Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23.06.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt eine Änderung der Beitragsberechnung für ihre Antragspflichtversicherung ab dem 05.06.2018 und die Zugrundelegung des ermäßigten Beitragssatzes nach § 345b Satz 2 SGB III.
Die im Jahr 1961 geborene Klägerin hat eine Ausbildung zur technischen Zeichnerin (1978 bis 1980), ein Fachhochschulstudium im Bereich Werkmaschinenbau (1980 bis 1985) sowie eine Banklehre (1988 bis 1991) absolviert. Sie übte von 1985 bis 1987 eine Tätigkeit als Leiterin der technischen Kontrollorgane im Z B sowie von 1988 bis 1991 eine Tätigkeit als Disponentin und Technologin in F aus. Im Zeitraum von 1993 bis 2010 war sie bei verschiedenen Banken, zuletzt bei der V M Land eG im Bereich der Kreditsachbearbeitung, Bilanzanalyse und Immobilienbewertung tätig.
Am 05.08.2011 beantragte sie die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ab dem 15.08.2011 als Publizistin und Künstlerin (vgl. Antrag auf Bl. 107 bis 108 der Senatsakte). Die Klägerin führte im Businessplan zur Antragstellung aus, dass ihr Unternehmensangebot die Entwicklung eigener Bücher nebst Cover als Angebotswerke für Verlage zur gezielten Vermittlung von Informationen, die zum einen das Verfassen von Texten und Geschichten und zum anderer), die Buchillustration als Zier und Schmuck sowie die Buchillustration in dokumentarischer Funktion umfassen, die Bildgestaltung und Dichtung als Angebotswerk z.B. für Verlage mit Hilfe analoger und digitaler Mittel der darstellenden Kunst sowie den Entwurf und die Gestaltung von Mode für Frauen in Marktnischen umfasse (vgl. Businessplan auf Bl. 119 bis 162 der Senatsakte). Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 25.08.2011 für die Zeit vom 15.08.2011 bis 14.05.2012 einen Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit.
Die Klägerin war nach ihren Angaben im nachfolgenden Zeitraum vom 15.08.2011 bis 2014 als Publizistin tätig (vgl. Ausführungen der Klägerin in der Anforderung der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vom 23.05.2018).
Am 15.08.2011 stellte die Klägerin einen Antrag auf Antragspflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung der Beklagten ab dem 15.08.2011 (vgl. Bl. 1 bis 2 der Verw.akte). Die Beklagte entsprach dem Antrag mit Bescheid vom 15.11.2011 ab dem 15.08.2011 und berechnete die Beiträge nach 50 % der monatlichen Bezugsgröße für Selbständige (vgl. Bl. 6 bis 9 der Verw.akte). Mit Bescheid vom 02.03.2017 hob die Beklagte den Bescheid vom 15.11.2011 zum 27.02.2017 auf, da die Voraussetzungen für die Antragspflichtversicherung nicht mehr vorlägen. Die Klägerin beziehe seit dem 27.02.2017 Arbeitslosengeld (vgl. Bl. 76 der Verw.akte). Die Klägerin war nachfolgend im Zeitraum vom 27.02.2017 bis 04.06.2018 arbeitslos gemeldet und bezog von der Beklagten Arbeitslosengeld.
Am 05.05.2018 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Modedesignerin, Wohndesignerin, Buchautorin und andere. Sie teilte mit, dass sie ihre frühere selbständige Tätigkeit als Publizistin im Jahr 2014 wegen schwerwiegender Belastungen und den Prozessen mit dem früheren Arbeitgeber aufgegeben habe. Laut dem von der Klägerin im Rahmen der Antragstellung eingereichten Lebenslauf unternahm sie im Zeitraum von 2011 bis 2017 publizistische Tätigkeiten in Form von der Erstellung von Fotos und Vorlagen, Führung von Arbeitsrechtsprozessen, Selbststudium über Rechtswissenschaft, Nahrungsergänzungsmittel, Heilkräuter und Fotografie (vgl. Bl. 110 der Verw.akte). Die Klägerin legte dem Antrag einen Businessplan mit einem Unternehmenskonzept für eine Tätigkeit als Publizistin, Schriftstellerin und Modedesignerin (u.a. Entwicklung eigener Bücher nebst Cover, Bildgestaltung, eigenschöpferisches Modedesign) bei. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 13.07.2018 einen Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit für den Zeitraum vom 05.06.2018 bis 04.12.2018.
