L 8 AS 449/22 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 204 AS 638/22 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 AS 449/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

 

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. April 2022 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab dem 6. Mai 2022 bewilligt und sein Prozessbevollmächtigter beigeordnet.

 

 

 

Gründe

 

Die frist- und formgerecht (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) erhobene  Beschwerde des polnischen Antragstellers, mit der dieser sein Begehren weiterverfolgt, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab Antragstellung beim Sozialgericht, hilfsweise Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu gewähren, ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit, dass der Antragsteller einen materiell-rechtlichen Leistungsanspruch in der Hauptsache hat (Anordnungsanspruch) und es ihm nicht zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

An einer besonderen Eilbedürftigkeit für gerichtlichen Rechtsschutz fehlt es nach diesen Maßstäben für die Zeit vor der Entscheidung des Senats. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dienen, auch wenn sie in pauschalierter Form gewährt werden, der Sicherung des aktuellen Lebensunterhalts. Für in der Vergangenheit liegende Zeiträume kann eine Leistungsverpflichtung deshalb nur dann besonders eilbedürftig sein, wenn sich der nicht befriedigte Bedarf aktuell auswirkt (z.B. bei offenen Mietforderungen). Dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich.

Für die Zeit ab der Entscheidung des Senats konnte der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch im Sinne eines Leistungsanspruchs gegen den Antragsgegner nach dem SGB II (dazu unten a) oder gegen den Beigeladenen nach dem SGB XII (dazu unten b) glaubhaft machen.

a. Zwar spricht auf der Grundlage des Akteninhalts und des Vortrags des Antragstellers Überwiegendes dafür, dass er die Grundvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II - neben der Einhaltung der Altersgrenzen (Nr. 1 i.V.m. § 7a SGB II) und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet (Nr. 4) die Erwerbsfähigkeit (Nr. 2 i.V.m. § 8 SGB II) und Hilfebedürftigkeit (Nr. 3 i.V.m. § 9 SGB II) - erfüllt. Nach seinen Angaben im Verwaltungsverfahren und seiner hiesigen Erklärung vom 16. Mai 2022 hält er sich jedoch allein zum Zwecke der Arbeitsuche in der Bundesrepublik auf und unterfällt somit als polnischer Staatsangehöriger dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II oder, soweit die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1a Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) angesichts der langen Dauer der Erwerbslosigkeit und der fehlenden Einstellungsperspektive nicht mehr vorliegen, mangels Aufenthaltsrechts dem Ausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SGB II.

Für ein Aufenthaltsrecht aus anderem Grund im Sinne des FreizügG/EU oder nach dem allgemeinen Aufenthaltsrecht (§ 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU i.V.m. dem Aufenthaltsgesetz) ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. So sind insbesondere die Voraussetzungen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU nicht glaubhaft gemacht. Nach dem Vortrag des Antragstellers ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass er sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat (§ 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU). In Betracht käme insoweit allein ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr.1a FreizügG/EU. Auch wenn der Antragsteller ausweislich des beigebrachten Rentenversicherungsverlaufs in den Jahren 2015 und 2016 kurzzeitig erwerbstätig war, so vermag der Senat nicht zu erkennen, dass er in den Folgejahren durchgehend Arbeit gesucht hat und dass trotz Obdachlosigkeit sowie zeitweisem Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt die begründete Aussicht bestand, eingestellt zu werden. Belastbare Anhaltspunkte hierfür finden sich weder im Vortrag des Antragstellers noch in den vorliegenden Akten.

Die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a und b SGB II sind europarechtskonform (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2014, C-333/13 - Dano -, juris; Urteil vom 15. September 2015, C-67/14 - Alimanovic -, juris; Urteil vom 25. Februar 2016, C-299/14 - Garcia-Nieto -, juris; siehe auch BSG, Urteil vom 9. August 2018, B 14 AS 32/17 R, Rn.21 juris).

Die Voraussetzungen der Rückausnahme vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind nicht glaubhaft gemacht. Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II erhalten abweichend von Satz 2 Nr. 2 Ausländerinnen und Ausländer Leistungen nach dem SGB II, wenn sie seit fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt wurde. Die Frist beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde (Satz 5). Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet (Satz 6).

