L 8 U 3691/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 U 2999/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3691/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim
vom 14.10.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 4104 (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung [Asbestose], in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1964 geborene Kläger erlernte in der ehemaligen DDR den Beruf des Kfz-Schlossers und arbeitete anschließend ab 17. August 1982 im V (später EGmbH) in E1 als Entschwefler, Fahrer und Konvertermann [der Konvertermann
überwacht und steuert die Prozesse zur Herstellung von Roheisen und Stahl]. Nach Beendigung dieser Tätigkeit zum Jahresende 1994 verrichtete der Kläger verschiedene Berufstätigkeiten unter anderem als Kraftfahrer und Hausmeister. Zuletzt war er von Juli 2011 bis einschließlich März 2015 bei dem E2 Holzbaubetrieb M als Kraftfahrer (zu 97%) und Dachdeckerhelfer (zu 3%) beschäftigt.

Der Kläger rauchte vom 18. Lebensjahr bis zum 52. Lebensjahr täglich ca. 25 Zigaretten bzw. eine Schachtel Zigaretten.

Im April 2015 traten beim Kläger erstmals Lungenbeschwerden auf. Im Dezember 2015 diagnostizierten die Ärzte der Tklinik H ein nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom, bereits in einem metastasierten Stadium, und erstatteten mit einem am 29.01.2016 eingegangenen Schreiben eine ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit.

Die Beklagte befragte den Kläger am 24.03.2016 telefonisch. Nach der Stellungnahme „Arbeitsplatzexposition“ des Präventionsdienstes vom 14.04.2016 sei der Kläger während seiner Tätigkeit als Fahrer für die EE1 zwar Strahlungswärme und vereinzelt Spritzern glutflüssiger Massen ausgesetzt gewesen. Zur Abwehr der daraus entstehenden Gefährdung habe der Versicherte thermisch isolierende Schutzkleidung anfänglich aus hohen Anteilen von nicht-kontaminiertem Asbestgewebe getragen. Im Betrieb für die M Dach- und Holzbau GmbH von Juli 2010 bis März 2015 habe der Kläger in einem Betrieb der Asbestentsorgung gearbeitet. Rückgebaut und beseitigt worden seien überwiegend Fassadenverkleidungen. Die verwendeten Staubmasken hätten ausführungsbedingt in der Berühr- oder Abschlusskante Undichtigkeiten aufgewiesen. Sie seien in ihrer Schutzfunktion herabgesetzt und für den vom Unternehmen beabsichtigten Zweck ungeeignet gewesen. Ausgehend von diesen Angaben und einer Berechnung der Expositionshöhe nach dem BK-Report 1/2013 Faserjahre (Tabelle 7.3) weise Kläger bis zum Ende des Jahres 1994 eine beruflich bedingte Asbestexposition von 4,6 Asbestfaserjahren auf.

Nach der Stellungnahme „Arbeitsplatzexposition“ vom 11.05.2016 sei der Kläger durch den Umgang mit asbesthaltigem Material im Zeitraum von 2011 bis 2015 bei der Fa. M einer Asbeststaubbelastung von rund 0,04 Faserjahren ausgesetzt gewesen.

Die Beklagte holte eine beratungsärztliche fachradiologische Stellungnahme vom 28.07.2016 bei der R ein. Hiernach ließen sich keine radiologischen Brückenbefunde an der Pleura als Voraussetzung für die Anerkennung einer BK Nr. 4104 nachweisen. Im Lungenparenchym gebe es kein Hinweis auf Fibrose im Sinne einer Asbestose. Sowohl der bildgebende Befund als auch die gesamte Befundkonstellation seien mit einem primären Lungenkarzinom vereinbar.

Nach der gewerbeärztlichen Stellungnahme der K vom 18.10.2016 des Landesamtes für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit des Landes B1 habe die Tätigkeit des Versicherten nicht mit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK Nr. 4112 Anl. 1 BKV im Zusammenhang gestanden, weswegen eine Anerkennung der Lungenkrebserkrankung des Klägers als BK unbegründet wäre.

Mit Bescheid vom 20.10.2016 führte die Beklagte aus, beim Kläger bestehe weder eine BK nach der Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV noch eine BK nach der Nr. 4112 der Anlage 1 zur BKV (Lungenkrebs durch die Einwirkung von kristallinem Siliziumdioxid bei nachgewiesener Quarzstaublungenerkrankung [Silikose oder Siliko-Tuberkulose]). Ansprüche auf Leistungen bestünden daher nicht. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer BK entgegenzuwirken. Der Kläger sei bei seinen beruflichen Tätigkeiten keiner Einwirkung durch Quarzstäube ausgesetzt gewesen. Darüber hinaus hätten die arbeitstechnischen Ermittlungen ergeben, dass er während seiner Tätigkeit als Maschinist für Hebezeuge und Dachdeckerhelfer Umgang mit asbesthaltigen Arbeitsstoffen gehabt habe. Die festgestellten 4,6 bzw. 0,04 Asbestfaserjahre erreichten zusammen nicht den vom Verordnungsgeber geforderten Wert von 25 Faserjahren. Nach fachradiologischer Auswertung der beigezogenen Röntgen-/CT-Aufnahmen durch Frau R hätten asbesttypische Veränderungen der Lungen und/oder der Pleura nicht nachgewiesen werden können. Somit könne ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den beruflichen Tätigkeiten des Klägers und seiner Lungenkrebserkrankung nicht bestätigt und die Erkrankung nicht als BK Nr. 4104 anerkannt werden.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch vom 14.11.2016 machte der Kläger unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen geltend, in den Schutzanzügen der EGmbH seien Asbestfäden eingenäht gewesen. Schon ab dem ersten Atemzug sei das Risiko ziemlich hoch, beim Tragen dieser Anzüge Asbest einzuatmen, und nicht erst ab dem 26. Asbestfaserjahr. Andere Ursachen für seine Krebserkrankung seien nicht nachzuweisen. Eine sogenannte Minimalasbestose sei bei ihm bis dato nicht ausgeschlossen worden. Auch sei zu berücksichtigen, dass Weißasbest zwar keine nachweislichen Spuren im Körper hinterlasse, dennoch aber seine Wirkung dort entfalte.

