I. Der Bescheid der Beklagten vom 03.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2020 sowie der Bescheid vom 04.12.2020 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Beiträge der Klägerin zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unter Außerachtlassung des Versorgungsbezugs der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, soweit dieser auf Zeiten der freiwilligen Mitgliedschaft in diesem Versorgungswerk beruht, neu festzusetzen und die überzahlten Beiträge seit dem 01.11.2019 entsprechend zurückzuzahlen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
T a t b e s t a n d
Die Beteiligten streiten um die Verbeitragung eines Versorgungsbezuges der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe.
Die Klägerin ist seit dem 01.11.2019 als Rentnerin versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Neben einer Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund und Kapitalleistungen einer Lebensversicherung bezieht die Klägerin monatliche Versorgungsbezüge von der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe.
Mit Hinweis auf Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010 und 2018 vertritt die Klägerin die Auffassung, dass die monatlich von der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe gezahlten Versorgungsbezüge bei der Beitragsbemessung nicht zu berücksichtigen seien. Ihrer Ansicht nach treffe der den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegende Sachverhalt zwar nicht direkt auf sie zu, jedoch analog. Nach Beendigung ihrer Berufstätigkeit als Ärztin habe sie die Beiträge zur Ärzteversorgung aus privatem Vermögen weiter finanziert.
Nachdem die Beklagte den Versorgungsbezug mit Bescheid vom 13.12.2019 bei der Beitragsberechnung zunächst berücksichtigt hatte, bat die Klägerin um entsprechende Überprüfung. Mit hier streitgegenständlichen Bescheid vom 03.03.2020 lehnte die Beklagte eine entsprechende Anpassung der Beitragsbemessung ab. Die Regelung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts finde keine Anwendung, da es sich bei den ausgezahlten Versorgungsbezügen nicht um Leistungen einer Pensionskasse handele.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 09.03.2020 Widerspruch ein. Sie berief sich darauf, dass die Begründung des Bundesverfassungsgerichts breiter gefasst sei und nach ihrer Interpretation auch auf andere Versorgungsformen zutreffe, sofern diese identische Rahmenbedingungen aufweisen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die von der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe ausgezahlte monatliche Rente ein Versorgungsbezug sei und damit bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden müsse. Die Voraussetzungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lägen bei der Klägerin nicht vor. Vielmehr habe das Bundessozialgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2019 die Beitragspflicht in einem vergleichbaren Sachverhalt bestätigt.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 16.11.2020, eingegangen beim Sozialgericht Landshut am 19.11.2020, Klage erhoben. In ihrer Begründung berief sich die Klägerin erneut auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010 und 2018 und den dort festgestellten Verstoß gegen das Gleichheitsgebot zwischen Pensionskassen und privaten Lebensversicherungen. Dieser Sachverhalt treffe analog auf Sie zu. Sie habe nach Beendigung ihrer Berufstätigkeit die Beiträge zu Ärzteversorgung Westfalen-Lippe aus privatem Geld weitergeführt. Wenn sie ihre Ersparnisse in eine private Lebensversicherung investiert hätte statt in die Ärzteversorgung, würden aus diesen Erträgen keine Beiträge zur Krankenversicherung fällig.
Die Beklagte beruft sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Mit Bescheid vom 04.12.2020 hat die Beklagte die Beiträge der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung weiterhin unter Berücksichtigung des streitgegenständlichen Versorgungsbezugs neu festgesetzt.
