Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.08.2021 wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die in Anbetracht der begehrten Herabsetzung der Vergütung um 3.096,10 Euro auf 2.790,00 Euro nach Maßgabe von § 4 Abs. 3 Satz 1 JVEG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Staatskasse, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (als Beschluss auszulegender „Vermerk“ vom 02.03.2022) und über die der Senat mangels besonderer Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art oder grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache durch den Vorsitzenden und Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet (§ 4 Abs. 7 Satz 1 und 2 JVEG), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Vergütungsanspruch der Antragstellerin für ihr unter dem 16.04.2021 erstattetes aussagepsychologisches Sachverständigengutachten im Ergebnis nicht zu hoch festgesetzt. Eine geringere Vergütung als 5.886,10 Euro ist nicht gerechtfertigt.
1. Für die gemäß §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 Satz 1 JVEG nach Zeitaufwand zu bemessende Vergütung sind mindestens die vom Sozialgericht angenommenen 4.750,- Euro anzusetzen. Der Ansatz der Honorargruppe M3 im Sinne der Anlage 1 zum JVEG in der hier gem. § 24 Satz 1 JVEG wegen der noch im Jahre 2020 erfolgten Beauftragung anwendbaren, bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung (100,- Euro pro Stunde) ist dabei zwischen den Beteiligten unstreitig und auch in der Sache nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Staatskasse ist aber ein Zeitaufwand von mindestens 47,5 Stunden als erforderlich anzusehen.
a) Nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 Satz 1 JVEG richtet sich die Vergütung des Sachverständigen nach der für die Gutachtenerstellung erforderlichen Zeit. Wie viel Zeit erforderlich ist, hängt nicht von der individuellen Arbeitsweise des Sachverständigen ab, sondern ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen. Erforderlich ist derjenige Zeitaufwand, den ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt, um sich nach sorgfältigem Studium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehender Überlegung seine gutachtlichen Darlegungen zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen. Dabei ist der Umfang des unterbreiteten Sachstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Beweisfragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet und die Bedeutung der Sache angemessen zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des zuständigen Senats, statt vieler Beschluss vom 20.02.2015 - L 15 KR 376/14 B -, juris Rn. 28 m.w.N.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sowie des zuvor für Vergütungsansprüche von Sachverständigen zuständigen 4. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen gliedert sich die Erstellung eines Gutachtens zur Gewährleistung eines objektiven Maßstabs hinsichtlich des erforderlichen Zeitaufwandes in vier vergütungspflichtige Arbeitsschritte (vgl. z.B. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 25.02.2005 - L 4 B 7/04 -, juris Rn. 22 ff. m.w.N.):
1. Zeitaufwand für Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten,
2. Zeitaufwand für Untersuchung und Anamnese,
3. Zeitaufwand für Abfassung der Beurteilung,
4. Zeitaufwand für Diktate und Durchsicht.
b) Ausgehend von dieser eine gleichmäßige Rechtsanwendung gewährleistenden und im Hinblick auf die Anforderungen an ein sozialmedizinisches Sachverständigengutachten (vgl. hierzu z.B. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschl. v. 22.04.2008 - L 1 B 89/08 SK -, juris Rn. 4; Giesbert, in jurisPK-SGG, § 128 Rn. 55) sachgerechten Strukturierung lässt sich eine Kürzung des von der Antragstellerin in ihrer Rechnung vom 16.04.2021 geltenden gemachten Zeitaufwandes von 48,5 Stunden auf 21,5 Stunden, wie von der Staatskasse geltend gemacht, nicht begründen. Die von der Staatskasse gewünschte Kürzung lässt sich insbesondere nicht aus der Rechtsprechung des Senats in den von der Staatskasse zitierten Beschlüssen vom 03.02.2020 – L 15 KR 690/19 B -, juris Rn. 12 ff., und vom 03.12.2020 – L 15 R 628/20 B -, juris Rn. 16 f. herleiten.
