L 18 AL 46/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18.
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 12 AL 129/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 46/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. Februar 2020 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) vom 3. Juli 2014 bis 31. März 2015.

 

Der 1952 geborene Kläger war vom 22. August 2011 an als Mechaniker bei einem Transportunternehmen in der Schweiz (B  AG) beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag war u.a. vereinbart, dass der Lohn bei Krankheit „100 % ab 1. Tag während 2 Monaten, anschließend 80 % während 720 Tagen“ fortgezahlt werden sollte. Vom 2. bis zum 11. November 2011 war der Kläger unfallbedingt arbeitsunfähig. Am 14. November 2011 erlitt er einen Zusammenbruch und war seitdem krank geschrieben. Zum 31. Dezember 2011 wurde dem Kläger gekündigt; der Lohn wurde bis Ende Dezember 2011 gezahlt. Hinsichtlich der bezogenen Arbeitsentgelte wird auf die Arbeitgeberbescheinigungen Bezug genommen. Die Arbeitgeberin verwies den Kläger bezüglich der Lohnfortzahlung auf Krankentaggeldleistungen. Die Krankentaggeldversicherung verweigerte indes unter Hinweis auf ihre Allgemeinen Bedingungen die Erbringung von Leistungen an den Kläger über den 3. Januar 2012 hinaus. Mit Urteil des Bezirksgerichts Dielsdorf – Arbeitsgericht – vom 6. Juni 2014, bestätigt durch Urteil des Obergericht des Kantons Zürich vom 17. Dezember 2014, wurde die Arbeitgeberin des Klägers zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 12.202,60 CHF für den Zeitraum Januar bis März 2012 mit der Begründung verurteilt, sie sei ihrer Verpflichtung zum Abschluss einer Krankentaggeldversicherung mit den arbeitsvertraglich zugesicherten Leistungen nicht vollständig nachgekommen, weshalb sie wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten die entsprechenden Leistungen selbst zu erbringen habe. Bei dem von ihr geschuldeten Betrag handele es sich nicht um sozialversicherungspflichtigen Lohn, sondern um den Schadenersatz für die arbeitsvertraglich zugesicherte Krankentaggeldversicherung. Im Versicherungsverlauf vom 28. Juni 2017 (U001-Bescheinigung) wurde dem Kläger eine Krankheitszeit, die einer Versicherungszeit gleichgestellt ist, für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis zum 5. Januar 2014 bescheinigt. Seit dem 1. April 2015 bezieht der Kläger Altersrente für langjährig Versicherte.

 

Der Kläger meldete sich zum 3. Juli 2014 arbeitslos, stellte sich dem Arbeitsmarkt mit gesundheitlichen Einschränkungen zur Verfügung und beantragte Alg. Nachdem die Beklagte zunächst den Antrag wegen fehlender Erfüllung der Anwartschaftszeit und nachfolgende Anträge zur Überprüfung dieser Entscheidung abgelehnt hatte, bewilligte sie mit Bescheid vom 10. August 2017 unter Zugrundelegung eines fiktiven Arbeitsentgelts (Qualifikationsgruppe 3) Alg für die Zeit vom 3. Juli 2014 bis 31. März 2015 i.H.v. tgl. 29,48 Euro (Bemessungsentgelt tgl. 73,73 Euro). Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens, in dem der Kläger unter anderem beanstandete, dass sein in Ausbildung befindliches Kind bei der Höhe der Bemessung des Alg nicht berücksichtigt worden sei, erging ein Änderungsbescheid vom 12. Oktober 2017 mit veränderter Leistungshöhe (Alg i.H.v. tgl. 32,92 Euro – 67 % des Leistungsentgelts). Soweit der Widerspruch auf Berücksichtigung eines höheren Bemessungsentgelts wegen nachträglich bezogener Entgelte aus dem Beschäftigungsverhältnis in der Schweiz gerichtet war, blieb er erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2017).

 

Das Sozialgericht (SG) Neuruppin hat der auf Gewährung von höherem Alg unter Berücksichtigung des nachträglich bezogenen Entgelts aus dem Schweizer Beschäftigungsverhältnis gerichteten Klage stattgegeben (Urteil vom 27. Februar 2020) und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 10. Juli 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2017 verurteilt, „dem Kläger höheres Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung des nachgezahlten Arbeitslohnes aus der Schweiz bei der Bemessung zu bewilligen“. Zur Begründung ist ausgeführt: Dem Kläger stehe ein Anspruch auf höheres Alg im Streitzeitraum zu. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei nicht bereits zum 31. März 2012 beendet worden, sondern – nach unwiderruflicher Freistellung – aufgrund Lohnfortzahlung erst zum 5. Januar 2014. Der Arbeitgeber sei aufgrund arbeitsgerichtlichen Urteils des Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. Dezember 2014 verpflichtet worden, bis zu diesem Zeitpunkt den Arbeitslohn fortzuzahlen. Die bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu zahlende Vergütung sei bei der Festsetzung der Höhe des Bemessungsentgeltes zu berücksichtigen.

