Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 18.10.2021 geändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt der Regelbedarfe nach § 20 SGB II und der Bedarfe für Unterkunft und Heizung iHv monatlich 720 € vom 01.01.2022 bis zum 30.06.2022 zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten.
Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt S, L, beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige. Die Antragstellerin zu 1) ist am 00.00.1991 geboren. Der am 00.00.2007 geborene Antragsteller zu 2) und die am 00.00.2009 geborene Antragstellerin zu 3) sind nach Angaben der Antragsteller Kinder der Antragstellerin zu 1) aus einer früheren Beziehung. Der am 00.00.1974 geborene Antragsteller zu 4) ist seit dem 26.11.2020 mit der Antragstellerin zu 1) verheiratet.
Die Antragsteller beantragten am 11.11.2020 beim Antragsgegner Leistungen. Sie gaben den Familiennamen des Antragstellers zu 4) mit „A“ an und erklärten, dieser sei der Lebensgefährte der Antragstellerin zu 1). Sie fügten dem Antrag Meldebestätigungen der Stadt L bei, gemäß denen sie seit dem 22.10.2020 in der C-Str. 7 gemeldet waren. Weiter legten sie Kopien bulgarischer Ausweisdokumente vor. Der Nachname der Antragstellerin zu 1) wird in dem Ausweis mit „N“, der Geburtsname (Father`s name) mit „U“ angegeben. Überdies fügten sie Unterlagen über frühere Beschäftigungen des Antragstellers zu 4) bei, namentlich einen Arbeitsvertrag der Fa. O-Kurierdienst, Z, vom 12.10.2016 über eine Tätigkeit als Beifahrer ab dem 19.10.2016, eine Bescheinigung der Fa. E Logistik GmbH, F, über ein versicherungspflichtiges Beschäftigungverhältnis ab dem 01.01.2017 und ein Schreiben vom 08.12.2017 über die Kündigung des letztgenannten Arbeitsverhältnisses zum 22.12.2017 bei. Eine von ihnen zur Akte gereichte Mietbescheinigung über die Wohnung C-Str. 7 weist Herrn K als Vermieter und die Antragstellerin zu 1) als Mieterin aus. Die monatliche Kaltmiete beläuft sich hiernach auf 600 €, die Betriebskosten auf 120 €. Gemäß der Bescheinigung leben neben der Antragstellerin zu 1) fünf weitere Personen in der Wohnung. Der ebenfalls vorgelegte Mietvertrag datiert vom 22.10.2020.
Die Antragstellerin zu 1) erklärte am 18.11.2020 gemäß einem Vermerk des Antragsgegners fernmündlich, seit neun Jahren mit dem Antragsteller zu 4) zusammenzuleben. Die Antragsteller zu 2) und 3) seien Kinder der Antragstellerin zu 1) und des Herrn B, der in Bulgarien lebe und zu dem kein Kontakt bestehe. Die Antragsteller zu 2) und 3) seien vor zwei Monaten nach Deutschland eingereist und hätten zuvor bei der Großmutter gelebt. Sie habe den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft bislang mit Prostitution sichergestellt, diese Tätigkeit aber jetzt beendet. Mit Schreiben vom 03.12.2020 legten die Antragsteller zu 1) und 4) die Kopie einer auf den 26.11.2020 datierten Urkunde über eine Eheschließung zwischen der Antragstellerin zu 1) und dem Antragsteller zu 4) in Q/Bulgarien am 25.11.2020 vor. Der Antragsteller zu 4) heiße nunmehr „N.“. Die Antragstellerin zu 1) beziehe kein Kindergeld und habe keinen Sozialversicherungsausweis. Überdies fügten die Antragsteller dem Schreiben Meldebestätigungen über einen Einzug des Antragstellers zu 4) in der M-Straße 67 in L am 10.10.2016 und im D-Straße 318 in F am 17.01.2019 sowie über einen Einzug der Antragstellerin zu 1) in die Wohnung M-Straße 67 in L am 13.10.2016 und in die Wohnung D-Straße 318 in F am 10.01.2020 bei. Mit Bescheid vom 18.12.2020 lehnte der Antragsgegner den Antrag unter Verweis auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab. Dieser Bescheid wurde nach Aktenlage bestandskräftig.
