L 16 BA 124/18

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 10 R 8077/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 BA 124/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

 

1. Bedingter Vorsatz iSd § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV und iSd § 24 Abs. 2 SGB IV setzt voraus, dass der Arbeitgeber in einer zumindest laienhaften Bewertung erkannt hat, dass er selbst möglicherweise Arbeitgeber ist, dass eine Abführungspflicht existiert und dass er durch die fehlende Anmeldung oder unvollständige oder unrichtige Angaben die Heranziehung zum Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen ganz oder teilweise vermeiden könnte.

2. Ob bedingter Vorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit vorliegt, ist durch eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls anhand der konkreten Tatumstände festzustellen. Es kommt darauf an, aus welchen objektiven, äußerlich erkenn- und nachweisbaren Umständen der zulässige Rückschluss auf den subjektiven Tatbestand gezogen werden kann.

3. Bei der Beweiswürdigung kann von Relevanz sein, ob und inwiefern der Arbeitgeber im Geschäftsverkehr erfahren ist. Dabei kann es vorwerfbar sein, wenn ein Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit darauf verzichtet, die Entscheidung einer fachkundigen Stelle herbeizuführen oder Rechtsrat einzuholen. Jedenfalls bei Kaufleuten, die Arbeitgeber sind, sind auch die im Zusammenhang mit ihrem Gewerbe bestehenden Erkundigungspflichten in Bezug auf die arbeits- und sozialrechtliche Situation in den Blick zu nehmen.

4. Die objektive Beweislast für die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht iSd § 24 Abs. 2 SGB IV trägt derjenige, der sich darauf beruft. Die Feststellungslast für den subjektiven Tatbestand im Rahmen des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die Anwendung der Nettolohnhochrechnung beruft.

 

I.     Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 2. Mai 2018 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 06.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2016 abgewiesen.

II.    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d :

Streitig sind in einem Verfahren nach § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die im Rahmen der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 19.250,26 Euro für die Zeit vom 01.03.2010 bis 30.09.2010 erhobenen Säumniszuschläge (6.337,50 Euro) sowie die von der Beklagten vorgenommene Nettolohnhochrechnung. Kern des Rechtsstreits ist, ob die Klägerin für den Beigeladenen zu 1, der in der Zeit vom 01.03.2010 bis 30.09.2010 als Fahrer und Leergutkommissionierer beauftragt wurde, schuldhaft keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat.

Die Klägerin betreibt eine seit fast 450 Jahren bestehende Brauerei. Inhaber des Unternehmens, das seit 2013 als GmbH & Co. KG und seit 2014 als N-Brauerei KG im Handelsregister (HRA xxx des Amtsgerichts Nürnberg) eingetragen ist, war im streitgegenständlichen Zeitraum der im Jahr 1943 geborene G. Dieser machte nach seinem Schulabschluss eine kaufmännische Lehre im elterlichen Betrieb und absolvierte in W ein Studium zum Diplom-Braumeister. Anschließend arbeitete er im Familienunternehmen, übernahm dieses ab 1980 als Inhaber und ist bis heute im Betrieb tätig. Seit Ende des Jahres 2014 ist sein Sohn G1 Kommanditist der Klägerin und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der G VERWALTUNGS GmbH, die neben G persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ist. Im Jahr 2010 gab es bei der Klägerin vier Abteilungen mit etwa 80 Mitarbeitern, davon ca. 12 Fahrer.

Bei der Klägerin waren in den Arbeitsbereichen Leergutsortierung, Getränkeausfahren und Verräumen von Festmobiliar in den Jahren 2009/2010 sowohl eigene Arbeitnehmer als auch Leiharbeiter, insbesondere von der Leiharbeitsfirma R, eingesetzt. Einer der im Jahr 2009 über R vermittelten Leiharbeiter war der Beigeladene zu 1 (Beigeladener), H. Im Jahr 2010 teilte er dem Logistikleiter der Klägerin (D) mit, dass er ein Nebengewerbe für private Transporte angemeldet habe und bot auf dieser Basis seine Dienste für 13,00 Euro pro Stunde an, womit er unterhalb der damals der Klägerin von R angebotenen Konditionen (15,85 Euro/Stunde) lag. D und der Beigeladene kamen überein, dass der Beigeladene bei erhöhtem Arbeitsanfall als Subunternehmer der Klägerin tätig werden sollte. Seine Tätigkeit erfolgte in der Zeit vom 01.03.2010 bis 03.09.2010.

Der Beigeladene erstellte über den Zeitraum ab 01.03.2010 bis 03.09.2010 in unregelmäßigen Abständen Rechnungen über seine Arbeitseinsätze im Betrieb der Klägerin. Die Rechnungen tragen den Briefkopf "H Logistik L-T-D" mit der angegebenen Adresse "H., W / H1, A-Stadt". Unter der Adresse finden sich eine Telefonnummer, eine Faxnummer und eine E-Mail-Adresse xxx@.de. Darunter steht der Zusatz Lieferungen, Transporte, Dienstleistungen. Die Rechnungen sind überschrieben mit
"Beifahrertätigkeiten in Ihrem Hause". Sie lauten jeweils:

"Sehr geehrte Damen und Herren,
für Beifahrertätigkeiten in Ihrem Hause im Zeitraum ...
erlaube ich mir - wie vereinbart - in Rechnung zu stellen:
... Stunden x 13,00 Euro pro Stunde = Euro ...".
Ich bitte um Überweisung auf u.g. Konto und verbleibe gern
Mit freundlichen Grüßen"

Unterhalb der in der Fußzeile angegebenen Bankverbindung steht kleingedruckt jeweils eine "Steuernummer". Mehrwertsteuer bzw. Umsatzsteuer wird auf den Rechnungen nicht ausgewiesen.

Die Beklagte führte in der Zeit vom 03.07.2014 bis 19.11.2014 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch, in deren Rahmen sich ergab, dass ein Gewerbe "H Logistik L-T-D.", W/H, A-Stadt, nicht im Gewerberegister angemeldet war. Der Inhaber H war seit 2010 aus B-Stadt nach unbekannt abgemeldet.