 

Mit der Berufung vom 28. April 2020 gegen das ihr am 30. März 2020 zugestellte Urteil trägt die Beklagte vor: Den Gründen des Urteils des Bezirksgerichts Dielsdorf vom 6. Juni 2014 sei entgegen der Auffassung des SG nicht zu entnehmen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bis zum 5. Januar 2014 fortbestanden habe. Vielmehr sei im Urteil festgestellt worden, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers wirksam zum 31. Dezember 2011 beendet worden sei. Die nachfolgende Leistungspflicht der Arbeitgeberin habe allein auf der vertraglich vereinbarten Lohnfortzahlungspflicht im Krankheitsfall für 720 Tage beruht. Entsprechend habe die schweizerische Arbeitslosenkasse im Versicherungsverlauf die Zeit vom 1. April 2012 bis 5. Januar 2014 als Krankheitszeit ausgewiesen. Da es sich bei den Zahlungen der Arbeitgeberin nicht um Arbeitsentgelt gehandelt habe, scheide eine Berücksichtigung bei der Bemessung aus.

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. Februar 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis für zutreffend. Es sei rechtlich unerheblich, wann sein Arbeitsverhältnis beendet gewesen sei. Im schweizerischen Recht gebe es abweichend vom deutschen Recht die Möglichkeit, eine Lohnfortzahlungspflicht über das Ende eines Arbeitsverhältnisses hinaus zu vereinbaren. So liege es hier. Die Arbeitgeberin des Klägers sei rechtskräftig verurteilt worden, Lohnfortzahlung bis zum 5. Januar 2014 zu leisten. Dem Kläger sei dementsprechend eine gleichgestellte Versicherungszeit bis 2014 bescheinigt worden. Anhand der geleisteten Zahlungen lasse sich das Bemessungsentgelt zuverlässig ermitteln. Hilfsweise weise er darauf hin, dass die Kostenentscheidung des Widerspruchsverfahrens nicht nachvollziehbar sei. Eine Kostenerstattung sei nur im Umfang von 3 % vorgesehen, obwohl der Leistungsbetrag aufgrund des teilweise erfolgreichen Widerspruchs von 29,48 Euro tgl. auf 32,92 Euro tgl. erhöht worden sei.

 

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakte sowie die Leistungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Alg im Streitzeitraum vom 3. Juli 2014 bis 31. März 2015 unter Berücksichtigung eines höheren Bemessungsentgelts. Das angefochtene Urteil des SG vom 27. Februar 2020 war aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben der angefochtenen Entscheidung des SG die Alg-Bewilligungsbescheide vom 10. August 2017 und 12. Oktober 2017 (vgl. § 86 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2017, mit denen die Beklagte über die Höhe des Alg in dem allein streitigen Zeitraum vom 3. Juli 2014 bis 31. März 2015 entschieden hat.

 