Die Klägerin beantragte am 30.07.2018 die Aufnahme in die Antragspflichtversicherung der Beklagten (vgl. Bl. 87 bis 89 der Verw.akte). Die Beklagte entsprach dem Antrag der Klägerin auf Antragspflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung ab dem 05.06.2018 mit Bescheid vom 01.08.2018 und berechnete dabei die Beiträge aus 100 % der monatlichen Bezugsgröße für Selbständige. Die Beklagte führte an, dass eine Startphase mit einer Bemessungsgrundlage von nur 50 % nicht erneut beginne, wenn in der Vergangenheit eine Versicherungspflicht auf Antrag mit der gleichen selbständigen Tätigkeit bewilligt worden sei (vgl. Bl. 90 bis 94 der Verw.akte).
Gegen den Bescheid, den die Klägerin nach ihren Angaben als Zweitschrift erst am 22.09.2018 erhalten hatte, legte sie am 24.09.2018 Widerspruch ein und teilte mit, dass sie Existenzgründerin sei und der Beitragssatz dementsprechend auf die Hälfte reduziert werden müsste (vgl. Bl. 96 der Verw.akte).
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2018 zurück. Die frühere selbständige Tätigkeit ab dem Jahr 2011 sei nach entsprechender Mitteilung des Finanzamtes M als beabsichtigte Tätigkeit einer Künstlerin und Publizistin erfasst worden. Diese Tätigkeit sei nach einer Unterbrechung ab 05.06.2018 wiederaufgenommen worden. Der Zeitraum der Startphase mit niedrigeren Beiträgen verlängere sich nicht, wenn die selbständige Tätigkeit unterbrochen bzw. beendet und nach der Unterbrechung bzw. Beendigung die gleiche selbständige Tätigkeit wiederaufgenommen werde (vgl. Bl. 111 bis 115 der Verw.akte).
Der Widerspruchsbescheid erreichte die Klägerin nach ihren Angaben zunächst nicht. Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 09.01.2019 erneut gegen die aus ihrer Sicht zu hohen Beitragsberechnung durch die Beklagte (vgl. Bl. 118 der Verw.akte). Die Beklagte übersandte daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 10.01.2019 eine Kopie des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2018 (vgl. Bl. 119 der Verw.akte).
Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 21.04.2019 mit, dass sie als Existenzgründerin nur den halben Beitrag zahle. Die Existenzgründung im Jahr 2011 dürfe bei einer Neugründung nach über 5 Jahren nicht mehr herangezogen werden. Hierzu verweise sie auf ihren Businessplan mit ihrem neuen Geschäftsmodell (vgl. Bl. 122 der Verw.akte).
Nachdem es in der Folge zu Beitragszahlungsverzögerungen und Zahlungsaufforderungen (zuletzt am 18.06.2019, Bl. 129 der Verw.akte) kam, widersprach die Klägerin erneut mit Schreiben vom 19.06.2019 der aus ihrer Sicht zu hohen Beitragsberechnung durch die Beklagte (vgl. Bl. 131 der Verw.akte). Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 18.07.2019 darauf auf den Widerspruchsbescheid vom 27.09.2018, den sie der Klägerin als weitere Kopie nochmals übersandte, und fasste das Schreiben zudem als Widerspruch gegen die letzte Zahlungsaufforderung auf (vgl. Bl. 138 der Verw.akte). Mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2019 wies die Beklagte diesen Widerspruch vom 19.06.2019 als unzulässig zurück (vgl. Bl. 143 bis 145 der Verw.akte).
Mit Bescheid vom 13.08.2019 hob die Beklagte den Bescheid vom 01.08.2018 auf und teilte mit, dass die Antragspflichtversicherung infolge von Zahlungsverzug mit mehr als drei Monatsbeiträgen zum 30.04.2019 beendet werde (vgl. Bl. 148 der Verw.akte).
Die Klägerin hat am 08.07.2019 hat beim Sozialgericht Konstanz (SG) einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt und auf einen beigelegten Entwurf einer Klage gegen die Beklagte mit dem Ziel von niedrigeren Beiträgen zur Antragspflichtversicherung ab 05.06.2018 verwiesen. Sie hat zudem vorgetragen, dass ihr der Widerspruchsbescheid vom 27.09.2018 als „Entwurf' von der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 18.07.2019 zugesandt worden sei. Die Beklagte habe gegen die Vorschriften zur Beitragsberechnung bei Existenzgründern verstoßen und habe von ihr zu hohe Beiträge verlangt. Diese seien zu erstatten.
