L 3 AS 23/22

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 10 AS 179/20 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 AS 23/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 17. November 2021 wird als unzulässig verworfen.

 

Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird  nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

 

Dem Berufungsverfahren liegt eine erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Cottbus zugrunde, mit der festgestellt wurde, dass das vor dem SG Cottbus zunächst unter dem Aktenzeichen S 10 AS 5197/12 geführte Klageverfahren durch (fiktive) Klagerücknahme erledigt ist.

 

Der Kläger stand bei dem Beklagten im Bezug von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Im Rahmen der Bescheidung der nach dem SGB II zu gewährenden Leistungen kam es zu einem für den Kläger erfolgreichen Widerspruchsverfahren. Im Anschluss an dieses Widerspruchsverfahren beantragte der Bevollmächtigte des Klägers, die zu erstattenden Kosten für das Widerspruchsverfahren auf 309,40 Euro festzusetzen. Mit Bescheid vom 24. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.  August 2012 setzte der Beklagte die zu erstattenden Kosten auf 57,12 Euro fest.

 

Gegen den Bescheid vom 24. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2012 hat der Kläger am 10. September 2012 Klage erhoben und begehrt, die Erstattung der notwendigen Kosten des (isolierten) Vorverfahrens i.H.v. 309,40 Euro festzusetzen sowie auch die Kosten des Vorverfahrens der erhobenen Klage zu erstatten. Mit gerichtlicher Verfügung vom 08. Oktober 2013 hat das SG den Kläger aufgefordert, innerhalb von vier Wochen zum Umfang und zur Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit substantiiert vorzutragen, da der bisherige Klagevortrag keinen Einzelfallbezug erkennen ließe. Zudem solle die gegenüber dem Kläger erstellte Rechnung eingereicht werden. Eine am 21. Oktober 2013 gestellte Rechnung hat der Prozessbevollmächtigte in der Folge eingereicht. Mit weiterer gerichtlicher Verfügung vom 09. August 2017, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. August 2017 zugestellt, hat der Vorsitzende an die Erledigung der gerichtlichen „Verfügung vom 08.12.2013“ erinnert und den Kläger zur Nachholung und zum Betreiben des Verfahrens aufgefordert. Er hat weiter darauf hingewiesen, dass die Klage nach § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen gelte, wenn die Klägerseite das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibe. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der Folge darauf hingewiesen, dass ihm eine „Verfügung vom 08.12.2013“ nicht vorliege und um deren Übermittlung gebeten. Daraufhin hat der Vorsitzende verfügt, die Aufforderung vom 09. August 2017 nunmehr unter Bezugnahme auf die „Verfügung vom 08.10.2013“ erneut zu versenden. Dieses Schreiben ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30. November 2017 zugestellt worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat anschließend darauf verwiesen, die an den Kläger gerichtete Kostenrechnung bereits übermittelt zu haben; im Übrigen werde an dem bisherigen Vortrag festgehalten. Der Vorsitzende hat den Beteiligten mit Schreiben vom 13. März 2018 mitgeteilt, dass diese Ausführungen nicht den Anforderungen genüge und am 04. April 2018 die statistische Austragung des Rechtsstreits als erledigt aufgrund einer Rücknahme der Klage veranlasst. Mit Schriftsatz vom 09. Mai 2018 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die weitere Bearbeitung des Verfahrens durch das SG angemahnt und eine Verzögerungsrüge erhoben. Auf die Mitteilung des Vorsitzenden vom 22. Mai 2018, wonach das Verfahren erledigt und nichts weiter zu veranlassen sei, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 01. Juni 2018 ausgeführt, dass das Verfahren seiner Auffassung nach noch nicht beendet und fortzuführen sei, eine Verzögerungsrüge erhoben und den Vorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Vorsitzende hat dem Kläger mit Schreiben vom 13. Juni 2018 unter Verweis auf sein Schreiben vom 22. Mai 2018 mitgeteilt, dass nichts zu veranlassen sei. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 04. September 2019, eingegangen beim SG am selben Tag, noch einmal ausdrücklich die Fortsetzung des Verfahrens beantragt und erneut Verzögerungsrüge erhoben. Die Betreibensaufforderung vom 28. November 2017 sei unwirksam.

 

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheides hat das SG Cottbus mit Gerichtsbescheid vom 17. November 2021 festgestellt, dass die Klage mit Ablauf des 28. Februar 2018 zurückgenommen wurde und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG seien erfüllt. Es liege trotz entsprechender Aufforderung, die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30. November 2018 zugestellt worden sei, kein ordnungsgemäßes Betreiben des Verfahrens durch die Klägerseite vor. Der über den Fortführungsantrag hinaus zu sehende Sachantrag sei infolge entgegenstehender Rechtskraft zu verwerfen. Einer Entscheidung über die Zulassung der Berufung bedürfe es nicht, da diese im Hinblick auf den für den Feststellungsantrag in Ansatz zu bringenden halben Auffangstreitwert kraft Gesetzes zulässig sei. Das SG hat den Kläger zum Rechtsmittel der Berufung belehrt.