Mit Schreiben vom 19.11.2014 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung inklusive Säumniszuschlägen an. Der in der Zeit von 01.03.2010 bis 30.09.2010 beschäftigte Beigeladene sei als Beifahrer bzw. Kommissionierer von Leergut nicht selbstständig tätig gewesen, da er weder ein eigenes Fahrzeug gehabt habe noch der Einsatz von eigenem Kapital erfolgt sei. Dieselbe Tätigkeit werde ansonsten bei der Klägerin von versicherungspflichtig Beschäftigten ausgeführt. Das dem Beschäftigten gezahlte Nettoarbeitsentgelt sei in Bruttobeträge umzurechnen. In Bezug auf den Sachverhalt "selbstständiger Beifahrer bzw. selbstständiger Kommissionierer von Leergut" habe die Klägerin Kenntnis von ihrer Zahlungspflicht gehabt, weil diese Tätigkeiten ansonsten in ihrer Firma von versicherungspflichtig Beschäftigten ausgeführt würden. Es würden deshalb Säumniszuschläge erhoben.

Mit Schreiben vom 25.11.2014 nahm die Klägerin Stellung: Sie sei nach den vorliegenden Rechnungen der H Logistik L-T-D von einer Verleihfirma ausgegangen. Erst durch die Prüfung der Beklagten sei erkannt worden, dass der Versandleiter der Klägerin, D, einem Betrüger zum Opfer gefallen sei. D sei der Überzeugung gewesen, dass hier ein gleicher Vertrag wie mit der Firma R vorgelegen habe. Die Hochrechnung auf ein fiktives Bruttogehalt könne nicht akzeptiert werden, da keine Schwarzarbeit vorgelegen habe. Säumniszuschläge könnten frühestens ab Erteilung des Bescheides akzeptiert werden. Es liege weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vor. Der zwischenzeitlich mandatierte Bevollmächtigte der Klägerin ergänzte, der Beigeladene sei D bekannt gewesen. Da saisonal bedingt ein erheblicher Arbeitsanfall bestanden habe, habe sich der Versandleiter entschieden, die Firma H so wie zuvor bzw. parallel die Firma R zu beauftragen. Dies sei zunächst lediglich für zwei bis drei Wochen geplant gewesen. Auch aufgrund eines Krankenstandes im Unternehmen habe der Bedarf für eine Beauftragung jedoch länger bestanden. D als Versandleiter habe bis dahin keine Erfahrung mit anderen Subunternehmern in diesem Bereich gehabt. Mit Fragen der Scheinselbstständigkeit sei er in keinster Weise vertraut gewesen. Er habe die Zusammenarbeit mit der Firma H als eine interessante Alternative zur Firma R gesehen, ohne irgendwelche rechtlichen Risiken dabei zu erkennen. Die Beauftragung sei selbstständig durch den Versandleiter erfolgt. Der Beigeladene habe bei der Akquise mitgeteilt, dass sein Logistikunternehmen für verschiedene Unternehmen tätig sei und insbesondere Transporte und Umzüge für andere Unternehmen erledigen würde. Der Inhaber der Klägerin, G, sei erst später über die Beauftragung der Firma H informiert worden. D sei bei Vertragsschluss möglicherweise etwas naiv, keineswegs jedoch bösgläubig gewesen.
Mit Bescheid vom 06.07.2015 forderte die Beklagte für die Zeit vom 01.03.2010 bis 30.09.2010 einen Betrag von insgesamt 19.250,26 Euro (inkl. 6.337,50 Euro an Säumniszuschlägen) nach. Die Prüfung habe ergeben, dass die Tätigkeit als Beifahrer bzw. als Kommissionierer von Leergut der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliege. Eine selbstständige Tätigkeit könne hier ausgeschlossen werden, da weder ein eigenes Fahrzeug vorhanden gewesen noch der Einsatz von eigenem Kapital erfolgt sei. Die Klägerin habe Kenntnis von ihrer Zahlungspflicht gehabt, weil diese Tätigkeiten ansonsten in ihrem Unternehmen von versicherungspflichtig Beschäftigten ausgeführt würden. Sie habe im Falle des Beigeladenen keine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung vorgenommen. Sie habe weder eine Verleiherlaubnis noch eine Gewerbeanmeldung angefordert. Auch ein Personalfragebogen liege nicht vor.

In ihrem Widerspruch gegen den Bescheid ergänzte die Klägerin, die Zahlungen an die Firma H seien seitens der Buchhaltung der Klägerin unter dem Konto xxxx (Fremdpersonal) verbucht worden, da man gutgläubig davon ausgegangen sei, es mit einem Unternehmen zu tun zu haben, das ähnlich wie die Firma R Leistungen erbringe. Man sei nicht ansatzweise von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen. Der Beigeladene habe daher auch weder einen sogenannten Haustrunk noch sonstige für Arbeitnehmer typische Leistungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld o. ä. erhalten.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2016 zurückgewiesen. Die Klägerin habe vorliegend bedingt vorsätzlich gehandelt, da sie die Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe.
Hiergegen erhob die Klägerin am 26.10.2016 Klage zum Sozialgericht Regensburg. Für die Beurteilung der Frage, ob aufgrund von Personalengpässen eine Einschaltung von Leiharbeitsfirmen infrage komme, und für den Abschluss von Leiharbeitnehmerverträgen sei grundsätzlich der Versandleiter der Klägerin, D, zuständig gewesen. Dieser sei allerdings nicht berechtigt gewesen, Entlassungen oder Einstellungen von Arbeitnehmern vorzunehmen; bei dauerhaften Personaldefiziten sei stets die Geschäftsleitung zuständig gewesen, Personal einzustellen. Im Falle des Beigeladenen habe D dies selbstständig erledigt, da es sich ursprünglich um einen relativ geringfügigen Auftrag gehandelt habe. Der Einsatz sei lediglich für wenige Wochen geplant gewesen. Eine Abstimmung im Unternehmen zwischen D und dem damaligen Alleininhaber G, habe nicht stattgefunden. Dieser habe erst später die Rechnungen vorgelegt bekommen, da sämtliche Rechnungen grundsätzlich der Geschäftsleitung vorgelegt würden.