Die bei einem Streit um die Höhe des Alg zu prüfenden Voraussetzungen eines Anspruchs des Klägers dem Grunde nach (vgl. § 137 Absatz 1 SGB III) lagen im streitigen Zeitraum vor. Der Kläger hat sich mit Wirkung zum 3. Juli 2014 persönlich arbeitslos gemeldet (§ 137 Absatz 1 Nr. 2 SGB III i.V.m. § 141 SGB III: sämtliche Vorschriften jeweils in den ab 1. April 2012 geltenden Normfassungen des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, BGBl I 2854) und damit den Eintritt des in der Arbeitslosenversicherung gedeckten Risikos der Arbeitslosigkeit angezeigt. Er hat sich trotz gesundheitlicher Einschränkungen im Rahmen seines Leistungsvermögens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt, sodass davon auszugehen ist, dass er arbeitslos war (§ 137 Absatz 1 Nr. 1 SGB III, § 138 Absatz 1 SGB III). Auch hat er die Anwartschaftszeit erfüllt. Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§§ 142 Absatz 1 S. 1, 143 SGB III). Unter Berücksichtigung der Vorschriften der VO (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und – daraus folgend – unter Einbeziehung der nach schweizerischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Beitragszeiten hat der Kläger innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren beginnend mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg, d.h. im Zeitraum vom 3. Juli 2012 bis 2. Juli 2014, zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden (vgl. § 142 Absatz 1 SGB III, § 143 Absatz 1 SGB III). Die Berücksichtigung der Regelungen der VO (EG) 883/2004 und damit auch derjenigen des Artikel 61 Absatz 1 VO (EG) 883/2004 zur Zusammenrechnung von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit bei Sachverhalten in mehreren Mitgliedstaaten durch den zuständigen Wohnsitzmitgliedstaat, also Deutschland, folgt aus dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl. 2002, L 114 S. 6; im Folgenden: FZA), das am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichnet und durch Gesetz vom 2. September 2001 (BGBl II 2001, 810) ratifiziert wurde. Es ist insoweit am 1. Juni 2002 in Kraft getreten (BGBl II 2002, 1692). Zur Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit, insbesondere zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften und zur Zahlung der Leistungen an Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten haben, verweist Artikel 8 FZA auf den Anhang II dieses Abkommens in der Fassung durch den Beschluss Nr. 1/2012 des im Rahmen des FZA eingesetzten Gemischten Ausschusses vom 31. März 2012 (ABl 2012, L 103 S. 51) und damit die Anwendbarkeit der VO (EG) 883/2004 (vgl. Europäischer Gerichtshof <EuGH>, Urteil vom 21. März 2018 - C-551/16 <Klein-Schiphorst>, juris Rn. 28; EuGH, Urteil vom 23. Januar 2020 - C-29/19 -, juris Rn. 23; vgl. zum Ganzen auch BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 11 AL 1/20 R = SozR 4-6065 Art. 62 Nr. 2 – Rn 15). Dass der Kläger in der Schweiz von der Beklagten zu berücksichtigende Zeiten zurückgelegt hat, ergibt sich aus der Bescheinigung U001 der schweizerischen Behörde, die die in der Schweiz vom 1. April 2012 bis zum 5. Januar 2014 zurückgelegten Zeiten als „Krankheitszeit, die einer Versicherungszeit gleichgestellt ist“, ausweist. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Beklagte und das Gericht an den Inhalt der Bescheinigung gebunden, solange die Bescheinigung – wie hier – nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt worden ist (EuGH, Urteil vom 11. November 2004 - C-372/02 -, juris Rn. 36; vgl. auch BSG, Urteile vom 26. Februar 2019 – B 11 AL 15/18 R -, juris Rn. 19, vom 23. Oktober 2018 – B 11 AL 20/17 R -, juris Rn. 26 und vom 17. März 2015 – B 11 AL 12/14 R -, juris Rn. 18). Die Anwartschaftszeit und damit insgesamt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld sind erfüllt.

 

Die Bemessung des Alg richtet sich nach § 149 Absatz 1 Nr. 1 SGB III (in der ab 1. Januar 2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister und zur Änderung anderer Gesetze vom 5. Dezember 2012, BGBl I 2467), wonach das Alg für Arbeitslose, die – wie der Kläger – mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes  haben, 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) beträgt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Bemessungsentgelt ist das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (§ 151 Absatz 1 Satz 1 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, BGBl I 2854). Gemäß § 150 Absatz 1 Satz 1 SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltzeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 150 Absatz 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 150 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III). Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 152 Absatz 1 Satz 1 SGB III).

 

In Anwendung der genannten Bestimmungen hat die Beklagte zunächst zutreffend einen erweiterten Bemessungsrahmen zugrunde gelegt, da sich im einjährigen Bemessungsrahmen vom 6. Januar 2013 bis 5. Januar 2014 kein Bemessungszeitraum i.S.v. § 150 Absatz 1 Satz 1 SGB III feststellen lässt, weil er weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 150 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III); denn eine Beschäftigung mit Anspruch auf Arbeitsentgelt lag nur vom 22. August 2011 bis 31. Dezember 2011 vor. Die Auffassung des SG, das seit dem 22. August 2011 bei der B AG bestehende Arbeitsverhältnis habe bis zum 5. Januar 2014 mit Anspruch auf Arbeitsentgelt fortbestanden, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Sie findet – anders, als offenbar vom SG angenommen – in den Gründen des Urteils des Bezirksgerichts Dielsdorf vom 6. Juni 2014 keine Stütze. Vielmehr ist in dieser Entscheidung (bestätigt durch das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. Dezember 2014, dort Seite 4 – II.1 –) festgestellt worden, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers wirksam zum 31. Dezember 2011 beendet worden ist. Die nachfolgende Leistungspflicht der Arbeitgeberin beruhte allein auf der vertraglich vereinbarten Lohnfortzahlungspflicht im Krankheitsfall für 720 Tage, die dazu führte, dass die Arbeitgeberin mangels Einbeziehung des Klägers in eine Krankentaggeldversicherung mit den arbeitsvertraglich zugesicherten Leistungen Schadenersatz zahlen musste. Entsprechend hat die schweizerische Arbeitslosenkasse im Versicherungsverlauf die Zeit vom 1. April 2012 bis 5. Januar 2014 als Krankheitszeit ausgewiesen.

