L 9 U 1948/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 U 417/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1948/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 5. Mai 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten streitig ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der 1971 geborene Kläger ist bei der DB Netz AG F als Fahrdienstleiter beschäftigt. Ab Anfang Dezember 2018 absolvierte er eine Fortbildung in M zum Fahrdienstleiter. Am 30.04.2019 befand er sich nach eigenen Angaben gerade auf der Heimfahrt von der Fortbildung im Zug, als ihm plötzlich „warm und kalt“ wurde. Am 02.05.2019 habe er Ohrgeräusche festgestellt. Am 15.05.2019 stellte er sich bei G vor, der einen Tinnitus rechts sowie einen idiopathischen Hörsturz rechts (Bericht vom 19.05.2019) diagnostizierte.

Nachdem die Beklagte bereits zuvor die Anerkennung des Tinnitus als Berufskrankheit abgelehnt hatte, beantragte der Kläger am 21.09.2020 die Anerkennung des am 30.04.2019 erlittenen Hörsturzes mit anschließendem Tinnitus als Arbeitsunfall. Da ihm der Unfall während der Ausbildung in M zugestoßen sei, beantrage er die Anerkennung des Geschehens als Arbeitsunfall.

Mit Bescheid vom 30.09.2020 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab und führte dazu aus, Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sei u.a. ein von außen einwirkendes Unfallereignis, das eine Änderung des physiologischen Körperzustands ausgelöst hat. Daran fehle es beim Kläger, da die Ohrgeräusche plötzlich ohne äußere Einwirkung aufgetreten seien. Mit Schreiben vom 13.10.2020 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein mit der Begründung, der Hörsturz sei entweder stressbedingt oder durch einen Infekt eingetreten. Bei beidem handle es sich um einen von außen eingetretenen Gesundheitsschaden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2021 zurück erneut mit der Begründung, es fehle an einem äußeren Ereignis.

Am 09.02.2021 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben mit der Begründung, im Rahmen einer Tauglichkeitsprüfung zum Betriebsdienst der D B sei am 13.09.2018 eine Hörfähigkeit von 100% festgestellt worden. Erst seit dem Ereignis am 30.04.2019 habe er die Beeinträchtigungen des Gehörs und den Tinnitus. Der Hörsturz sei während der Ausbildung erfolgt. Im Übrigen sei L der Auffassung, dass der Hörsturz durch einen Infekt hervorgerufen worden sei. Aus seinen Ausbildungsnachweisen gehe hervor, dass er sich während der Ausbildung infiziert haben müsse.

Mit Gerichtsbescheid vom 05.05.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 30.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.01.2021 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser habe am 30.04.2019 keinen Arbeitsunfall erlitten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) seien Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Vorliegend lasse sich eine äußere Einwirkung, d.h. ein Vorgang, der eine Änderung des physiologischen Köperzustandes bewirkt (Wagner in jurisPK SGB VII, § 8, Rn. 113), nicht feststellen. Insbesondere sei keine besonders hohe Lärmbelästigung aufgetreten, die gegebenenfalls als äußere Einwirkung hätte angesehen werden können. Nach eigenen Angaben des Klägers sei ihm bei der Zugfahrt am 30.04.2019 plötzlich warm und kalt geworden, später seien Hörgeräusche aufgetreten. Dies seien Vorgänge, die sich alleine im Inneren des Körpers abspielten. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, der Hörsturz sei laut Diagnose des L durch einen Infekt ausgelöst worden und er habe sich mit Sicherheit im Rahmen seiner Ausbildung infiziert. Zwar stelle das Eindringen eines Bakteriums oder Virus ein von außen einwirkendes, körperlich schädigendes und zeitlich begrenztes Ereignis dar (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil v. 07.05.2009 - B 2 U 34/17 R -). Es lasse sich beim Kläger aber schon nicht feststellen, dass die geltend gemachten Beeinträchtigungen des Gehörs tatsächlich auf einen Infekt zurückzuführen seien. L habe ausweislich des vom Kläger vorgelegten Befundberichts keineswegs die Diagnose eines Hörsturzes nach Infekt gestellt. Er habe lediglich in der Anamnese aufgeführt, der Tinnitus sei nach einem Infekt aufgetreten. Unter Anamnese verstehe man „die professionelle Erfragung von potenziell medizinisch relevanten Informationen durch Fachpersonal“. Dies bedeute, dass L lediglich die Angaben des Klägers, der Tinnitus sei nach einem Infekt aufgetreten, wiedergegeben, nicht aber eine entsprechende eigene Diagnose gestellt habe. Selbst wenn man jedoch entgegen der Einschätzung des G im Befundbericht vom 15.05.2019 davon ausginge, dass der Hörsturz durch einen Infekt ausgelöst wurde, scheiterte die Annahme eines Arbeitsunfalls daran, dass nicht im erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen ist, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls, also in dem Moment, in dem er sich mit dem Erreger infizierte, einer Verrichtung nachging, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen war. Denn es sei völlig unklar und lasse sich im Nachhinein auch nicht mehr ermitteln, wann der Kläger sich infiziert habe, ob während einer beruflichen Verrichtung oder in seiner Freizeit.

