L 6 SF 36/21 EK KR

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungsklage bei überlanger Verfahrensdauer
1. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 36/21 EK KR
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Bedeutung von gerichtlichen Versehen, die zu einer Verzögerung des Verfahrens führen, für den Anspruch auf Wiedergutmachung für die unangemessene Dauer eines gerichtlichen Verfahrens. 

I.    Es wird festgestellt, dass das Verfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main – S 25 KR 1120/19 – unangemessen lange gedauert hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 

II.    Der Kläger trägt vier Fünftel, das beklagte Land ein Fünftel der Kosten des Verfahrens.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.  

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung – beziehungsweise allgemeiner: Wiedergutmachung – wegen der nach seiner Auffassung unangemessenen Dauer des vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen S 25 KR 1120/19 geführten Ausgangsverfahrens.

Dort machte der Kläger gegenüber seiner früheren gesetzlichen Krankenkasse die Zahlung von 295,- Euro (zuzüglich Mahngebühren und Zinsen) geltend. Dabei ging es um einen sogenannten Bonusbetrag für gesundheitsbewusstes Verhalten auf der Grundlage entsprechender, durch § 65a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) ermöglichter Satzungsbestimmungen der Beklagten des Ausgangsverfahrens für das Jahr 2019. Konkret machte er Bonuszahlungen wegen aktueller Aufwendungen für Zahnvorsorge (10,- Euro), Zahnreinigung (30,- Euro), Fitnessstudio (50,- Euro), Schutzimpfungen (10,- Euro) und Sportverein (25,- Euro) geltend, zudem für Krebsfrüherkennung (10,- Euro) und ein Gesundheits-Check-Up (10,- Euro), die nur jedes zweite Jahr möglich seien. Schließlich verlangte er wegen „unrepräsentativer Werbung“ Bonuszahlungen für Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern und für Geburtsvorbereitung für die Jahre 2018 und 2019 in einem Umfang von insgesamt 150,- Euro, da entsprechende Bonuszahlungen online beworben würden, obwohl sie für die meisten Mitglieder nicht verfügbar seien. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens lehnte die Zahlung – wobei sie von einem möglichen Bonusbetrag in Höhe von (höchstens) 45,- Euro ausging – durch Bescheid vom 25. März 2019 und Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2019 ab, da zum Zeitpunkt der möglichen Auszahlung kein Versicherungsverhältnis mehr vorgelegen habe, was aber nach ihrer Satzung Voraussetzung einer Bonuszahlung sei.

Der Kläger erhob am 3. Juni 2019 im Ausgangsverfahren Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main, die er kurz begründete. Das Sozialgericht hörte ihn anschließend durch Schreiben vom 6. Juni 2019 auf Grund des in der Klageschrift angegebenen Wohnortes (C-Stadt) zu einer möglichen Verweisung an das Sozialgericht Braunschweig an. Der Kläger teilte daraufhin mit, er befinde sich in einem Beschäftigungsverhältnis in D-Stadt, und legte hierzu auf Anforderung des Sozialgerichts mit Schreiben vom 18. Juli 2019 Unterlagen vor. Deren Übermittlung an die Beklagte des Ausgangsverfahrens nutzte das Sozialgericht, um diese an die Klageerwiderung und die Vorlage ihrer Verwaltungsakte zu erinnern, was durch Schreiben vom 9. August 2019 auch geschah. Der Kläger nahm mit Schreiben vom 7. September 2019 zur Klageerwiderung Stellung. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens äußerte sich hierzu und auf Fragen des Gerichts mit Schreiben vom 28. Oktober 2019. Der Kläger nutzte die ihm eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme durch Schreiben vom 12. November 2019. Weiterer Schriftverkehr der Beteiligten folgte durch Schreiben der Beklagten des Ausgangsverfahrens vom 5. Dezember 2019 und des Klägers vom 21. Dezember 2019. Diesbezüglich verfügte der Kammervorsitzende unter dem 23. Dezember 2019 eine Bitte an die Beklagte des Ausgangsverfahrens um Stellungnahme und eine Wiedervorlage zur laufenden, zuvor am 10. Dezember 2019 auf acht Wochen bestimmten Frist; die Verfügung wurde allerdings versehentlich nicht ausgeführt, was erst anlässlich einer – dann nicht umgesetzten – Erinnerungsverfügung vom 10. März 2020 auffiel. Nachdem daraufhin das Schreiben des Klägers vom 21. Dezember 2019 Anfang April 2020 an die Beklagte übermittelt worden war, nahm diese mit Schreiben vom 25. Mai 2020 Stellung. Hierzu äußerte sich der Kläger nochmals mit Schreiben vom 1. Juni 2020 und bat, da, wie bereits die Beklagte des Ausgangsverfahrens in ihrem letzten Schreiben ausgeführt hatte, die Beteiligten keine neuen Positionen mehr austauschten, um Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Dieses Schreiben wurde der Beklagten des Ausgangsverfahrens zur Kenntnis übermittelt und der Rechtsstreit sodann am 2. Juli 2020 „zur Sitzung“ geschrieben.