Am 21.04.2021 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner erneut Leistungen. Die Antragstellerin zu 1) erklärte, von ihren Ersparnissen gelebt und Unterstützung aus ihrer Verwandtschaft erhalten zu haben. Die Antragsteller zu 2) und 3) stammten aus einer früheren Partnerschaft. Gemäß einer vorgelegten erweiterten Meldebescheinigung der Stadt H war die Antragstellerin zu 1) vom 12.01.2015 bis zum 13.10.2016 in der T-Straße in H gemeldet. Laut zur Akte gereichten Schulbescheinigungen besuchen die Antragsteller zu 2) und 3) seit dem 01.02.2021 die Gemeinschaftshauptschule G-Schule in L. Zusätzlich zu den anfänglich eingereichten Unterlagen legten die Antragsteller auch ein Schreiben vom 12.12.2016 über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Antragstellers zu 4) bei der Fa. O-Kurierdienst zum 31.12.2016 und einen am 01.12.2016 ausgestellten Sozialversicherungsausweis bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See vor. Mit Schreiben vom 29.04.2021 forderte der Antragsgegner die Antragsteller auf, bis zum 19.05.2021 diverse Unterlagen (verschiedene Antragsformulare, Personalausweise, Geburtsurkunden, erweiterte Meldebescheinigungen ab dem 13.10.2016, Kontoauszüge der letzten sechs Monate, Erklärung zur Sicherung de Lebensunterhalts in den letzten zwölf Monaten usw.) einzureichen. Geschehe dies nicht, könnten die Leistungen versagt werden. Am 30.04.2021 ging beim Antragsgegner eine anonyme Anzeige ein, laut der die Antragstellerin zu 1) „schwarz“ arbeite. In der Wohnung lebten fünf Personen, außer der Antragstellerin zu 1) namentlich zwei Kinder, die Mutter und der Lebenspartner. Auch die Mutter arbeite „schwarz“. Die Antragstellerin zu 1) zahle jeden Monat die Miete iHv 600 € bis 700 € in bar. Mit Schreiben vom 18.06.2021 erinnerte der Antragsgegner an die Vorlage der Unterlagen und setzte eine erneute Frist bis zum 30.06.2021.
Mit an die Antragstellerin zu 1) adressiertem Bescheid vom 07.07.2021, der sich ausdrücklich auch an die Antragsteller zu 2) bis 4) richtete, versagte der Antragsgegner die Leistungsbewilligung ab dem 01.04.2021. Die Versagung beruhe auf § 60 Abs. 1 SGB I. Im Vorfeld seien das Interesse der Antragsteller am Erhalt der Leistungen und das öffentliche Interesse an einer Wahrung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gegeneinander abgewogen worden. Die Antragsteller erhoben am 23.07.2021 Widerspruch und fügten weitere Unterlagen bei. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2021 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Es fehlten weiterhin lückenlose Kontoauszüge für die letzten sechs Monate und es sei unklar, wie viele Personen in der Wohnung lebten. Auch die erweiterten Meldebescheinigungen lägen nicht vor. Ermessen sei ausgeübt worden; ein die Interessen der Allgemeinheit überwiegendes Interesse der Antragsteller sei nicht erkennbar.
Am 01.09.2021 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Köln Klage gegen den Bescheid vom 07.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2021 erhoben (S 6 AS 1859/21) und ebenfalls am 01.09.2021 eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Leistungen im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt. Sie haben im Wesentlichen die dem Antragsgegner bereits vorgelegten Unterlagen und Lohnabrechungen des Antragstellers zu 4) für die Zeit von Oktober 2016 bis Dezember 2016 sowie Kontoauszüge aus dem Jahr 2021, die kleinere Bareinzahlungen und – abhebungen ausweisen, eingereicht. Da die Antragstellerin zu 1) am 12.01.2015 erstmals in H gemeldet gewesen sei, habe sie ein Daueraufenthaltsrecht.