H1 diagnostische und interventionelle Radiologie der Tklinik H, führte in seiner fachradiologischen Stellungnahme vom 03.07.2017 nach erfolgtem HR-CT [hochauflösende Dünnschicht-Computertomographie in Niedrigdosis-Spiraltechnik] des Thorax aus, beim Kläger habe sich nicht die typische Radiomorphologie einer Asbeststaublungenerkrankung oder einer durch Asbeststaub bedingten Erkrankung der Pleura ergeben. Anhand des bildgebenden Verfahrens könne nicht von einem asbestinduzierten Lungenkrebs nach BK Nr. 4104 ausgegangen werden. Bei ehemals langjähriger Tätigkeit in der Gießerei eines Stahlwerkes hätten sich auch keine Veränderungen z.B. einer Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) oder einer Hartmetalllunge ergeben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2017 wies die Beklagte darauf den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei an Lungenkrebs erkrankt nach einer beruflichen Tätigkeit mit einer Asbesteinwirkung von insgesamt ca. fünf Asbestfaserjahren. Diese Umstände reichten jedoch für die Anerkennung einer BK nur aus, wenn bestimmte arbeitsmedizinische Tatbestandsmerkmale vorlägen oder bestimmte Expositionsgrößen (Umfang der Schadstoffbelastung) nachgewiesen seien. Eine Anerkennung der BK Nr. 4104 könne bei dem hier unstreitigen Befund eines Bronchialkarzinoms erfolgen, wenn sogenannte asbestotische Brückenbefunde vorlägen. Danach sei erforderlich, dass asbestbedingte Veränderungen des Lungengewebes oder des Brustfells (Pleura) diagnostiziert worden seien, welche asbesttypische Schädigungen der genannten Organe darstellten. Ausweislich der umfangreichen aktenkundigen Befunde, insbesondere nach der am 12.06.2017 durchgeführten HRCT-Untersuchung hätten derartige Veränderungen beim Kläger nicht diagnostiziert werden können. Auch eine so genannte Minimalasbestose habe sich bei ihm nicht nachweisen lassen. Ein Bronchialkarzinom könne bei Fehlen medizinischer Brückenbefunde jedoch auch dann im Sinne dieser BK anerkannt werden, wenn eine Asbestfaserstaubbelastung von insgesamt 25 Faserjahren nachgewiesen worden sei. Dies stelle ein rechnerisches Produkt aus der Dauer der Asbeststaubbelastung und der Intensität der Belastung dar und bedeute folglich nicht, dass ein Betroffener mindestens 25 Jahre asbesthaltigen Stäuben ausgesetzt gewesen sein müsse, um diesen Wert zu erzielen. Mit der hier ermittelten Asbestfaserbelastung von insgesamt fünf Faserjahren sei dieser verordnungsrechtlich vorgegebene Wert deutlich unterschritten worden. Selbst bei einem spekulativen Aufschlag von 100% auf den errechneten Wert werde die verordnungsrechtlich vorgegebene Belastungsgrenze noch weit unterschritten. Hinsichtlich der BK Nr. 4112 fehle es bereits an einer Exposition gegenüber Quarzstaub.

Deswegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 02.10.2017 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, auch in der Ausbildung zum Kfz-Schlosser und in der Tätigkeit bei der Firma Holzbau M sei der Kläger Asbest ausgesetzt gewesen. Bei der EGmbH habe er alte gewaschene und nicht aluminisierte asbesthaltige Hitzeschutzkleidung getragen. Er habe ohne Atemschutz oder sonstige Schutzmaßnahmen asbesthaltige Lanzen, Pfannen und andere asbesthaltige Materialien bzw. Geräte durch massives Abklopfen gereinigt und seinen mit Asbeststaub belasteten Arbeitsplatz trocken ausgefegt. Die Beklagte habe die Intensität und Dauer der Asbestexposition unzureichend ermittelt und einschlägige Publikationen nicht hinreichend beachtet. In der DDR seien Arbeiter aufgrund höherer Grenzwerte besonders hohen Asbestkonzentrationen ausgesetzt gewesen. Da der Kläger in geschlossenen Räumen gearbeitet habe, sei eine deutlich höhere Asbestkonzentration zu berücksichtigen als bei Arbeit im Freien.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts schriftlich die Zeugen H2 (Schmelzmeister und später Schichtmeister bei EGmbH), H3 (Bruder und Arbeitskollege des Klägers bei EGmbH), H4 (Leiter der Arbeitssicherheit bei der heutigen A E1 GmbH) sowie F (ehemaliger Leiter des Präventionsdienstes der Beklagten für den Bereich B) vernommen.

Der Zeuge H3 hat am 02.10.2019 bekundet, bei einer Betriebszugehörigkeit bei EKO von 1977 bis 1993 zunächst bis 1980 in der Betriebsberufsschule und 1986 in der dortigen Betriebsakademie beschäftigt gewesen zu sein. Der Kläger habe ab 1984 asbesthaltige Hitzeschutzbekleidung getragen und sei regelmäßig mit asbesthaltigen Materialien und technischen Anlagen in Kontakt gekommen. Das auf den Boden sinkende Material sei bei trockenem Fegen immer wieder aufgewirbelt worden. Die Atemluft sei daher bei Reinigungsarbeiten belastet gewesen.

Der Zeuge H2 hat mit Schreiben vom 17.10.2019 ausgesagt, er sei von 1984 als Schmelzmeister und ab 1990 als Schichtmeister im Schmelzbetrieb tätig gewesen. Der Kläger sei von 1984 bis 1994 im Schmelzbetrieb des Stahlwerkes E1 tätig gewesen. Im Schmelzbetrieb habe ständig die so genannte schwer entflammbare Arbeitsschutzkleidung getragen werden müssen. Für häufig anstehende Arbeiten unmittelbar an der Schmelze hätten zusätzliche Hitze-/Brandschutzkleidung getragen werden müssen. Diese so genannten Asbestmäntel seien nach Mitte der 90er Jahre vollständig durch aluminierte asbestfreie Kleidung ersetzt worden. Je nach Produktionssituation habe diese Kleidung zwischen 2 und bis zu 6 Stunden getragen werden müssen. Der Arbeitsplatz des Klägers habe sich in der Konverterhalle befunden und mehrmals täglich mittels Schaufel und Besen gereinigt werden müssen. Der Arbeitsplatz habe trocken bei aufsteigender Thermik ausgeführt werden müssen. Staubmasken seien bei der hohen Umgebungstemperatur lästig und auch nicht vorgeschrieben gewesen. Diese Tätigkeiten hätten ca. 3 Stunden pro Schicht gedauert.