Das SG hat mit Beschluss vom 11.11.2019 Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage bewilligt.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 03.01.2020 zur weiteren Klagebegründung angeführt, dass sie ihre damalige Selbständigkeit auf die Bildgestaltung und Dichtung gestützt hätte. Einnahmen habe sie damals aber wegen Umsetzungsschwierigkeiten und zeitaufwändigen Kündigungsschutzklagen keine erzielt. Die Beklagte habe ihr für die Selbständigkeit ab 05.06.2018 einen Gründungszuschuss gewährt und damit anerkannt, dass sie sich in der Startphase einer Existenzgründung befinde. In der Startphase müssten daher auch niedrigere Beiträge (halbe Bezugsgröße) für die Arbeitslosenversicherung bezahlt werden. Auch ihre Krankenkasse berechne die Krankenversicherungsbeiträge nach der halben Bezugsgröße, wenn sie einen Gründungszuschuss bekomme.
Am 10.03.2020 hat das SG mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung nach § 124 Abs.2 SGG im Erörterungstermin erklärt (vgl. Niederschrift Bl. 79 der SG-Akte).
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23.06.2020 abgewiesen. Ob die einmonatige Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG nach Erlass des Widerspruchsbescheids am 27.09.2018 eingehalten worden sei, könne dahinstehen. Der Bescheid vom 01.08.2018 und der Widerspruchsbescheid vom 27.09.2018, seien nicht rechtswidrig und beschwerten die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden die Höhe der Beiträge zur Antragspflichtversicherung zutreffend berechnet habe. Die ab 05.06.2018 aufgenommene Selbständigkeit stelle sich als bloße Fortführung der vorherigen Selbständigkeit dar. Die Klägerin sei weiterhin als Solo-Selbständige vorwiegend im publizistischen Bereich tätig, wie sie in ihrem Antrag auf Antragspflichtversicherung vom 30.07.2018 bzw. in ihrem Businessplan 2018 dargelegt habe. Dass sie dabei (kleinere) Änderungen im Ziel der Tätigkeit insoweit vorgenommen habe, als sie nun auch einer künstlerischen Tätigkeit (vgl. Bl. 88 der Verwaltungsakte Antragspflichtversicherung) nachgehe bzw. Bildgestaltung, Dichtung und Modedesign (vgl. Bl. 42 der Verwaltungsakte Antragspflichtversicherung) vornehme, sei unerheblich, da diese zu der publizistischen Tätigkeit nur hinzugetreten seien und den Charakter der selbständigen Tätigkeit nicht grundlegend geändert hätten. Somit habe die Beklagte zu Recht die beitragspflichtige Einnahme für die Antragspflichtversicherung nach einem Arbeitsentgelt in Höhe der monatlichen Bezugsgröße (§ 345b Satz 1 Nr. 2 SGB III) und nicht gem. § 345b Satz 2 SGB III nur in Höhe von 50 Prozent der monatlichen Bezugsgröße berechnet, da das Kalenderjahr nach erstmaliger Aufnahme der selbständigen Tätigkeit im Jahr 2011 bei der Fortführung der selbständigen Tätigkeit im Jahr 2018 bereits deutlich abgelaufen war.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 26.06.2020 zugestellte Urteil am 06.07.2020 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie hat zur Begründung angeführt, dass das SG die von ihr im Erörterungstermin eingereichten Beweismittel pauschal als Unterlagen bezeichnet und dann übergangen habe. Darüber hinaus sei über ihren fristgerechten Klageantrag vom 28.08.2019 zum Widerspruchsbescheid vom 08.08.2019 nicht entschieden worden. Darüber hinaus habe das SG den Beteiligten zugesagt, das Urteil im April 2020 zu verkünden. Die Verlegung des Termins auf den 23.06.2020 sei unzumutbar, weil das Verfahren besonderer Beschleunigung bedurfte. Das SG habe sie über die Sach- und Rechtslage, die im Urteil erläutert und willkürlich scheine, getäuscht, weil es zuvor durch die Bewilligung der PKH Erfolg eingeräumt habe und weil diese der am 10.03.2020 erörterten Lage widerspreche. Das SG hätte Termin zur mündlichen Verhandlung von Amts wegen ansetzen müssen und die Parteien über die geänderte Sach- und Rechtslage aufklären müssen, da die Parteien ihre Anträge darauf ausrichteten. Dies sei nicht erfolgt. Nachdem sie inzwischen der Auffassung sei, dass sie irrtümlicher Weise der vom gesetzlichen Richter vorgeschlagenen Antragstellung (vgl. Protokoll) gefolgt sei, behalte sie sich eine Modifizierung oder Abänderung vor, zur öffentlichen