Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 4. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die höhere Erstfeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 30.
Sie ist 1967 geboren. Am 18. September 2017 beantragte sie bei dem Landratsamt Ludwigsburg (LRA) erstmals die Feststellung des GdB und legte Befundberichte vor. Die Kernspintomographie (MRT) des linken Handgelenks vom 24. Februar 2015 (Radiologe S) zeigte eine vollständige Ruptur des SL-Bandapparates mit skapholunärer Dissoziation. Der L1 führte hierzu aus, dass vom Unfallmechanismus und dem konventionell radiologischen Bild eine Bandruptur sehr unwahrscheinlich sei, sodass eine Handgelenksarthroskopie durchgeführt werden müsse. Diese bestätigte die Ruptur des SL-Bandes (Operationsbericht vom 20. März 2015). Nach ambulanter Untersuchung vom 22. Mai 2017 beschrieb L1 eine Auslockerung der Bandplastik mit belastungsabhängigen Schmerzen bzw. einer schmerzhaften Instabilität. Die MRT vom 23. Mai 2017 (K) zeigte das Bild einer skapholunären Dissoziation bei SL-Band-Läsion, sodass L1 am 2. Oktober 2017 eine Scaphoid-Exstirpation durchführte (vgl. Operationsbericht vom gleichen Tag). Im Karteikartenausdruck des S1 wurde eine Patellaluxationsoperation 1998 sowie eine sehr lockere Patella im Jahr 2003 bei einer Beweglichkeit des Kniegelenks von 0-0-140° beschrieben.
Das LRA holte den Befundschein des H ein, der eine hartnäckige Epicondylitis radialis am rechten Ellenbogen mit Bewegungseinschränkung beschrieb. Eine Dislozion des linken Handgelenks liege vor, bezüglich einer Persönlichkeitsstörung lägen ihm keine Unterlagen vor.
Auf Nachfrage des LRA teilte die Klägerin mit, wegen psychischer Probleme in keiner fachärztlichen Behandlung gewesen zu sein.
W sah versorgungsärztlich einen Teil-GdB von 30 für Knorpelschäden an beiden Kniegelenken sowie einen Teil-GdB von 20 für eine Funktionsbehinderung des linken Handgelenks und rechten Ellenbogengelenks.
Gestützt hierauf stellte das LRA mit Bescheid vom 19. Februar 2018 einen GdB von 30 seit dem 18. September 2017 fest.
Den von der Klägerin nicht begründeten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2018 zurück. Bezüglich des beidseitigen Kniegelenksleidens und der Leiden der oberen Extremitäten ergäben sich keine Hinweise, die ein Abweichen von der bisherigen Beurteilung rechtfertigen könnten. Die klinische Symptomatik sei insgesamt bereits ausreichend bewertet.
Am 16. Juli 2018 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und geltend gemacht, massiv unter den Folgen einer erheblichen Verletzung zu leiden, die sie sich am 25. Januar 2015 bei einem Arbeitsunfall zugezogen habe. Sie habe versucht, ihre an Parkinson erkrankte Mutter beim Herabsteigen im Treppenhaus aufzufangen, wobei sie sich an der Hand verletzt habe und dreimal operiert worden sei. Es bestünden nach wie vor Schmerzen, die nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Bei einer Versteifung des Handgelenks in ungünstiger Stellung sei ein Teil-GdB von 30 angezeigt. Bei ihr müsse zusätzlich noch die Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk berücksichtigt werden, die einen Teil-GdB von 20 bis 30 rechtfertige. Auch seien die Kniebeschwerden mit einem Teil-GdB von 20 zu niedrig bewertet. Weiter hat sie den Befundbericht über die MRT des linken Kniegelenks vom 27. Oktober 2018 vorgelegt, wonach eine Retropatellararthrose Grad III bis IV bestehe, die Menisken seien unauffällig.