Nachdem den Akten für die Zwischenzeit kein weiterer Verfahrensfortgang zu entnehmen ist, erhob der Kläger am 17. März 2021 durch ein per DE-Mail mit authentifiziertem Absender übermitteltes Dokument Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Das Sozialgericht bat anschließend beide Beteiligte um Zustimmung zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, welche die Beklagte des Ausgangsverfahrens am 29. März 2021 und der Kläger – nach einem zwischenzeitlichen Postrücklauf auf Grund einer versehentlichen Versendung des Anfrageschreibens an eine veraltete Adresse – am 13. April 2021 erklärten. Nachdem dieser zwischenzeitlich mit Schreiben vom 30. Mai 2021 noch mitgeteilt hatte, dass er zukünftig nicht mehr in Deutschland wohnen werde, wies das Sozialgericht am 23. November 2021 die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ab. In der Entscheidung führte es unter anderem aus, gegen eine – vom Kläger behauptete – bewusste Verzögerung der Entscheidung über die streitige Bonuszahlung durch die Beklagte des Ausgangsverfahrens spreche, dass er insgesamt lediglich eine wirtschaftlich unbedeutende Bonuszahlung in Höhe von 20,- Euro [für Zahnvorsorge und Schutzimpfungen] hätte beanspruchen können. Der Bonusscheck Sportverein hätte nicht anerkannt werden könne, da es sich bei der Turnerschaft E. im MK [die nach Tatbestand des Urteils den entsprechenden Bonusscheck abgestempelt hatte] nicht um einen Sportverein, sondern um eine studentische Verbindung handele. Die Gewährung eines Bonus für das regelmäßige Trainieren in einem qualitätsgesicherten Fitnessstudio erfordere die Entrichtung des Jahresbeitrages für das gesamte Jahr 2019 [während dem Sozialgericht nach dem Tatbestand der Entscheidung nur eine Rechnung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis 31. März 2019 vorlag]. Eine Inanspruchnahme der übrigen Leistungen des Bonusprogramms habe der Kläger nicht nachgewiesen. Das Urteil wurde der Beklagten des Ausgangsverfahrens am 24. November 2021 zugestellt, dem Kläger – nach einem ersten gescheiterten Zustellversuch – am 7. Dezember 2021 übermittelt. Das Urteil wurde nicht mit Rechtsmitteln angegriffen.

Der Kläger hat, ebenfalls am 7. Dezember 2021, die hiesige Entschädigungsklage erhoben. Die Verfahrensdauer von rund zweieinhalb Jahren sei unangemessen lang. Die Beteiligten hätten einem Verzicht auf mündliche Verhandlung zugestimmt, auch ein Gutachten sei nicht notwendig gewesen. Es habe sich um ein sehr einfaches Verfahren gehandelt: Insbesondere sei streitig gewesen, ob, nachdem die Bonuszahlung das Fortbestehen des Versicherungsverhältnisses voraussetze, der hierfür maßgebliche Termin der des Eingangs eines entsprechenden Antrags oder, wie von der Satzung der Beklagten des Ausgangsverfahrens vorgesehen, ein vom Versicherten nicht beeinflussbarer Termin der Bearbeitung durch die Versicherung sein müsse. Darüber hinaus sei zu prüfen gewesen, ob ein Großteil der Versicherten durch „schwangerschaftsspezifische Bonusbedingungen“ von dem seitens der Beklagten des Ausgangsverfahrens beworbenen Bonus insoweit habe ausgeschlossen werden dürfen. Im Übrigen habe es sich tatsächlich – wie der Beklagte des hiesigen Verfahrens hervorgehoben hatte – um einen relativ kleinen streitigen Betrag gehandelt; allerdings seien die Verweigerung von Bonuszahlungen einerseits und deren Höhe andererseits wesentliche Punkte, welche die Konkurrenz der Krankenkassen und die Wechselmöglichkeiten der Versicherten erheblich beeinflussten, so dass das Verfahren von erheblicher allgemeiner Bedeutung gewesen sei. Auf Bitte des Berichterstatters um Konkretisierung der verlangten Entschädigung der Höhe nach hat der Kläger ausgeführt, dass er von einer nicht gerechtfertigten Verzögerung in einem Umfang von 15 Monaten und daher einer angemessenen Entschädigungszahlung von 1.500,- Euro ausgehe. Der Auffassung des beklagten Landes, dass sich der objektiv streitige Betrag im Ausgangsverfahren auf lediglich 20,- Euro belaufen habe, ist der Kläger entgegengetreten. Falsch sei auch, dass er eine Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung geltend gemacht habe. Vielmehr sei es um eine Pauschale für die Teilnahme am Sportbetrieb eines Vereins gegangen, wobei es irrelevant sein sollte, ob der Verein gewerkschaftsnah, ein Polizeisportverein oder eben in diesem Fall ein studentischer Sportverein sei. Es handele sich durchaus um bonusrelevante Forderungen, wie auch von der Beklagten des Ausgangsverfahrens bestätigt worden sei, die den entsprechenden Wert mit 45,- Euro beziffert habe. Im Übrigen sei der Entschädigungsanspruch unabhängig vom Streitwert und vom Ergebnis des Ausgangsverfahrens. Dieses habe zudem erhebliche Relevanz für viele Versicherte gehabt; überdies sei er auch selbst seit dem 1. Oktober 2020 wieder gesetzlich krankenversichert gewesen. Angesichts des einfach gelagerten Verfahrens wäre eine deutlich kürzere Vorlauf- und Bedenkzeit als üblich angemessen gewesen. Auch könne er sich der Auffassung des Berichterstatters – im Rahmen der Erläuterung eines von diesem unterbreiteten Vergleichsvorschlags – nicht anschließen, wonach von einer Überlänge von (nur) fünf Monaten auszugehen sein dürfte. Die Überlastung des Ausgangsgerichts könne nicht zu einer Verlängerung der angemessenen Verfahrensdauer führen. Auf Anfrage des Berichterstatters hat er im Übrigen mitgeteilt, er verfüge derzeit über keinen festen Wohnsitz.