Sitzung im Beisein eines Rechtsbeistandes und beantrage in diesem Zusammenhang ihre Zeugeneinvernahme nach § 447 ZPO, so dass im Anschluss entsprechend der Sach- und Rechtslage Anträge vom Rechtsbeistand, der ihre Interessen vertrete, gestellt werden könnten. Darüber hinaus sei im Erörterungstermin darüber gesprochen worden, dass die Beklagte bis zur Entscheidung über die Beitragszahlungen vom 05.06.2018 bis 31.12.2019 den Aufhebungsbescheid vom 13.08.2019 zurücknehme und einräume, dass die Beitragszahlungen ab Januar 2020 mit dem vollen Beitrag zu 100% von der Bezugsgröße in die Arbeitslosenversicherung von mir eingezahlt werden könnten. Dies sei aber nicht erfolgt und werde von der Beklagten ignoriert. Das SG beziehe sich im Urteil weit hergeholt und völlig abweichend von den vorliegenden Tatbestandsmerkmalen auf die Auslegung zur "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" und erkläre, dass diese das Gesetz nicht näher umschreibe und leite davon eine Orientierung am Beruf der zuvor ausgeübten gleichen selbständigen Tätigkeit (2011) zur Einstufung der Beitragshöhe für die Arbeitslosenversicherung seit Existenzgründung ab dem 05.06.2018 her. Aus ihrem Sachvortrag gehe jedoch explizit hervor, dass die publizistische Tätigkeit nur noch eine untergeordnete Rolle und hinsichtlich des Neuantrages keine Rolle mehr gespielt habe in Bezug auf die von ihr tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als Modedesignerin für All-Age-Bekleidung/Faschingskostüme. Die Beklagte habe ihr auch einen Gründungszuschuss ab dem 06.06.2018 gewährt, da sie sich als Existenzgründerin in der Startphase befunden habe. Die Beklagte habe die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nachweislich des Bewilligungsbescheids über den Gründungszuschuss bescheinigt. Die Bewilligung des Gründungszuschusses stelle daher allein die Rechtsgrundlage für die Ermittlung der Beiträge ab dem 05.06.2018 für Existenzgründer dar. Sie habe demnach lediglich einen Beitrag von 50% der Bezugsgröße an die Beklagte für die Arbeitslosenversicherung zu entrichten. Die Klägerin hat zugleich einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt.
Der Senat hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 23.04.2021 infolge fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt.
Die Berichterstatterin hat den Beteiligten mit Schreiben vom 29.04.2021 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, nach § 153 Abs. 4 SGG die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 25.05.2021 und vom 28.05.2021 Stellung genommen und mitgeteilt, dass sie mit einer Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden sei. Zudem hat die Klägerin vorgetragen, dass die Beklagte ein Verwirrspiel veranstalte und die Verwaltungsakte so zusammengestellt und manipuliert habe, dass das Gericht zu der Auffassung gelange, es wären ordentliche Korrespondenzen zwischen den Beteiligten geführt worden, durch die sie über alle Sachverhalte in Kenntnis wäre. Sie beantrage Akteneinsicht. Zudem hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie neue Tatsachen vorgetragen habe und dies als neuer PKH – Antrag zu werten sei (vgl. Bl. 178 bis 275 der Senatsakte).
Die Klägerin hat im Zeitraum vom 22.06.2021 bis zum 24.06.2021 Akteneinsicht in den Räumen des Amtsgerichts Saulgau genommen.
Mit Schreiben vom 29.06.2021 sowie vom 09.07.2021 hat die Klägerin vorgetragen, dass die Beklagte rechtswidrig nachträglich Dokumente in die Verwaltungsakte ohne ihre Kenntnis eingefügt habe. Die Beklagte habe zu erläutern, was sie mit den nachträglich eingefügten Beiblättern für rückwirkende Vorgänge bis zum Jahr 2011 beweisen möchte. Die Beklagte solle auch explizit erklären, was der Scandienstleister der Deutschen Post AG genau bestätigt und signiert habe. Darüber hinaus solle die Beklagte den vollständigen Firmennamen des Scandienstleisters, der für die Deutschen Post AG tätig gewesen sein soll, wie sie auf den Beiblättern anführt, offenlegen (vgl. Bl. 287 bis 288 der Senatsakte).
Der Senat hat den am 28.05.2021 erneut gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 26.07.2021 infolge fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt.