Nachdem die Klägerin auf Nachfrage des SG mitgeteilt hat, sich bei keinem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Behandlung zu befinden, hat das SG zur weiteren Sachaufklärung die sachverständige Zeugenauskunft der H erhoben. Diesen haben einen letzten Patientenkontakt am 5. Mai 2017 angegeben und darauf verwiesen, dass nach dem Bericht des Handchirurgen die Beeinträchtigungen an der linken Hand nur leicht seien. Neben bereits aktenkundigen Berichten haben sie den handchirurgischen Befundbericht des L1 vom 12. Februar 2018 vorgelegt, wonach eine zufriedenstellende Beweglichkeit des Handgelenks bestehe. Die teilweise erheblichen postoperativen Schmerzen seien zurückgegangen, ein Wiedereingliederungsplan erstellt worden. Bei unauffälligem weiteren Verlauf sei mit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zum 7. März 2018 zu rechnen. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß sei nicht zu erwarten. Am 5. März 2018 hat L1 Arbeitsfähigkeit ab dem 6. März 2018 bescheinigt und am 4. Juni 2018 auf einen Abschluss der Behandlung bei vollständig knöchern überbrückter mediokarpalen Teilarthrodese verwiesen.
Sodann hat das SG das orthopädisch-unfallchirurgische Sachverständigengutachten des D aufgrund ambulanter Untersuchung vom 20. Mai 2019 erhoben, der den Gesamt-GdB von 30 bestätigt hat. Er hat eine freie Beweglichkeit der Schulter-, Ellenbogen- und Fingergelenke beidseits befundet. Die Beweglichkeit im rechten Handgelenk sei frei, links bestehe eine mittelgradig eingeschränkte Beweglichkeit. Bei Prüfung der groben Kraft sei diese links im Seitenvergleich um etwa die Hälfte vermindert. Spitz-, Schlüssel-, Pinzetten- und Hakengriff seien beidseits regelrecht vorgeführt worden. An den unteren Gliedmaßen seien beide Knie durchgestreckt worden, es habe keine auffällige Beinachsenfehlstellung bestanden. Die Beweglichkeit in beiden Hüft-, Knie-, Sprung- und Zehengelenken sei seitengleich vollständig. Der einbeinige Zehenstand, Zehengang, beidseitiger Fersenstand, Fersengang, Einbeinstand und Einbeinhüpfen hätten ohne Hilfestellung und ohne Gleichgewichtsstabilisierung regelrecht vorgeführt werden können. Beim Versuch des vollständigen tiefen Hocksitzes seien die Kniegelenke mit Gleichgewichtsstabilisierung der linken Hand an der Untersuchungsliege bis 90° gebeugt worden. Beim Barfußgang auf ebenem Boden zeige sich ein sicheres flüssiges Gangbild. Es hätten regelrechte Kniegelenkssilhouetten ohne Ergussbildung beidseits, ohne Kniescheibenverschiebeschmerz bei stabilem Kapselbandapparat bestanden. Die klinische Untersuchung habe eine Luxationstendenz der Kniescheiben ergeben. Im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) bestehe eine nur leichte funktionelle Einschränkung, die einen Teil-GdB von 10 rechtfertige. Die Luxationstendenz der Kniescheiben sei mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten, da diese unter Belastung funktionell relevant werde. Die Bewegungseinschränkung sei zu addieren, da eine beidseitige Betroffenheit und damit eine fehlenden Kompensierbarkeit bestehe. Die Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk mit einer Beweglichkeit von Streckung/Beugung von 35-0-35° sei unter Berücksichtigung der Kraftminderung der linken Hand mit 20 zu bewerten. Ein höherer GdB scheide aus, da eine Versteifung des Handgelenks in günstiger Stellung ebenfalls nur mit 20 bewertet werde. Der Gesamt-GdB sei auf 30 einzuschätzen. Der versorgungsärztlichen Einschätzung der Funktionsbehinderung der Kniegelenke auf 30 könne angesichts der erhobenen Befunde nicht gefolgt werden. Die Funktionsbehinderung des linken Handgelenks sei alleine mit 20 zu bewerten, eine Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogengelenks liege nicht mehr vor.