Der Kläger beantragt sinngemäß, 
das beklagte Land zu verurteilen, ihm wegen der unangemessenen Dauer des vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen S 25 KR 1120/19 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 1.500,- Euro zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat es insbesondere darauf verwiesen, dem Kläger stehe kein Entschädigungsanspruch in Geld zu. Es sei zwar sicherlich festzustellen, dass das Ausgangsverfahren ab dem 3. Juli 2020, nachdem es „zur Sitzung“ geschrieben worden sei, bis zur Zustellung des Urteils vom 23. November 2021, die dem Entschädigungskläger zufolge am 7. Dezember 2021 erfolgt sei, mithin für 17 volle Monate, seitens des Sozialgerichts nicht betrieben worden sei. Zuvor, also seit der Klageerhebung am 3. Juni 2019 bis zum 2. Juli 2020, sei ein Stillstand der Rechtspflege indes nicht auszumachen. Von den 17 Monaten, in denen das Verfahren stillgestanden habe, sei sodann die vom Bundessozialgericht zugebilligte Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten je Instanz in Abzug zu bringen, so dass noch fünf Monate verblieben, die entschädigt werden könnten. Eine Entschädigung in Höhe von 500,- Euro sei dem Kläger dennoch nicht zuzubilligen. Der Bedeutung des Verfahrens komme vorliegend, obwohl es nur eines von mehreren Kriterien darstelle, anhand derer sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer im Einzelfall beurteile, ganz erhebliches Gewicht zu. Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass der Entschädigungskläger mit der Beklagten des Ausgangsverfahrens – objektiv betrachtet – nur um 20,- Euro Bonuszahlungen für das Kalenderjahr 2019 gestritten habe. Ein Anspruch auf die weiteren von ihm geltend gemachten 275,- Euro – unter anderem für eine Mitgliedschaft in einer studentischen Verbindung – habe von vornherein nicht bestanden, so dass seine Rechtsverfolgung insoweit aussichtslos gewesen sei. Vor diesem Hintergrund sei die Einschätzung des sozialgerichtlichen Kammervorsitzenden durchaus nachvollziehbar, dass das vom Entschädigungskläger geführte Verfahren hinter „wirklich dringlichen“ Entscheidungen – wie sie in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht selten zu treffen seien – habe zurückstehen müssen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Verweigerung von Bonuszahlungen und deren Höhe als wesentliche Punkte benenne, welche die Konkurrenz der Krankenkassen und die Wechselmöglichkeiten der Versicherten erheblich beeinflussten, handle es sich um allgemeine Erwägungen, die keinen konkreten Bezug zu seiner Person aufwiesen und daher im Rahmen von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG keine Rolle spielten. Das gelte vorliegend umso mehr, als der Entschädigungskläger seit dem 1. März 2019 privat krankenversichert gewesen sei. Im Ergebnis sei bei einem objektiv streitigen Betrag von 20,- Euro nicht erkennbar, inwiefern der Kläger durch eine nur fünfmonatige Verzögerung des Rechtsstreits einen entschädigungsrelevanten Nachteil erlitten haben könnte. In Anbetracht dieser Erwägungen komme auch eine gerichtliche Feststellung der unangemessenen Dauer im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG nicht in Betracht.

Die Beteiligten haben sich, der Kläger bereits mit der Klageschrift und nochmals durch Schreiben vom 18. Februar 2022, das beklagte Land mit Schreiben vom 21. Februar 2022, mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowohl zum hiesigen wie zum Ausgangsverfahren Bezug genommen. 


Entscheidungsgründe

Der Senat kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem beide Beteiligte ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Klage ist zulässig und (nur) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger kann als Wiedergutmachung wegen der unangemessenen Dauer des vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen S 25 KR 1120/19 geführten Verfahrens nur deren Feststellung verlangen; im Übrigen, also wegen der vom Kläger geltend gemachten Entschädigungszahlung, kann die Klage dagegen keinen Erfolg haben.

I. Gegenstand der Klage ist zunächst der Anspruch auf Entschädigung in Geld wegen der nach Auffassung des Klägers überlangen Dauer des Ausgangsverfahrens, wobei er dessen Höhe in seinem Schreiben vom 20. Dezember 2021 vorläufig mit 1.500,- Euro beziffert hat. Die Klage ist insofern als allgemeine Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs. 5 SGG; vgl. für viele BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL –, BSGE 113, 75, Rn. 14 ff.).
Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist zudem die Feststellung einer unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens als Form der Wiedergutmachung auf andere Weise im Sinne von § 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG). Dies setzt einen gesonderten, gerade hierauf gerichteten Antrag nicht voraus (§ 198 Abs. 4 Satz 2 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG).