aa) Im Hinblick auf die Ausführungen des Sozialgerichts im „Vermerk“ vom 02.03.2022 einerseits und das Beschwerdevorbringen andererseits besteht allerdings zur Vermeidung von Missverständnissen Anlass, die Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, noch einmal zusammenfassend darzulegen:
Der Senat vertritt ausgehend von den zitierten Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass es sich bei den Angaben des Sachverständigen zum Zeitaufwand um Tatsachenvortrag des Sachverständigen handelt, den das jeweils befasste Gericht nicht daraufhin zu hinterfragen hat, ob der angesetzte Zeitaufwand vielleicht zu niedrig bemessen ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Sachverständige nicht mehr als den angegebenen Zeitaufwand tatsächlich (subjektiv) benötigt hat und/oder nur für den angegebenen Zeitaufwand eine Vergütung geltend machen möchte (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 29.03.2006 – L 4 B 19/06 -; Beschl. v. 28.11.2007 - L 4 B 1/07 -). Dieser grundsätzlich als gegeben anzunehmende tatsächliche Zeitaufwand ist sodann lediglich darauf zu überprüfen, ob er objektiv erforderlich war. Ein Sachverständiger kann jedoch nie mehr als den Zeitaufwand vergütet bekommen, den er tatsächlich aufgewendet und als tatsächlichen Aufwand angegeben hat. Die Angaben des Sachverständigen legen damit die Obergrenze fest, die vergütet werden kann (so nunmehr auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 05.07.2021 - L 7 KO 3/20 (U) -, juris Rn. 22; Weber, in: Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, § 8 JVEG Rn. 26; vgl. auch Binz, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Auflage 2021, § 8 JVEG Rn. 11). Der Maßstab der Erforderlichkeit des Zeitaufwandes stellt eine weitere, rechtliche Grenze dar, die unterhalb, aber nie oberhalb des tatsächlich benötigten Zeitaufwandes liegen kann.
Da die Vergütung nach Zeitaufwand zur Strukturierung und zur Gewährleistung von Justiziabilität richterrechtlich in Arbeitsschritte gegliedert ist (siehe hierzu auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 05.07.2021 - L 7 KO 3/20 (U) -, juris Rn. 28) und das JVEG verschiedene vergütungsrelevante Positionen regelt (vgl. § 8 Abs. 1 JVEG), muss ein Sachverständiger, wenn er einen Vergütungsanspruch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG geltend macht, seine Rechnung – ggf. nach entsprechendem rechtlichen Hinweis – aufschlüsseln (so auch Schneider, JVEG, 4. Aufl. 2021, § 8 Rn. 15; Binz, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Auflage 2021, § 8 JVEG Rn. 11). Er muss damit auch angeben, wie viel Zeit er jeweils tatsächlich auf die einzelnen Arbeitsschritte verwendet hat. Ohne einen entsprechenden konkretisierten Tatsachenvortrag könnte der Kostenbeamte oder im Feststellungsverfahren nach § 4 JVEG das Gericht die „erforderliche Zeit“ im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG nicht bestimmen. Müsste ein Sachverständiger lediglich angeben, wie viel Zeit er insgesamt für die Erstellung des Gutachtens benötigt hat, würde dem Kostenbeamten oder dem Gericht die richterrechtlich erforderliche Aufschlüsselung obliegen. Die entsprechende Aufschlüsselung durch den Kostenbeamten oder das Gericht wäre aber willkürlich. Sie könnte insbesondere auch nicht anhand der in der Rechtsprechung des Senats entwickelten, an Seitenzahlen orientierten Maßstäben bei den Arbeitsschritten „Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten“ und „Diktat und Korrektur“ erfolgen. Die insoweit pauschalierten Ansätze dienen allein der Gewährleistung eines einheitlichen Maßstabs für die Beurteilung der Erforderlichkeit eines Zeitaufwandes. Es handelt sich jedoch nicht um Pauschalen, die jedem Sachverständigen für den betreffenden Arbeitsschritt unabhängig von der insoweit tatsächlich benötigten Zeit zustehen (dies grundlegend verkennend Jahnke/Pflüger, JVEG, 28. Aufl. 2021, § 8 Rn. 15). Eine Pauschalvergütung bedürfte vielmehr nach § 14 JVEG einer Vereinbarung.