Der Antragsgegner hat einen Leistungsanspruch der Antragsteller in Abrede gestellt. Es sei zweifelhaft, ob es sich bei den Antragstellern zu 2) bis 3) um Kinder der Antragstellerin zu 1) handele, weil diese den Namen „U“ bzw. „U.“ trügen. Dass der Antragsteller zu 4) den Namen der Antragstellerin zu 1) angenommen habe, sei ungewöhnlich. Ein über ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche hinausgehendes Aufenthaltsrecht sei nicht ersichtlich. Weiter sei nicht erkennbar, dass die Antragsteller seit über fünf Jahren durchgehend in Deutschland gemeldet seien. Dies sei aber für die Unterausnahme des § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II maßgeblich. Gemäß einer Auskunft der Stadt L vom 27.09.2021 ist die Antragstellerin zu 1) am 13.10.2016 aus H, der Antragsteller zu 2) indes am 10.10.2016 aus Bulgarien zugezogen. Das Sozialgericht hat bei den Städten L und F erweiterte Meldebescheinigungen der Antragsteller zu 1) bis 4) eingeholt. Für die Antragstellerin zu 1) weist die diesbezügliche Auskunft der Stadt L einen Einzug in die M-Straße 67 in L am 13.10.2016 nach einem Zuzug aus H und einen Auszug am 25.09.2018 aus. Die Anschrift für den Zeitraum vom 25.09.2018 bis zum 10.01.2020 sei unbekannt. Meldeadresse vom 10.01.2020 bis zum Einzug in die aktuelle Wohnung sei die D-Straße 318 in F. Der Antragsteller zu 4) ist hiernach am 10.10.2016 aus Bulgarien in die Wohnung M-Straße 67 in L gezogen. Vom 15.01.2019 bis zum 24.06.2020 sei er in der D-Straße 318 in F gemeldet gewesen. Der Aufenthalt im Zeitraum vom 26.09.2018 bis zum 15.01.2019 sei unbekannt. Für die Antragsteller zu 2) und 3) weist die Auskunft jeweils einen Zuzug in die aktuelle Wohnadresse aus Bulgarien am 15.10.2020 aus.
Die Antragsteller haben hierzu vorgetragen, auch die Antragstellerin zu 1) sei am 15.01.2019 nach F gezogen, habe sich aber erst ein Jahr später dort gemeldet. Die Mutter der Antragstellerin zu 1), J, und ihr Bruder M hätten die Antragsteller unterstützt. Weiter hätten sie Zuwendungen von der Cousine R und vom Bruder der Antragstellerin zu 1), V, erhalten. Nun erführen sie keine Unterstützung mehr. Außer der Bedarfsgemeinschaft wohne niemand in der Wohnung. Die Antragstellerin zu 1) hat diesen Vortrag eidesstattlich versichert; dort heißt es allerdings, sie habe Unterstützung von ihrem Vater erhalten. Die Antragsteller haben eine nicht datierte eidesstattliche Versicherung des Vermieters K vorgelegt, wonach die Antragstellerin zu 1) von der M-Straße 69 in L in die D-Straße in F gezogen sei. Er könne die Verhältnisse seit sechs Jahren beurteilen. Seit Juli 2021 sei keine Miete mehr gezahlt worden. Die Meldebescheinigungen der Stadt F geben eine Meldung der Antragstellerin zu 1) in der Wohnung D-Straße 318 vom 10.01.2020 bis zum 15.10.2020 und des Antragstellers zu 2) vom 15.01.2019 bis zum 24.06.2020 an. Die Antragsteller seien jeweils in die C-Str. 7 in L gezogen.
Mit Beschluss vom 18.10.2021 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ungeachtet der undatierten eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin zu 1) sei deren Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Obwohl die Antragsteller bereits im November 2020 unter Bezugnahme auf fehlendes Einkommen und Vermögen Leistungen beantragt hätten, seien sie noch bis Juni 2021 in der Lage gewesen, ihre Bedarfe für Unterkunft und Heizung iHv monatlich ca. 720 € zu tragen. Die Antragsteller hätten lediglich Namen von Darlehensgebern, nicht jedoch deren Anschrift und Zeitpunkt und Höhe der gewährten Darlehen benannt. Es sei auch nicht überzeugend, dass Verwandte den Lebensunterhalt einer vierköpfigen Familie über ein Jahr tragen könnten. Da die Antragstellerin zu 1) ursprünglich angegeben habe, ihren Lebensunterhalt durch Prostitution zu bestreiten, bestehe der Verdacht, dass diese Einnahmequelle fortbestehe. Zudem seien die Antragsteller gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug augeschlossen, weil sich ihr Aufenthaltsrecht allenfalls aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Hinreichende Anhaltspunkte für ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU, das einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetze, bestünden nicht. Die Meldebestätigungen der Antragsteller wiesen Lücken auf. Auch wenn die Antragstellerin zu 1) ebenfalls am 15.01.2019 nach F verzogen sei, sei ihr Aufenthalt vom 26.10.2018 bis zum 15.01.2019 ungeklärt. Die Rückausnahme vom Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II komme nicht in Betracht, weil diese ein durchgehendes Meldeerfordernis voraussetze. Ein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage von Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 scheide aus. Da die Antragsteller zu 2) und 3) erst seit Februar 2020 eine Schule besuchten, könnten sie aus einer früheren Tätigkeit des Antragstellers zu 4) kein Aufenthaltsrecht ableiten. Auch ein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU scheide aus. Unabhängig von der Frage, ob die Arbeitsverhältnisse des Antragstellers zu 4) einen fortbestehenden Arbeitnehmerstatus auf der Grundlage von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU begründen könnten, fehle es an einer Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit über die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit. Diese sei indes konstitutive Bedingung für den Fortbestand des Aufenthaltsrechts.