II. Die Klage ist zulässig, insbesondere hat der Kläger sie form- und fristgerecht erhoben.
Den Vorgaben aus § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG ist genügt. Auch wenn man für den Regelfall davon ausgeht, dass zu der nach dieser Vorschrift verlangten Bezeichnung des Klägers die Angabe einer Adresse gehört, an der Zustellungen erfolgen können, ist unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG –) hiervon eine Ausnahme zu machen, wenn dieser, namentlich wegen des Fehlens eines festen Wohnsitzes und eines gewöhnlichen Aufenthaltsortes, keine Adresse angeben kann und gleichzeitig durch die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten die Durchführung des Verfahrens ermöglicht. So verhält es sich hier, nachdem der Senat zum einen keinen Anlass hat, an den Angaben des Klägers zum Fehlen einer dauerhaften eigenen Adresse, an die Zustellung erfolgen könnten, zu zweifeln, und dieser zum anderen auf Bitte des Berichterstatters einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland benannt hat.
Die Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG), wonach eine Entschädigungsklage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden kann, hat der Kläger eingehalten: Bei Erhebung der Entschädigungsklage am 7. Dezember 2021 war die sechsmonatige Wartefrist, die an die am 17. März 2021 angebrachte Verzögerungsrüge anknüpft, abgelaufen und die Klage damit nicht zu früh erhoben.

III. Die Klage ist jedoch nur im Sinne der Feststellung einer unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens begründet.

1. Die materielle Ausschlussfrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG, wonach die Entschädigungsklage spätestens sechs Monate nach Rechtskraft der Entscheidung, die das Ausgangsverfahren beendet hat, erhoben werden muss, hat der Kläger eingehalten.

2. Ein Anspruch auf Entschädigung in Geld scheitert auch nicht etwa am Fehlen einer Verzögerungsrüge im Sinne von § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG in Verbindung mit § 202 Satz 2 SGG (vgl. zur Verzögerungsrüge für viele BSG, Urteil vom 27. Juni 2013 – B 10 ÜG 9/13 B –, juris; Hessisches LSG – erkennender Senat –, Urteil vom 8. Juli 2020 – L 6 SF 6/19 EK AS –, juris, Rn. 29 und Urteil vom 8. Juli 2020 – L 6 SF 7/19 EK AS –, juris, Rn. 26 ff.). Für die Wiedergutmachung auf andere Weise ist eine Verzögerungsrüge ohne keine notwendige Voraussetzung.
Die Verzögerungsrüge ist sowohl formell als auch unter inhaltlichen Gesichtspunkten wirksam erhoben. Eine Versendung als absenderauthentifizierte DE-Mail, wie der Kläger sie genutzt hat, gehört nach § 65a Abs. 4 Nr. 1 SGG zu den sicheren Übermittlungswegen für elektronische Dokumente im Sinne von § 65a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGG. Die spezifischen, in diesem Zusammenhang gesetzlich vorgesehenen Formerfordernisse, also die sichere Anmeldung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 des DE-Mail-Gesetzes und deren Bestätigung, hat der Kläger beachtet. Bei der Übersendung eines elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg bedarf dieses keiner qualifizierten elektronischen Signatur; vielmehr genügt eine „einfache“ Signatur und hierfür zum Beispiel – wie im konkreten Fall – der maschinengeschriebene Name auf dem Dokument (vgl. Müller NZA 2019, 1682, 1683; Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 65a Rn. 8).
In der Sache setzt die wirksame Erhebung einer Verzögerungsrüge voraus, dass Anlass zur Besorgnis besteht, das Verfahren werde nicht in angemessener Zeit abgeschlossen (§ 198 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG). Das Ausgangsverfahren war bei Erhebung der Verzögerungsrüge im März 2021 bereits 21 Monate anhängig. Da (jedenfalls) seit Juni 2020 keine verfahrensfördernden gerichtlichen Aktivitäten mehr erfolgt und ein baldiges Verfahrensende nicht absehbar waren, bestand zu diesem Zeitpunkt für den Kläger nachvollziehbar Anlass, eine unangemessene Verfahrenslaufzeit zu befürchten. Die Erhebung einer wirksamen Verzögerungsrüge ist nach Auffassung des Senats nicht erst möglich, wenn auch die regelmäßig zwölfmonatige Vorbereitungs- und Bedenkzeit für das jeweilige erkennende Gericht vollständig verstrichen ist. Vielmehr genügt es, wie der Formulierung von § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG deutlich zu entnehmen ist, wenn eine Überlänge auf Grund konkreter Anhaltspunkte zu befürchten ist, was bereits zuvor der Fall sein kann, wenn ein baldiger Abschluss des Verfahrens noch nicht absehbar ist.
Ist eine Verzögerungsrüge wirksam erhoben, so ist bei der Beurteilung einer Überlänge auch die zu diesem Zeitpunkt bereits verstrichene Dauer des Verfahrens einzubeziehen. Dies gilt auch dann, wenn die Verzögerungsrüge schon früher hätte erhoben werden können (vgl. nur BSG, Urteil vom 7. September 2017 – B 10 ÜG 3/16 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr. 14, Rn. 20; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12. Februar 2020 – L 12 SF 39/17 EK AS –, juris, Rn. 38).