Gegen den ihm am 08.05.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.06.2021 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und
dazu ausgeführt, nach den eingereichten Unterlagen stehe für ihn außer Frage, dass er sich während der Ausübung der versicherten Tätigkeit infiziert habe. Da er von der D B eine Funktionsausbildung in M absolviert habe, die auch ein Lernen nach dem Unterricht laut Vertrag der DB Netz voraussetze, sehe er den Beweis einer versicherten Tätigkeit als gegeben und als belegt, dass er sich während der Ausbildung infiziert habe. Der Tätigkeitsnachweis vom April beweise, dass er am 30. (gemeint wohl April 2019) nicht zum Dienst auf dem Stellwerk erschienen sei, da er Fieber gehabt habe. Zuvor sowie danach sei er in M tätig gewesen, wie der Tätigkeitsnachweis belege. Da er bereits Klage wegen einer Berufskrankheit eingereicht hatte, habe er vom Richter des Sozialgerichts aus Freiburg den Vermerk erhalten, dass er dies als Arbeitsunfall geltend machen könne.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 5. Mai 2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.01.2021 zu verpflichten, einen Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den ergangenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Mit Beschluss vom 13.09.2021 hat der Senat die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Vorsitzenden Richter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet, nachdem der Senat keine Gründe feststellen konnte, die eine Entscheidung durch den ganzen Senat erforderlich machen und solche auch nicht in der Anhörung von den Beteiligten mitgeteilt wurden.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Anerkennung des Ereignisses vom 30.04.2019 als Arbeitsunfall. Diesen Anspruch verfolgt der Kläger zulässigerweise mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (BSG, Urteil vom 15.05.2012 – B 2 U 31/11 - juris). Zu Recht haben die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden und das SG entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall hat.

Rechtsgrundlagen sind §§ 78 SGB VII. Danach sind Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung u.a. Arbeitsunfälle. Dies sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 23 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Versicherte Tätigkeiten sind auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, sog. Wegeunfall).

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein. Dies bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann (BSG, Urteil vom 30.04.1985 - 2 RU 43/84 – Juris Rn. 15 ff.). Dagegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (sog. haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen der Einwirkung und der Erkrankung (sog. haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R - Juris). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSG, Urteil vom 18.01.2011, a.a.O.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte ableitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen somit zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - Juris).

Für die erforderliche Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheits(erst)schaden sowie für die Kausalität zwischen Gesundheits(erst)schaden und weiteren (andauernden) Gesundheitsschäden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - Juris Rn. 12), die auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht. Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Als rechtserheblich werden aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 17.02.2009, a.a.O.) sowie auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - Juris Rn. 17). Gesichtspunkte für die Beurteilung sind neben der versicherten Ursache als solcher, einschließlich Art und Ausmaß der Einwirkung, u.a. die konkurrierende Ursache (nach Art und Ausmaß), der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O., Rn. 16).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes ist zu beachten, dass das Vorliegen eines versicherten Unfallereignisses, des Gesundheits(erst)schadens bzw. eines Gesundheitsfolgeschadens (Unfallfolgen) im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen muss, während für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserst- bzw. -folgeschaden die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit genügt (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - Juris Rn. 16). Ist der Gesundheitserstschaden also eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. Wesentlich ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich auch zur Überzeugung des erkennenden Senats ein Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB VII als Versicherungsfall im Sinne des § 7 SGB VII nicht im Vollbeweis feststellen. Er steht nicht im – erforderlichen - Vollbeweis fest, dass der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit, also im Rahmen der angegebenen Fortbildung in M oder beim Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach dem Ort der Tätigkeit durch ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis geschädigt wurde und einen Gesundheitserstschaden erlitten hat.

Zwar gehörte der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit, die auch die Fortbildung in M und die Fahrten dorthin und zurück umfasste, dem Grunde nach zu dem in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personenkreis. Allerdings gibt es keinerlei Belege oder gar Beweise dafür, dass er im Rahmen dieser Tätigkeit einer schädigenden Einwirkung ausgesetzt war. Nach der vom SG zitierten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.05.2019 - B 2 U 34/17 R - a.a.O.) kann auch eine bakterielle Infektion eine schädigende Einwirkung und unter bestimmten Voraussetzungen den für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls erforderlichen Gesundheitsschaden begründen. Allerdings muss die Unfallkausalität nachgewiesen sein, die grundsätzlich zweistufig zu erfolgen hat. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung - hier die behauptete Infektion - sowohl objektiv (1. Stufe) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe) verursacht haben (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 55 und vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 46, Rn. 32 ff. m.w.N.). Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung mithin voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit-)verursacht wurde. Ob die versicherte Verrichtung eine Ursache für die festgestellte Einwirkung war, ist eine rein tatsächliche Frage.