Vorliegend mangelt es an einer (erstmaligen) Anmeldung des Antragstellers bei einer Meldebehörde, so dass die fünfjährige Frist des § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II nicht in Gang gesetzt wurde. Dass es sich bei der melderechtlichen Anmeldung um das (allein) fristauslösende Ereignis handelt, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II, der bestimmt, dass die Frist „mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde“ beginnt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Dezember 2021, L 12 AS 1644/21 B ER, Rn.46 juris; Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 7 [Stand: 29.11.2021], Rn.165). Dies entspricht auch der gesetzgeberischen Intention. In der amtlichen Begründung zu § 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II heißt es (Bundestagsdrucksache 18/10211 S. 14): „[…]; durch die verpflichtende Meldung bei der Meldebehörde dokumentieren die Betroffenen ihre Verbindung zu Deutschland, die Voraussetzung für eine Aufenthaltsverfestigung ist.“

Soweit vereinzelt die Auffassung vertreten wird, dass bei obdachlosen Personen die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II teleologisch zu reduzieren sei und andere Aufenthaltsnachweise zum Fristbeginn anzuerkennen seien (vgl. zur gleichlautenden Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 8 SGB XII: LSG Nordrhein-Westfahlen, Beschluss vom 05. Mai 2021, L 9 SO 56/21 B ER, Rn.19 juris), so führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Antragsteller hält sich nach seinem eigenen Vortrag bereits seit dem Jahr 2014 in Deutschland auf und ist erst seit dem Jahr 2017 obdachlos (Schreiben des Antragstellers an den Antragsgegner vom 7. September 2021). Es ist mithin davon auszugehen, dass der Antragsteller in den Jahren von 2014 bis 2016 in einer Wohnung bzw. verschiedenen Wohnungen lebte und mit dem Bezug einer Wohnung im Bundesgebiet verpflichtet war, sich bei der Meldebehörde anzumelden (§§ 17 Abs. 1, 20 Bundesmeldegesetz <BMG>). Mit dieser Anmeldung wäre die Frist nach § 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II in Gang gesetzt worden. Dass der Antragsteller dies melderechtswidrig unterließ, muss er sich nun leistungsrechtlich entgegenhalten lassen. Eine teleologische Reduktion des § 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II ist in diesem Fall – anders als ggfls. bei durchgehend obdachlosen Personen – weder erforderlich noch in der Sache gerechtfertigt.

b. Der Antragsteller hat keinen Leistungsanspruch nach dem SGB XII glaubhaft gemacht. In Betracht kommen insoweit Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 19 Abs. 1, 27 ff SGB XII. Danach ist Personen Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).

Dabei steht der Umstand, dass der Antragsteller nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, einem Anspruch auf Hilfeleistungen für sich genommen nicht entgegen. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, u.a. Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten. Zudem bewirkt der grundsätzliche Ausschluss des Antragstellers von Leistungen des SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, dass er nicht gemäß § 21 Satz 1 SGB XII von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018, B 14 AS 32/17 R, juris). Jedoch erhalten nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII Ausländer keine Leistungen, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Der Antragsteller unterfällt diesem Ausschlusstatbestand, da er – wie bereits dargelegt – lediglich über ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche bzw. über kein Aufenthaltsrecht verfügt. Dieser Ausschluss vom Anspruch auf Sozialhilfe nach dem SGB XII ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar; hier gilt nichts anderes als beim Leistungsausschluss im SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018, B 14 AS 32/17 R, Rn.33 juris).

Dem Antragsteller stehen keine Überbrückungsleistungen gemäß § 23 Abs. 3 Sätze 3, 5 und 6 SGB XII zu. Der Senat hält angesichts der neueren Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2022, B 4 AS 2/22 R, Terminbericht Nr. 11/22) an der von ihm vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung der vorgenannten Vorschriften (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2020, L 15 SO 124/20 B ER, Rn.12 juris; Urteil vom 11. Juli 2019, L 15 SO 181/18, Rn.55 juris)  nicht mehr fest.

Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII werden hilfebedürftigen Ausländern, die § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII unterfallen, bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 3. Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist (§ 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII).

Ausgehend hiervon steht dem Antragsteller kein Anspruch auf laufende Überbrückungsleistungen im Sinne der Härtefallregelung zu. Hierbei kann offenbleiben, ob Leistungen nach § 23 Abs. 3 Sätze 3 und 6 SGB XII eine Ausreisebereitschaft des Antragstellers erfordern (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Juli 2019, L 15 SO 181/18, Rn.59 juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. November 2019, L 7 SO 934/19, Rn.49 juris). Denn unabhängig hiervon setzt ein Anspruch auf Härtefallleistungen jedenfalls voraus, dass Leistungen „im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten sind“. Dies ist hier nicht der Fall.