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe mit Schreiben vom 07.07.2021 mitgeteilt, dass die Klägerin seit dem 01.06.2016 entsprechend der Satzung des Versorgungswerks freiwilliges Mitglied sei. Freiwillige Versorgungsabgaben seien bis zum 30.11.2016 gezahlt worden. Seit dem 01.12.2016 erhalte die Klägerin eine Altersrente aus dem Versorgungswerk. Seit dem 01.11.2019 (Beginn der Mitgliedschaft als pflichtversicherte Rentnerin bei der Beklagten) werden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von dieser Altersrente einbehalten und an die Beklagte abgeführt (pro Monat durchschnittlich ca. 367 Euro). Nach Rückfrage des Gerichts ergänzte die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe mit Schreiben vom 30.07.2021, dass hinsichtlich der Altersrente der Klägerin ein Anteil von 66,3386 % auf der freiwilligen Mitgliedschaft seit dem 01.06.2006 beruhe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2020 sowie den Bescheid vom 04.12.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Beiträge der Klägerin zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unter Außerachtlassung des Versorgungsbezugs der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, soweit dieser auf Zeiten der freiwilligen Mitgliedschaft in diesem Versorgungswerk beruht, neu festzusetzen und die überzahlten Beiträge seit dem 01.11.2019 entsprechend zurückzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Beklagtenakte Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die form- und fristgemäß erhobene Klage ist zulässig. Streitgegenständlich ist neben dem Bescheid vom 03.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2020 auch der Bescheid vom 04.12.2020, da dieser nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und aufgrund der Neufestsetzung der Beiträge den angefochtenen Verwaltungsakt abändert (§ 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz).
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg, da die Beklagte zu Unrecht den Versorgungsbezug der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe zur Verbeitragung herangezogen hat, soweit dieser auf Zeiten der freiwilligen Mitgliedschaft der Klägerin in diesem Versorgungswerk beruht. Die streitgegenständlichen Beitragsbescheide verletzen die Klägerin daher insoweit in ihren Rechten
I.
Nach § 237 Satz 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) wird bei versicherungspflichtigen Rentnern - wie der Klägerin - der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. § 237 Satz 4 SGB V regelt die entsprechende Anwendung von § 229 SGB V im Rahmen des § 237 SGB V. Nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet sind, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden.
Die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, in dem die Klägerin als Ärztin Mitglied gewesen ist (bis zum 31.05.2006 als Pflichtmitglied, ab dem 01.06.2006 als freiwilliges Mitglied), stellt eine Versorgungseinrichtung in diesem Sinne dar. Die der Klägerin monatlich ausgezahlte Rente der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe dient der Altersversorgung, sodass nach dem Wortlaut der Vorschrift grundsätzlich ein beitragspflichtiger Versorgungsbezug vorliegt.
II.
Nach Ansicht der Kammer ist § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V jedoch dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass die Norm nur insoweit Rentenleistungen der Verbeitragung unterwirft als diese einen Bezug zu der beruflichen Tätigkeit aufweisen, die den Rentenbezieher zur Mitgliedschaft in dem berufsständischen Versorgungswerk berechtigt. Zu diesem Ergebnis gelangt die Kammer aus folgenden Erwägungen:
1.
Für den Bereich des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V (Renten der betrieblichen Altersversorgung) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Kammerbeschluss vom 28.09.2010 (1 BvR 1660/08; Juris) zu Direktversicherungen entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen - ohne damit den allgemeinen Gleichheitssatz zu verletzen - zwar berechtigt sei, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, wenn die damit verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Die Grenzen zulässiger Typisierung würden aber jedenfalls dann überschritten, soweit auch Kapitalleistungen, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat, der Beitragspflicht nach § 229 SGB V unterworfen werden. Denn mit der Vertragsübernahme durch den Arbeitnehmer sei der Kapitallebensversicherungsvertrag vollständig aus dem betrieblichen Bezug gelöst worden und unterscheide sich hinsichtlich der dann noch erfolgenden Einzahlungen nicht mehr von anderen privaten Lebensversicherungen, die nicht der Beitragspflicht unterliegen. Werden solche Lebensversicherungsverträge allein deshalb der Beitragspflicht Pflichtversicherter unterworfen, weil sie ursprünglich vom Arbeitgeber des Bezugsberechtigten abgeschlossen wurden und damit dem Regelwerk des Betriebsrentenrechts unterlagen, widerspreche dies der gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung, die private Altersvorsorge beitragsfrei zu stellen. Es begegne hierbei auch keinen praktischen Schwierigkeiten, bei der Auszahlung einer Lebensversicherung den auf privater Vorsorge beruhenden Anteil des Zahlbetrags getrennt auszuweisen.