Hiervon ausgehend lässt sich der Nachweis einer schädigenden Einwirkung durch äußere Umstände im Rahmen der versicherten Tätigkeit nicht führen. Dies gilt sowohl für den angegebenen fiebrigen Infekt als auch für den wenige Tage später aufgetretenen Hörsturz mit nachfolgendem Tinnitus. Zu dem von ihm so bezeichneten Infekt hat der Kläger angegeben, dieser habe sich auf der Rückfahrt von M am 30.04.2019 bemerkbar gemacht, als ihm „warm und kalt“ geworden sei und er am nächsten Morgen Temperatur gehabt habe. Mit diesem Vorbringen ist schon nicht der Nachweis eines Gesundheits(erst)schadens im Sinne einer bakteriellen oder sonstigen Infektion geführt. Und selbst wenn von einem solchen fiebrigen Infekt ausgehen würde, der übrigens soweit ersichtlich fachärztlich nicht diagnostiziert wurde, sondern erst später HNO-ärztlich anamnestisch als dem Hörsturz vorangegangen berichtet wird, fehlt es an jedem Nachweis dafür, dass dieser durch eine externe schädigende Einwirkung im beruflichen Kontext zumindest mitverursacht wurde. Allein der Umstand, dass die genannten Symptome sich (erstmals) auf der Rückfahrt von der Fortbildung in M bemerkbar gemacht haben sollen, belegt nicht die berufliche Verursachung. Lässt sich eine im Rahmen einer beruflichen Verrichtung erfolgte schädigende Einwirkung in Form einer Infektion aber nicht nachweisen, so fehlt es auch am – darauf aufbauenden – Nachweis, dass die Infektion einen weiteren Gesundheitsschaden, nämlich den Tinnitus aurium nach Hörsturz objektiv und rechtlich wesentlich herbeigeführt hat (haftungsbegründende Kausalität). Ein solcher Nachweis wird auch durch die vorgelegten Befundberichte von L und G nicht geführt. Bereits das SG hat darauf hingewiesen, dass L unter dem 10.07.2020 lediglich anamnestisch, also in der Wiedergabe der Angaben des Klägers, einen vorangegangenen fiebrigen Infekt erwähnt hat. Gleiches gilt für den Befundbericht von  G, der unter dem 15.05.2019 die Diagnosen Tinnitus re. (H93.1 R G) und idiopathischer Hörsturz re. (H91.2 G) gestellt hat. Auch dieser hat ebenso wie L lediglich anamnestisch, also auf der Grundlage der Angaben des Klägers, von einem Tinnitus nach Infekt berichtet. Eine kausale Zuordnung eines – beruflich oder außerberuflich verursachten – Infekts zum späteren Hörsturz hat er nicht vorgenommen – und auch nicht vornehmen können. Der von G diagnostizierte sog. idiopathische Hörsturz, auch Ohrinfarkt genannt, bezeichnet eine ohne erkennbare Ursache (idiopathisch) plötzlich auftretende, meist einseitige Schallempfindungsstörung (https://de.wikipedia.org/wiki/). Eine kausale Zuordnung des Hörsturzes zu einem vorangegangenen Infekt lässt sich daher auch der Diagnosestellung von G nicht entnehmen.

Das nach Angaben des Klägers erstmals am 02.05.2019 während des nachfolgenden beruflichen Aufenthalts in M aufgetretene Ohrgeräusch begründet ebenfalls nicht die Anerkennung als Arbeitsunfall.
Für einen sog. traumatischen Tinnitus nach Hörsturz als Gesundheitserstschaden fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten oder Nachweisen für eine äußere berufsbedingte Einwirkung, sei es durch vorangegangenen Lärm in Form eines sog. akustischen Unfalls (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 342 f.) oder andere externe Einwirkungen. Und eine Anerkennung als weiterer Gesundheitsschaden infolge eines vorangegangenen versicherten Schadensereignisses scheitert daran, dass sich - wie ausgeführt – eine vorangegangene schädigende äußere Einwirkung im Rahmen einer versicherten Tätigkeit durch eine Infektion oder auf andere Weise nicht nachweisen lässt.

Vor diesem Hintergrund vermag der Senat mit dem SG mangels hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht zu erkennen, dass der beim Kläger aufgetretene Tinnitus nach Hörsturz durch eine berufsbedingte äußere Einwirkung rechtlich wesentlich beruflich verursacht wurde.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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