Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 21.02.2022 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.
Gemäß § 86b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt mithin neben einem Anordnungsanspruch – im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruches auf die beantragte Leistung – einen Anordnungsgrund – im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der vom Gericht zu treffenden Regelung – voraus. Eilbedürftigkeit in diesem Sinne liegt in der Regel nur dann vor, wenn gegenwärtige oder unmittelbar bevorstehende wesentliche Nachteile drohen, deren Eintritt durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht wieder gut gemacht werden könnte, so dass ein weiteres Abwarten unzumutbar wäre. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Absatz 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Es fehlt hier bereits an einem Anordnungsgrund, so dass offen bleiben konnte, ob ein Anordnungsanspruch besteht. Es besteht auch kein Anlass, die Anforderungen an einen Anordnungsgrund im vorliegenden Verfahren herabzusetzen. Dies kann nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geboten sein, wenn ohne weiteres und damit offensichtlich ersichtlich ist, dass ein Anordnungsanspruch besteht. In einem solchen Fall reicht eine gewisse Eilbedürftigkeit aus, weil bei einem offensichtlich bestehenden Leistungsanspruch jedenfalls in sozialrechtlichen Streitigkeiten mit Bezug zur Existenzsicherung ein weiteres Abwarten auch bei geringeren als wesentlichen Nachteilen wenig zumutbar erscheint. Entgegen der vom Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung ist es jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass ein Anordnungsanspruch besteht. Der Senat teilt bei der im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens nur möglichen summarischen Prüfung der Rechtslage nicht die rechtliche Beurteilung des erstinstanzlichen Gerichts, in dem hier im Verfahren streitbefangenen Zeitraum vom 12.01.2022 an sei Vermögen des Antragstellers aufgrund der Vorschrift des § 67 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in den ab 24.10.2021 geltenden Fassungen nicht zu berücksichtigen, weshalb Anspruch auf die zuschussweise Gewährung von Arbeitslosengeld II bestehe. Diese Vorschrift lautet in der Bewilligungszeiträume ab dem 01.10.2021 – wie vorliegend – geltenden Fassung ab dem 01.04.2021: Abweichend von den §§ 9, 12 und 19 Absatz 3 wird Vermögen für die Dauer von sechs Monaten nicht berücksichtigt. Mit dieser gesetzlichen Regelung wurde nicht ausdrücklich geregelt, ob der genannte Sechs-Monats-Zeitraum nur einmalig läuft oder auch für danach gestellte Weiterbewilligungsanträge erneut gilt und mithin wiederholt zu berücksichtigen wäre. Der erkennbare Regelungszweck (siehe dazu Bundestags-Drucksache 19/18107, Seite 25) dieser gesetzlichen Bestimmung, nämlich die Behörden von der insbesondere bei Erstanträgen oft sehr aufwändigen Prüfung, ob erhebliches Vermögen vorliegt, in der besonderen pandemischen Situation vorübergehend zu entlasten und Leistungen nach Ablauf von sechs Monaten unter Berücksichtigung von Vermögen nach den üblichen Vorschriften zu erbringen, spricht dafür, diese Regelung nur auf Leistungsanträge anzuwenden, mit denen Leistungen erstmals oder aber nach einer mindestens einmonatigen Zäsur innerhalb des in § 67 Abs. 1 SGB II genannten Zeitraums beantragt werden (so auch Groth in Schlegel/Voelske, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 67 Rn. 17, Stand 15.12.2021). Zwar ist vom Gesetzgeber der in § 67 Abs. 1 SGB II genannte Zeitraum mit den nach Mai 2020 in Kraft getretenen Neufassungen dieser Vorschrift jeweils verlängert worden, mit der zum 01.01.2021 erfolgten Gesetzesänderung ist aber die Regelung des § 67 Abs. 5 SGB II aufgehoben worden. Diese enthielt unter anderem die Bestimmung, dass im Falle einer Weiterbewilligung diese unter der Annahme unveränderter Verhältnisse für zwölf Monate zu erfolgen habe (§ 67 Abs. 5 S. 3 SGB II in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung). Der Wegfall dieser Regelungen spricht dafür, dass der Gesetzgeber nunmehr innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Leistungsbeginn eine nähere Prüfung der Bedürftigkeit von Leistungsbeziehern für durchführbar erachtet. Der Antragsteller hat seit Inkrafttreten der vorgenannten gesetzlichen Regelungen für ein vereinfachtes Verfahren für den Zugang zu sozialer Sicherung aus Anlass der Covid-19-Pandemie am 29.05.2020 bereits deutlich länger als sechs Monate, nämlich durchgehend von Juni 2020 bis September 2021, danach Grundsicherungsleistungen bezogen. Für einen weiteren Leistungsbezug ist eine Berufung auf die vereinfachten Regelungen mithin ausgeschlossen und eine Bedürftigkeitsprüfung nach den allgemeinen Regelungen vorzunehmen.