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 4. Mai 2020 abgewiesen. Das Funktionssystem „Arme“ sei mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Die Beschwerden seien unter zusätzlicher Berücksichtigung der groben Kraftminderung der linken Hand in den unteren Bereich eine Bewegungseinschränkung stärkeren Grades einzuordnen. Bei der Untersuchung durch D habe sich eine mittelschwere Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit des linken Handgelenks gezeigt. Das Funktionssystem „Beine“ sei mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Die Beweglichkeit der Kniegelenke habe beidseits bei 0-0-130° gelegen, unter Belastung der Kniegelenke sei die Luxationstendenz der Kniescheiben funktionell relevant geworden, eine Beugung bis 90° möglich gewesen. Isoliert betrachtet folge hieraus ein GdB von 0 bis 10. Aufgrund der beidseitigen Betroffenheit und der damit fehlenden Kompensierbarkeit, der Knorpelschäden und der mit der Luxationsgefahr einhergehenden Funktionseinschränkung sei ein GdB von 20 angemessen. Das Funktionssystem „Rumpf“ sei mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Die Beschwerden der Klägerin im Bereich der LWS seien nur leicht. Bei der Untersuchung durch D habe sich das Zeichen nach Schober mit 10:13 cm gezeigt, im Übrigen seien keine wesentlichen Beeinträchtigungen messbar gewesen. Für das Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ sei kein eigenständiger Teil-GdB in Ansatz zu bringen. Wesentliche Funktionseinschränkungen seien nicht ersichtlich, eine fachärztliche Behandlung ausdrücklich verneint worden.
Am 8. Juni 2020 hat die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die massiven Schmerzen am Handgelenk müssten berücksichtigt und der GdB von 30 ausgeschöpft werden. Die Bewertung der Funktionseinschränkungen der Kniegelenke sei zu niedrig, da sie im Alter von 20 und 21 Jahren Luxationen der Kniescheiben erlitten habe. Daneben bestehe eine Arthrose und eine Lockerung des Kniebandapparates, die nicht vollständig kompensierbar sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 4. Mai 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 19. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2018 einen Grad der Behinderung von 40 seit dem 18. September 2017 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.
In der nichtöffentlichen Sitzung vom 24. Juni 2021 (vgl. Protokoll vom gleichen Tag) hat die Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens bei D1 beantragt. Dieser hat aufgrund ambulanter Untersuchung vom 2. September 2021 den Gesamt-GdB auf 40 eingeschätzt und ausgeführt, dass trotz mehrfacher operativer Eingriffe keine Beschwerdefreiheit im Bereich des linken Handgelenks erzielt worden sei. Die linke Hand sei nur unter Einsatz einer Handgelenksorthese einigermaßen einsatzfähig. Das Untersuchungszimmer sei mit rechtsseitigen Schonhinken betreten worden, eine Gehhilfe werde nicht getragen, die Kniegelenke seien orthetisch nicht versorgt. Bei Rechtshändigkeit seien die Ellenbogengelenke frei beweglich, ebenso das rechte Handgelenk, während sich links eine fast vollständige Einsteifung mit einer lediglich residualen Mobilität zeige. Der Faustschluss gelinge seitengleich, die Durchblutung, Mobilität und Sensibilität der Finger sei beidseits regelrecht. Die Langfinger könnten in die Hohlhand vollständig eingeschlagen werden, die Handspanne sei links gegenüber rechts geringfügig verkürzt.
An den unteren Extremitäten finde sich eine regelrecht ausgeprägte Gliedmaßenmuskulatur. Die Beweglichkeit in sämtlichen großen Gelenken der unteren Extremitäten sei regelrecht ausgeprägt. Die Bein- und Fußpulse seien beidseits palpabel, auffallende Muskelumfangsdifferenzen fänden sich nicht. Der Einbeinstand sei beiderseits durchführbar, wobei auf der rechten Seite eine erkennbare Unsicherheit bestehe. Der beiderseitige Hacken- und Vorfußstand sei regelrecht durchführbar. Bei der Einnahme des Hocksitzes erfolge eine unterstützende Stabilisierung der Gelenke mit der Hand. Eine aktive Beugung über 90° im Stehen sei nicht möglich wegen auftretender Schmerzen und aus Angst vor einer erneuten Kniescheibenverrenkung. Bei der spezifischen klinischen Untersuchung bestehe äußerlich eine normale Kniegelenkssilhouette ohne feststellbare intraartikuläre Ergussbildung beiderseits. Das Zohlen’sche Zeichen sei negativ. Bei der Prüfung der ligamentären Führung bestehe in Streckstellung der Kniegelenke eine ausgeprägte Hypermobilität beider Patellae, wobei es bei der Überprüfung der Beugesituation zu einem zunehmenden Luxationsphänomen beiderseits komme.