Durch die Härtefallregelung soll sichergestellt werden, dass auch über das Niveau der vorgesehenen Überbrückungsleistungen hinausgehende Bedarfe im Einzelfall gedeckt werden können (vgl. Deckers in: Grube/Wahrendorf/Flint, 7. Auflage 2020, SGB XII § 23 Rn.76). Eine Gewährung der Leistung soll jedoch nur ganz ausnahmsweise in Betracht kommen, beispielsweise im Fall einer vorübergehenden Reiseunfähigkeit. Allgemeine, für den jeweiligen Personenkreis typische Härten reichen demgegenüber nicht aus (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Juni 2017, L 15 SO 104/17 B, juris; Groth in: BeckOK SozR, 64. Ed. 1.12.2021, SGB XII, § 23 Rn.18).

Ein derartiger Härtefall ist hier nicht glaubhaft gemacht. So liegt insbesondere keine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit des Antragstellers vor. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Antragsteller aktuell an einem behandlungsbedürftigen Zustand nach einem Knochenbruch des linken Oberarmknochens leidet. Nach dem Arztbrief der Klinik für Spezielle Orthopädische Chirurgie und Unfallchirurgie des A-V-Klinikums B vom 1. März 2022 hat der Antragsteller derzeit vor allem Beschwerden, wenn er den linken Arm kraftvoll nutzt. Dass sich hieraus Funktionseinschränkungen ergeben, die den Antragsteller an einer Reise nach Polen hindern, vermag der Senat jedoch nicht zu erkennen.

Die vormals vom Senat vertretene Auffassung, die Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Satz 3 und 6 SGB XII sei aus verfassungsrechtlichen Gründen dahingehend weit auszulegen, dass allein der Aufenthalt im Bundesgebiet einen Härtefall begründe bzw. die Voraussetzungen der Härtefallregelungen vorlägen, wenn der betroffene Unionsbürger die Vermutung eines Freizügigkeitsrechts für sich in Anspruch nehmen könne und die Ausländerbehörde aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht ergriffen habe, sein Aufenthalt also faktisch geduldet werde (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Juli 2019, L 15 SO 181/18, juris Rn.63), wird nicht mehr aufrechterhalten. Der Senat geht mit der neueren Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 29. März 2022, B 4 AS 2/22 R, Terminbericht Nr. 11/22) davon aus, dass es mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art 20 Abs. 1 GG) vereinbar ist, dass Ausländer, die wie der Antragsteller über kein Aufenthaltsrecht oder nur ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche verfügen und denen eine Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland möglich und zumutbar ist, von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und zur Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen sind. Anders als bei den vom Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erfassten Personen besteht bei Unionsbürgern und damit auch beim Antragsteller grundsätzlich kein Anlass, an der Zumutbarkeit seiner Ausreise zu zweifeln. So ist es Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Regel ohne weiteres möglich, kurzfristig in ihren Heimatstaat zurück zu reisen, um dort anderweitige Hilfemöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Daher kann die Gewährleistungsverpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG für Anspruchsberechtigte nach dem AsylbLG, die gerade nicht in jedem Fall zeitnah in ihre Heimat zurückkehren können, um dort ihren Lebensunterhalt zu sichern, auch umfangreichere und länger andauernde Leistungen zur Existenzsicherung erfordern. Bei Unionsbürgern kann sich die Gewährleistungsverpflichtung demgegenüber darin erschöpfen, sie bei den Bemühungen der Selbsthilfe durch eingeschränkte Leistungen zu unterstützen. Soweit eine Ausreise aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht möglich oder nicht zumutbar ist, greift die Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII ein. Der Gesetzgeber bewegt sich mit den Regelungen der § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a und b SGB II und § 23 Abs. 3, Abs. 3a SGB XII innerhalb des Spielraums, welcher ihm bei der Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG eingeräumt ist (vgl. BSG, a.a.O.; siehe auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07. April 2022, L 18 AS 312/22 B ER, Rn.12 juris).

Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Rückreise (§ 23 Abs. 3a SGB XII) war nicht zu prüfen. Ein dahingehendes Begehren des Antragstellers besteht ohne Ausreiseabsicht ersichtlich nicht.

c. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

d. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Angesichts der vormaligen Rechtsprechung des Senats zur Frage der Bewilligung von Überbrückungsleistungen für nicht ausreisepflichtige Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht war die Beschwerde nicht ohne jegliche Erfolgsaussicht.

e. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar.

 

 

Rechtskraft
Aus
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