Der Zeuge H4 hat am 18.10.2019 erklärt, von 1986 bis 1989 selbst im Konverterstahlwerk gearbeitet zu haben, allerdings in einer Abteilung, welche kaum Berührungspunkte zur Tätigkeit des Klägers gehabt habe. 23 Jahre lang habe er die Tätigkeit als Leiter Arbeitssicherheit ausgeübt. Er könne mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass in dem relevanten Zeitraum asbesthaltige Hitzeschutzbekleidung verwendet worden sei. Das Konverterstahlwerk sei bereits 1984 in Betrieb genommen worden. Mitte der 1980er Jahre seien die durch die Verwendung von Asbest entstehenden Gefahren bereits gut bekannt gewesen. Sowohl aus seiner Erinnerung als auch vom Hörensagen sei ihm aus dieser Zeit im Konverterstahlwerk nur einfache Baumwoll-Arbeitskleidung bekannt gewesen. Soweit ihm bekannt, hätten die verwendeten Lanzen, Pfannen und andere Arbeitsmittel kein Asbest enthalten und seien durch so genannte feuerfeste Arbeitsmaterialien geschützt gewesen.

Der Zeuge F hat am 05.12.2019 berichtet, es sei gut möglich, dass der Kläger alte, gewaschene Arbeitskleidung getragen habe. Diese Arbeitskleidung sei, was den Zeitraum bis 1990 betreffe, sicher auch nicht aluminisiert gewesen. Mit Sicherheit sei diese Arbeitskleidung asbestfrei in jeder Hinsicht gewesen. An den beschriebenen Arbeitsplätzen seien bis 1990 der normale Blaumann aus Baumwollstoff getragen worden. Regelrechte Schutzkleidung sei erst 1990 erhältlich gewesen. Auch diese sei asbestfrei gewesen. Vom Kläger sei keine Tätigkeit ausgeübt worden, bei der Schutzkleidung aus Asbestgewebe verwendet worden sei. Die bearbeiteten Anlagenteile und Feuerfestmaterialien seien sämtlich asbestfrei gewesen. Die Werkhalle habe bei großer Bauhöhe ein erhebliches freies Volumen gehabt. Die Arbeitsplätze seien gut gelüftet gewesen. Seine Kenntnis habe er aus einer mehr als 20jährigen Tätigkeit in der ostdeutschen Stahlerzeugung. Er habe alle damaligen DDR-Stahlwerke aus eigener Ansicht kennengelernt. Als zuständige Aufsichtsperson der Berufsgenossenschaft habe er sich später in allen Stahlerzeugungsbetrieben im Land B1 intensiv mit dem Thema Asbest befasst. Bereits im Rahmen seiner Lehre im Stahlwerk, beim Studium der Stahlwerkstechnik und später der Metallkunde sowie der langjährigen Betriebspraxis hätten exakte Kenntnisse der Anlagen und Bestandteile feuerfesten Materialien zu den unverzichtbaren fachlichen Grundlagen gehört.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 20.01.2020 entgegnet, er habe keinen Baumwollanzug, sondern während seiner seinerzeitigen Tätigkeit einen asbesthaltigen nicht aluminierten Hitzeschutzanzug getragen. Den Zeugen F habe er an seinem früheren Arbeitsplatz nie gesehen.

Der vom SG zu den klägerischen Einwendungen ergänzend befragte Zeuge F hat am 27.02.2020 an seiner bisherigen Aussage festgehalten. Alle Tätigkeiten an den Arbeitsplätzen im Unternehmen seien in asbestfreier Schutzkleidung erledigt worden. Die genannten Anlagenteile und feuerfesten Materialien seien sämtlich asbestfrei gewesen. Die Verwendung von Asbest mache an dieser Stelle auch verfahrenstechnisch keinen Sinn. Die Schutzbekleidung habe ausschließlich im Hochofenbereich Anwendung gefunden, nicht jedoch im Konverterstahlwerk, in welchem der Kläger beschäftigt gewesen sei, und auch nicht an den angefragten Arbeitsplätzen Roheisenentschwefler, Abschlackstand und Umfüllstation. Die Ergebnisse der Recherchen seien damals vor der Weitergabe der Daten im so genannten Mehraugenprinzip auf eventuelle Fehler geprüft worden. Der Betriebsrat sei jeweils beteiligt gewesen. Schwer entflammbare Schutzkleidung habe den Mitarbeitern im Konverterstahlwerk damals nicht zur Verfügung gestanden. Solche schwer entflammbare Schutzbekleidung sei lediglich für Schweißer und für Beschäftigte vorhanden gewesen, die mit Brennarbeiten betraut gewesen seien. Es sei grundsätzlich im so genannten Blaumann aus Baumwollgewebe gearbeitet worden. Dies sei damals Standard im gesamten Hüttenwesen der DDR in allen Werken gewesen, die er seinerzeit persönlich als Augenzeuge bereist habe. Um die Strahlungshitze ertragen zu können, sei die Kleidung mit langer Unterwäsche komplettiert worden. Gießer und auch Schmelzer hätten mit langen Lederschürzen, Ledergamaschen und ab Mitte der 80er Jahre mit Lederjacken gearbeitet. Persönlich habe er die konkrete Situation 1984 in Augenschein nehmen können. In jenem Jahr habe er an einer Besichtigung des Konverterstahlwerks bei Ein E1 teilgenommen. Für seine Tätigkeit im Gießbetrieb eines anderweitigen Stahlwerks habe er die Schutzkleidung bei E seinerzeit bei seinem Besuch genau beobachtet.

Der zu den Einwendungen des Klägers befragte Zeuge H4 hat am 04.05.2020 ergänzend kundgetan, während seiner Tätigkeit im Konverterstahlwerk nicht unmittelbar mit jenen Arbeitsplätzen zu tun gehabt zu haben, an denen ein Schutz vor den schmelzflüssigen Materialien erforderlich gewesen sei. Er habe deshalb keine klare Erinnerung an die in den 80er Jahren an hitzeexponierten Arbeitsplätzen verwendete Schutzkleidung. Sein Wissen über die relevante Zeit reiche nicht aus, um die von den Zeugen H3, F und H2 aufgeführten Sachverhalte bestätigen oder widerlegen zu können. Nach seinem persönlichen Eindruck seien Begriffe wie „Asbestmantel“ umgangssprachlich auch als traditionelles Synonym für hitzebeständige oder nicht brennbare Bekleidung verwendet worden, ohne dass die Verwender gewusst hätten, ob die verwendete Schutzbekleidung wirklich aus asbesthaltigem Material bestand.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben vom 23.06.2020 unter Vorlage eines klägerischen Schreibens vom 03.06.2020 klargestellt, dass sich das Klagebegehren allein auf die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 4104 richtet.