Mit Schriftsatz vom 19.10.2021 – nach Erlass des Beschlusses - haben die Antragsteller sechs Zeugen für einen sechsjährigen durchgehenden Aufenthalt der Antragstellerin zu 1) in Deutschland benannt.
Am 28.10.2021 haben die Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss vom 18.10.2021 eingelegt. Da die Antragstellerin seit dem 12.01.2015 in H gemeldet sei, stehe ihr ein Daueraufenthaltsrecht zu. Das Sozialgericht habe nicht mehr berücksichtigt, dass sechs Zeugen für den durchgehenden Aufenthalt der Antragstellerin zu 1) in Deutschland benannt worden seien. Zudem sei die eidesstattliche Versicherung des Vermieters nicht verwertet worden. Ob die Antragsteller durchgehend gemeldet gewesen seien, sei unerheblich. Zudem bestehe das Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 4) als Arbeitnehmer fort.
Nach Übersendung einer Einverständniserklärung der Antragsteller hat der Senat Auszüge für das Konto der Antragstellerin zu 1) bei der Postbank für die Zeit ab dem 01.08.2021 eingeholt. Die Kontoauszüge weisen praktisch keine Einzahlungen und Abbuchungen aus. Die Antragsteller haben auf Anfrage des Senats mit Schriftsatz vom 16.02.2022 mitgeteilt, die Antragstellerin zu 1) verfüge über eine Genehmigung nach § 3 ProstSchG. Sie sei in F tätig gewesen. Kindergeld sei nicht bezogen worden. Die Antragsteller haben Ablichtungen einer Anmeldebestätigung nach § 3 ProstSchG vom 13.01.2020 und eine Bescheinigung nach § 10 ProstSchG übersandt.
Die Stadt F hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, die Antragstellerin zu 1) sei seit dem 13.01.2020 als Prostituierte angemeldet gewesen. Die Anmeldung sei zum 12.01.2022 abgelaufen. Eine Verlängerung sei nicht beantragt worden. Der Vermieter der Antragsteller hat auf Anfrage des Senats vom 27.02.2022 mit undatiertem, am 18.03.2022 eingegangenem Schreiben mitgeteilt, die Wohnung werde lediglich von den Antragstellern bewohnt. Die Antragsteller befänden sich seit drei Monaten im Mietrückstand. Die Wohnung werde mit Strom beheizt. Eine Nebenkostenabrechnung für 2020 liege nicht vor, weil keine vereinbart worden sei. Die Miete werde seit Juli 2021 in Beträgen von 50 € bis 100 € abbezahlt. Allerdings seien nunmehr drei volle Monatsmieten offen. Er stehe in keinem freundschaftlichen oder familiären Verhältnis zu den Antragstellern.
Das Sozialgericht hat die Klage gegen den Versagungsbescheid vom 07.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2021 mit Urteil vom 21.03.2022 abgewiesen. Die Antragsteller haben am 11.04.2022 gegen dieses Urteil beim Senat Berufung eingelegt (L 7 AS 553/22).
II.
Gegenstand des Eilverfahrens ist die vom Antragsteller begehrte Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.09.2021.
Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft und im Übrigen zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner das Verwaltungsverfahren mit dem Versagungsbescheid vom 07.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2021 und nicht mit einer Entscheidung in der Sache abgeschlossen hat. Auch bei Erlass eines Versagungsbescheides hilft einem Antragsteller, der eine Verpflichtung der Behörde zur Leistungszahlung und damit eine Erweiterung seiner Rechtsposition anstrebt, nämlich nur ein Antrag nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG weiter (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 02.03.2018 – L 7 AS 166/18 B ER, Bayerisches LSG Beschluss vom 21.04.2016 – L 7 AS 160/16 B ER). Hier liegt auch ein für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliches offenes Rechtsverhältnis vor, denn der Versagungsbescheid ist mit der beim Senat anhängigen Berufung L 7 AS 553/22 angefochten und damit nicht bestandskräftig. Eine vorgeschaltete Anordnung bzw. Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Berufung gegen den Versagungsbescheid ist nicht erforderlich, denn die Berufung gegen den von § 39 Nr. 1 SGB II nicht erfassten Versagungsbescheid entfaltet nach § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung (vgl. hierzu nur Bayerisches LSG Beschluss vom 16.09.2014 – L 16 AS 649/14 B ER) und der Antragsgegner beruft sich nicht auf die sofortige Vollziehbarkeit dieses Bescheides.
