Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 3. November 2021 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts vom 3. November 2021 ist unbegründet. Denn weder ist die Berufung gegen das Urteil bereits kraft Gesetzes zulässig noch sind Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG gegeben.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt. Dies gilt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Gegenstand der von der Klägerin erhobenen Klage ist die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 21. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2019 und die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme ihres Sanktionsbescheides vom 4. September 2015. Ziel ist es – wie von dem Bevollmächtigten der Klägerin in seinem Schriftsatz zur Begründung der Beschwerde nochmals bestätigt worden ist -, die Auszahlung des Sanktionsbetrags in Höhe von insgesamt 119,70 € zu erreichen. Die durch das abweisende Urteil des Sozialgerichts mögliche Beschwer der Klägerin erschöpft sich in diesem Betrag und erreicht nicht die Berufungssumme von mehr als 750,- €. Damit ist die Berufung nach dem Gesetz grundsätzlich ausgeschlossen.
Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Zuzulassen wäre die Berufung, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG), des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Berufung ist nicht wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines Obergerichts zuzulassen (Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Dieser Zulassungsgrund setzt nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass einerseits ein abstrakter Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung und andererseits ein der Entscheidung eines Obergerichts zu entnehmender abstrakter Rechtssatz nicht übereinstimmen. Dabei muss das abweichende Gericht den mit der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht übereinstimmenden Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt, insoweit eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht entwickelt und damit der obergerichtlichen Rechtsprechung im Grundsätzlichen widersprochen haben (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 160 Rdnr. 13-14 m. w. Nachw.). Eine Abweichung in diesem Sinne liegt hier nicht vor. Das Sozialgericht hat keine eigenen Rechtssätze formuliert, sondern sich zur Begründung seiner Entscheidung auf vorhandene obergerichtliche Rechtsprechung bezogen, nämlich den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg v. 8. September 2014 – L 18 AS 1429/14 und das Urteil des BSG v. 13. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 R. Es hat sich mit seiner Entscheidung auch keinem Rechtssatz entgegen gestellt, der dem Urteil des BSG v. 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R entnommen werden könnte. Vielmehr hat es ausgeführt, dass vorliegend ein anderer Sachverhalt als in dem genannten Urteil des BSG vom 29. April 2015 gegeben sei. Die Frage nach der inhaltlichen Richtigkeit, also die nach der richtigen Anwendung der Rechtssätze auf den zu beurteilenden Sachverhalt, kann ohnehin nicht zum Erfolg einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein sozialgerichtliches Urteil führen.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtsache nur zu, wenn von ihrer Entscheidung erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Dies wiederum ist nur dann der Fall, wenn es in einem Rechtsstreit um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage geht, deren Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Klärungsfähigkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn es auf die als grundsätzlich anzusehende Rechtsfrage im konkreten Rechtsfall ankommt, sie also für den zu entscheidenden Streitfall rechtserheblich ist. Nicht klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, weil sie sich beispielsweise unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich entschieden ist.
Der von dem Sozialgericht entschiedene Streitfall stellt keine offenen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin die Rechtsfrage formuliert. „Steht die Verfallfrist des § 40 Abs.1 Nummer 2 SGB X in der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung einer Nachzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Leistungen nach Rücknahme eines Sanktionsbescheides entgegen, wenn der Überprüfungsantrag innerhalb der 4-jährigen Frist des § 40 Abs. 1 Nummer 1 SGB X (gemeint wohl: SGB II) gestellt wurde“, verkennt er bereits, dass sich eine solche Rechtsfrage für den vorliegenden Sachverhalt nicht stellen kann. Denn die Beklagte hat ihren Sanktionsbescheid vom 4. September 2015 bisher nicht zurück genommen. Demnach kann sich hier nur die Frage stellen, innerhalb welcher Frist die Rücknahme eines Sanktionsbescheides gerichtlich durchgesetzt werden kann. Insoweit ist – mit dem Sozialgericht – auf den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg v. 8. September 2014 – L 18 AS 1429/14 und das Urteil des BSG v. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 R zu verweisen. Aus beiden Entscheidungen ergibt sich, dass die Rücknahme eines Sanktionsbescheides nicht mehr mit der Klage durchgesetzt werden kann und die Verwaltung eine Rücknahmeentscheidung nicht mehr zu treffen hat, wenn die Rücknahme Zeiten betrifft, für die nach § 44 Abs. 4 SGB X Leistungen nicht mehr zu erbringen sind (a.a.O., juris Rn. 17 bzw. juris Rn. 16). Gem. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist (für Leistungen nach dem SGB II) § 44 Abs. 4 SGB X mit der Maßgabe anzuwenden, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von vier Jahren tritt. Demnach konnte auf der Grundlage des am 26. April 2018 für die Klägerin gestellten Überprüfungsantrags kein Anspruch auf Rücknahme des Sanktionsbescheides vom 4. September 2015 bestehen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat auch nicht aufgezeigt, aus welchen Gründen die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung einer erneuten Überprüfung zugeführt werden sollte. Das Urteil des BSG v. 13. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 R mit seinen (weiteren) Ausführungen zu einem unmittelbar aus der Rücknahme eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides folgendem Anspruch auf Rückzahlung des Erstattungsbetrages (a.a.O. – juris Rn 15) betrifft insoweit einen anderen Sachverhalt. Vorliegend hat die Beklagte im Gegensatz zu dem vom BSG entschiedenen Fall weder den Sanktionsbescheid aufgehoben, noch ist hier ein Erstattungsbetrag festgesetzt worden. Die Sanktion in dem Bescheid vom 4. September 2015 betraf in der Zukunft liegende Leistungen, die in geringerer Höhe als ursprünglich bewilligt ausgezahlt wurden. Die Beklagte hat von der Klägerin keine Erstattung von bereits gewährten Zahlungen verlangt oder erhalten.
Das Urteil des BSG v. 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R betrifft – worauf bereits der Bevollmächtigte der Klägerin hingewiesen hat – gleichfalls einen anderen Sachverhalt. Das BSG hat sich dort zu Konstellationen geäußert, in denen die Behörde allein über die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung der Leistungspflicht in einem anfechtbaren Verwaltungsakt entschieden hat, nicht aber auch schon über die der Umsetzung der Minderung (a.a.O. – juris Rn 14-16). Der hier streitige Sanktionsbescheid vom 4. September 2015 enthält hingegen die Feststellung einer Pflichtverletzung (Meldeversäumnis), der Minderung der Leistungspflicht (10 Prozent) sowie deren Umsetzung durch teilweise Aufhebung des vorhandenen Bewilligungsbescheides nach § 48 Abs. 1 SGB X in einem Verwaltungsakt.
Auch ist keine Gesetzänderung zu verzeichnen, welche die Maßgeblichkeit der Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg aus dem Beschluss vom 8. September 2014 – L 18 AS 1429/14 und der des BSG aus dem Urteil vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 19/13 R in Frage stellen könnte. Die Regelung in § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, welche die für den vorliegenden Sachverhalt maßgebliche Frist enthält, gilt in der Sache unverändert seit dem 1. April 2011.
Schließlich ist die Berufung nicht wegen eines Verfahrensmangels (Zulassungsgrund § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) zuzulassen. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der geltend gemachte Mangel muss sich auf das Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil und nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils beziehen. Der Verfahrensmangel muss wesentlich sein, d. h. das angefochtene Urteil muss auf diesem Mangel beruhen können. Dies ist schon dann der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Verfahrensmangel das Urteil beeinflusst hat, das Gericht also ohne diesen Verfahrensmangel zu einem für den Kläger günstigeren Urteil gekommen wäre. Dabei ist bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, von der Rechtsauffassung des Gerichts auszugehen, dem der Verfahrensmangel unterstellt wird. Ein solcher möglicherweise erheblicher Verfahrensmangel auf dem Weg zum Urteil liegt hier aber nicht vor. Soweit die Klägerin bemängelt, dass das Sozialgericht die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen habe, statt in der Sache zu entscheiden, verkennt sie, dass der Ausschluss der Möglichkeit einer Änderung der Sanktion wegen Zeitablaufs zur Unzulässigkeit führt. Für die isolierte Feststellung der (Teil-)Rechtswidrigkeit eines Sanktionsbescheides ist kein Rechtsschutzinteresse erkennbar (LSG Berlin-Brandenburg v. 8. September 2014 – L 18 AS 1429/14 – juris Rn. 19).
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden. Nach § 145 Abs. 4 Satz 5 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.