Mit Urteil vom 02.05.2018 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 06.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2016 insoweit auf, als die Nettolohnhochrechnung vorgenommen wurde und Säumniszuschläge erhoben wurden. Weder eine die Nettolohnhochrechnung rechtfertigende "Illegalität" des Beschäftigungsverhältnisses noch ein die Erhebung von Säumniszuschlägen begründendes (zuzurechnendes) Verschulden hinsichtlich der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen seien hinreichend belegbar. Mindestens bedingter Vorsatz der Klägerin hinsichtlich der Nichtzahlung geschuldeter Sozialversicherungsbeiträge sei nicht hinreichend erwiesen. Es bestehe kein Anhaltspunkt für ein Organisationsverschulden der Klägerin in ihrer Rolle als Arbeitgeberin. Dies gelte zum einen bereits deshalb, weil in der Firma klar geregelt gewesen sei, dass die Einstellung von Arbeitnehmern Sache der Geschäftsleitung sei. Zum anderen sei das Entstehen der Sozialversicherungspflicht für die Geschäftsleitung selbst auch nicht erkennbar gewesen. G habe aufgrund der täuschend professionell erstellten Rechnungen des Beigeladenen und der auf seine Nachfrage erhaltenen Antwort, dass es sich hier um einen Geschäftspartner ähnlich der Fa. R handele, keinen Anlass gehabt, einen Verdacht bezüglich der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen zu schöpfen.

Gegen das ihr am 23.07.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.08.2018 beim Bayerischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Urteil des Sozialgerichts sei rechtsfehlerhaft, da die Klägerin bzw. die für sie verantwortlich handelnden Personen zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hätten. Der Beigeladene habe die gleichen Tätigkeiten ausgeführt wie sozialversicherungspflichtig Beschäftigte der Klägerin. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Sozialgericht von täuschend professionell gestalteten Rechnungen des Beigeladenen spreche, da diese nur eine Mobilfunknummer und als E-Mail-Adresse ein Konto bei dem Dienstleister "xx.de" angegeben hätten. Die Rechnungen hätten weder Rechnungsnummern noch Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer ausgewiesen. Auch habe der Hinweis darauf gefehlt, dass die sogenannte Kleinunternehmerregelung des § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) Anwendung finde. Dies widerspreche den Regelungen in § 14 Abs. 4 Nr. 4 und 8 UStG. Es sei davon auszugehen, dass die Buchstaben L-T-D nicht für eine Private Limited Company (Ltd.) stehen würden, sondern für "Lieferungen Transporte Dienstleistungen", was auch auf dem Briefkopf der Rechnungen zu finden sei. Wegen der Verwechslungsgefahr dieser Abkürzung hätte für die Klägerin Anlass für Nachfragen bestanden. Die Rechnungen seien nicht ansatzweise professionell gestaltet gewesen. Vergleiche man die Rechnungen mit denen der Firma R, seien die Unterschiede augenfällig. Nach § 12 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) bedürfe der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher der Schriftform. Der Verleiher habe in der Urkunde zu erklären, ob er die Erlaubnis nach § 1 AÜG besitze. Die Geschäftsführung der Klägerin habe daher nicht davon ausgehen können, dass vorliegend eine andere Leiharbeitsfirma beauftragt worden sei. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Klägerin regelmäßig um die 100 sozialversicherungspflichtig bzw. geringfügig beschäftigte Mitarbeiter habe. Zumindest bedingt vorsätzliches Handeln sei sowohl bei D als auch bei der Geschäftsleitung der Klägerin gegeben gewesen. Es sei außerdem zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit die Möglichkeit habe, darüber im Einzugsstellen- und/oder Anfrageverfahren Gewissheit durch Herbeiführung der Entscheidung einer fachkundigen Stelle zu erlangen. Der Verzicht auf einen solchen Antrag könne vorwerfbar sein. Die Klägerin habe nichts unternommen, um sich zu vergewissern, dass die Firma des Beigeladenen existiere. Hinsichtlich der ausgeübten Tätigkeiten habe die Klägerin bzw. hätten die für sie verantwortlich handelnden Personen gewusst, dass diese nach ihrer Ausgestaltung eine abhängige Beschäftigung darstellten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 02.05.2018 aufzuheben, insofern der     Bescheid der Beklagten vom 06.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2016 hinsichtlich der Vornahme der Nettolohnhochrechnung und Erhebung von Säumniszuschlägen aufgehoben worden ist, und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ein Vorsatz seitens der Klägerin liege nicht vor. D sei seit ca. 34 Jahren bei der Klägerin tätig. Er sei seitens der Geschäftsleitung befugt, Vertragsverhältnisse mit Drittfirmen einzugehen, die in seinen Verantwortungsbereich fielen. Hierzu gehörten vor allem Verträge im Zusammenhang mit dem Fuhrpark und der Logistik, insbesondere bezüglich Reparaturen der Kraftfahrzeuge. Für alle anderen Angelegenheiten sei er nicht zuständig gewesen. Bei Personalbedarf sei dies grundsätzlich der Geschäftsleitung bekannt gemacht und von dort aus seien Einstellungen vorgenommen worden. Es habe in der Vergangenheit kaum Zusammenarbeit mit Leiharbeitsfirmen gegeben, da man mit dem Stammpersonal die Aufgaben bewältigt habe. Herr D habe bis auf eine kurze Erfahrung mit einer Zeitarbeitsfirma in den Jahren 2006 und 2007 in diesem Bereich keinerlei Erfahrungen gehabt, ebenso wenig die Geschäftsleitung. Die Klägerin habe die Firma H in der Buchführung als Fremdleistung/Fremdpersonal gebucht, also in einem Bereich, der regelmäßig Gegenstand einer Betriebsprüfung sei. Bei vorsätzlichem Handeln wären die Rechnungen mit Sicherheit an anderer Stelle gebucht worden, um den Vorgang zu verschleiern. Für das Thema Scheinselbstständigkeit, Abgrenzung Werk-/Dienstvertrag, etc., sei D überhaupt nicht sensibilisiert gewesen. Die Rechnungen des Beigeladenen seien nicht geeignet gewesen, bei der Klägerin Misstrauen oder gar Vorsatz auszulösen. Gerade Rechnungen kleinerer Unternehmen seien nicht immer perfekt gestaltet und zum Teil im Jahr 2010 noch handschriftlich gestellt worden. Ein Rechnungsempfänger überprüfe im Wesentlichen, ob die erbrachten Leistungen zu den vereinbarten Konditionen abgerechnet wurden. Die Firma H habe ihre Leistungen auch stets zuverlässig erbracht, so dass sie im Unternehmen "kein Thema" gewesen sei. D sei überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass an dieser Zusammenarbeit irgendetwas unzulässig sein könnte. Er habe bereits eine Ausbildung bei der Klägerin absolviert, stets zuverlässig und verantwortungsvoll gehandelt und nie zu Beanstandungen Veranlassung gegeben.