 

Der Kläger hat von seiner ehemaligen Arbeitgeberin auch kein Arbeitsentgelt, sondern Schadenersatz erhalten. Nach der Legaldefinition des § 24 Absatz 1 SGB III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Als Arbeitsentgelt gelten nach der allgemeinen Regelung des § 14 Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Einnahmen aus der Beschäftigung sind solche, die dem Arbeitnehmer im ursächlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung zufließen (Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Urteil vom 12. November 2019 – L 13 AL 2184/17 –, juris Rn. 24 m.w.N.). Erforderlich ist insoweit ein unmittelbarer Zusammenhang, wie er aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis von Arbeit und Entlohnung folgt, oder ein zumindest mittelbarer (innerer, sachlicher) Zusammenhang mit der Beschäftigung (BSG, Urteil vom 29. Januar 2004 – B 4 RA 19/03 R -, juris). Für den ursächlichen Zusammenhang zur Beschäftigung genügt es, dass die Zuwendung wesentlich von dem Ziel mitbestimmt wird, den Arbeitnehmern eine (zusätzliche) Vergütung für die Arbeit zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 1988 – 12 RK 18/87 - SozR 2100 § 14 Nr. 19 -, juris). Nach diesen Maßstäben ist der vom Kläger zum Ausgleich für das entgangene Krankentaggeld bezogene Schadenersatz kein Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 Absatz 1 Satz 1 SGB IV, da dieser vom Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht abhängig war. Weil es im Schweizer Recht keine Koordination der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und einer Kündigung des zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisses gibt, muss die jeweilige Norm, die Inhalt des Arbeitsvertrages wurde, ausgelegt werden, um zu ermitteln, ob die Leistung vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängt oder auch darüber hinaus nach dem Wirksamwerden einer Kündigung weiter zu bezahlen ist (Schweizerisches Bundesgericht [BGer], Urteil vom 10. Januar 2007 - 4C.315/2006, Nr. 3.1, www.bger.ch). Sieht der Arbeitsvertrag ohne Vorbehalt langfristige Versicherungsleistungen vor, ist in der Regel davon auszugehen, dass diese nach dem Willen der Parteien das Vertragsende überdauern sollen. So liegt es hier: Wie das Bezirksgericht Dielsdorf im Urteil vom 6. Juni 2014 im Rahmen der Auslegung des Arbeitsvertrages zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Arbeitgeberin festgestellt hat, sollte der Kläger in eine Krankentaggeldversicherung mit eingeschlossen werden, die die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht übersteigende – und damit auch überdauernde – Leistungen beinhaltete. Ein ausreichender Bezug des mit dem Schadenersatz kompensierten Ausfalls der Krankentaggeldzahlungen zu einer tatsächlich geleisteten Arbeit bestand nicht, sodass auch keine mittelbare Verknüpfung mehr angenommen werden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg im o.a. Urteil vom 12. November 2019, juris Rn. 26). Folgerichtig hat das Bezirksgericht Dielsdorf im Urteil vom 6. Juni 2014 festgestellt, dass es sich bei dem Schadenersatz nicht um sozialversicherungspflichtigen Lohn handelte.

 

War nach alledem der Bemessungsrahmen in Anwendung von § 150 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III auf zwei Jahre zu erweitern, bestand auch innerhalb des zweijährigen Bemessungsrahmens vom 6. Januar 2012 bis 5. Januar 2014 kein Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Arbeitsentgelt in einem Umfang von über 150 Tagen, so dass von der Beklagten eine fiktive Bemessung des Alg nach den Qualifikationsstufen des § 152 Absatz 1 SGB III vorzunehmen war. Hierbei sind Fehler nicht ersichtlich. Anhaltspunkte, dass der Kläger in eine höhere Stufe als diejenige der Qualifikationsgruppe 3 einzugruppieren gewesen wäre, sind weder dargetan noch ersichtlich. Wegen der Einzelheiten der Berechnung unter Zugrundelegung des fiktiven Einkommens wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Änderungsbescheid vom 12. Oktober 2017 verwiesen, die – auch im Hinblick auf die nunmehr erfolgte Berücksichtigung des Kindes des Klägers im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes bei der Höhe des Alg (erhöhter Leistungssatz) – nicht zu beanstanden sind.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

Rechtskraft
Aus
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