie eine Tendinopathie der Bicepssehne. Diese Häufung von typischen Befunden sei durch ein Trauma nicht erklärlich. Ebenso sei der arthroskopische Befund des Knorpeldefektes im zentralen Teil des Glenoids durch das Trauma nicht erklärlich, sondern spreche für eine insgesamt degenerative Genese. Die Ansatztendinopathie der Rotatorenmanschette manifestiere sich in den konventionellen Röntgenbildern als Sklerosierung des Knochens an der Stelle der Sehneninsertion. Diese sei seitendifferent vorhanden und über den gesamten überschaubaren Zeitraum erkennbar und ohne jede Dynamik. Aus radiologisch- gutachterlicher Sicht habe daher bereits zum Zeitpunkt des Traumas ein degenerativer Prozess des Schultergelenkes vorgelegen, der möglicherweise erst im Rahmen der posttraumatischen Physiotherapie symptomatisch bzw. erkannt worden sei.

 

Aus den zuvor dargestellten Gründen vermag der Senat dem Ergebnis des Gutachtens der Ärzte des UKB (Prof. Dr. E et al.) vom 17. April 2014 nicht zu folgen.  Zu Recht weist der Sachverständige PD Dr. L auf die Widersprüche in der dortigen Beurteilung hin. So wird einerseits festgestellt, dass der Unfallhergang nicht geeignet gewesen sei, die Rotatorenmanschette zu schädigen, andererseits heißt es, die Krafteinwirkung sei so stark gewesen, dass auch die Schädigung der Rotatorenmanschette als Unfallfolge anerkannt werden müsse. Dabei wird verkannt, dass unabhängig von der Krafteinwirkung zunächst ein Erstschaden gesichert werden muss. Eine Ruptur der Supraspinatussehne oder sonstige traumatische Erstschäden an der rechten Schulter der Klägerin ließen sich jedoch nicht feststellen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

 

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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