An der Wirbelsäule zeige sich eine freie Beweglichkeit der Halswirbelsäule (HWS) und Brustwirbelsäule (BWS) für sämtliche Bewegungsparameter. Im Bereich der LWS finde sich eine diskrete Bewegungseinschränkung, wobei ein Abstand zwischen Fußboden und Fingerspitzen bei gestreckten Kniegelenken nicht bestehe. Die Messwerte in Bezug auf die LWS beinhalteten aus klinischer Sicht lediglich eine marginale Funktionsbeeinträchtigung. Aufgrund der zu berücksichtigenden Tatsache, dass ergänzend zu den Befunden im Bereich der Kniegelenke eine ausgeprägte Funktionseinschränkung des linken Handgelenks bestehe, sei auch von einer Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr auszugehen, da einerseits eine latente Unsicherheit in Bezug auf die Kniegelenke bei unerwarteten Stresseinflüssen bestehe und andererseits für die Sicherung der Standfestigkeit ein Einsatz des linken Armes. Dafür sei aus klinischen Gesichtspunkten eine volle Einsatzfähigkeit beider Arme notwendig. Zwar finde sich keine Bewegungseinschränkung der Kniegelenke, aber die beiderseitigen Instabilitäten bedingten eine Einschränkung auch unter Berücksichtigung der bilateralen Betroffenheit eines mittelschweren Schweregrades. Unter Beachtung der Kraftminderung der linken Hand und einer aufgrund der Restbeweglichkeit unverändert bestehenden Bewegungs- und Belastungssymptomatik sei der Schweregrad auf mittelschwer einzuschätzen. Die Funktionsbehinderung beider Kniegelenke mit Gangunsicherheit und retropatellaren Knorpelschäden sei deswegen mit 30 zu bewerten, die Funktionsbehinderung des linken Handgelenks mit Einschränkung der Greiffunktion mit einem Teil-GdB von 20 und die Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit mit unter 10. Eine Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogengelenkes habe nicht festgestellt werden können. Bezüglich möglicher Einschränkungen durch psychische Probleme sei bisher kein Teil-GdB von mindestens 10 festgestellt worden. Diesbezüglich solle ggf. eine psychologisch-psychiatrische Ergänzungsbegutachtung durchgeführt werden. Der Gesamt-GdB sei auf 40 einzuschätzen, inhaltlich stimme er mit den Ausführungen des Sachverständigen D überein, wenn für ihn auch einige Messungen auf dessen Messblättern nicht nachvollziehbar gewesen seien.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 4. Mai 2020, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) auf Feststellung eines höheren GdB unter Abänderung des Bescheides vom 19. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 13. Juni 2018 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundesssozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.
Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 19. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie kann die Feststellung eines höheren GdB als 30 nicht beanspruchen, wie die Untersuchung des Sachverständigen D bestätigt hat. Der Sachverständige D1 hat keine abweichenden Befunde erhoben, seine andersartige – rechtliche – Einschätzung des GdB beachtet die Bewertungsvorgaben nicht hinreichend, sodass der Senat dieser nicht folgt.
Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Soweit der Antrag sich auf den Zeitraum vor dem 1. Januar 2018 bezieht, richtet sich der Anspruch nach den in diesem Zeitraum geltenden gesetzlichen Vorgaben (vgl. §§ 69 SGB IX ff. a. F.), nach denen ebenso für die Bewertung des GdB die VersMedV und die VG die maßgebenden Beurteilungsgrundlagen waren.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats auch unter Beachtung der weiteren Beweiserhebung fest, dass der Beklagte den GdB mit 30 zutreffend bewertet hat.