Hat ein Sachverständiger danach für eine ordnungsgemäße Geltendmachung seiner Vergütung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG im Einzelnen vorzutragen, wie viel Zeit er für die vier Arbeitsschritte jeweils tatsächlich benötigt hat, hat der Kostenbeamte oder das Gericht diesen Tatsachenvortrag für den jeweiligen Arbeitsschritt als Obergrenze für die nach Zeitaufwand zu bemessende Vergütung, soweit sie auf den jeweiligen Arbeitsschritt entfällt, hinzunehmen. Wenn z.B. für den Arbeitsschritt „Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten“ ein geringerer tatsächlicher Zeitaufwand angegeben wird, als bei der Prüfung der Erforderlichkeit anerkannt würde, der angegebene Zeitaufwand für den Arbeitsschritt „Diktat und Korrektur“ aber das Maß der Erforderlichen überschreitet, ist es deshalb nicht zulässig, den vom Sachverständigen tatsächlich für „Diktat und Korrektur“ benötigten Zeitaufwand teilweise dem Arbeitsschritt „Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten“ zuzuschlagen. Fordert der Sachverständigen für die einzelnen Arbeitsschritte eine Vergütung aufgrund eines jeweils konkret angegeben Zeitaufwandes, sind der Kostenbeamte oder das Gericht nicht befugt, den Zeitaufwand in einem Arbeitsschritt durch Kürzung des Zeitaufwandes in einem anderen Arbeitsschritt zu erhöhen (a.A., allerdings ohne Begründung Jahnke/Pflüger, JVEG, 28. Aufl. 2021, § 8 Rn. 15). Andernfalls würden der Kostenbeamte oder das Gericht einen anderen Sachverhalt, als ihnen vom Sachverständigen unterbreitet wurde, ihren Entscheidungen zugrunde legen. Im Rahmen der auch im JVEG geltenden Dispositionsmaxime hat jedoch der Sachverständige zu bestimmen, welchen Vergütungsanspruch er für welche Tätigkeiten im Einzelnen geltend macht.
Dass es im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit des angegebenen tatsächlichen Zeitaufwandes u.U. unbeanstandet geblieben wäre, wenn der Sachverständige für einzelne Arbeitsschritte einen höheren, angeblich tatsächlich benötigten Zeitaufwand angesetzt hätte, führt zu keiner anderen Bewertung. Es ist nicht Aufgabe und Kompetenz des Gerichts den Sachverhalt durch eigene Annahmen im Tatsächlich so zu gestalten bzw. zu fiktionalisieren, dass der Sachverständige die maximal mögliche Vergütung erhält. Vielmehr ist der Sachverständige selbst im eigenen Interesse gehalten, innerhalb der Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG vollständig und zutreffend zu dem von ihm tatsächlich benötigten Zeitaufwand bei dem jeweiligen Arbeitsschritt vorzutragen. Eine „Bestrafung“ des ehrlichen Sachverständigen liegt darin nicht. Vielmehr macht sich ein Sachverständiger, der in Kenntnis der in der Rechtsprechung entwickelten pauschalierten Ansätze zur Beurteilung der Erforderlichkeit des Zeitaufwandes in einzelnen Arbeitsschritten mehr Zeit angibt, als er tatsächlich benötigt hat, wegen (versuchten) Betruges nach § 263 StGB strafbar. Dass diese Straftat möglicherweise unentdeckt bleibt, rechtfertigt es nicht, jedem Sachverständigen für den betreffenden Arbeitsschritt pauschal das zuzuerkennen, was für den betreffenden Arbeitsschritt als erforderlich angesehen würde. Ein an den pauschalierten Ansätzen zur Bestimmung der Erforderlichkeit des Zeitaufwandes orientierter tatsächlicher Zeitaufwand darf nur angegeben werden, wenn der tatsächlich benötigte Zeitaufwand die pauschalierte Grenze der Erforderlichkeit erreicht oder überschreitet. Die Beschränkung des Vergütungsanspruchs auf das, was Kostenbeamte und Gerichte als erforderlich anerkennen, ist im zuletzt genannten Fall eine zulässige Gestaltungsmöglichkeit des Sachverständigen. Es kann auch mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Sachverständiger diese Gestaltungsmöglichkeit wählt, wenn er einen an den pauschalierten Ansätzen zur Bestimmung der Erforderlichkeit des Zeitaufwandes orientierten tatsächlichen Zeitaufwand angibt, denn es kann grundsätzlich unterstellt werden, dass ein Sachverständiger wahrheitsgemäß vorträgt. Dies stellt jedoch keinen „Freibrief“ für Sachverständige dar, stets quasi pauschaliert abzurechnen, denn Obergrenze ist immer die tatsächlich benötigte Zeit.