Aus der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth (Az. 503 Js 1313/18) ergibt sich eine Zeugenvernehmung des D vom 10.12.2015 durch das Hauptzollamt R-Stadt im Auftrag des Amtsgerichts Neumarkt i.d. Oberpfalz. Dieser gab u.a. an, zwischen 1994 und 2006 seien im Transportbereich der Klägerin bis zu drei Unternehmen mit bis zu fünf eigenen Fahrzeugen eingesetzt gewesen; das sei dann wieder ausgelaufen. Vermehrt ab Mai 2009 seien Arbeitnehmer von Zeitarbeitsfirmen wegen Krankheitsfällen, Renteneintritt und sonstigen Personalengpässen eingesetzt worden. Der Beigeladene sei ihm durch diesen Einsatz bekannt geworden. Zu Beginn sei nur ein kurzfristiger Einsatz als Selbstständiger geplant gewesen; es habe sich dann wegen der bestehenden Personalengpässe anders ergeben. Da er selbst keine Personalentscheidungsbefugnis habe, habe er dies mit der Geschäftsleitung des Unternehmens abgesprochen.

Zusätzlich nahm G gegenüber dem Amtsgericht Neumarkt schriftlich am 21.12.2015 wie folgt Stellung: D habe die Rechnungen des Beigeladenen geprüft und für die Kostenrechnung handschriftlich auf den Rechnungen vermerkt "Lohnkosten - Leergut - Kom.". Anlässlich einer Besprechung im Chefbüro zu anderen Themen am 31.03.2010 habe er die ersten vier Rechnungen des Beigeladenen durch D erhalten. Nach der Besprechung habe er begonnen, diese zu bearbeiten und D, der noch im Raum gewesen sei, gefragt, wer die Fa. H sei, da er diese und die entsprechenden Rechnungen bislang nicht gekannt habe. D habe ihm erklärt, dass es sich um einen selbstständigen Kleinunternehmer handele, der bisher gelegentlich als Mitarbeiter der Fa. R bei der Klägerin als Leiharbeiter tätig gewesen sei. Dieser habe sich nun selbstständig gemacht. Er habe bei D nachgefragt und sei dahingehend informiert worden, dass D das geprüft habe. D habe ihn weiter informiert, dass es sich um einen Kleinunternehmer wie solche z. B. am Heimatort des D in B1-Stadt durch die Fa. E, bei der ca. 40 verschiedene Kleinunternehmer beauftragt seien, handele. D habe dies mit dem Beigeladenen besprochen, das sei in Ordnung. Er habe die Aussage von D dadurch bestätigt gefunden, dass auf der Rechnung vom 07.03. die Formulierung zu lesen gewesen sei: "Für Beifahrertätigkeiten in ihrem Hause, im Zeitraum 01.03.-05.03.06 erlaube ich mir - wie vereinbart - in Rechnung zu stellen." Es habe sich für ihn um eine Firma gehandelt, die als Kleinunternehmen Lieferungen, Transporte und Dienstleistungen ausführe. D habe ihm gesagt, dass der Beigeladene Umzüge und verschiedenes Andere mache, wofür er auch einen Kleintransporter besitze, und dass er unter dem Druck der angefallenen Auftragslage den Beigeladenen dringend brauche, da sie so schnell keine eigenen Fahrer herbrächten und der Beigeladene ja schon die gleichen Tätigkeiten als Leiharbeiter erledigt habe. Daraufhin habe er seinem jahrzehntelangen Mitarbeiter vertraut und die Rechnungen abgezeichnet. D habe den Beigeladenen nicht als Mitarbeiter angestellt, sondern als erkennbar selbstständige Logistikfirma beauftragt. Er sei sich sicher gewesen, dass die von ihm an D gerichteten Fragen ausreichten, um die Richtigkeit seines Handelns in keiner Weise in Frage stellen zu müssen.

Das Strafverfahren wegen Vorenthaltens/Veruntreuens von Arbeitsentgelt wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Neumarkt in der Oberpfalz vom 02.02.2016 nach Zahlung einer Geldauflage von 1.000,- Euro durch die Klägerin nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt (20 Ds ).

Die Beklagte hat auf gerichtliche Nachfrage errechnet, dass die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge ohne Nettolohnhochrechnung und Säumniszuschläge sich auf 6.434,03 Euro belaufen würde.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 06.05.2021 hat G1 erklärt, dass das Jahr 2010 im Unternehmen wegen eines erhöhten Personalbedarfs und eines hohen Krankenstandes ein schwieriges Jahr gewesen sei. Die am 10.06.2021 als Zeugin geladene B1, die im Termin am 06.05.2021 als Beklagtenvertreterin zugegen war, hat ausgeführt, sie kenne die Klägerin bereits seit dem Jahr 1998, als sie dort ihre erste Betriebsprüfung vorgenommen habe. Sie prüfe die Klägerin seitdem alle vier Jahre regelmäßig. Ihr damaliger Vorgesetzter habe ihr im April oder Mai 1998 ein Zeitungsinserat der Klägerin gezeigt, in dem diese selbstständige Lkw-Fahrer gesucht habe. Sie sei gebeten worden, dies bei ihrer Betriebsprüfung, die im Juli 1998 stattgefunden habe, zu berücksichtigen. Sie habe damals G auf das Inserat angesprochen und dieser habe ihr bestätigt, dass er keine selbstständigen Lkw-Fahrer ohne eigenen Lkw beschäftigen würde. Aufgrund des Inserats habe er einen Vater und Sohn mit eigenem Lkw beauftragt. Bei der streitgegenständlichen Betriebsprüfung habe sie mit G1 gesprochen, da auf einem Sachkonto die Tätigkeit des Beigeladenen mit der Bezeichnung "Beifahrertätigkeit" gefunden worden war. G1 habe auf ihre Nachfrage gesagt, der Beigeladene habe gemacht, was auf der Rechnung stehe, d.h. als Beifahrer und Kommissionierer gearbeitet. Sie halte G für einen "blitzgescheiten Mann", der ihrer Auffassung nach durchaus gewusst habe, was Scheinselbstständigkeit sei. Dies schließe sie aus den Kontakten bei den fortlaufenden Prüfungen, bei denen es nie ein größeres Problem hinsichtlich der Fahrer gegeben habe. Der Vorfall mit der Tätigkeit des Beigeladenen sei sehr ungewöhnlich gewesen.

G hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, er habe den Beigeladenen nicht gekannt. Für ihn sei aufgrund seiner Nachfrage bei D klar gewesen, dass der Beigeladene ein selbstständiger Unternehmer gewesen sei, der auch Mitarbeiter beschäftige, da er auch Umzüge angeboten habe und man diese nicht allein durchführen könne. Für ihn sei der Beigeladene damals einfach die vierte Spedition gewesen, mit der die Klägerin zusammengearbeitet habe. Er wisse nicht, ob der Beigeladene mit einem eigenen Lkw für die Klägerin gefahren sei. Wenn die Nutzung eines Lkw auf den Rechnungen des Beigeladenen nicht ausgewiesen sei, sei er wohl nicht mit einem eigenen Lkw gefahren. Der Beigeladene habe im Betrieb wohl die Waren kommissioniert; ob er die Getränke zusätzlich auch ausgefahren habe, wisse er nicht. Er habe die Rechnungen oben abgezeichnet; der Vermerk "Lohnkosten - Leergut- Kom." stamme von D. Aus der Bezeichnung "Beifahrertätigkeit" könne seines Erachtens nicht geschlossen werden, ob der Beigeladene alleine gefahren sei oder zu zweit. Er selbst habe die Rechnungen nur auf Plausibilität geprüft. Ihm sei nicht aufgefallen, dass der Eingangsstempel fälschlicherweise das Datum 2009 statt 2010 getragen habe, dass der Beigeladene Tätigkeiten für das Jahr 2008 in Rechnung gestellt und die Mehrwertsteuer (MwSt) bzw. Umsatzsteuer (USt) nicht ausgewiesen habe. Er denke, auch die Buchhaltung habe das nicht geprüft, sondern einfach gebucht. Er könne nichts dazu sagen, wer bei der Klägerin für die Prüfung zuständig sei, ob Rechnungen mit USt. oder MwSt. gestellt würden. An das Gespräch mit der Zeugin könne er sich nicht erinnern. Auch sein Prokurist habe daran keine Erinnerung; bei Betriebsprüfungen seien sie immer zu dritt gewesen. Das Thema "Scheinselbstständigkeit" sei ihm aus der Fachpresse bekannt gewesen. Diese zu erkennen, sei sehr schwierig. Mit seinem Steuerberater habe er über die Tätigkeit des Beigeladenen nicht gesprochen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Akte der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth (Az. 503 Js 1313/15) verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
 
Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache begründet.
Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 02.05.2018 ist zulässig. Streitgegenständlich ist ein Betrag in Höhe von 12.816,23 Euro (Säumniszuschläge 6.337,50 Euro, Wert der Nettolohnhochrechnung 6.478,73 Euro), so dass der Beschwerdewert in Höhe von 750,- Euro nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG überschritten wird.
In der Sache führt die Berufung zum Erfolg, da das Sozialgericht zu Unrecht den Bescheid vom 06.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2016 insoweit aufgehoben hat, als die Nettolohnhochrechnung vorgenommen wurde und Säumniszuschläge erhoben wurden. Das Urteil des Sozialgerichts war daher aufzuheben und die Klage gegen die angefochtenen Bescheide abzuweisen, da der Bescheid vom 06.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2016 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Dieser ist bedingt vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen, so dass sowohl die Nettolohnhochrechnung als auch die Erhebung von Säumniszuschlägen rechtmäßig erfolgten.

Streitgegenstand des Verfahrens ist nicht mehr die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 6.434,03 Euro für die Tätigkeit des Beigeladenen an sich. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren beantragte die Klägerin nur noch, die angefochtenen Bescheide insoweit aufzuheben, als die streitgegenständliche Beitragsforderung im Wege der Nettolohnhochrechnung erhöht wurde und soweit Säumniszuschläge festgesetzt wurden. Der Bescheid vom 06.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2016 ist insoweit bestandskräftig geworden (vgl. auch BSG, Urteil vom 09.11.2011 - B 12 R 18/09 R, Rdnr. 12 juris).

Für den Erlass des die Beitragsfestsetzung regelnden Verwaltungsakts war die beklagte Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund sachlich zuständig. Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB IV (hier idF vom 15.04.2015) prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Sie erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern, wobei § 28h Abs. 2 SGB IV sowie
§ 93 iVm § 89 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht gelten.

Zu Recht hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 06.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2016 eine Nettolohnhochrechnung vorgenommen und Säumniszuschläge in Höhe von 6.337,50 Euro gefordert. Der Einwand der Klägerin gegen den Vorwurf des mindestens bedingten Vorsatzes und damit einhergehend gegen die Festsetzung der Säumniszuschläge (§ 24 SGB IV) und gegen die Anwendung der Nettolohnhochrechnung (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV) greift nicht durch. Nach Überzeugung des Senats, die dieser auf den Inhalt der Akten sowie die Einlassungen der Beteiligten im Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren und den persönlichen Eindruck des Senats von dem damaligen Inhaber der Klägerin, G, und der Zeugin B2 in der mündlichen Verhandlung stützt, ist der Klägerin jedenfalls bedingter Vorsatz vorzuwerfen.