Im Vordergrund der Beschwerden der Klägerin stehen Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem „Beine“, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten sind. Der anderweitigen versorgungsärztlichen Einschätzung konnte sich der Senat ebenso wenig anschließen wie der Bewertung durch den Sachverständigen D1.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 werden Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis 0-0-90°) einseitig mit einem GdB von 0 bis 10 und beidseitig mit einem GdB von 10 bis 20 bewertet. Ein höherer GdB (einseitig 20 und beidseitig 40) wird erst bei Bewegungseinschränkungen mittleren Grades (z. B. Streckung/Beugung 0-10-90°) erreicht.
Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z. B. Chondromalacia patellae Stadium II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen werden einseitig ohne Bewegungseinschränkungen mit einem GdB von 10 bis 30 und mit Bewegungseinschränkungen mit einem GdB von 20 bis 40 bewertet. Unter anhaltenden Reizerscheinungen sind sichtbare Veränderungen an den Kniegelenken in Form von Überwärmungen, Schwellungen oder Ergüssen zu verstehen, die zumindest längerfristig vorhanden sind (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. August 2011 – L 13 SB 161/10 –, juris, Rz. 28).
Nach diesen Maßstäben besteht bei der Klägerin eine beiderseitige Luxationstendenz der Kniescheiben, wie der Senat den insoweit übereinstimmenden Sachverständigengutachten des D und des D1 entnimmt. Indessen hat D1 eine Beweglichkeit der Kniegelenke von 0-0-130° befundet und diese lediglich unter Belastung auf 90° in der Beugung limitiert gesehen. Eine Limitierung der Streckung hat er nicht beschrieben, sodass eine geringgradige Einschränkung nach den Vorgaben der VG vorliegt. Für eine beidseitige Bewegungseinschränkung enthalten die VG einen Bewertungsrahmen von 10 bis 20, sodass es auf die Erwägungen des D zu einer Addition aufgrund der Beidseitigkeit und fehlenden Kompensierbarkeit nicht ankommt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Bewegungseinschränkung gerade nur unter Belastung besteht, rechtfertigt sich die Ausschöpfung des Bewertungsrahmens mit 20 nur grenzwertig.
Bei im Übrigen beschriebenen Knorpelschäden konnte D keine Ergussbildung erheben, sodass sich keine Anhaltspunkte auf anhaltende Reizerscheinungen ergeben, die nach VG, Teil B, Nr. 18.14 gesondert bzw. ggf. höhere Bewertung rechtfertigen würden. Eine intraartikuläre Ergussbildung ist von D1 ebenfalls verneint worden.
Soweit letzterer eine mittelschwere Beeinträchtigung konstatiert, übersieht er, dass nach den Vorgaben der VG für eine solche eine Streckhemmung vorausgesetzt wird, die bei der Klägerin gerade nicht vorliegt und von ihm ebenfalls nicht befundet worden ist.
Daneben spricht gegen eine Höherbewertung auch, dass D einen beidseits regelrecht möglichen Zehenstand, Zehengang, beidseitigen Fersenstand, Fersengang, Einbeinstand und Einbeinhüpfen ohne Hilfestellung und ohne Gleichgewichtsstabilisierung befundet hat. Vor dem Hintergrund der aktuellen Funktionsfähigkeit beider Kniegelenke führt es letztlich zu keiner anderen Beurteilung, wenn die Klägerin darauf verweist, dass D die Kniescheibenluxationen im Alter von 20 und 21 Jahren nicht berücksichtigt habe. Die Luxationstendenzen die Kniescheiben sind von ihm bei der Bewertung eingestellt worden, wie insbesondere daran deutlich wird, dass er die Beweglichkeit unter Belastung gesondert erhoben und bestimmt hat. Die Beweglichkeit ohne Belastung von 0-0-130° würde an sich ein Normalmaß begründen, was nicht GdB-relevant wäre.
Soweit sich D1 weiterhin mit einer Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr befasst, zielen diese – ebenfalls nicht überzeugenden – Ausführungen ersichtlich auf die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „G“ ab, welches nicht streitgegenständlich ist.