Mit einer weiteren Entscheidung für den Bereich des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V (Kammerbeschluss vom 27.06.2018, 1 BvR 100/15; Juris) zu Pensionskassen festigt das BVerfG seine Rechtsprechung zu diesen sogenannten Wechselfällen und konstatiert, dass die Grenzen zulässiger Typisierung überschritten werden, wenn die Rentenzahlungen auf einem nach Ende des Arbeitsverhältnisses geänderten oder ab diesem Zeitpunkt neu abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag zwischen der Pensionskasse und dem Versicherten beruhen, an dem der frühere Arbeitgeber nicht mehr beteiligt ist und in den nur der Versicherte Beiträge einbezahlt hat.
Um die insofern seitens des BVerfG gerügten Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu vermeiden, fügte der Gesetzgeber mit Art. 1 Nr. 5a des Gesetzes zur Beitragsentlastung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versichertenentlastungsgesetz vom 11.12.2018, BGBl. I S. 2387) mit Wirkung zum 15.12.2018 einen zweiten Teil in den 2. Halbsatz des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ein. Demnach bleiben bei der Verbeitragung von Renten der betrieblichen Altersversorgung solche Leistungen außer Betracht, die der Versicherte nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses als alleiniger Versicherungsnehmer aus nicht durch den Arbeitgeber finanzierten Beiträgen erworben hat. Ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. Drucksache 19/5112 des Deutschen Bundestags, S. 41) soll mit der Gesetzesänderung die Rechtsprechung des BVerfG zu Direktversicherungen und Pensionskassen nachvollzogen und gesetzlich festgeschrieben werden. Die Gesetzesbegründung lässt nach Ansicht der Kammer darauf schließen, dass der Gesetzgeber vergleichbare Konstellationen, wie sie sich etwa vorliegend im Rahmen des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V ergeben, nicht vor Augen hatte, da er das Gesetz isoliert anhand der vom BVerfG aufgestellten Grundsätze und bereits entschiedenen Fallkonstellationen korrigieren wollte.
2.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass auch bei einem Versorgungsbezug durch eine berufsständische Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG eine Übertragung des oben dargestellten Rechtsgedankens des BVerfG und damit eine verfassungskonforme Auslegung von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V notwendig ist.
Vergleichbar zu § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in der vor dem 15.12.2018 geltenden Fassung unterwirft der Gesetzgeber in § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V die Renten aus einer berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtung typisierend der Beitragspflicht, ohne danach zu differenzieren, ob die Leistungen mit oder ohne beruflichen Bezug erworben wurden. Eine derartige Typisierung im Beitragsrecht der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ist nach Maßgabe der vorzitierten Rechtsprechung des BVerfG jedoch nur dann zulässig, wenn (a) die damit verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, (b) lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und (c) der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist.
a.
Für den Fall einer Rente von berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen wären die Härten, die durch eine Verbeitragung möglicherweise auch rein privat erworbener Leistungen entstehen, nicht nur unter Schwierigkeiten vermeidbar. Die berufsständischen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen fungieren als Zahlstelle im sogenannten Zahlstellenmeldeverfahren nach § 202 SGB V. Aufgrund der hierfür vorzuhaltenden Dokumentation dürfte nach Ansicht der Kammer eine Aufschlüsselung der erworbenen Leistungen nach beruflichem und privatem Bezug für die Zahlstellen keine große Schwierigkeit darstellen. Taugliches Abgrenzungskriterium kann - wie auch vorliegend verwendet - die Art der Mitgliedschaft sein, da bei einer Pflichtversicherung in einem berufsständischen Versicherungs- oder Versorgungswerk regelmäßig ein beruflicher Bezug, mithin eine Tätigkeit in dem jeweiligen (freien) Beruf vorliegen dürfte, während bei einer freiwilligen Mitgliedschaft der berufliche Bezug regelmäßig gelöst sein dürfte. Aber auch eine andere Methode erscheint der Kammer je nach Gestaltung des Einzelfalls möglich, da die Zahlstellen eine taggenaue Abrechnung leisten können.
b.