Ausgangspunkt und Rechtsgrundlage für die Beitragsberechnung der Beklagten ist § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Danach gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Daraus folgt, dass auch in solchen Fällen - wie nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV bei einer (legalen) Nettoarbeitsentgeltvereinbarung - die Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach dem sog. Abtastverfahren zu ermitteln sind. Als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt gelten danach die Einnahmen des Beschäftigten iSd § 14 Abs. 1 SGB IV zuzüglich der auf sie entfallenden (direkten) Steuern und des gesetzlichen Arbeitnehmeranteils an den Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Der Begriff der illegalen Beschäftigung ist im Gesetz nicht näher und nicht allgemein definiert. Die Begriffsmerkmale korrespondieren inhaltlich mit § 1 Abs. 2 Nr. 1 Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung - Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) und § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG. Dem Begriff der illegalen Beschäftigung liegt - wie schon dem Begriff der abhängigen Beschäftigung in § 7 SGB IV - eine typologische Betrachtungsweise der unterschiedlichsten Erscheinungsformen von "Schwarzarbeit" durch den Gesetzgeber zugrunde, die im Kontext des § 14 SGB IV von den herkömmlichen ("legalen") Beschäftigungsverhältnissen nach sozialversicherungsrechtlichen Merkmalen abzugrenzen ist. Unter illegalen Beschäftigungen im Sinne des
§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV müssen alle Formen bewusster Zuwiderhandlungen des Arbeitgebers verstanden werden, bei denen der Verpflichtung nicht nachgekommen wird, Meldungen zu erstatten (§ 28a Abs. 1 SGB IV, § 111 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV) und Beiträge für die Beschäftigten zu zahlen (§ 28e Abs. 1 SGB IV, § 266a StGB). Die Illegalität der Beschäftigung folgt nicht etwa aus Verstößen gegen Arbeitserlaubnisvorschriften zur Regulierung des Arbeitsmarkts, sondern aus der rechtswidrigen Abwicklung des Beschäftigungsverhältnisses unter Verstoß gegen die Melde- und Beitragszahlungspflichten zur Sozialversicherung (§§ 28a, 28e, 28f SGB IV). Die Rechtsprechung des BSG verlangt hier die Missachtung zentraler, arbeitgeberbezogener Pflichten des Sozialversicherungsrechts. Zusätzlich muss - als Korrektiv im Sinne eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals im Wege einer teleologischen Reduktion des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV - mindestens bedingter Vorsatz zu dem Pflichtenverstoß festgestellt werden. Dabei ist an die für die Verjährung vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge geltende Regelung des
§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (Verlängerung der Verjährungsfrist von vier auf dreißig Jahre) anzuknüpfen (vgl. BSG, Urteil vom 09.11.2011 - B 12 R 18/09 R, Rdnr. 20 f., 25, 28 juris). Das subjektive Element dient dabei der Ausklammerung von schlichten Berechnungsfehlern, versicherungsrechtlichen und beitragsrechtlichen Fehlbeurteilungen, die ebenfalls zu fehlenden Meldungen und Beitragszahlungen führen können, von der illegalen Beschäftigung jedoch unterschieden werden müssen (vgl. Werner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 14 Rdnr. 324; BSG, Urteil vom 09.11.2011 - B 12 R 18/09 R, Rdnr. 23, 27 juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lagen die objektiven Voraussetzungen des
§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV vor. Die Klägerin hat - weil sie den Beigeladenen zu Unrecht als Selbstständigen behandelt hat - insgesamt weder Steuern noch Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung abgeführt und damit gegen die gesetzlichen Pflichten zur Beitragszahlung (§ 28d und e SGB IV) und die vorausgehenden Melde-, Aufzeichnungs- und Nachweispflichten (§ 28a und § 28f SGB IV) als zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversicherungsrechts verstoßen. Dass der Beigeladene bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum beschäftigt war und deshalb Versicherungspflicht bestand, hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 06.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2016 bestandskräftig festgestellt.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (hier idF vom 12.11.2009 und vom 15.07.2013) ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Die objektiven Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen sind hier erfüllt. Die Klägerin hat die von ihr geschuldeten Beiträge nicht rechtzeitig gezahlt.

Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Unverschuldete Unkenntnis liegt nur vor, wenn der Beitragsschuldner 1. keine Kenntnis von seiner Zahlungspflicht hat, 2. die Unkenntnis nicht verschuldet ist, 3. ihm auch Kenntnis oder Verschulden einer anderen Person nicht zurechenbar ist und 4. die unverschuldete Unkenntnis ununterbrochen bis zur Festsetzung der Säumniszuschläge durch Bescheid bestanden hat (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R -, BSGE 127, 125-132, SozR 4-2400 § 24 Nr. 8, Rdnr. 11).

Die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen für die Erhebung der Säumniszuschläge (§ 24 Abs. 1, 2 SGB IV) und die Anwendung der Nettolohnhochrechnung (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV) liegen ebenfalls vor. Für die Bestimmung des Verschuldensmaßstabs in § 14 Abs. 2 Satz 2 IV und § 24 Abs. 2 SGB IV ist auf bedingten Vorsatz abzustellen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R, Rdnr. 16 juris und BSG, Urteil vom 09.11.2011 - B 12 R 18/09 R, Rdnr. 23, 27 juris).

Der bedingte Vorsatz ist von der groben Fahrlässigkeit abzugrenzen, die im Rahmen der § 24 Abs. 2 SGB IV, § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV nicht ausreicht. Bedingter Vorsatz setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (Bundesgerichtshof (BGH), BGHZ 7, 313; BGH NJW 1963, 380; 1984, 801; 1986, 180, 182; BGHZ 117, 368; Köln NJW 1976, 297). Er muss in einer zumindest laienhaften Bewertung erkannt haben, dass er selbst möglicherweise Arbeitgeber ist, dass eine Abführungspflicht existiert und er durch die fehlende Anmeldung oder unvollständige oder unrichtige Angaben die Heranziehung zum Abführen von Sozialabgaben ganz oder teilweise vermeiden könnte. Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Arbeitgeber die seine Beitragsschuld begründenden Tatsachen kennt, weil er zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre nachvollzieht, dass Beschäftigung vorliegt, die Beitragspflicht nach sich zieht. Eine sichere Kenntnis der Beitragspflicht ist nicht notwendig (BGH, Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11-, Rdnr. 21 f., juris, zum vergleichbaren Tatbestand der Steuerhinterziehung). Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, d.h. wenn die relevanten Tatumstände objektiv erkennbar sind und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen (BGH, Urteil vom 20.12.2011, VI ZR 309/10, NJW-RR 2012, 404, Rdnr. 10). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Handelnde davon ausgeht, dass die Beitragspflicht - die er lediglich für möglich hält - nicht eintreten wird. Für einen unverschuldeten Rechtsirrtum hat der Arbeitgeber nicht einzustehen.

Ob ein Arbeitgeber das Bestehen einer Beitragspflicht für möglich gehalten hat, muss im Rahmen der Beweiswürdigung geklärt werden. Ob bedingter Vorsatz oder lediglich bewusste Fahrlässigkeit vorliegt, ist durch eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls anhand der konkreten Tatumstände festzustellen, d.h. anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell zu ermitteln. Es kommt darauf an, aus welchen objektiven, äußerlich erkenn- und nachweisbaren Umständen der zulässige Rückschluss auf den subjektiven Tatbestand gezogen werden kann. Bloße Behauptungen zur inneren Tatseite müssen nicht als unwiderlegbar angesehen werden, wenn dafür im Übrigen keine Anhaltspunkte vorliegen (BGH, Beschluss vom 24.09.2019 - 1 StR 346/18 -, BGHSt 64, 195-209, Rdnr. 30). Allgemein geltende Aussagen zum Vorliegen eines subjektiven Tatbestandes sind ausgeschlossen. Regelmäßig liegt jedoch Vorsatz vor, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt (z. B. bei "Schwarzarbeit") keine Beiträge entrichtet werden (BSG, Urteil vom 30.03.2000, B 12 KR 14/99 R, Rdnr. 25 juris).