Die Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet.
Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung zu ermitteln (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 20.02.2019 - L 7 AS 1916/18 B ER und vom 30.08.2018 - L 7 AS 1268/18 B ER). Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 20.02.2019 - L 7 AS 1916/18 B ER und vom 30.08.2018 - L 7 AS 1268/18 B ER).
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung im tenorierten Umfang begründet. Diese Tenorierung beruht auf einer Folgenabwägung, denn die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Frage, ob die Antragsteller iSv §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II hilfebedürftig und ob sie – bei Unterstellung eines Anspruchs im Übrigen - gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sind, ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zu klären, sondern von umfangreichen Ermittlungen in der Hauptsache abhängig.
Zunächst kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht beurteilt werden, ob und in welchem Umfang die Antragsteller iSd §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II hilfebedürftig sind. Die vom Senat angeforderten Kontoauszüge der Antragstellerin zu 1) geben diesbezüglich kaum Aufschluss, denn diese weisen nur in geringem Umfang Bareinzahlungen und praktisch keine Überweisungen - auch nicht die seitens der Antragsteller unstreitig gestellten Mietzahlungen - aus. Es liegt nahe, dass der Lebensunterhalt der Antragsteller durch Bargeschäfte, so z.B. durch die durch Unterlagen der Stadt F bestätigte Tätigkeit der Antragstellerin zu 1) als Prostituierte oder durch die benannten Zuwendungen Dritter, gesichert wurde bzw. wird. Die Höhe dieser Einkünfte und die abschließende rechtliche Beurteilung möglicher Zuwendungen Dritter sind momentan nicht absehbar. Zudem haben sich im Lauf des Verfahrens Unstimmigkeiten im Vortrag der Antragsteller ergeben, die den Ursprung ihrer Einkünfte teilweise allein mit der Prostitution der Antragstellerin zu 1), teilweise mit Unterstützung Dritter erklärt haben. Auch die gemäß der letzten Erklärung des Vermieters inzwischen beglichenen Mietrückstände für Juli 2021 bis Dezember 2021 sprechen dafür, dass den Antragstellern in diesem teilweise vom einstweiligen Rechtsschutzverfahren erfassten Zeitraum noch Einkünfte zugeflossen sind. Andererseits legen die gemäß der im März 2022 eingegangenen Erklärung erneuten Mietrückstände für drei Monate (wohl ab Januar 2022) und der nach Aktenlage weiterhin fehlende Krankenversicherungsschutz jedenfalls eine aktuelle Mittellosigkeit der Antragsteller nahe. In Betracht kommt, dass eine mögliche Änderung der finanziellen Situation der Antragsteller in Zusammenhang mit einer Aufgabe der Tätigkeit der Antragstellerin zu 1) als Prostituierte steht, zumal ihre diesbezügliche Anmeldung am 12.01.2022 ausgelaufen ist.