3. Das Verfahren dauerte schließlich auch unangemessen lang, wenn auch – bei weitem – nicht in dem vom Kläger geltend gemachten Umfang.
a) Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) nicht nach starren Fristen, sondern nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. zum Maßstab ausführlich BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 2/13 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr. 3, Rn. 23 ff.; BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 – B 10 ÜG 11/13 R –, BSGE 118, 102; Hessisches LSG – erkennender Senat –, Urteil vom 1. August 2018 – L 6 SF 2/18 EK SB –, juris, Rn. 32 ff.). 
Die sich aus § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) ergebenden Maßstäbe für eine unangemessene Verfahrensdauer sind nach Entstehungsgeschichte und Zielsetzung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 und Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auszulegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 –, BGHZ 199, 87, Rn. 29; Schenke, NVwZ 2012, 257, 258). § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt in diesem Rahmen nur beispielhaft und ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind.
Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung ist die durch § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von dessen Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens insbesondere anhand der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) genannten Kriterien zu beurteilen. Kleinste relevante Zeiteinheit möglicher Verzögerung ist dabei der (Kalender )Monat. Auf dieser Grundlage und im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände ist schließlich in einem dritten Schritt zu entscheiden, ob die Verfahrensdauer die Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL –, BSGE 113, 75). 
Ausgehend von diesem Rahmen ist die generelle Festlegung eines Zeitraums, bei dessen Überschreiten ein Verfahren generell als unverhältnismäßig lange dauernd zu bewerten ist, nicht möglich (vgl. am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfG, Beschwerdekammerbeschluss vom 30. August 2016 – 2 BvC 26/14 – Vz 1/16 –, juris; BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 –, juris). Das gilt zumal, da Zügigkeit oder Verfahrensbeschleunigung keine absoluten Werte sind, sondern stets im Zusammenhang und im Spannungsverhältnis mit den übrigen Verfahrensgrundsätzen, insbesondere dem Amtsermittlungsgrundsatz, und dem damit korrespondierenden Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer gründlichen und zutreffenden Bearbeitung durch das Gericht zu sehen sind. Konkretisierend ist der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Auffassung, dass vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls die Dauer eines Verfahrens noch als angemessen anzusehen ist, wenn sie auf einer (vertretbaren) aktiven Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht und, soweit sie darüber hinausgeht, eine regelmäßig jedem Gericht zuzubilligende Vorbereitungs- und Überlegungszeit, in der eine aktive Verfahrensförderung nicht erkennbar sein muss, nicht überschreitet (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 – B 10 ÜG 11/13 R –, BSGE 118, 102, Rn. 33 f.; Hessisches LSG – erkennender Senat –, Urteil vom 1. August 2018 – L 6 SF 2/18 EK SB –, juris). 
Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 1. August 2018 – L 6 SF 2/18 EK SB – dargelegt hat, ergibt sich die in diesem Rahmen für die Beurteilung der Verfahrensdauer relevante Bedeutung des Verfahrens aus der Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen des um Entschädigung nachsuchenden Beteiligten. Entscheidend ist deshalb, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf dessen Verfahrensposition und das gegebenenfalls geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine weiteren geschützten Interessen auswirkt (BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 2/13 –, BSGE 117, 21, Rn. 29). Dagegen sind, da § 198 GVG auf die Entschädigung (oder allgemeiner: die Wiedergutmachung) individueller Belastungen gerade des Entschädigungsklägers durch eine unangemessene Verfahrensdauer zielt, Aspekte wie die vom Kläger angeführte Bedeutung der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fragen für die Allgemeinheit nicht von entscheidendem Gewicht.
b) Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich das Ausgangsverfahren als unangemessen lang.