Angaben zur tatsächlich benötigten Zeit bezogen auf die einzelnen Arbeitsschritte sind deshalb auch nur innerhalb der Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG korrigierbar, denn die Angabe eines höheren, tatsächlich benötigten Zeitaufwandes für einen Arbeitsschritt stellt eine Nachforderung dar. Dies gilt auch dann, wenn sich die Gesamtvergütung nicht erhöht, denn ohne die korrigierten Angaben fiele der Vergütungsanspruch entsprechend den vorstehenden Ausführungen niedriger aus (vgl. insoweit auch Bayerisches LSG, Beschl. v. 06.10.2015 - L 15 SF 323/14 -, juris Rn. 53 ff., 58). Im Übrigen gibt eine entsprechende Korrektur stets Anlass, den Wahrheitsgehalt der Angaben des Sachverständigen zu hinterfragen.
Etwas anderes gilt jedoch, wenn ein Sachverständiger einen tatsächlich benötigten Zeitaufwand oder eine andere im Sinne von § 8 Abs. 1 JVEG vergütungsrelevante Position innerhalb der Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG angibt, aber rechtlich falsch zuordnet (einen solchen Fall behandelt beispielsweise OVG Sachsen-Anhalt v. 14.08.2017 – 2 L 98/13 -, juris Rn. 18 ff.) oder eine Aufschlüsselung wählt, die nicht der richterrechtlich entwickelten Gliederung des Vergütungsanspruchs entspricht. Soweit es die rechtliche Einordnung eines tatsächlich benötigten Zeitaufwandes betrifft, sind weder der Kostenbeamte noch das Gericht an die Angaben des Sachverständigen gebunden, sondern vielmehr gehalten, das Recht bezogen auf den angegebenen Zeitaufwand und die geltend gemachten Positionen zutreffend anzuwenden („iura novit curia“) und ggf. durch rechtliche Hinweise dafür zu sorgen, dass ein Sachverständiger den tatsächlich benötigten Zeitaufwand den richterrechtlich entwickelten Arbeitsschritten zuordnet. So ist es nach der Rechtsprechung des Senats zulässig, wenn ein Sachverständiger einen Aufwand, den er zunächst unzutreffend nach § 10 Abs. 1 JVEG i.V.m. der Anlage 2 zum JVEG geltend gemacht hat, nach Ablauf der 3-Monats-Frist als Zeitaufwand nach § 9 Abs. 1 JVEG geltend macht (vgl. den Beschl. des Senats v. 10.05.2019 - L 15 U 264/18 B -, juris Rn. 4 f.). Insoweit liegt dann keine Nachforderung vor, weil der betreffende Aufwand in Gestalt der tatsächlich erbrachten Leistung von vornherein mit der ursprünglichen Rechnung geltend gemacht wurde, solange der Betrag der Vergütung für entsprechende Teilleistung nicht erhöht wird. Gleiches gilt, wenn ein Sachverständiger einen tatsächlichen Zeitaufwand, der inhaltlich z.B. auf den Arbeitsschritt „Diktat und Korrektur“ entfällt, nämlich das reine „Zu-Papier-Bringen“ des Gutachtens betrifft mit Ausnahme des Schreibens (hierfür erfolgt ein Aufwendungsersatz nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG), rechtlich unzutreffend beim Arbeitsschritt „Abfassung der Beurteilung“, der nur die inhaltlich-gedankliche Arbeit des Sachverständigen erfasst, geltend macht.