Die Berichterstatterin hat den Beteiligten nochmals mit Schreiben vom 26.07.2021mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, nach § 153 Abs. 4 SGG die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.08.2021 gegeben.
Die Klägerin beantragt wortwörtlich,
1. das Urteil des Sozialgerichts Konstanz, Aktenzeichen S 8 AL 1299/19 vom 23.06.2020 aufzuheben,
2. den Bescheid der Beklagten vom 01.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2018 und 08.08.2019 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei der Beitragsberechnung zur Arbeitslosenversicherung die Bemessungsgrundlage für den Beitrag von 100% auf 50% der monatlichen Bezugsgröße für Selbständige vom 05,06.2018 bis 31.12.2019 abzuändern,
3. die Beklagte zu verurteilen, den Aufhebungsbescheid vom 13.08.2019 über das Versicherungsverhältnis mit Vertragsnummer 51-24003164448 wegen Arbeitslosenversicherung zurückzunehmen bzw. aufzuheben,
4. behelfsweise festzustellen, dass die Aufhebung des Versicherungsverhältnisses mit Vertragsnummer 5124003164448, der von der Klägerin am 01.08.2018 abgeschlossenen Arbeitslosenversicherung, mit Bescheid vom 13:09.2018 unwirksam ist.
Die Klägerin hat ergänzend mit Schreiben vom 11.08.2021 beantragt,
für den Fall, dass das Berufungsgericht das schriftliche Vorverfahren anordnet oder angeordnet hat, ein Versäumnisurteil (§ 331 Abs. 3 ZPO) zu erlassen, sofern die Beklagte trotz Aufforderung ihre Verteidigungsabsicht nicht zeitgerecht anzeigt (§ 276 Abs. 1 ZPO).
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und dem weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Das Sozialgericht hat nicht mit Gerichtsbescheid, sondern mit Urteil entschieden. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren bedarf keiner Zustimmung der Beteiligten. Die Beteiligten sind mit richterlichem Schreiben vom 29.04.2021 sowie vom 26.07.2021 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren Stellung zu nehmen.
Ein Einverständnis mit der Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG ist nicht erforderlich. Das Gericht kann auch dann durch Beschluss entscheiden, wenn die Beteiligten ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verlangen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2002, § 153 Rdnr. 14). In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erachtet der Senat eine mündliche Verhandlung vor dem Senat für nicht erforderlich. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin bereits vor dem SG durch den Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 10.03.2020 Gelegenheit hatte, ihren Standpunkt darzulegen. Auch im Berufungsverfahren wurde die Klägerin mehrfach Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, welche die Klägerin auch genutzt hat. Es ist auch keine weitere umfassende Ermittlung des Sachverhaltes oder die Klärung von Tatsachenfragen in einer mündlichen Verhandlung erforderlich. Die Klägerin hat auch bezogen auf die streitgegenständlichen und entscheidungserheblichen Rechtsfragen im Wesentlichen im Berufungsverfahren den erstinstanzlichen Vortrag wiederholt (vgl. hierzu auch BSG, Beschluss vom 18.06.2019, B 9 V 38/18 B, juris, Rndr. 10). Auch erfordert die Schwierigkeit des Falles keine mündliche Verhandlung (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 14.03.2019, B 5 R 22/18 B, juris). Hierbei sind auch die Beschlüsse des Senates vom 23.04.2021 sowie vom 26.07.2021 zu berücksichtigen, wonach bereits die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderliche Erfolgsaussicht der Berufung nicht vorliegt.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 01.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht die Beiträge der Klägerin zur Antragspflichtversicherung nach § 345b Satz 1 SGB III aus 100 % der monatlichen Bezugsgröße für Selbstständige berechnet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.
Soweit die Klägerin zuletzt mit Schreiben vom 11.07.2021 ihre Klageanträge um den Erlass eines Versäumnisurteils gemäß § 331 Abs. 3 ZPO ergänzt hat, ist dieser Klageantrag unzulässig, da das sozialgerichtliche Verfahren keine Versäumnisurteile kennt (vgl. Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2020, § 125 Rdnr. 3f).