Mit Urteil vom 14.10.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung einer BK nach der Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV. Der Kläger leide zwar unter Lungenkrebs. Zur Anerkennung als BK Nr. 4104 sei allerdings die Erfüllung einer der in der Anlage 1 zur BKV ausdrücklich normierten Tatbestandsalternativen erforderlich. Die beiden ersten Alternativen - Asbestose bzw. durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura - seien im Falle des Klägers nicht erfüllt. Auch durch die zuletzt erfolgte hochauflösende Dünnschicht-Computertomographie in Niedrigdosis-Spiraltechnik hätten die erforderlichen Brückenbefunde nicht erhoben werden können. Wie von Klägerseite zutreffend geltend gemacht, seien Asbesteinwirkungen nicht stets durch entsprechende pathologische Veränderungen im Körper nachweisbar, namentlich im Falle der Einwirkung sogenannten Weißasbests. Hierauf habe der Verordnungsgeber Rücksicht genommen, indem er bei Fehlen sogenannter Brückenbefunde auch den Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren (25 x 106 [(Fasern/Kubikmeter) x Jahre]) ausreichen lasse. Selbst wenn man für den Zeitraum von 1982 bis 1991 das Nutzen asbesthaltiger Schutzkleidung unterstelle, ergäben sich maximal insgesamt 14,5 Asbestfaserjahre. Durch die eingeholten schriftlichen Auskünfte habe sich letztendlich eine höhere Asbestexposition nicht nachweisen lassen. Bei vergleichender Würdigung der schriftlichen Auskünfte der befragten Zeugen habe die Kammer den Eindruck gewonnen, dass alle befragten Personen bemüht waren, nach Kräften zur Klärung des Sachverhalts beizutragen. Keinem der Betroffenen sei eine Einseitigkeit oder Voreingenommenheit zu Gunsten des Bruders oder Arbeitskollegen einerseits bzw. zu Gunsten des eigenen Arbeitgebers andererseits zu unterstellen. Zu berücksichtigen sei aber durchaus auch, dass in dem Zeitraum der Beschäftigung des Klägers bei Eein Bewusstsein für mögliche Gesundheitsgefährdungen durch Asbest bereits vorhanden war. Die fibrogene und kanzerogene Wirkung sei auch in der DDR bekannt gewesen und habe auch dort bereits zur Anerkennung entsprechender Berufskrankheitentatbestände geführt (in Bezug auf den von der Arbeitshygieneinspektion des Rates des Bezirks S herausgegebenen Asbestkatalog - Asbesthaltige Produkte und Substitutionsmöglichkeiten -, 2. Aufl. 1981). Nach der Wiedervereinigung sei in den 1990er Jahren eine umfassende Überprüfung zwecks zentraler Erfassung durch Asbeststaub gefährdeter Arbeitnehmer bei der heutigen GVS als zentraler Dienstleistungseinrichtung der gesetzlichen Unfallversicherungsträger erfolgt. Die Zeugen H4 und F seien auch beruflich mit diesen Ermittlungen befasst und hätten nicht über Erkrankungsfälle aus dem Bereich des Konverterstahlwerks berichten können. Im Vergleich zu anderen Arbeitsstoffen sei die Gefährdung durch Asbest bereits seit über 30 Jahren recht umfangreich ermittelt und wissenschaftlich untersucht worden (unter Bezugnahme auf den vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften herausgegebenen BIA-Report 3/95 „Asbest an Arbeitsplätzen in der DDR" und den Berufskrankheitenreport 1/2013 „Faserjahre", herausgegeben von der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung).

Letztendlich lasse sich zusammenfassend feststellen, dass hier während der Tätigkeit im Konverterstahlwerk sowohl bei der Arbeitskleidung als auch bei den Materialien am Arbeitsplatz Hitzeschutz und Feuerfestigkeit gefordert waren. Ob und gegebenenfalls welchen Asbestanteil Arbeitskleidung und Arbeitsmaterialien aber gehabt haben, lasse sich nicht feststellen. Es erscheine durchaus plausibel, dass hier nicht asbesthaltige Hitze- bzw. Feuerschutzmaterialien zum Einsatz gekommen sein sollen. Rechtlich gesehen sei hier nicht die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen Exposition und Erkrankung festzustellen, sondern es fehle bereits am Nachweis einer entsprechend umfangreichen Exposition, auf Grund dessen nach der Berufskrankheitenverordnung auf den Nachweis medizinischer Brückenbefunde verzichtet werden könnte. Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn man zu Gunsten des Klägers insbesondere eine umfangreiche Nutzung asbesthaltiger Schutzkleidung in geschlossenen Räumen unterstellen könnte. Auf die vergleichsweise geringfügige Exposition in den weiteren Tätigkeiten des Klägers, insbesondere bei der Firma Holzbau M, komme es angesichts dessen nicht mehr an. Der Präventionsdienst der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft habe hier eine Belastung von 0,4 Asbestfaserjahren als „Worst-case-Szenario" angenommen. Selbst wenn man unterstellte, das gerichtsbekannt wiederholt in finanziellen Schwierigkeiten befindliche Unternehmen habe nicht immer die bestmögliche Arbeitssicherheit gewährleistet, habe in den Beschäftigungsjahren 2011 bis 2015 bereits umfangreiche Kenntnis über die Gefährdung durch Asbest bestanden. Bei einer Tätigkeit im Holz- und Dachbauunternehmen habe sich die Asbestexposition auf Abriss-, Demontage- und Entsorgungsarbeiten entsprechender Altbestände beschränkt. Anhaltspunkte für eine gravierend höhere Asbestbelastung als vom Präventionsdienst angenommen ergäben sich hier nicht, so dass auch unter Berücksichtigung dieser Tätigkeit die notwendige Belastung von 25 Asbestfaserjahren deutlich verfehlt werde.

Deswegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen das ihr am 28.10.2020 zugestellte Urteil am 20.11.2020 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie eine Berechnung der Asbestfaserjahre durch den Kläger vom 15.12.2020 vorgelegt und vorgetragen, der Kläger sei 19 Jahre lang hohen Asbestexpositionen am Arbeitsplatz ausgesetzt gewesen. Auf Schutzmaßnahmen sei seitens der Arbeitgebers verzichtet worden. In der Zeit vom 2010 bis 2015 sei der Kläger als Dachdecker ebenfalls hohen Asbestexpostitonen ausgesetzt gewesen. Die ermittelte Höhe der Asbestfaserjahre durch die Beklagte sei nicht plausibel. Zu berücksichtigen seien die Zeiträume 1980 bis 1982 (KIB E1) und 1982 bis 1994 (EKO-E1). Die hohe Asbestexposition resultiere aus dem Umstand, dass der Kläger bei seinen Tätigkeiten in der EKO-E1 alte gewaschene, nicht aluminisierte und asbesthaltige Schutzkleidung habe tragen müssen. Der Zeuge H4 sei zunächst in leitender Position in einem anderen Stahlwerk tätig gewesen und nach der Wende Leiter des Präventionsdienstes bei der Beklagten geworden. Er beziehe seine Kenntnisse nicht aus eigener Anschauung und habe nicht im Werk und an den Arbeitsplätzen des Klägers gearbeitet. Hingegen hätten die Zeugen H3 und H2 die Beweisfragen und in Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers aus eigener Anschauung beantwortet. Im Übrigen müssten in einem solchen Fall - mit weit zurückliegenden Zeiträumen in ehemaligen nicht mehr existenten DDR-Betrieben - die Grundsätze zur Beweiserleichterung Beachtung finden, um Chancengleichheit zu gewährleisten. An die Gewinnung der Überzeugung, ob im Einzelfall eine Gefährdung vorgelegen habe, dürften keine überspitzten Anforderungen, wie z.B. der Nachweis über konkrete Messergebnisse, gestellt werden.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.10.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung ihres Bescheids vom 20.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.09.2017, bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach der Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, ihre für die arbeitstechnische Beurteilung zuständige Prävention habe sich wiederholt und eingehend mit der Sache befasst. Eine Exposition im Ausmaß von 25 Asbestfaserjahren lasse sich mit Abstand nicht darstellen, selbst wenn die durch den Kläger geltend gemachte, aber nicht gesicherte Benutzung von asbesthaltiger Schutzkleidung einbezogen werde.

Der Berichterstatter hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 18.05.2021 nichtöffentlich erörtert. Hierin hat der Kläger angegeben, vom 18. Lebensjahr an bis 2015 täglich ungefähr eine Schachtel Zigaretten geraucht zu haben. Von 1982 bis 1994 sei er im Stahlwerk E1 tätig gewesen, zunächst bis 1983 als Baggerfahrer. Ab 1984 habe er Schlackentransporte gemacht und spritzsichere Hitzeschutzkleidung („Asbestkleidung“) getragen. Bei seiner seinerzeitigen Tätigkeit sei er Temperaturen von 1200 bis 1700 Grad ausgesetzt gewesen. Blaumänner bzw. Blaumannkleidung hätten diesen Temperaturen nicht standgehalten. Nach Schichtende hätte er mit seinen Arbeitskollegen den Arbeitsplatz für rund 90 Minuten mit einem Stahlbesen trockengefegt. Atemschutzmasken oder sonstige Schutzmaßnahmen, um die Arbeiter vor dem entstandenen Staub zu schützen, hätten sie nicht getragen. Des Weiteren habe er ebenfalls werktäglich für rund 90 Minuten Entschwefelungslanzen zuerst gereinigt und dann neu besprüht. Diese Besprühung bzw. Ummantelung habe auch ungefähr eineinhalb Stunden gedauert. Schließlich hätte er dann auch noch den sogenannten „Bärenbrenn“ gemacht, also mit Sauerstofflanzen eine Trennung von Schlacke und Metall vollzogen. Die Hitzeschutzkleidung, die er ab 1984 in E1 im Stahlwerk getragen habe, sei bei Gebrauch immer dünner geworden und habe Brandflecken gehabt. Die auszufüllende Halle sei bis auf 2 Stunden pro Schicht geschlossen gewesen. Entsprechend der Aussage des Zeugen H4 sei er auch als zweiter Steuermann Rohreisenentschwefelung im Konverterstahlwerk tätig gewesen und ab 1992 als Steuermann Roheisen Umleerstation. Vier Stunden pro Schicht habe er Hitzeschutzkleidung zu tragen gehabt.

Die Beklagte hat daraufhin unter Vorlage einer weiteren arbeitstechnischen Stellungnahme vom 28.06.2021 mit Schreiben vom 01.07.2021 vorgetragen, es bestünden erhebliche Zweifel, dass der Kläger tatsächlich Asbestschutzkleidung getragen habe. Aus der klägerseitigen Beschreibung („Brandlöcher“, „Brandflecken“) lasse sich eher der Schluss ziehen, dass Hitzeschutz- bzw. hitzebeständige Kleidung aus anderem Material zum Einsatz gekommen sei. Demnach wäre also davon auszugehen, dass gar keine Exposition durch Asbestfasern gegeben wäre. Jedenfalls sei eine höhere als die bislang angenommene Faserbelastung nicht plausibel.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben vom 05.11.2021 beantragt, „wegen Terminkollision“ die mit Verfügung vom 04.11.2021 geladene mündliche Verhandlung am 17.12.2021 zu verlegen.

Der Berichterstatter hat daraufhin die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 08.11.2021, ihr am 15.11.2021 durch Empfangsbekenntnis zugestellt, aufgefordert, die aus ihrer Sicht bestehenden erheblichen Gründe für eine Terminsverlegung („Terminkollision“) nach § 227 Abs. 2 ZPO unverzüglich, spätestens bis zum 23.11.2021 (Eingang bei Gericht) glaubhaft zu machen.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben vom 18.11.2021 daraufhin „anwaltlich die Richtigkeit der mitgeteilten Terminkollision, nämlich dass ich am 17.12.2021 bereits einen Termin habe, der vorher feststand und einer Teilnahme am 17.12.2021 um 10:00 Uhr am Landessozialgericht Baden-Württemberg in Stuttgart entgegensteht“, bestätigt. Zudem wolle der Kläger an der mündlichen Verhandlung teilnehmen. In der telefonischen Rücksprache am 16.11.2021 habe er mitgeteilt, dass er wegen eines Hirngefäß-Stents in drei Wochen für zwei Tage ins Krankenhaus müsse, als Folge der Bestrahlung, und er voraussichtlich am 17.12.2021 nicht stabil genug sein werde, teilzunehmen.