Gewichtige Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers im Sinne des SGB II bestehen hier nicht nur deshalb, weil er über ein zwar selbstgenutztes, aber unangemessen großes Hausgrundstück sowie über weiteren Grundbesitz (Ackerland) verfügt, sondern auch weil sonstige Anhaltspunkte dagegen sprechen und mithin eine Glaubhaftmachung von Hilfebedürftigkeit nicht gelungen ist. Hier war zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in dem Hauptsacheverfahren zum Az. L 2 AS 1393/20, in dem über Leistungsansprüche für den Zeitraum von September 2018 bis März 2020 gestritten wurde, die Berufung zurückgenommen hat, nachdem er vom Landessozialgericht aufgefordert worden war, für die einzelnen Kalendermonate in diesem Zeitraum seine Bedürftigkeit nachzuweisen. Wenn der Antragsteller über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren unter vergleichbaren finanziellen Verhältnissen wie derzeit ohne Gewährung von Sozialleistungen hat auskommen können, spricht dies dafür, dass auch derzeit eine Leistungsgewährung zur Sicherstellung des Existenzminimums nicht erforderlich ist.
Es sind auch aus anderen Gründen keine schwerwiegenden und nachträglich nicht wieder gut zu machenden wesentlichen Nachteile ersichtlich, wenn der Antragsteller zur Durchsetzung der von ihm geltend gemachten Ansprüche auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen wird. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zur finanziellen Absicherung des Existenzminimums des Antragstellers nicht erforderlich. Der Antragsteller verfügt derzeit nach eigenen Angaben über regelmäßige monatliche Einkünfte i.H.v. 453,84 €, die den Betrag der Regelleistung (449 €) übersteigen und die zur Aufrechterhaltung des Existenzminimums von ihm verwendet werden können. In Bezug auf Kosten für Unterkunft und Heizung für das im Eigentum des Antragstellers stehende und von ihm bewohnte Hausgrundstück, die zuletzt i.H.v. 137,85 € bewilligt worden waren, ist eine besondere Eilbedürftigkeit und insbesondere die Gefahr von Obdachlosigkeit nicht ersichtlich.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch nicht zur Sicherstellung angemessenen Krankenversicherungsschutzes notwendig. Der Antragsteller ist versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – (zur Abgrenzung dieser Versicherungspflicht zum Anspruch auf Hilfen zur Gesundheit nach dem 5. Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – siehe LSG NRW, Urteil vom 19.11.2009, Az L 16 (11) KR 54/08). Dies begründet gemäß § 252 in Verbindung mit § 250 Abs. 3 SGB V eine Beitragspflicht, aber auch bei einem Zahlungsverzug entfällt jedenfalls nicht der Anspruch auf Versicherungsschutz für die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände (§ 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Auch diese Leistungsbeschränkung entfällt, wenn Versicherte im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches hilfebedürftig werden (§ 16 Abs. 3a Satz 4 SGB V).
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).