Zulässiger Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist nur der Bescheid vom 01.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2018, mit dem die Beklagte die Beiträge zur Antragspflichtversicherung auf 100 % der monatlichen Bezugsgröße für Selbstständige berechnet hat. Daher ist der vom SG angeratene und nach Genehmigung durch die Klägerin auch protokollierte Antrag der Abänderung des Beitragsbescheides und Berechnung der Beiträge unter Zugrundelegung von 50 % der monatlichen Bezugsgröße zutreffend und sachgerecht. Soweit die Klägerin in ihrem Schreiben vom 10.03.2020 eine Anrechnung eines aus ihrer Sicht bestehenden Guthabens auf künftige Beitragszahlungen sowie die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2019 und die Feststellung, dass die Antragspflichtversicherung nicht durch den Aufhebungsbescheid vom 13.08.2018 beendet worden ist, beantragt, beinhalten diese Anträge keine zulässigen Streitgegenstände im vorliegenden Verfahren. Sofern die Klage auf Abänderung des Bescheides vom 01.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2018 Erfolg haben sollte, wäre die Beklagte bereits infolge ihrer Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet, eine entsprechende Neuberechnung und gegebenenfalls Erstattung überzahlter Beiträge vorzunehmen. Infolgedessen ist auch der von der Klägerin in der Berufungsbegründung gestellte Klageantrag zu Ziff. 3, in dem sie die Aufhebung des Bescheides vom 13.08.2019 begehrt unzulässig, dass dies kein zulässiger Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist. Gleiches gilt auch für die hilfsweise beantragte Feststellung, dass die Aufhebung des Versicherungsverhältnisses der von der Klägerin am 01.08.2018 abgeschlossenen Arbeitslosenversicherung, mit Bescheid vom 13:09.2018 unwirksam ist. Diesbezüglich wurde im Erörterungstermin vom 10.03.2020 ein Überprüfungsantrag bezüglich des Bescheides vom 13.08.2019 protokolliert, über den die Beklagte nach Abschluss des Gerichtsverfahrens entscheiden wird.
Zu Recht hat das SG festgestellt, dass der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2018 nicht feststellbar und die Klage als rechtzeitig anzusehen ist (vgl. hierzu Schmidt in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2020, § 87 Rdnr. 4d). Eine förmliche Zustellung ist weder im Zeitpunkt des Erlasses am 27.09.2018 noch bei den nachfolgenden Übersendungen durch die Beklagte am 10.01.2019 und am 18.07.2019 erfolgt. Auch wenn die Klägerin zunächst nur PKH für den Klageentwurf am 08.07.2018 beantragt hat, hat sie auf die Aufforderung des SG vom 03.12.2019 mit Schreiben vom 30.12.2019 ausgeführt, dass sie das Klageverfahren nunmehr betreibe. Auch hat die Klägerin im Schreiben vom 28.08.2019 gegenüber dem SG mitgeteilt, dass ihr der Widerspruchsbescheid vom 27.09.2018 erst durch das Schreiben vom 18.07.2018 zugesandt worden sei und sie diesem Widerspruchsbescheid widerspreche. Insofern hat die Klägerin mit dem am 29.08.2019 beim SG eingegangenen Schreiben Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 27.09.2018 erhoben.
Der Senat kann keine Rechtswidrigkeit der Berechnung der Beiträge zur Antragspflichtversicherung nach §§ 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 345 SGB III im Bescheid vom 01.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2018 feststellen.
Hierzu hat das SG im Urteil vom 23.06.2020 zutreffend ausgeführt, dass die von § 345b Satz 1 Nr. 2 SGB III abweichende Regelung, wonach nach § 345b Satz 2 SGB III bis zum Ablauf von einem Kalenderjahr nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Arbeitsentgelt in Höhe von 50 Prozent der monatlichen Bezugsgröße zugrunde zu legen ist, für die Antragspflichtversicherung ab dem 05.06.2018 nicht zu Anwendung kommt, da die Klägerin die bereits im Jahr 2011 begonnene selbstständige Tätigkeit im Jahr 2018 lediglich wieder aufgenommen hat.