Auch die Frage, ob die Antragsteller gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sind, ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zu klären, sondern von weiteren Ermittlungen in der Hauptsache abhängig. In Betracht kommt hier insbesondere, dass die Antragsteller selbst bei Unterstellung eines Leistungsausschlusses von der „Unterausnahme“ des § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II erfasst wären, wonach Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach dem SGB II erhalten, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II beginnt die Frist nach Satz 4 mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Hier ist jedenfalls ernsthaft in Erwägung zu ziehen, dass während der gesamten Laufzeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ab dem 01.09.2021 ein mindestens fünfjähriger gewöhnlicher Aufenthalt der Antragstellerin zu 1) im Bundesgebiet bestanden hat, denn die erstmalige Meldung der Antragstellerin zu 1) erfolgte am 12.01.2015 in H. Die Rechtsfolgen des § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II würden in diesem Fall den Ehemann und die Kinder der Antragstellerin zu 1) als Familienangehörige erfassen. Die vom Antragsgegner geäußerten Zweifel an einer verwandtschaftlichen Beziehung zwischen der Antragstellerin zu 1) und den Antragstellern zu 2) und 3) aufgrund der unterschiedlichen Familiennamen schlagen in diesem Zusammenhang nicht entscheidend durch, zumal der Personalausweis der Antragstellerin zu 1) „U“ als Geburtsnamen ausweist. Dem Antragsgegner ist indes einzuräumen, dass die Meldehistorie der Antragstellerin zu 1) eine erhebliche Lücke - nämlich vom 25.09.2018 bis zum 10.01.2020 - ausweist. Die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts der Antragstellerin zu 1) im Bundesgebiet auch in diesem Zeitraum scheitert indes nicht allein an der fehlenden melderechtlichen Erfassung. Die Annahme des Sozialgerichts, ein gewöhnlicher Aufenthalt iSd § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II setze eine durchgehende Meldung voraus (so auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 04.05.2020 - L 31 AS 602/20 B ER) ist unter Berücksichtigung der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung unzutreffend. Es spricht nichts dafür, dass die allein an den faktischen Gegebenheiten orientierte Legaldefinition des „gewöhnlichen Aufenthalts“ in der allgemeinen Vorschrift des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I („Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt“) nicht auch in § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II Anwendung findet. Hätte der Gesetzgeber die durchgehende melderechtliche Erfassung zur Voraussetzung für den Ablauf der Frist des § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II machen wollen, hätte es nahegelegen, in der Vorschrift - wie es in der Regelung des Fristbeginns in § 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II geschehen ist - ausdrücklich auf die Meldung und nicht auf den gewöhnlichen Aufenthalt abzustellen (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 26.07.2021 - L 7 AS 715/21 B ER, LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 11.05.2020 - L 18 AS 1812/19). In tatsächlicher Hinsicht ist indes offen, ob die Antragstellerin zu 1) sich zwischen dem 25.09.2018 und dem 10.01.2020 ohne wesentliche Unterbrechungen im Bundesgebiet aufgehalten hat. Ihr diesbezüglicher Vortrag, gemeinsam mit dem Antragsteller zu 4) nach F gezogen zu sein, sich aber erst später umgemeldet zu haben, ist jedenfalls nicht fernliegend. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin zu 1) am 19.10.2021 sechs Zeugen für ihren durchgehenden Aufenthalt im Bundesgebiet benannt hat, die in der Hauptsache jedenfalls teilweise zu vernehmen sein werden. Eine Ausreisepflicht der Antragstellerin zu 1) iSv § 7 Abs. 1 Satz 6 SGB II ist im maßgeblichen Zeitraum nicht ersichtlich.
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dahinstehen kann vor diesem Hintergrund, ob aufgrund der vorgetragenen, mehr als ein Jahr dauernden Tätigkeiten vom 12.10.2016 bis zum 22.12.2017 ein fortbestehendes Freizügigkeitsrecht des Antragstellers zu 4) als Arbeitnehmer gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU in Betracht kommt oder ob dieses bereits an der fehlenden Bescheinigung der Agentur für Arbeit für eine Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit scheitert (für eine Konstitutivität der Bescheinigung BSG Urteil vom 13.07.2016 - B 4 AS 17/16 R, dagegen und mit Darstellung des Streitstands Senatsbeschluss vom 20.12.2021 - L 7 SF 336/21 ER).
Aufgrund des offenen Sachverhalts ist im Rahmen einer Folgenabwägung zu entscheiden. Hierbei überwiegt das grundrechtlich geschützte Interesse der Antragsteller am Erhalt existenzsichernder Leistungen das fiskalische Interesse des Antragsgegners, nicht ohne Rechtsgrundlage Leistungen auszuzahlen. Die Voraussetzungen für eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistungszahlung auf der Grundlage einer Folgenabwägung liegen allerdings erst für den Zeitraum ab dem 01.01.2022 vor, denn es erst ab diesem Zeitpunkt, der mit dem Auslaufen der Anmeldebestätigung der Antragstellerin zu 1) als Prostituierte zusammenfällt, zeichnet sich in Anbetracht der vom Vermieter bescheinigten Mietrückstände eine existentielle Notlage der Antragsteller ab. Der Zeitraum der Verpflichtung des Antragsgegners orientiert sich an § 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II, wobei der Senat den Abschlussmonat aus Gründen der Zweckmäßigkeit zum Monatsende aufgerundet hat.
Den Antragstellern ist Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).