aa) Insgesamt dauerte es, wenn man, wie dies nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) veranlasst ist, den Monat der Zustellung und den Ablauf der Rechtsmittelfrist mit einbezieht, von Juni 2019 bis Januar 2021 und mithin gut zweieinhalb Jahre.
bb) Für die Beurteilung der Dauer eines gerichtlichen Verfahrens im Hinblick auf seine (Un )Angemessenheit sind sodann Zeiten, in denen das Verfahren aktiv betrieben wurde, und Zeiten gerichtlicher Inaktivität gegenüberzustellen. 
Danach kann die Zeit vom Klageeingang bis Dezember 2019 zu einer als unangemessen zu qualifizierenden Dauer des Verfahrens nichts beitragen, nachdem die Beteiligten in dieser Zeit in kurzen Abständen ihre Argumente ausgetauscht haben.
Nachfolgend ist es durch die versehentlich nicht ausgeführte Verfügung des Kammervorsitzenden aus dem Dezember 2019, mit dem dieser die Beklagte des Ausgangsverfahrens zur Stellungnahme zu dem vorangegangenen Schreiben des Klägers hatte auffordern wollen, zu einer ersten Zeit der Inaktivität gekommen. Zeiten tatsächlich fehlender Verfahrensförderung, die aufgrund der (fehlenden) Tätigkeit der Geschäftsstellen beziehungsweise Serviceeinheiten der Gerichte entstehen, sind dem Gericht beziehungsweise dem zur Wiedergutmachung verpflichteten Gerichtsträger in gleicher Weise zuzurechnen wie solche, die auf Grund (fehlender) richterlicher Tätigkeiten, wegen eines Organisationsverschuldens oder unzureichender Personalausstattung auftreten. Auch wenn das Entschädigungsrecht nicht primär darauf zielt, kleinere, alsbald korrigierte und auf einem Versehen beruhende Fehler, wie sie in allen gesellschaftlichen Zusammenhängen auftreten können, zu entschädigen oder auch nur auf andere Weise wiedergutzumachen, können Versehen wie das hier vorliegende nicht außer Betracht bleiben: Für die Angemessenheit der Dauer ist die Frage des Verschuldens einzelner am Gericht tätiger Personen nicht von Belang. Vielmehr ist maßgeblich, ob der Beteiligte eine entsprechende Verfahrensdauer als (noch) angemessen hinzunehmen hat. Es kommt daher nicht darauf an, aus welchen Gründen das Verfahren keinen Fortgang nimmt, sofern die maßgeblichen Umstände dem Gericht und nicht Dritten zuzurechnen sind. Für die Beteiligten bleiben die für die Verzögerungen im Einzelnen verantwortlichen Ursachen ohnehin häufig unerkennbar.
Daher ist die Zeit bis zu der nachträglichen Ausführung der Verfügung aus dem Dezember 2019 Anfang April 2020 entschädigungsrechtlich nicht ohne Relevanz. Nach deren Ausführung haben die Beteiligten zunächst wieder zur Sache vorgetragen, das Verfahren nahm insofern seinen Fortgang. Dagegen ist für die Zeit ab Juli 2020, in dem das Verfahren (ohne sonstige Aktivität) „zur Sitzung“ geschrieben wurde, bis einschließlich Februar 2021 eine gerichtliche Verfahrensförderung nicht zu verzeichnen. 
Im März 2021 bat das Gericht die Beteiligten um Zustimmung zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, die diese im März beziehungsweise April 2021 erklärten. Die (sehr kurze) Verzögerung, die auf Grund der Verwendung einer nicht mehr aktuellen Adresse bei der Versendung des Anfrageschreibens an den Kläger (möglicherweise) auftrat, weil der Kläger andernfalls auch seinerseits bereits im März 2021 seine Zustimmung erklärt hätte, ist entschädigungsrechtlich nicht von Relevanz: Anders als Fehler, die dazu führen, dass eine Verfahrensförderung ganz unterbleibt – wie im konkreten Ausgangsverfahren auf Grund der Nichtausführung der Verfügung im Dezember 2019 –, führen vereinzelte, alltägliche und als solche nicht immer vermeidbare Versehen bei der Umsetzung einer als solchen verfahrensförderlichen Aktivität nach Auffassung des Senats nicht zu einer unangemessenen Dauer des Verfahrens; das gilt jedenfalls dann, wenn sie kurzfristig korrigiert werden. 
In der Zeit von Mai 2021 bis einschließlich Oktober 2021 ist eine Verfahrensförderung wiederum nicht erkennbar. Im November 2021 erging das Urteil und wurde der Beklagten auch noch im gleichen Monat zugestellt, dem Kläger Anfang Dezember 2021 übermittelt. Die (wiederum sehr kurze) Verzögerung, die auf Grund des – gescheiterten – Versuchs einer förmlichen Zustellung entstand, die das Gericht versucht hatte, bevor es die Entscheidung an die vom Kläger genutzte Postbox übermittelte, kann eine gegebenenfalls wiedergutzumachende Überlänge nicht verursachen.
Damit ergeben sich Zeiten, in denen das Verfahren keinen erkennbaren Fortgang nahm und dies nicht auf dem Gericht nicht zurechenbaren Verhalten Dritter beruht, in einem Umfang von 17 Monaten.
