L 6 AS 370/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 9 AS 148/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 370/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 36/22 BH
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 21.02.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Ersatz einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt.

Der 1958 geborene Kläger bezog vom Beklagten seit 01.01.2005 laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Seit Mitte 2012 bezieht er keine Leistungen mehr.

Mit Bescheid vom 11.01.2008 erließ der Beklagte einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt für die Zeit vom 11.01. bis zum 10.07.2008. Darin verpflichtete er den Kläger u.a., in den nächsten sechs Monaten monatlich fünf Bewerbungen auf freie sozialversicherungspflichtige Stellen vorzulegen und sich auf übersandte Vermittlungsvorschläge innerhalb von drei Werktagen zu bewerben. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein, erfüllte die sich daraus ergebenden Verpflichtungen jedoch nicht.

Unter dem 10.03., 11.03. und 22.04.2008 verhängte der Beklagte wegen der Nichteinhaltung der Verfügung vom 11.01.2008 Sanktionen gegen den Kläger, die das Sozialgericht (SG) Detmold mit Gerichtsbescheid vom 09.11.2016, S 9 AS 111/08, aufhob, da es dem Bescheid vom 11.01.2008 an einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung gemangelt habe.

Bereits am 09.02.2012 beantragte der Kläger die Überprüfung und Aufhebung des Bescheides vom 11.01.2008 gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20.04.2012 ab, wogegen der Kläger noch im April 2012 Widerspruch und am 29.01.2014 Klage beim SG erhoben hat. Im laufenden Klageverfahren wies der Beklagten den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 02.12.2014). Die Voraussetzungen des § 44 SGB X lägen nicht vor, weil der Erlass des Bescheides vom 11.01.2008 nach den Vorgaben in § 15 SGB II nicht zu beanstanden sei. Insbesondere seien die sich aus dem Bescheid für den Kläger ergebenden Verpflichtungen diesem zumutbar gewesen.

Im Klageverfahren hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, trotz erfolgter Aufhebung der Sanktionsbescheide sei die Rechtswidrigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes durch das SG festzustellen.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

festzustellen, dass der Ersatz der Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt vom 11.01.2008 rechtswidrig war.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seine Entscheidungen weiterhin für zutreffend gehalten.

Nach entsprechender Anhörung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 21.02.2020 die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Kläger habe kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 11.01.2008. Es bestehe insbesondere seit der Rechtsänderung und Neufassung des § 15 SGB II durch das Gesetz vom 26.07.2016 (in Kraft seit 01.08.2016) keine Wiederholungsgefahr mehr.

Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid am 06.03.2020 Berufung eingelegt. Er könne nicht erkennen, weshalb die Rechtsänderung zum 01.08.2016 die Abweisung seiner Klage begründen könne. Es könne nicht dahin stehen, ob mit Rechtskraft des Gerichtsbescheides in dem Verfahren S 9 AS 111/08 das Feststellungsinteresse entfallen sei. In diesem Verfahren sei die Rechtswidrigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes festgestellt worden, obwohl dies im hiesigen Verfahren zu erfolgen habe. Das SG habe sein Begehren falsch ausgelegt. Es sei hier über eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu entscheiden.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG Detmold, S 9 AS 148/14 vom 21.02.2020, den Überprüfungsbescheid vom 20.04.2012, mitsamt dem Widerspruchsbescheid vom 02.12.2014 aufheben, und die Beklagte verpflichten, den Bescheid vom 11.01.2008 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten des Beklagten und der beigezogenen Prozessakte, SG Detmold S 9 AS 111/08, verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist unzulässig.

Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war ausweislich des vom Kläger mit Schriftsatz vom 12.07.2018 gestellten Antrages eine (Fortsetzungs-)Feststellungsklage (§131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), gerichtet auf die Feststellung, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 11.01.2008 rechtswidrig gewesen sei. Hierüber hat das SG in der angefochtenen Entscheidung auch entschieden.

Selbst wenn man den Wechsel des Klageantrages im Berufungsverfahren von der Fortsetzungsfeststellungs- auf die (kombinierte) Anfechtungs- und Verpflichtungsklage hier im Rahmen von § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG für zulässig halten wollte (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, § 99 Rn. 4 m.w.N.), ist die Klage dennoch unzulässig, weil es ihr an einem Rechtsschutzbedürfnis mangelt. Denn der Bescheid vom 11.01.2008 war in seiner Geltung auf die Zeit vom 11.01. bis zum 10.07.2008 beschränkt. Der Kläger kann daher nicht mehr geltend machen, durch eine darin getroffene Regelung im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG beschwert zu sein, weil sich der Bescheid durch Zeitablauf insgesamt erledigt hat (§ 39 Abs. 2 4. Var. SGB X) und damit keine Rechtswirkung mehr entfaltet (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15.06.2016, B 4 AS 45/15 R, juris Rn. 15). Gelten diese Grundsätze nach den Ausführungen des BSG (a.a.O.) schon im Klageverfahren gegen einen Bescheid nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II in der bis zum 01.08.2016 geltenden Fassung selbst, kann nichts anderes gelten für ein Klageverfahren, das – wie hier – die Überprüfung eines solchen Bescheides betrifft.

Mit Blick auf die ursprünglich erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist der Vollständigkeit halber noch darauf hinzuweisen, dass diese nicht allein wegen eines fehlenden Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 11.01.2008 unzulässig gewesen ist, sondern schon deshalb, weil der Kläger keinen Widerspruch gegen diesen Bescheid erhoben hat (vgl. dazu Schütz in jurisPK-SGG, Stand: 05.04.2018, § 131 Rn. 39).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

 

Rechtskraft
Aus
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