Mit der Ausnahmeregelung des § 345 Satz 2 SGB III soll den besonderen Schwierigkeiten während der unmittelbaren Startphase einer Existenzgründung Rechnung getragen werden (vgl. J. Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 345b SGB III, Rdnr. 17). Auch setzt die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit iS vom § 345b S. 2 SGB III eine Existenzgründung voraus. Die bloße Erweiterung einer bislang schon ausgeübten selbständigen Tätigkeit genügt hierfür nicht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.11.2020, L 14 AL 73/17, juris). Insofern sind die Ausführungen des SG nicht zu beanstanden, wonach es sich bei der ab dem 05.06.2018 aufgenommenen Tätigkeit um dieselbe selbstständige Tätigkeit wie im Jahr 2011 handelt, ohne wesentliche Abweichung der Geschäftsfelder. Dies belegen auch die Angaben der Klägerin in den Antragsunterlagen zur Beantragung der Gründungszuschüsse im Jahr 2011 und 2018. Bereits im Jahr 2011 hat die Klägerin eine publizistische Tätigkeit sowie eine Tätigkeit im Bereich des Modedesigns aufgenommen. Im Jahr 2018 beschrieb sie die Tätigkeit mit folgenden Worten: Modedesignerin, Wohndesignerin, Buchautorin und andere. Insofern ist lediglich der Teilbereich des Wohndesigns dazu gekommen. Auch die Ausführungen und Unterlagen in beiden Businessplänen konzentrieren jeweils sich sehr stark auf die Entwicklung eigener Bücher sowie Bildgestaltung und Dichtung. So führt die Klägerin im Businessplan 2011 aus, dass ihre Ideen im Bereich des Modedesigns noch in den Kinderschuhen stecken würden und sie sich demnächst bei Ausschreibungen und Wettbewerben beteiligen werde, um auf sich aufmerksam zu machen und meine Kontakte auch in dieser Sparte zukünftig weiter ausbauen (vgl. Bl. 126 der Senatsakte). Im Businessplan 2018 hat die Klägerin zum Bereich Modedesign auf Seite 6 bis 7 ausgeführt, dass sie sich eine Tätigkeit im Bereich All-Age-Happy-Bekleidung und Faschingskostüme vorstelle. Der wesentliche Teil des Businessplan befasst sich jedoch mit der Tätigkeit als Buchautorin. Insofern ändert eine nur teilweise Neuerschließung von weiteren Geschäftsfeldern sowie eine Anpassung des Geschäftsmodells an den neueren Zeitgeist, beispielsweise die Zunahme von e-books, nichts an den übereinstimmenden Tätigkeitsbereichen in den Businessplänen von 2011 und 2018.
Insofern ist auch zu beachten, dass § 345b Satz 2 SGB III als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist und eine neu aufgenommene selbstständige Tätigkeit sich daher inhaltlich eindeutig von ggf. bislang ausgeübten selbständigen Tätigkeiten abgrenzen lassen muss (vgl. hierzu ausführlich LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rdnr. 31ff). Die Rechtsauffassung des SG ist somit nicht zu beanstanden. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung diesbezüglich aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Aus der Berufungsbegründung der Klägerin folgt keine anderweitige Bewertung des Sachverhaltes.
Sofern die Klägerin anführt, dass das SG sie an einer korrekten Antragstellung gehindert und ihre Anträge im Schriftsatz vom 10.03.2020 nicht berücksichtigt habe, trifft dies nicht zu. Hierzu wird auf die Ausführungen zum zulässigen Streitgegenstand verwiesen. Das SG hat daher seiner Fürsorgepflicht gegenüber der nicht vertretenen und trotz vorgetragenen Selbststudiums der Rechtswissenschaften offensichtlich nicht rechtskundigen Klägerin mit der im Erörterungstermin angeratenen Antragstellung Genüge getan.
Das SG hat mit dem Urteil vom 23.06.2020 auch nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs. 1 GG iVm § 62 SGG verletzt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe impliziert noch nicht den Erfolg der Klage. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies ist u.a. der Fall, wenn von Amts wegen (§ 103 SGG) weitere Ermittlungen durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen einer Klärung zugeführt werden können oder die Entscheidung von einer diffizilen Rechtsfrage abhängt (BVerfG, Beschluss vom 14.06.2006, 2 BvR 626/06, juris). Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.12.2020, L 7 AS 993/20 B, juris). Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hindert somit nicht an der Abweisung der Klage und führt somit nicht zur Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör infolge einer Überraschungsentscheidung.
Soweit die Klägerin rügt, dass das SG nicht bereits im April 2020, sondern im Juni 2020 entschieden hat, stellt dies keinen Verfahrensfehler dar. Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Terminierung und Entscheidung auch bei einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG obliegt der erkennenden Kammer und ist vorliegend unter Berücksichtigung des Lockdowns im April 2020 sowie der Pandemielage infolge des Corona-Virus nicht zu beanstanden, zumal die Entscheidung nur um zwei Monate verschoben wurde. Besondere Gründe für eine besondere Eilbedürftigkeit des vorliegenden Klageverfahrens sind nicht erkennbar. Hierbei ist auch zu beachten, dass der ermäßigte Beitragssatz nach § 345b Satz 2 SGB III nur bis zum Ablauf von einem Kalenderjahr nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit und daher lediglich bis zum 31.12.2019 anzuwenden gewesen wäre (vgl. J. Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 345b SGB III, Rdnr. 17). Im Übrigen hätte die Klägerin in einem solchen Fall auch jederzeit einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG stellen können.