cc) Diese vermögen allerdings keineswegs in vollem Umfang eine Überlänge des Ausgangsverfahrens zu begründen.
Dem Ausgangsgericht sind vielmehr Vorbereitungs- und Bedenkzeiten, die regelmäßig je Instanz zwölf Monate betragen, zuzubilligen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Schritte der Verfahrensförderung als gerechtfertigt angesehen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 – B 10 ÜG 11/13 R –, BSGE 118, 102; Hess. LSG – erkennender Senat –, Urteil vom 1. August 2018 – L 6 SF 2/18 EK SB –, juris, Rn. 47).
Anlass, die Zeitspanne von zwölf Monaten zu reduzieren, besteht vorliegend nicht. Eher wäre in Betracht zu ziehen, den Zeitraum mit Blick auf die geringe Bedeutung des Verfahrens zu erhöhen. Der Senat lässt dies offen, da unter Abwägung mit den sonstigen für die Beurteilung maßgeblichen Faktoren eine Verlängerung um mehr als ein Vierteljahr und also in einem Umfang, der zur Folge hätte, dass von einer insgesamt angemessenen Verfahrensdauer ausgegangen werden könnte, nicht gerechtfertigt erscheint. 
Im Einzelnen gilt, dass die Schwierigkeit des Ausgangsverfahrens sicherlich nicht als hoch, aber auch nicht als auffallend gering eingeschätzt werden kann. Der Kläger selbst hat in seinem Schreiben vom 18. Februar 2022 auf eine Reihe von Fragen hingewiesen, die nach seiner Auffassung im Ausgangsverfahren von Relevanz gewesen seien. Selbst wenn das Ausgangsgericht dies im Ergebnis anders beurteilt haben mag, standen diese doch jedenfalls im Raum und das Sozialgericht hatte sich eine Rechtsmeinung zu ihnen oder doch jedenfalls zu ihrer (ggf. fehlenden) Relevanz zu bilden. Eine Verkürzung der Vorbereitungs- und Bedenkzeit wegen einer außergewöhnlich geringen Schwierigkeit des Ausgangsverfahrens ist daher nicht veranlasst. Ähnliches gilt für den Umfang des Verfahrens.
Dagegen wirkt die – sehr geringe – Bedeutung des Verfahrens in Richtung einer Verlängerung der Verfahrensdauer, die der Kläger als (noch) angemessen hinzunehmen hat. Hintergrund ist, dass dem Gericht ein Spielraum zuzubilligen ist, der es ihm ermöglicht, der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und muss und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – III ZR 141/14 –, BGHZ 204, 184, Rn. 33). In diesem Rahmen kann und wird es vielfach sachgerecht sein, Verfahren mit vergleichsweise geringer Bedeutung jedenfalls über einen gewissen Zeitraum hinter andere zurückzustellen, so dass auch Zeiten gerichtlicher Inaktivität, die über die regelmäßige Vorbereitungs- und Bedenkzeit hinausgehen, von den Beteiligten an Verfahren mit geringer Bedeutung noch hinzunehmen sind.
Dabei kommt es wegen der im Rahmen von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG gebotenen Individualisierung und Konkretisierung anhand des jeweiligen Einzelfalles für die Beurteilung der Bedeutung eines Verfahrens nicht allein auf die numerische Größenordnung des streitigen Anspruchs an. Vielmehr kann, etwa wenn um existenzsichernde Leistungen gestritten wird, auch ein geringer Leistungsbetrag für den Betroffenen von erheblichem Gewicht sein (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 – B 10 ÜG 11/13 R –, BSGE 118, 102, Rn. 29). Steht allerdings, wie hier, ein Anspruch im Streit, bei dem es um die Erzielung einer Anreizwirkung geht, durch die der Betroffene zu einem gesundheitsbewussten Verhalten – das letztlich auch ohne diese Anreize in seinem eigenen Interesse liegt – angeregt werden soll, und der also seiner Konzeption nach für die Lebensführung des Beteiligten keine herausgehobene Bedeutung hat, so führt ein geringer Umfang des im Ausgangsverfahren streitigen Betrages dazu, dass diesem auch nach den Kriterien des Entschädigungsrechts geringe Bedeutung beizumessen ist. Das gilt vorliegend bereits dann, wenn man von dem vom Kläger eingeklagten Betrag von 295,- Euro ausgeht, umso mehr aber, wenn man berücksichtigt, dass die Klage, soweit ersichtlich, hinsichtlich eines erheblichen und auch für den Kläger erkennbaren Teils von vornherein nicht erfolgversprechend sein konnte.
Dennoch ist der Senat bei der gebotenen Gesamtabwägung der Auffassung, dass dies Zeiten gerichtlicher Inaktivität von 17 Monaten nicht in vollem Umfang rechtfertigt, sondern es zu einer Überlänge des Verfahrens gekommen ist, wenn diese auch deutlich hinter den diesbezüglichen Annahmen des Klägers zurückbleibt.