Bei der Beweiswürdigung kann zunächst Bedeutung erlangen, wie eindeutig die Indizien sind, die für das Vorliegen einer Arbeitgeberstellung sprechen. Zudem kann von Relevanz sein, ob und inwiefern der Arbeitgeber im Geschäftsverkehr erfahren ist oder nicht und ob das Thema "illegale Beschäftigung" in der jeweiligen Branche im gegebenen zeitlichen Kontext vermehrt Gegenstand des öffentlichen Diskurses war. Ein gewichtiges Indiz kann auch sein, ob das gewählte Geschäftsmodell von vornherein auf Verschleierung oder eine Umgehung von sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen ausgerichtet ist. Es kann dabei vorwerfbar sein, wenn ein Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit darauf verzichtet, die Entscheidung einer fachkundigen Stelle herbeizuführen (vgl. BSG, Urteil vom 09.11.2011 - B 12 R 18/09 R, Rdnr. 33 juris; BSG, Urteil vom 24.03.2016 - B 12 KR 20/14 R, Rdnr. 35 juris). Jedenfalls bei Kaufleuten, die als Arbeitgeber zu qualifizieren sind, sind auch die im Zusammenhang mit ihrem Gewerbe bestehenden Erkundigungspflichten in Bezug auf die arbeits- und sozialrechtliche Situation in den Blick zu nehmen, weil eine Verletzung einer Erkundigungspflicht auf die Gleichgültigkeit des Verpflichteten hinsichtlich der Erfüllung dieser Pflicht hindeuten kann (BGH, Beschluss vom 24.09.2019 - 1 StR 346/18 -, BGHSt 64, 195-209, Rdnr. 25-26). Dasselbe gilt, wenn er es unterlässt, in Zweifelsfällen Rechtsrat einzuholen (BGH, Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11 -, Rdnr. 26 f. juris zur Steuerhinterziehung).

Ist eine juristische Person Beitragsschuldnerin, kommt es zunächst auf die Kenntnis oder unverschuldete Unkenntnis zumindest eines Mitglieds eines Organs von der Beitragspflicht an. Wissen und Verschulden eines vertretungsberechtigten Organmitglieds ist als dasjenige des Organs anzusehen und damit auch der juristischen Person zuzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R, Rdnr. 66 juris mwN).

Hinsichtlich der Beweislast bestehen Unterschiede. Die objektive Beweislast für die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht trägt derjenige, der sich darauf beruft; gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV reicht die Glaubhaftmachung aus (BSG, Urteil vom 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R, Rdnr. 25 juris; Scheer in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, § 28p Rdnr. 216.1). Die Feststellungslast (Beweislast) für den subjektiven Tatbestand im Rahmen des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die Anwendung der Nettolohnhochrechnung beruft.