Daraufhin hat der Berichterstatter die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit am gleichen Tag bei ihr durch Empfangsbekenntnis zugestellten Schreiben vom 19.11.2021 und bezugnehmend auf das gerichtliche Schreiben vom 08.11.2021 erneut aufgefordert, die aus ihrer Sicht bestehenden erheblichen Gründe für eine Terminsverlegung nach § 227 Abs. 2 ZPO unverzüglich, spätestens bis zum 30.11.2021 (Eingang bei Gericht) glaubhaft zu machen. Soweit geltend gemacht werde, „bereits einen Termin“ zu haben, der „vorher feststand und einer Teilnahme am 17.12.2021 um 10:00 Uhr am Landessozialgericht (…) entgegensteht“, hat er die Prozessbevollmächtigte aufgefordert, bis zur oben genannten Frist mitzuteilen, um was für einen Termin es sich handelt. Soweit es sich um einen anderweitigen Gerichtstermin handele, werde die Prozessbevollmächtigte aufgefordert, Zeit und Ort des anderweitigen Gerichtstermins und das dortige Az. mitzuteilen. Soweit vorgebracht werde, dass der Kläger „in drei Wochen für zwei Tage ins Krankenhaus muss“, werde er aufgefordert, bis zur oben genannten Frist eine Ablichtung des Einweisungsscheins für das Krankenhaus bei Gericht und nach Entlassung unverzüglich den Entlassbericht und eine fachärztliche Bescheinigung bei Gericht vorzulegen, aus der sich Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung ergeben, die einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2021 nach Ansicht des Klägers entgegenstehen. Der Berichterstatter hat die Prozessbevollmächtigte darauf hingewiesen, dass aus dem bisherigen klägerischen Vortrag eine Verhandlungsunfähigkeit des Klägers für den Gerichtstermin am 17.12.2021 weder glaubhaft gemacht noch nachgewiesen sein dürfte. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass nicht jegliche Erkrankung ein ausreichender Grund für eine Vertagung des Termins sei; eine solche sei vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer sei, dass die Wahrnehmung oder Fortführung des Termins nicht erwartet werden könne (unter Bezugnahme auf BSG, Beschluss vom 23. März 2021 – B 3 P 2/21 BH –, juris).

Hierauf hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht reagiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe


Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, da die Prozessbevollmächtigte und der Kläger mit der Ladung vom 04.11.2021 auf diese Möglichkeit hingewiesen wurden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Der Terminverlegungsantrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers war abzulehnen. Der Gerichtstermin war nicht zu verlegen. Nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann aus erheblichen Gründen ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts, glaubhaft zu machen, § 227 Abs. 2 ZPO. Erhebliche Gründe sind gemäß § 227 Abs. 1 ZPO insbesondere nicht das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafürhält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist (Nr. 1), die mangelnde Vorbereitung der Partei, wenn nicht die Partei dies nicht genügend entschuldigt (Nr. 2) und das Einvernehmen der Partei allein (Nr. 3). Solche erheblichen Gründe sind vom Kläger nicht substantiiert (vgl. zur Substantiierungspflicht BSG, Urteil vom 28.04.1999, Az.: B 6 KA 40/98 R, in juris Rn. 16; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29.09.2015, Az.: L 15 VK 7/11, in juris Rn. 57 m.w.N.) dargelegt worden. Ein ärztliches Attest, aus dem der Senat zu entnehmen vermag, an welchen, eine etwaige Reise- bzw. Verhandlungsunfähigkeit am 17.12.2021 begründenden Grunderkrankungen der Kläger leidet, ist ungeachtet der gerichtlichen Schreiben vom 08.11.2021 und 19.11.2021 nicht vorgelegt worden. Der schlichte Hinweis auf einen bevorstehenden zweitägigen Aufenthalt im Krankenhaus reicht hierfür nicht aus. Im Übrigen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers sich auf die gerichtlichen Aufforderungen vom 08.11.2021 und 19.11.2021 zur behaupteten „Terminkollision“ (auch in der von ihr wahrgenommenen mündlichen Verhandlung vom 17.12.2021) nicht geäußert. Mit dem bloßen Hinweis der Prozessbevollmächtigten auf eine angebliche „Terminkollision“ ist ein erheblicher Grund im Sinne des § 227 Abs. 2 ZPO jedenfalls nicht glaubhaft gemacht worden. Darüber hinaus hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2021 ihren Terminsverlegungsantrag auch nicht ausdrücklich aufrechterhalten.

Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung des Klägers ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig, soweit der Kläger die Aufhebung der seinen Anträgen entgegenstehenden Entscheidungen und eine stattgebende Entscheidung der Beklagten begehrt (BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R -, BSGE 111, 37). Der Senat konnte offenlassen, ob es sich bei dem im Berufungsverfahren zusätzlich formulierten Antrag auf Verurteilung zur Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung um ein zulässiges Berufungsbegehren handelt, solange noch die Verpflichtung zur Feststellung einer BK dem Grunde nach streitig ist (vgl. BSG vom 07.09.2004 - B 2 U 35/03 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 6; BSG vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R unter Hinweis auf BSG vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R; BSG vom 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R - SGb 2007, 748, anders zum Teil noch BSGE 65, 138, 144 = SozR 2200 § 539 Nr. 133 S 399; BSG SozR 3-1500 § 145 Nr. 2). Denn da die Beklagte zu Recht die Anerkennung einer BK nach der Nr. 4104 nach der Anlage 1 zur BKV abgelehnt hat, bedarf es insoweit keiner gerichtlichen Feststellung.

Die Berufung ist nicht begründet. Der Bescheid vom 20.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.09.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Lungenerkrankung als BK Nr. 4104. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Streitgegenstand ist im vorliegenden Verfahren ausschließlich die BK Nr. 4104. Zwar hat die Beklagte auch über die BK Nr. 4112 entschieden. Jedoch hat der Kläger bereits im Klageverfahren klargestellt, dass streitgegenständlich nur die Anerkennung der BK Nr. 4104 ist.

Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auch eine BK. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII).

Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. d der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.6.2009 (BGBl I 1273) mit Wirkung vom 01.07.2009 (Art 2 aaO) in der Anl. 1 zur BKV unter der Nr. 4104 bezeichnet: "Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs i.V.m. Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose), in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren)". Diese Listen-BK ist festzustellen, wenn Versicherte sie infolge einer Tätigkeit erleiden, die Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VII; § 1 BKV). Dafür muss die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen müssen die bezeichnete Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Unerheblich ist, ob die Erkrankung den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität). "Versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, aber nicht die bloße Möglichkeit (stRspr; zuletzt BSG, Urteil vom 16.03.2021 – B 2 U 7/19 R –; sowie Urteil vom 06.09.2018 - B 2 U 10/17 R -; beide juris mwN).

Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als BK ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden im Vollbeweis nachgewiesen sind. Mit diesem Beweismaßstab sind bei der BK Nr. 4104 zudem die tatbestandlichen pleuralen Brückensymptome (Asbestose oder asbeststaubverursachte pleurale Läsionen) als auch die Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 25 Faserjahren (sog. „technische Brücke“) nachzuweisen. Für den Vollbeweis ist eine absolute Sicherheit nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 96, 291, 293; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Auflage, § 128 Rn. 3b). Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 103, 99, 104).

Sind die Brückenbefunde oder die bestimmte Einwirkung der BK Nr. 4104 nachgewiesen, wird die Feststellung des Kausalzusammenhangs zwischen diesen Tatbestandselementen und dem Lungenkrebs erleichtert, indem dieser widerlegbar vermutet wird (gesetzliche Tatsachenvermutung). Die Vermutung ist widerlegt, wenn die tatsächlichen Grundlagen einer anderen Ursache im Vollbeweis nachgewiesen werden, diese rechtlich allein als wesentlich zu werten sind und die Kausalität wahrscheinlich ist. Der private Tabakkonsum reicht für das Widerlegen dabei nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2007 – B 2 U 15/05 R – juris; Falkensteiner Empfehlung in: Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung – BKV – Stand: Dezember 2020, M 4104, S. 12i, 24).

Der Kläger war während seiner beruflichen Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII unstreitig als Beschäftigter versichert. Unstreitig ist auch das Vorliegen der Listenerkrankung, ein Lungenkarzinom als Primärtumor, festzustellen (vgl. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O., M 4104, S. 3, 27).

Eine Anerkennung einer BK Nr. 4104 scheitert jedoch daran, dass sich der Lungenkrebs des Klägers nicht hinreichend wahrscheinlich auf die Einwirkungen an dessen Arbeitsplatz zurückführen lässt. Die gesetzliche Tatbestandsvermutung greift hier nicht. Der Senat stellt fest, dass beim Kläger weder pleurale Brückensymptome noch eine Asbestose vorliegen. Auch besteht beim Kläger keine Minimalasbestose, die das Kriterium dieses Brückenbefundes schon erfüllen würde. Nach der Definition der Minimalasbestose durch die Deutsche Gesellschaft für Pathologie – 1997 – (wiedergegeben in der Falkensteiner Empfehlung in: Mehrtens/Brandenburg, a. a. O., M 4104, S. 21) beinhaltet eine solche Asbestose Grad I „den lichtmikroskopischen Nachweis minimaler Fibrosierungsherde im Bereich der Bronchioli respiratorii und der begleitenden Gefäße mit Einstrahlung maximal in die direkt angrenzenden Alveolarsepten sowie in diesen Arealen eingelagerten Asbestkörpern. Dabei reicht der zufällige (einmalige) Nachweis von Asbestkörpern zur Diagnosestellung einer Minimalasbestose nicht aus. Ein staub-analytischer Grenzwert für die Minimalasbestose ist nicht definiert“.

Der Senat stützt seine Überzeugung auf die im Wege des Urkundenbeweises verwertete fachradiologische Stellungnahme von H1 vom 03.07.2017 nach erfolgtem HR-CT des Thorax. Dieser hat zutreffend ausgeführt, dass sich weder die typische Radiomorphologie einer Asbeststaublungenerkrankung noch einer durch Asbeststaub bedingten Erkrankung der Pleura ergeben haben, und anhand des bildgebenden Verfahrens nicht von einem asbestinduzierten Lungenkrebs nach BK Nr. 4104 ausgegangen werden kann. Dies stimmt mit der fachradiologischen Stellungnahme vom 28.07.2016 der R überein. Auch hiernach lassen sich keine radiologischen Brückenbefunde an der Pleura als Voraussetzung für die Anerkennung einer BK 4104 nachweisen, und im Lungenparenchym fanden sich keinerlei Hinweise auf eine klägerische Fibrose im Sinne einer Asbestose.

Darüber hinaus ist auch der Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren nach den umfangreichen gerichtlichen Ermittlungen nicht erbracht. Der Senat nimmt insoweit auf die schlüssigen Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten Bezug, denen sich auch das SG im angefochtenen Urteil nach ausführlicher und zutreffender Beweiswürdigung insbesondere der gehörten Zeugen angeschlossen hat. Eine Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren liegt hiernach bei weitem nicht vor, wozu zunächst auf die Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten Bezug genommen wird. Diese sind unter Berücksichtigung des BK-Report 1/2013 Faserjahre (mit Hinweis auf die dortige Tabelle 7.3) erstellt worden und sind in ihrer letzten aktualisierten Fassung schlüssig. Der im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegte Auszug aus dem „Asbestkatalog“ der Arbeitshygieneinspektion des Rates des Bezirks S (2. Aufl. 1981) ist bereits aktenkundig (Bl. 145ff. der SG-Akte) und lässt keinen Rückschluss auf die Schutzkleidung am konkreten Arbeitsplatz des Klägers zu.