Auch der Vortrag der Klägerin, dass im Erörterungstermin vom 10.03.2020 darüber gesprochen worden sei, dass die Beklagte bis zur Entscheidung über die Beitragszahlungen vom 05.06.2018 bis 31.12.2019 den Aufhebungsbescheid vom 13.08.2019 zurücknehme und einräume, dass die Beitragszahlungen ab Januar 2020 mit dem vollen Beitrag zu 100% von der Bezugsgröße in die Arbeitslosenversicherung von ihr eingezahlt werden können, was aber nicht erfolgt sei, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung. Ein derartiges Vorgehen wurde – selbst wenn tatsächlich darüber gesprochen worden wäre - nachweislich des Protokolls vom 10.03.2020 nicht rechtsverbindlich in Gestalt eines Vergleichs vereinbart. Auch vermag eine vorläufige Regelung die endgültige Entscheidung in der Hauptsache nicht zu präjudizieren und steht daher dem Erlass eines klageabweisenden Urteils nicht entgegen.
Auch soweit die Klägerin zuletzt mit Schreiben vom 29.06.2021, vom 09.07.2021 sowie vom 11.07.2021 anführt, dass die Verwaltungsakte von der Beklagte manipuliert und nachträglich Dokumente eingefügt worden seien, von denen sie keine Kenntnis gehabt habe, folgt hieraus nicht die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide. Die Klägerin verkennt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, ihr ohne Anlass jeden auch internen Vorgang der Verwaltungsakte zur Kenntnis zu geben. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird sowohl im Klage- als auch im Verwaltungsverfahren durch das Recht auf Akteneinsicht nach § 120 Abs. 1 SGG sowie § 25 Abs. 1 SGB X gewährleistet (vgl. hierzu Keller in in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2020, § 120 Rdnr. 2ff; Engin in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 1. Aufl., § 25 SGB X, Rdnr. 13ff). Dieses Recht hat die Klägerin im Klage- und im Berufungsverfahren wahrgenommen. Soweit die Klägerin einwendet, dass die Akten bei der zweiten Akteneinsicht im Juni 2021 anstatt 152 Seiten nunmehr 287 Seiten umfassten, verkennt sie, dass die Beklagte entsprechend der Aufforderung der Berichterstatterin am 08.03.2021 die Verwaltungsakte betreffend die Bewilligung des Gründungszuschusses im Jahr 2011 elektronisch übersandt hat und diese Aktenbestandteile versehentlich in der Berufungsakte veraktet wurden anstatt separat geführt zu werden. Auch enthalten die Verwaltungsakten die Vorgänge über die Antragspflichtversicherung ab dem Jahr 2011 bis 2020 und die Bewilligung des Gründungszuschusses im Jahr 2011 sowie im Jahr 2018. Bei den im Schreiben der Klägerin vom 09.07.2021 aufgeführten vermeintlich nachträglich eingefügten Seiten handelt es sich um die Scan-Vermerke des Scan-Dienstleisters sowie um Bearbeitungsvermerke in der elektronischen Verwaltungsakte. Im Rahmen der Umstellung von der Papierakte auf die elektronische Akte sind sämtliche Schriftstücke, welche nicht elektronisch übermittelt wurden, durch Einscannen in die elektronische Verwaltungsakte zu übertragen (vgl. §§ 6, 7 E-Government-Gesetz – EGovG). Bei den von der Klägerin zitierten Seiten mit Verweis auf den Scandienstleister handelt es sich somit lediglich um den Nachweis, dass es sich um ein einscanntes und nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingegangenes Schriftstück handelt. Weitergehende Auskunftspflichten der Beklagten ergeben sich hieraus nicht. Die von der Klägerin gerügten Vorgänge sind durch die elektronische Datenübermittlung und Aktenbearbeitung zu erklären. Eine inhaltliche Veränderung der streitgegenständlichen Bescheide und der zugehörigen Unterlagen ist nicht festzustellen. Der Vorwurf der Aktenmanipulation trifft somit nicht zu. Die Beklagte hat hierzu auch zuletzt mit Schreiben vom 15.07.2021 Stellung genommen. Die Klägerin selbst hat in der von ihr beantragten Verlängerung der Frist zur Stellungnahme bis zum 09.08.2021 keine weitere Äußerung abgegeben.
Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 1299/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 2125/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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