 

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 26. November 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24. Dezember 2021 beim SG Cottbus Berufung eingelegt und zugleich mündliche Verhandlung beantragt. Die Ausführungen zur Statthaftigkeit der Berufung im Gerichtsbescheid, insbesondere zum halben Auffangstreitwert, seien fehlerhaft. Die Auffassungen des Senats zur fehlenden Statthaftigkeit der Berufung würden zwar geteilt, es werde dennoch eine bindende Entscheidung begehrt.

 

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

den Gerichtsbescheid des SG Cottbus vom 17. November 2021 aufzuheben und das Verfahren an das SG Cottbus zurückzuverweisen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zu verwerfen.

 

Die Berufung sei nicht statthaft, weil der erforderliche Wert der Beschwer von mehr als 750 Euro nicht erreicht werde.

 

Bereits mit der Eingangsverfügung hat die Vorsitzende des Senats darauf hingewiesen, dass die Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung bedürfe, weil sich die Beschwer bei einem Fortsetzungsbegehren nach dem Wert des ursprünglichen Klagebegehrens richte, welcher hier mit 252,28 Euro nicht über dem Wert von 750 Euro liege.

 

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 17. Januar 2022 (Kläger) und vom 03. Februar 2022 (Beklagter) mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren (§ 153 Abs.1, § 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die bei der Entscheidung vorgelegen hat, ergänzend Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheiden, nachdem sich alle Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

 

Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist nicht statthaft und als unzulässig zu verwerfen.

Entgegen der im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 17. November 2021 enthaltenen Rechtsmittelbelehrung bedarf die gegen den Gerichtsbescheid vom 17. November 2021 gerichtete Berufung der Zulassung, die hier fehlt.

 

Die Berufung bedarf gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG der Zulassung, wenn bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Von der Berufung sind weder wiederkehrende oder laufende Leistung für mehr als ein Jahr betroffen, noch übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro.

 

Gegenstand des Rechtsstreits bzw. des angefochtenen Gerichtsbescheides war bzw. ist die Frage, ob das ursprünglich zum Aktenzeichen S 10 AS 5197/12 geführte Streitverfahren durch eine fiktive Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2 SGG wirksam mit Ablauf des 28. Februar 2018 beendet worden ist. Die Beschwer bestimmt sich bei einem Fortsetzungsbegehren nach dem Wert des ursprünglichen Klagebegehrens (Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 10. Oktober 2017 – B 12 KR 3/16 R –, Rn. 12, juris; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 144 Rn. 9c). Mit der am 10. September 2012 erhobenen Klage war der Bescheid des Beklagten vom 24. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2012 angefochten und die Verurteilung des Beklagten zur Erstattung von Kosten für ein (isoliertes) Vorverfahrens in Höhe von insgesamt 309,40 Euro statt nur von 57,12 Euro sowie die Erstattung auch der Kosten des für die Erhebung der Klage geführten Vorverfahrens beantragt worden. Daraus ergibt sich als maximal möglicher Wert des Beschwerdegegenstandes ein Betrag in Höhe von 252,28 Euro (309,40 Euro in Rechnung gestellte Rechtsvertretungskosten abzüglich der vom Beklagten anerkannten 57,12 Euro). Die Kosten des laufenden Verfahrens, wozu auch die Kosten des vorangegangenen Vorverfahrens gehören (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 193 Rn. 5a m.w.N.), sind bei Ermittlung des Werts des Beschwerdegegenstandes nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 10. Oktober 2017 - B 12 KR 3/16 R -, juris Rn. 14). Die für eine Zulässigkeit der Berufung erforderliche Beschwer von mehr als 750 Euro wird daher nicht erreicht.

 

Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen. Weder dem Tenor noch den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides ist eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung zu entnehmen, vielmehr sollte eine solche Entscheidung angesichts des vom SG angenommenen Streitwertes in Höhe des halben Auffangwertes ausdrücklich nicht getroffen werden.

 

Die vom rechtskundig vertretenen Kläger ausdrücklich eingelegte - und auch nach Hinweis der Vorsitzenden des Senats, dass diese nicht statthaft sei, aufrechterhaltene -  Berufung kann auch nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden.

 

Zudem hat der Kläger gleichzeitig mit der Einlegung der Berufung beim SG Cottbus auch einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch eine mündliche Verhandlung beantragt, findet die mündliche Verhandlung statt (§ 105 Abs. 2 Satz 3 SGG). Der fristgerecht beim SG gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung hat Vorrang (Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 105 Rn. 17). Damit gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen (§ 105 Abs. 3 Halbsatz 2 SGG). Da die angegriffene Entscheidung damit nicht mehr existent ist, erweist sich die Berufung auch aus diesem Grunde als unzulässig.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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