Ein höherer Teil-GdB als 20 kommt daher im Funktionssystem „Beine“ nicht in Betracht. Dass sich die versorgungsärztliche Einschätzung auf einen Teil-GdB von 30 mit den zu erhebenden Befunden nicht vereinbaren lässt, hat D überzeugend begründet. Abgesehen davon wird aus der Verwaltungsakte nicht hinreichend deutlich, auf welchen Funktionsbefund sich diese Einschätzung überhaupt gestützt hat.
Im Funktionssystem „Arme“ kommt kein höherer Teil-GdB als 20 in Betracht, wie ihn sowohl D als auch D1 angenommen haben.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.13 ist eine Bewegungseinschränkung des Handgelenks geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis 30-0-40°) mit einem GdB von 0 bis 10 und eine stärkeren Grades mit einem GdB von 20 bis 30 zu bewerten.
D hat bei der Klägerin eine Beweglichkeit von 35-0-35° befundet, sodass die Streckung leicht besser und die Beugung leicht schlechter gewesen ist, als für die Annahme geringgradiger Einschränkungen vorausgesetzt wird. Dabei schließen die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Eine Erhöhung des Teil-GdB allein aufgrund der Schmerzhaftigkeit rechtfertigt sich daher nicht.
Selbst wenn mit D1 von einer faktischen Versteifung des Handgelenkes ausgegangen wird, führt diese nach den Vorgaben der VG ebenfalls zu keinem höheren Teil-GdB als 20 (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.13), wie er ihn selbst eingeschätzt hat.
Soweit der Beklagte im Verwaltungsverfahren noch eine Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogens in die Bewertung einbezogen hat (vgl. ebenfalls VG, Teil B, Nr. 18.13), konnte eine solche von D und D1 nicht (mehr) bestätigt werden, vielmehr haben beide eine freie Beweglichkeit befundet. Eine GdB-Relevanz ergibt sich daher nicht.
Im Funktionssystem „Rumpf“ ist kein Teil-GdB von wenigstens 20 festzustellen.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten „Postdiskotomiesyndrom“) primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte „Wirbelsäulensyndrome“ (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.
Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz-dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
Bei der Klägerin besteht, wie der Senat den beiden Sachverständigengutachten des D und des D1 entnimmt, eine freie Beweglichkeit sowohl der HWS als auch der BWS und an der LWS findet sich eine lediglich marginale Bewegungseinschränkung bei einem nicht limitierten FBA von 0 cm. Wenigstens mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bestehen, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten wären, liegen somit nicht vor.
Letztlich ist kein Teil-GdB im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ begründet. Die Klägerin hat auf Nachfrage sowohl des Beklagten wie auch des SG jeweils angegeben, keine fachärztliche neurologisch/psychiatrische Behandlung in Anspruch zu nehmen. Demzufolge sind pathologische psychische Befunde in keiner Weise beschrieben worden. Vielmehr hat H schon im Verwaltungsverfahren mitgeteilt, dass ihm von der geltend gemachten Persönlichkeitsstörung nichts bekannt ist und er darüber keine Unterlagen habe. Daraus folgt gleichzeitig, dass kein weiterer Ermittlungsbedarf bestanden hat, wie er von D1 in den Raum gestellt worden ist. Nachdem sich nämlich keinerlei tragfähigen Anknüpfungspunkte für Funktionsbeeinträchtigungen auf neurologisch/psychiatrischen Fachgebiet ergeben, würden sich weitere Ermittlungen hierzu als eine Ausforschung des Sachverhaltes und Ermittlungen ins Blaue hinein darstellen, zu denen der Senat nicht verpflichtet ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Oktober 2018 – B 9 V 20/18 B –, juris, Rz. 19).
Aus den Teil-GdB von 20 im Funktionssystem „Beine“ und dem Teil-GdB von 20 im Funktionssystem „Arme“ ergibt sich kein höherer Gesamt-GdB als 30, wie ihn der Beklagte bereits festgestellt hat. Selbst wenn im Funktionssystem „Rumpf“ ein Teil-GdB von 10 angenommen wird, führt dies zu keiner anderen Bewertung, da dieser nicht erhöhend wirkt (vgl. VG, Teil A, Nr. 3 d ee).
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 2183/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1788/20
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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