Gemäß einer Auskunft auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.V. (https://www.abv.de/daten-und-fakten.html) haben die Versorgungswerke in der Bundesrepublik Deutschland - Stand 2018 - mehr als eine Million Mitglieder. Damit ist weder relativ noch absolut lediglich eine kleine Zahl von Personen betroffen, selbst wenn man berücksichtigt, dass nur ein gewisser Anteil der Mitglieder von berufsständischen Versorgungswerken in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abgesichert sein dürfte.
c.
Nach Maßgabe der oben geäußerten Rechtsgedanken des BVerfG für die betriebliche Altersversorgung kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass in der vorliegenden Situation bei Renten von berufsständischen Versicherungs- und Versorgungswerken kein lediglich nicht sehr intensiver Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegt.
Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgt zunächst aus der Überlegung, dass bei der Verbeitragung von Renten nach § 229 Abs. 1 Satz Nr. 3 SGB V pauschal die gesamte Rentenzahlung berücksichtigt wird, ohne dass Leistungen, die nachweislich keinen beruflichen Bezug haben und aus privatem Vermögen (weiter)finanziert wurden, dabei außer Acht gelassen werden, wohingegen Renten aus einer privaten und damit auch privat finanzierten Lebensversicherung nicht der Verbeitragung unterliegen. Entscheidet sich ein Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks für die freiwillige Fortführung unter privater Finanzierung seiner berufsständischen Versorgung wird es durch die spätere Berücksichtigung des gesamten Versorgungsbezugs in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wesentlich schlechter gestellt als ein Mitglied, dass die berufsständische Versorgung nicht fortführt und sich bei der Planung seiner Altersvorsorge für ein privates Lebensversicherungsprodukt entscheidet. Hierin liegt zur Überzeugung der Kammer grundsätzlich eine Ungleichbehandlung von im Wesentlichen Gleichem und damit ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Unter Zugrundelegung des oben dargestellten Rechtsgedankens des BVerfG liegt nach Ansicht der Kammer ein mehr als nicht sehr intensiver Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, der nicht mehr hingenommen werden kann. Auch im Rahmen einer berufsständischen Versorgung besteht die grundsätzliche Möglichkeit, dass der berufliche Bezug der Versorgung vollständig gelöst wird. Die freiwillige Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk bietet den bisherigen Pflichtmitgliedern gerade die Möglichkeit eine bestehende Versorgung - möglicherweise zu günstigen Konditionen - fortzuführen, obwohl der Beruf, der ursprünglich zur (Pflicht)Mitgliedschaft in dem Versorgungswerk berechtigte, nun ggf. nicht mehr oder zumindest nur noch im Zuständigkeitsbereich eines anderen Versorgungswerks ausgeübt wird. Wird die bisherige Versorgung mit privaten Mitteln fortgeführt, vermag die Kammer insoweit keinen Unterschied zu einer privaten Lebensversicherung zu erkennen. Nicht nur im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung, sondern auch im Rahmen der berufsständischen Versorgung ist daher die grundsätzliche gesetzgeberische Entscheidung, die private Altersversorgung nicht von der Beitragspflicht zu erfassen, zu berücksichtigen.
Im Ergebnis ist daher zur Überzeugung der Kammer die Grenze für eine typisierende Betrachtung überschritten und § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V - wie eingangs bereits erwähnt - entsprechend verfassungskonform auszulegen.
III.