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen fällt der vom Sozialgericht als erforderlich angesehene Zeitaufwand von 47,5 Stunden nicht zu hoch aus.
(1) Die beschwerdeführende Staatskasse beanstandet in erster Linie, dass das Sozialgericht für den 4. Arbeitsschritt „Diktat und Korrektur“ einen Zeitaufwand von rechnerisch 20,85 Stunden und „gerundet“ 21 Stunden angesetzt hat, und meint, es dürfe nur der Zeitaufwand von 210 Minuten (3,5 Stunden) berücksichtigt werden, den die Antragstellerin in ihrer Rechnung vom 16.04.2021 unter der Bezeichnung „Korrektur“ geltend gemacht hat. Damit verkennt die beschwerdeführende Staatskasse die vorstehend behandelten Grundsätze der Rechtsprechung des Senats.
Schon die Bezeichnung der Position „Korrektur“ einerseits und der Position „Gutachtenerstellung“ andererseits in der Rechnung vom 16.04.2021 zeigt, dass die Sachverständige von den in der ständigen Rechtsprechung des Senats gebrauchten Begrifflichkeiten abgewichen ist und unter „Korrektur“ nicht den Zeitaufwand für das Diktat des Gutachtens angeben wollte. Es liegt vielmehr nahe, dass die Sachverständige diesen Zeitaufwand unter der Position „Gutachtenerstellung“ erfasst hat. Dass die Sachverständige unter diesem Vergütungspunkt lediglich den Zeitaufwand für ihre gedanklich-inhaltliche Arbeit angeben wollte, liegt fern, zumal sie nicht die für den 3. Arbeitsschritt gebräuchliche Bezeichnung „Abfassung der Beurteilung“ gewählt hat. Die Sachverständige hat dementsprechend auf Nachfrage des Senats im Beschwerdeverfahren (Schriftsatz vom 29.03.2022) glaubhaft angegeben, dass die Position „Gutachtenerstellung“ auch das Diktat umfasste, während sich die Position „Korrektur“ lediglich auf das Durchlesen des Gutachtens auf Rechtsschreibfehler bezog. Der Vergütungsanspruch der Sachverständigen für den 4. Arbeitsschritt „Diktat und Korrektur“ wird damit nicht auf die unter der Position „Korrektur“ von der Sachverständigen angegebenen 210 Minuten (3,5 Stunden) beschränkt. Vielmehr sind auch die Zeitangaben der Sachverständigen unter der Position „Gutachtenerstellung“ (insgesamt 2156 Minuten = 35,93 Stunden) für die Bestimmung der Obergrenze des tatsächlich benötigten Zeitaufwandes zu berücksichtigen.
Es ist dementsprechend weiterhin nicht zu beanstanden, dass das Sozialgericht unter Anwendung der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach ein durchschnittlicher Sachverständiger für Diktat und Korrektur von 6 Seiten mit 1650 Anschlägen inklusive Leerzeichen eine Stunde benötigt, bei umgerechnet 125,08 Seiten einen erforderlichen Zeitaufwand von 20,85 Stunden ermittelt hat.
Die vom Sozialgericht vorgenommene Rundung hat hier allerdings zu unterbleiben, da diese gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG erst nach Ermittlung des gesamten Zeitaufwandes stattfindet (vgl. auch Bleutge, in: BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, 37. Edition, Stand: 01.04.2022, § 8 JVEG Rn. 7).