4. Allerdings ist nach Auffassung des Senats eine Wiedergutmachung auf andere Weise als durch eine Entschädigungszahlung ausreichend.
Zwar erlaubt diese in § 198 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) vorgesehene Möglichkeit auf Grund der für die Entschädigungsregelung maßgeblichen europarechtlichen Vorgaben nur in Ausnahmefällen das Absehen von einem Entschädigungsanspruch in Geld, auch wenn der Gesetzeswortlaut auf den ersten Blick ein umgekehrtes Regel-Ausnahme-Verhältnis nahezulegen scheint (vgl. hierzu B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 26a). Eine Feststellung der Überlänge ist aber dennoch, wie der Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bereits entschieden hat, jedenfalls dann ausreichend, wenn der mit dem Ausgangsverfahren erstrebte finanzielle, ideelle oder sonstige Vorteil erkennbar geringfügig oder gar nicht (mehr) erkennbar ist oder/und die Rechtsverfolgung erkennbar aussichtslos ist oder/und der Beteiligte auf Grund seines (Gesamt-)Verhaltens wesentlich zur Verzögerung beigetragen hat (vgl. in diesem Sinne die Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drucks. 17/3802, S. 20; außerdem BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL –, BSGE 113, 75, Rn. 45; BFH, Urteil vom 17. April 2013 – X K 3/12 –, juris; Hess. LSG – erkennender Senat –, Urteil vom 8. Juli 2020 – L 6 SF 6/19 EK AS – juris, Rn. 48; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Oktober 2017 – L 2 SF 248/17 EK AS –, juris, Rn. 44; Engel-Boland, in: Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, 2014, § 202 Rn. 53; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 26a). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass andernfalls ein Anreiz geschaffen würde, Klagen, die für den Betroffenen von (auch für ihn erkennbar) nur geringem Gewicht sind, nur oder doch in erster Linie deswegen (weiter) durchzuführen, um auf diese Weise einen finanziellen Vorteil, nämlich eine Geldentschädigung auf der Grundlage von § 198 GVG, zu erlangen, die über das Interesse an dem Ausgangsverfahren, gegebenenfalls sogar deutlich, hinausgeht. Dementsprechend ist ein Entschädigungsanspruch in Geld regelmäßig ausgeschlossen, wenn das mit dem Ausgangsverfahren absehbar zu verwirklichende Interesse nur gering und die Klage (jedenfalls im Übrigen) aussichtslos und dies für den Betroffenen erkennbar war (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27. Mai 2020 – L 13 SF 5/19 EK AS –, juris; zurückhaltend dagg. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12. Februar 2020 – L 12 SF 33/18 EK AS –, juris, Rn. 43). Das gilt zumindest dann, wenn nur eine vergleichsweise geringfügige Überlänge im Raum steht. 
Dem steht nicht entgegen, dass eine Entschädigung in Geld regelmäßig auch dann denkbar ist, wenn im Ausgangsverfahren beispielsweise um eine gegen den Entschädigungskläger gerichtete Erstattungsforderung beziehungsweise einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gestritten wurde und dieser daher, namentlich mit Blick auf die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG, durch einen mit der unangemessenen Dauer des gerichtlichen Verfahrens gegebenenfalls verbundenen weiteren Aufschub unter rein finanziellen Gesichtspunkten sogar und gerade dann profitiert, wenn er im Ergebnis ohne Erfolg bleibt. Grund dafür ist, dass die pauschalierte Entschädigungszahlung nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG in Verbindung mit § 202 Satz 2 SGG auf einen Ausgleich für immaterielle Nachteile zielt (vgl. nur Röhl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 198 GVG – Stand: 10.12.2020 – Rn. 128). Die mit einem langdauernden Verfahren einhergehende Unsicherheit und Belastung kann und wird aber bei einer im Raum stehenden hohen Rückzahlungsforderung und/oder einem gewichtigen immateriellen Interesse regelmäßig und nachvollziehbar deutlich schwerwiegender sein als bei einer kleinen (positiven) Geldforderung, hinsichtlich derer das Obsiegen oder Unterliegen für den Betroffenen und dessen Lebensführung von untergeordnetem Gewicht ist (vgl. zu diesem Gesichtspunkt ausfl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Mai 2020 – L 37 SF 149/19 EK AS –, juris, Rn. 23).
Ausgehend von diesen Überlegungen hält der Senat im hiesigen Verfahren eine Wiedergutmachung auf andere Weise für ausreichend. Selbst wenn man die regelmäßige Vorbereitungs- und Bedenkzeit nicht wegen der geringen Bedeutung erhöht und also die Zeiten unzureichender Verfahrensförderung in vollem Umfang berücksichtigt – um eine „Doppelverwertung“ der geringen Bedeutung des Verfahrens bei der Beurteilung der Angemessenheit einerseits und der Frage, ob ausnahmsweise eine Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend ist, andererseits zu vermeiden –, läge hier eine Überlänge nur in einem Umfang von nicht mehr als einem halben Jahr vor. Dies ist angesichts der geringen im Ausgangsverfahren im Streit stehenden Summe, die im konkreten Fall mit Blick auf den Charakter des dort geltend gemachten Anspruchs auch mit einer entsprechend geringen Bedeutung für den Kläger einherging, als Überlänge von geringem Gewicht zu bewerten; es ist nicht plausibel und nicht nachvollziehbar dargetan, dass mit ihr erhebliche (immaterielle) Belastungen gerade für den Kläger einhergegangen sein könnten. Wegen der auf die individuelle Entschädigung zielenden Konzeption des § 198 GVG kommt es wesentlich auf dessen individuelle Betroffenheit an. Es kann daher offenbleiben, ob dessen Vorbringen zur Breitenwirkung des Streitfalles und dessen Relevanz für Dritte gefolgt werden kann. Nur ergänzend ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass diese vermeintlich oder tatsächliche Breitenwirkung des Ausgangsverfahrens – verständlicherweise – auch das Verhalten des Entschädigungsklägers nicht bestimmt hat, andernfalls kaum plausibel wäre, dass er sich nicht um die Zulassung der Berufung bemüht hat. Er hat sich damit nicht zum Sachwalter der Allgemeinheit gemacht – und musste dies selbstverständlich auch nicht; dies verdeutlicht aber, dass und warum es für das Entschädigungsrecht nur oder doch jedenfalls in allerster Linie auf die individuelle Betroffenheit des um Entschädigung nachsuchenden Beteiligten ankommt. 
Im Ergebnis ist auf Grund der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles eine Wiedergutmachung auf andere Weise als durch die Zuerkennung eines Entschädigungsbetrages ausreichend.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 1 und 3 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach sind, wenn – wie hier – ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Der Kläger hat (nur) mit dem deutlich weniger gewichtigen, wenn auch nicht bezifferbaren Feststellungsantrag obgesiegt, mit dem auf Entschädigung in Geld zielenden Begehren ist er dagegen vollständig erfolglos geblieben; zudem bleibt die tatsächlich vorliegende Überlänge deutlich hinter dem vom Kläger geltend gemachten Umfang zurück. Daher erscheint es sachgerecht, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens zu einem deutlich überwiegenden Anteil zu tragen hat.

V. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgezählten Gründe hierfür vorliegt. 

Rechtskraft
Aus
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