Angewendet auf den Fall der Klägerin bedeutet dies, dass ihr Versorgungsbezug von der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, soweit er auf Zeiten ihrer freiwilligen Mitgliedschaft in diesem Versorgungswerk beruht, nicht bei der Verbeitragung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V berücksichtigt werden darf.
Die Satzung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (Ausgabe Januar 2021) regelt in § 6 die Pflichtmitgliedschaft und unterwirft diese einem beruflichen Bezug (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Satzung). Mitglieder, die ihren ärztlichen Beruf nicht mehr ausüben, scheiden aus der Ärzteversorgung aus (§ 6 Abs. 3 Satz1 Nr. 3 der Satzung). Die freiwillige Mitgliedschaft in § 7 der Satzung geregelt. Wer zunächst Pflichtmitglied war und nach § 6 Abs. 3 der Satzung ausgeschieden ist, kann innerhalb einer Frist von sechs Monaten seine freiwillige Mitgliedschaft erklären (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Satzung). Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Satzung endet die freiwillige Mitgliedschaft mit dem Eintritt der Voraussetzungen für die Pflichtmitgliedschaft. Durch diese rechtliche Konstruktion ist nach Ansicht der Kammer sichergestellt, dass entweder eine Pflichtmitgliedschaft vorliegt oder eine freiwillige Mitgliedschaft. Eine Pflichtmitgliedschaft ist an den beruflichen Bezug, mithin einer ärztlichen Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, geknüpft. Eine freiwillige Mitgliedschaft mit entsprechendem beruflichen Bezug im Zuständigkeitsbereich ist ausgeschlossen. Die Art der Mitgliedschaft ist damit vorliegend ein taugliches Abgrenzungskriterium dafür, ob ein beruflicher oder ein privater Bezug hinsichtlich der geleisteten Beiträge vorliegt. Die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe hat für den Fall der Klägerin anhand von Steigerungszahlen genau ermitteln können, dass hinsichtlich der monatlich ausgezahlten Rente ein Anteil von 66,3386 % auf Zahlungen im Rahmen einer freiwilligen Mitgliedschaft bei diesem Versorgungswerk beruhen.
Dieser Anteil ist daher bei der Verbeitragung des streitgegenständlichen Versorgungsbezugs außer Acht zu lassen. Während der freiwilligen Mitgliedschaft hat die Klägerin die Versorgung in der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe mit privatem Vermögen ohne jeglichen beruflichen Bezug fortgeführt. Ihre ärztliche Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe hat sie zum 01.01.2006 aufgegeben. Die Versorgung hat damit seit diesem Zeitpunkt rein privaten Charakter und ist unterschiedslos zu einem Produkt der privaten Altersversorgung. Die Klägerin hat überzeugend geschildert, dass sie mit der freiwilligen Mitgliedschaft aus Praktikabilitätsgründen die Versorgung fortführen wollte, da diese schon bestanden habe. Hätte sie um die spätere Beitragspflicht gewusst, hätte sie sich vermutlich für ein privates Versicherungsprodukt entschieden.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass - anders als die Beklagte es im Widerspruchsbescheid dargestellt hat - der Sachverhalt, der dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.10.2019 (B 12 KR 2/19 R; Juris) zugrunde lag, nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar ist. Dort ging es um einen Seelotsen, der in der gesamten Ansparphase als solcher tätig war und damit durchgängig der von seinem Versorgungswerk erfassten Berufsgruppe angehörte. Das BSG sah daher unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung keine Lösung des beruflichen Bezugs und bejahte im Ergebnis die Beitragspflichtigkeit des Versorgungsbezugs. Im vorliegenden Fall ist jedoch gerade eine Lösung des beruflichen Bezugs eingetreten.
Der Erstattungsanspruch für die zu Unrecht entrichteten Beiträge seit dem 01.11.2019 ergibt sich aus § 26 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen die Berufung als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d Satz 2 SGG).
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Landshut in elektronischer Form eingelegt wird.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 65a Abs. 4 SGG eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung.
Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.