(2) Für den Arbeitsschritt „Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten“ sind die vom Sozialgericht angenommenen 3 Stunden (180 Minuten) als erforderlicher Zeitaufwand anzusetzen. Auf die der ständigen Rechtsprechung des Senats entsprechenden Ausführungen des Sozialgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Soweit die Sachverständige mit 226 Minuten einen höheren Zeitaufwand geltend gemacht hat, hat sie nicht dargelegt, dass und warum anstelle des grundsätzlich anzuerkennenden erforderlichen Zeitaufwandes von einer Stunden pro 100 Seiten Akten bei einem Akteninhalt von 292 Seiten ein höherer Zeitaufwand für das Aktenstudium objektiv erforderlich gewesen sein soll oder welche vorbereitenden Arbeiten sie darüber hinaus in welcher Zeit vorgenommen hat.
(3) Für den Arbeitsschritt „Untersuchung und Anamnese“ sind die von der Sachverständigen unter der Position „Exploration“ als tatsächlicher Zeitaufwand angegebenen 315 Minuten = 5,25 Stunden zu berücksichtigen. Dass und warum dieser Aufwand objektiv nicht erforderlich gewesen sein soll, erschließt sich nicht und wird auch von der beschwerdeführenden Staatskasse nicht geltend gemacht. Über die Angaben der Sachverständigen zu dem tatsächlich benötigten Zeitaufwand kann nach den unter aa) behandelten Grundsätzen nicht hinausgegangen werden. Die vom Sozialgericht angesetzten 5,5 Stunden entbehren daher jeder tragfähigen Grundlage, wobei es sich hierbei möglicherweise auch um einen bloßen Schreib- oder Rechenfehler handelt.
(4) Der vom Sozialgericht für den Arbeitsschritt „Abfassung der Beurteilung“ berücksichtigte erforderliche Zeitaufwand von 18 Stunden, den die beschwerdeführende Staatskasse auch nicht beanstandet, ist nicht zuletzt in Anbetracht der 25 Seiten umfassenden Beurteilung jedenfalls nicht zu hoch angesetzt.
(5) Es ergibt sich damit insgesamt ein (mindestens) anzusetzender Zeitaufwand von 47,1 Stunden, der nach § 8 Abs. 2 Satz 2 2. HS JVEG auf 47,5 Stunden aufzurunden ist. Die nach Zeitaufwand zu bemessende Vergütung der Sachverständigen beträgt mithin mindestens 4750,- Euro. Ob anstelle des vom Sozialgericht für den Arbeitsschritt „Abfassung der Beurteilung“ berücksichtigten Zeitaufwand von 18 Stunden der sich rechnerisch aus den in der Rechnung vom 16.04.2021 genannten Positionen „Gutachtenerstellung“ und „Korrektur“ abzüglich des Aufwandes für „Diktat und Korrektur“ (20,85 Stunden) ergebende tatsächliche Aufwand von 18,58 Stunden, der über § 8 Abs. 2 Satz 2 1. HS. JVEG zu einem Gesamtaufwand von 48,0 Stunden führen würde, zu berücksichtigen ist, kann dahinstehen, weil der Senat aufgrund des auch in Beschwerdeverfahren nach dem JVEG geltenden Verbots der reformatio in peius an der Festsetzung an einer höheren Vergütung zugunsten der Sachverständigen gehindert ist. Die Sachverständige hat selbst keine Anschlussbeschwerde eingelegt.
2. Schließlich kann die Sachverständige nach den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG die geltend gemachten Schreibgebühren (186,30 Euro), gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 JVEG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung die geltend gemachten Kosten für Porto und Verpackung (10,- Euro) und gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 JVEG die Umsatzsteuer, die wegen des nach dem 01.01.2021 erfolgten Eingangs des Gutachtens in Höhe von 19% anfällt (vgl. den Beschluss des Senats vom 06.07.2021 - L 15 SB 56/21 B -, juris Rn. 2 ff.) und auch auf das Porto zu entrichten ist (vgl. den Beschluss des Senats vom 10.01.2022 – L 15 VG 51/21 B -), somit also 939,80 Euro beträgt, verlangen.
3. Es ergibt sich damit eine Gesamtvergütung von (mindestens) 5.886,10 Euro.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG, § 177 SGG).