Der Senat erachtet hierbei entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten des Klägers auch die Aussage des Zeugen H4 vom 18.10.2019 für bedeutsam. Denn dieser hat erklärt, von 1986 bis 1989 selbst im Konverterstahlwerk gearbeitet und 23 Jahre lang die Tätigkeit als Leiter der Arbeitssicherheit ausgeübt zu haben. Der Zeuge hat mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen können, dass in dem relevanten Zeitraum asbesthaltige Hitzeschutzbekleidung verwendet wurde, weil Mitte der 1980er Jahre in der ehemaligen DDR die durch die Verwendung von Asbest entstehenden Gefahren bereits gut bekannt gewesen waren. Sowohl aus seiner Erinnerung als auch vom Hörensagen ist ihm aus dieser Zeit im Konverterstahlwerk nur einfache Baumwoll-Arbeitskleidung bekannt gewesen. Die verwendeten Lanzen, Pfannen und andere Arbeitsmittel enthielten hiernach kein Asbest und wurden durch so genannte feuerfeste Arbeitsmaterialien geschützt. Die stimmt auch mit der Aussage des Zeugen F vom 05.12.2019 überein, wonach vom Kläger keine Tätigkeit ausgeübt wurde, bei der Schutzkleidung aus Asbestgewebe verwendet worden ist, und die bearbeiteten Anlagenteile und Feuerfestmaterialien sämtlich asbestfrei gewesen waren.

Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers moniert, die Aussage des Zeugen F sei unglaubwürdig, weil er mit dem Kläger nicht zusammengearbeitet habe und bei E nicht beschäftigt gewesen sei, vermag dies nicht zu überzeugen. Der Zeuge F, der nach seiner glaubhaften Einlassung bereits durch seine Lehre im Stahlwerk, das Studium der Stahlwerkstechnik und später der Metallkunde sowie der langjährigen Betriebspraxis über fundierte Kenntnisse der Anlagen und Bestandteile feuerfester Materialien verfügt, hat nicht nur alle damaligen DDR-Stahlwerke aus eigener Ansicht kennengelernt, sondern insbesondere auch die konkrete Situation bei Ein E1 (Besichtigung des Konverterstahlwerks im Jahr 1984). Bei dieser Gelegenheit hat er seinerzeit für seine Tätigkeit im Gießbetrieb eines anderweitigen Stahlwerks die Schutzkleidung bei E wahrgenommen.

Der Senat stellt mithin fest, dass eine Asbestexposition des Klägers im Sinne der BK Nr. 4104 bezüglich seiner Tätigkeit bei Ein der früheren DDR nicht vorlag. Dem klägerischen Vortrag im Berufungsverfahren, eine höhere Asbestfaserstaub-Dosis ergebe sich daraus, dass der Kläger während seiner Tätigkeit bei E Hitzevollschutzkleidung aus asbesthaltigen Materialien getragen habe, kann nicht gefolgt werden. So hat der Präventionsdienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 28.06.2021 zutreffend ausgeführt, dass Asbestgewebe unbrennbar und schwer entflammbar sind sowie eine hohe Temperaturbeständigkeit haben. Sie sind gegen glühende Metall- und Schlackenspritzer, wie sie in der metallurgischen und -verarbeitenden Industrie vorkommen, gut beständig und bieten auch noch einen Schutz, wenn in Störfällen größere Mengen an heißem Material austreten. Brandlöcher und -flecken an seiner Arbeitskleidung, wie sie der Kläger im Erörterungstermin vom 18.05.2021 beschrieben hat, deuten daher auf anderes verwendetes Material hin, was die Aussagen der Zeugen H4 und F zusätzlich bestätigt.


Da die Einwirkung einer berufsbedingten Asbestfaserstaub-Dosis von 25 Faserjahren unter Berücksichtigung der schlüssigen Berechnungen der Beklagten nicht vorliegt, kann dahinstehen, ob die unversicherte Einwirkung des langjährigen Nikotinkonsums des Klägers die Tatsachenvermutung für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Krebserkrankung und der Einwirkung von Asbest widerlegt. Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem beispielsweise aufgezeigt wird, dass wegen der Art oder der Lokalisation des Tumors, wegen des zeitlichen Ablaufs der Erkrankung oder aufgrund sonstiger Umstände im konkreten Einzelfall ein ursächlicher Zusammenhang trotz der beruflichen Belastung nicht wahrscheinlich ist, nicht jedoch schon dadurch, dass der Versicherte auch außerberuflich Schadstoffeinwirkungen - wie langjährigem Zigarettenrauchen - ausgesetzt war, die nach wissenschaftlicher Erkenntnis geeignet sind, ebenfalls an dem befallenen Organ eine Krebserkrankung zu verursachen. Andernfalls bliebe angesichts vielfältiger, in ihren Wirkungen und Wechselwirkungen nur teilweise bekannter und erforschter gesundheitsschädlicher Umwelteinflüsse, denen jeder in seinem persönlichen Umfeld in mehr oder weniger großem Umfang ausgesetzt ist, die vom Verordnungsgeber aufgestellte Vermutung weitgehend bedeutungslos  (BSG, Urteil vom 30.01.2007 - Az.: B 2 U 15/05 R - in juris Rn. 24f., 27).

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen und die erstinstanzlich eingeholten Zeugenaussagen haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Weder der rechtskundig vertretene Kläger noch die Beklagte haben hier über die gerichtlicherseits durchgeführte Beweiserhebung hinaus eine weitere Beweiserhebung beantragt, so dass sich der Senat auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu weiteren medizinischen Ermittlungen gedrängt sieht (vgl. BSG, Beschluss vom 28.09.2020 – B 13 R 45/19 B –, in juris Rn. 11).

Der Senat sah sich auch nicht veranlasst, die vom SG bereits gehörten Zeugen von Amts wegen erneut zu vernehmen. Grundsätzlich sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zwar verpflichtet, den Sachverhalt "unmittelbar", d.h. mittels eigener Beweisaufnahme selbst festzustellen. Geht es darum, ob bereits gerichtlich vernommene Zeugen nochmals gehört werden müssen, liegt die Entscheidung darüber grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts (§§ 153 Abs. 1118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 398 Abs. 1 ZPO). Das richterliche Ermessen reduziert sich jedoch u.a. dann auf Null, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu beurteilen hat und eine abweichende Würdigung der vom Vordergericht gemachten Zeugenaussagen in Betracht zieht (BSG, Urteil vom 21.10.1998 - Az.: B 9 VG 2/97 R -, in juris Rn. 15 m.w.N.). Denn in solchen Fällen kommt es auf den persönlichen Eindruck an, den der Richter bei der Vernehmung des oder der Zeugen gewinnt. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil der Senat der erstinstanzlichen Würdigung der vom SG eingeholten Zeugenaussagen folgt. Der Senat geht ebenso wie das SG davon aus, dass sich alle Zeugen wahrheitsgemäß und nach bestem Erinnerungsvermögen bemüht haben, die gerichtlichen Beweisfragen zu beantworten.

Demnach war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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