Nach diesen Grundsätzen ist der Klägerin im Rahmen des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV und des § 24 Abs. 2 SGB IV der Vorwurf des bedingten Vorsatzes zu machen. Die Klägerin muss sich dabei das Wissen und Verschulden ihres damaligen Inhabers, G, zurechnen lassen, der nach der Überzeugung des Senats in Bezug auf die Arbeitgeberstellung der Klägerin hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen und auf die Nichterfüllung der damit zusammenhängenden Melde- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung bedingt vorsätzlich gehandelt hat. Der Senat schließt dies aus den objektiven, erkennbaren äußeren Umständen, wie sie sich aus dem Inhalt der Akten sowie den Einlassungen des G und der Zeugin B2. ergeben. Die Indizien für das Vorliegen der Arbeitgeberstellung der Klägerin sind eindeutig. Der Beigeladene verrichtete als Fahrer und Kommissionierer die gleichen Tätigkeiten wie die bei der Klägerin angestellten Fahrer, ohne in dieser Tätigkeit einem eigenen Unternehmerrisiko ausgesetzt gewesen zu sein. Er benutzte dabei - wie sich auch aus seinen Rechnungen ergibt, in denen die entsprechende Position nicht aufgeführt ist - keinen eigenen Lkw. Noch ein Jahr zuvor, im Jahr 2009, hatte der Beigeladene dieselbe Tätigkeit bei der Klägerin im Rahmen eines Leiharbeitnehmerverhältnisses mit der Fa. R ausgeübt. Weiter konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung selbst davon überzeugen, dass es sich bei dem Inhaber der Klägerin, G, um einen erfahrenen und intelligenten Geschäftsmann handelt, dem das (Familien-)Unternehmen der Klägerin von klein auf vertraut ist und der im streitgegenständlichen Zeitraum im Jahr 2010 bereits seit 30 Jahren Inhaber der Klägerin war. G war, wovon der Senat aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin B2 überzeugt ist, das Thema der "Scheinselbstständigkeit" seit langem bekannt. Dies belegt seine Aussage gegenüber der Zeugin im Rahmen der Betriebsprüfung aus dem Jahr 1998, mit der er bestätigte, dass ihm bewusst sei, dass ein Fahrer ohne eigenen Lkw nicht als Selbstständiger behandelt werden könne. Der Senat hält die Zeugin auch für glaubwürdig. Diese konnte sich noch genau an die Umstände der damaligen Betriebsprüfung im Jahr 1998 erinnern, was auch deshalb überzeugend ist, weil es sich um eine der ersten Betriebsprüfungen der Zeugin nach deren Ausbildung handelte und ihr damaliger Vorgesetzter sie anlässlich der Zeitungsannonce insbesondere mit der Prüfung von "selbstständigen" Lkw-Fahrern betraut hatte. Es ist kein Interesse der Zeugin erkennbar, der Klägerin zu schaden. Vielmehr ist die Klägerin der Zeugin seit vielen Jahren aus ihrer fortlaufenden Betriebsprüfungstätigkeit bekannt; die Zeugin hat auch angegeben, dass es im Hinblick auf die Fahrer bei der Klägerin ansonsten keine Beanstandungen gegeben habe und daher die Beauftragung des Beigeladenen als selbstständiger Fahrer sehr ungewöhnlich gewesen sei. Die Zeugin hat ausgesagt, G als intelligenten, erfahrenen Geschäftsmann sehr zu schätzen. G bestätigte gegenüber dem Senat, ihm sei die Problematik Scheinselbstständiger aus der Fachpresse bekannt und dass die Einordnung mit Schwierigkeiten verbunden sei. Tatsächlich war die Thematik der Scheinselbstständigkeit im Transport- und Fuhrbereich im Jahr 2010 auch bereits seit längerem Gegenstand des öffentlichen Diskurses, der Fachpresse und obergerichtlicher Entscheidungen (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2005 - B 12 KR 28/03 R: Transportfahrer; BSG, Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 38/02 R: Fahrer zur Auslieferung von Menüs; LSG Hessen, Urteil vom 19.10.2006 - L 8/14 KR 1188/03: Fahrer eines Paketdienstes; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.09.2007 - L 5 R 5/06: Kurierfahrer; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.11.2008 - L 4 KR 4098/06 - Lkw-Fahrer; LSG Hessen, Urteil vom 24.02.2009 - L 1 KR 249/08 und Urteil vom 17.12.2009 - L 8 KR 245/07: Lkw-Fahrer). Als erfahrenem Geschäftsmann hätte es G daher oblegen, sich in Bezug auf die Tätigkeit des Beigeladenen bei der Einzugsstelle, der Clearingstelle der Beklagten oder anderen fachkundigen Personen, etwa dem Steuerberater der Klägerin, zu erkundigen. Angesichts der genannten äußeren Umstände ist diese fehlende Erkundigung vorliegend im Sinne eines bedingten Vorsatzes vorwerfbar. Auch die vom Beigeladenen vorgelegten Rechnungen boten Anlass dazu, weitere Nachfragen zu stellen und Rechtsrat einzuholen. So fällt die Diskrepanz zwischen der Rechnungstellung (durch einen vermeintlich Selbstständigen, der "Beifahrertätigkeiten" abrechnete) einerseits und dem jeweiligen handschriftlichen Vermerk des D auf den Rechnungen "Lohnkosten - Leergut Kom." bzw. "Lohnkosten - Leergut-Sortierung" auf, der eine abhängige Beschäftigung nahelegt. Insgesamt werfen die Rechnungen die Frage auf, welche Tätigkeit konkret der Beigeladene verrichtete. Auch musste sich angesichts der in Rechnung gestellten "Beifahrertätigkeiten" und der fehlenden Position zur Nutzung eines eigenen Lkw in der Rechnung der Verdacht aufdrängen, dass hier eine abhängige Beschäftigung vorliegen könnte. Zuzugeben ist, dass im Briefkopf der Firmenname "H Logistik L-T-D" durch den Zusatz "Lieferungen, Transporte, Dienstleistungen" erklärt wird und eine solche Logistikfirma üblicherweise über eigene Fahrzeuge verfügt. Auch hatte D G gegenüber auf dessen Nachfrage geäußert, der Beigeladene verfüge als Kleinunternehmer über einen eigenen Kleintransporter. Allerdings hätte sich wegen der Überschrift der Rechnungen "Beifahrertätigkeiten in Ihrem Hause", die gerade nicht den Einsatz eines eigenen Lkw nahelegt, G nicht mit der Auskunft von D begnügen dürfen, er habe dies geprüft und es sei in Ordnung. Die Klägerin selbst hatte darauf hingewiesen, dass D mit Fragen der Scheinselbstständigkeit nicht vertraut gewesen sei, so dass es angezeigt gewesen wäre, sich bei einer fachkundigen Stelle Rat zu holen und sich nicht auf die Aussage des zwar stets zuverlässigen, in dieser Frage jedoch nicht kundigen Versandleiters zu verlassen, zu dessen Aufgaben die Einstellung abhängig Beschäftigter gerade nicht gehörte. Auch die Tatsache, dass die Rechnungen, die G ausweislich seines Namenskürzels oben rechts auf jeder Rechnung sämtlich vorgelegt wurden, keine MwSt. bzw. USt. auswiesen, gleichzeitig aber auch der Hinweis auf die Anwendung der sog. Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) entsprechend § 14 Abs. 4 Nr. 4 und 8 UStG fehlte, musste Anlass für Zweifel an der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung der Tätigkeit des Beigeladenen geben. Für nicht nachvollziehbar hält der Senat, dass nach der Einlassung des G bei der Klägerin offenbar auch die Buchhaltung nicht überprüft, ob Rechnungen selbstständiger Vertragspartner die USt./MwSt. ausweisen. Der Senat hat G in der mündlichen Verhandlung als intelligenten, gut informierten und sehr strukturierten Unternehmensinhaber erlebt, so dass nicht überzeugend ist, dass G angesichts der geschilderten Umstände keine Zweifel in Bezug auf die Einordnung der Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit gekommen sein sollen. G waren auch die Rechnungen der Fa. R für den Einsatz der Leiharbeitnehmer bekannt, die sich von den Rechnungen des Beigeladenen deutlich unterschieden, so dass er nicht davon ausgehen konnte, der Beigeladene sei wie eine andere Leiharbeitsfirma beauftragt worden. Der Senat kann zwar die geschilderte schwierige Situation der Klägerin im Jahr 2010 aufgrund des Krankenstandes verbunden mit einer hohen Auftragslage nachvollziehen. Die Klägerin war daran interessiert, weiter mit dem Beigeladenen, der ihr aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit als Leiharbeitnehmer als zuverlässiger Arbeiter bekannt war, zusammenzuarbeiten. Die Tatsache jedoch, dass trotz der Ungereimtheiten in seinen Rechnungen und der Umstände, die eine abhängige Beschäftigung eindeutig nahelegten, keine weiteren Nachfragen getätigt wurden und nicht der Rat einer fachkundigen Person oder Stelle eingeholt wurde, stellt für den Senat gerade vor dem Hintergrund der geschilderten Personalengpässe im Jahr 2010 bedingt vorsätzliches Handeln dar. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Inhaber der Klägerin deren Arbeitgeberstellung in Bezug auf die Tätigkeit des Beigeladenen jedenfalls für möglich hielt, durch das Unterlassen der Einholung von Rechtsrat zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung der Tätigkeit im Hinblick auf die kritische Situation im Betrieb und die Notlage der Klägerin aber billigend in Kauf nahm, die damit zusammenhängende Melde- und Beitragspflicht nicht zu erfüllen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).

 

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