L 7 AS 560/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 45 AS 450/20
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 560/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Das Jobcenter München war berechtigt, die für einen Ein-Personen-Haushalt im Gebiet der Landeshauptstadt München nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II zu übernehmenden angemessenen Kosten für Unterkunft von Oktober 2018 bis September 2019 auf 660 Euro monatlich (Bruttokaltmiete) zu beschränken.

 

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 11. August 2020 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist, ob die Klägerin und Berufungsklägerin (in der Folge: Klägerin) im Zeitraum 1. bis 8.6.2018 Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat sowie ob ihr in der Zeit vom 9.6.2018 bis 31.7.2019 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen.

Die ... geborene Klägerin lebte im streitigen Zeitraum allein in einem (möblierten) Apartment zur Langzeitvermietung zu monatlichen Kosten iHv ... Euro für Juni 2018, ... Euro für Juli 2018 und ab August 2018 iHv ... Euro monatlich.

Nachdem die Klägerin ihre eigene Wohnung einige Jahre zuvor verkauft hatte, waren ihre Möbel, persönlichen Gegenstände sowie Unterlagen eingelagert. Hierdurch entstanden ihr monatliche Kosten iHv ... Euro.

Der Beklagte informierte die Klägerin mit Schreiben vom 27.7.2018, dass die tatsächliche Bruttokaltmiete iHv ... Euro die aus seiner Sicht angemessenen Kosten iHv 657 Euro monatlich um ... Euro überschreite. Unangemessene Kosten könnten nur so lange als Bedarf anerkannt werden, wie es nicht möglich oder nicht zumutbar sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Kosten für die Unterkunft auf einen angemessenen Betrag zu senken. Die Klägerin werde gebeten, sich ab sofort intensiv und dauerhaft um die Senkung ihrer Unterkunftskosten zu bemühen. Entsprechende Nachweise seien ab August 2018 jeden Monat unaufgefordert einzureichen. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Klägerin erscheine es zumutbar, mindestens acht Nachweise monatlich zu erbringen. Weiter habe die Klägerin eine Sozialwohnung zu beantragen. Sofern berechtigte (zB gesundheitliche) Gründe vorlägen, durch die es der Klägerin nicht möglich bzw nicht zumutbar sei, eine Senkung der Unterkunftskosten innerhalb der nächsten sechs Monate herbeizuführen, möge die Klägerin dies bis 31.8.2018 schriftlich unter Vorlage entsprechender Nachweise mitteilen. Soweit die Klägerin den Aufforderungen des Beklagten nicht nachkomme, würden ab 1.2.2019 Leistungen für Unterkunft nur noch in Höhe der angemessenen Bruttokaltmiete von 657 Euro zzgl der Heiz- und Warmwasserkosten als Bedarf anerkannt. Hierzu informierte die Klägerin den Beklagten am 30.8.2018, bei ihren Telefonaten mit Hausverwaltungen darauf hingewiesen zu werden, dass Vormerkungen nicht mehr akzeptiert würden, die Vergabe von Wohnungen vielmehr über "Immoscout" laufe. In der Eingangszone habe man ihr erklärt, dass das Amt für Wohnen nach einem Punktesystem "funktioniere", das andere Personen (-gruppen) bevorzuge. Die durchschnittliche Wartezeit (für eine Sozialwohnung) betrage zwei Jahre. Weiter beantragte die Klägerin, erst ab 30.9. fünf Nachweise pro Monat vorlegen zu müssen. Bei einer Anmietung seien Einkommensnachweise sofort vorzulegen. Dies sei ihr erst ab 16.8.2018 möglich. Hierauf erwiderte der Beklagte, dass es der Klägerin unbenommen bleibe, die Nachweise erst am Ende des Bewilligungszeitraums vorzulegen. Es würden durchschnittlich acht Nachweise monatlich erbeten, so dass die Klägerin zB in einem Monat lediglich fünf und dafür in einem anderen 13 Wohnungsanfragen starten könne. Es werde gebeten, einen Antrag beim Wohnungsamt zu stellen, da die durchschnittliche Wartezeit keine Rückschlüsse auf die individuelle Zeit bis zu einer Zuteilung zulasse. Die Klägerin legte erstmals mit Schreiben vom 25.10.2019 im Rahmen eines Überprüfungsantrages ihre Bemühungen um eine kostengünstige Wohnung dar.

Während der Klägerin im streitigen Zeitraum Einnahmen nicht zuflossen, verfügte sie ausweislich der Antragsunterlagen über Bargeld iHv ...Euro, Guthaben auf einem Girokonto ... sowie auf einem Kreditkartenkonto ... Die Klägerin besaß weiter einen Lebensversicherungsvertrag mit einem garantierten Rückkaufswert iHv ... Euro und einer Schlussüberschussbeteiligung aus der Hauptversicherung iHv jeweils ... Euro abzüglich einer Vorauszahlung iHv ... Euro, so dass das Versicherungsunternehmen zum 31.5.2018 als vorhandenen Wert eine Gesamtsumme iHv ... Euro bestätigte. Die Klägerin tätigte rückwirkend zum 1.6.2018 einen Teilrückkauf iHv ... Euro, der am 20.6.2018 zu einer entsprechenden Gutschrift auf ihrem Girokonto führte.

Die Klägerin ist bzw war im streitigen Zeitraum gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen unter anderem im Rahmen eines Versicherungsvertrages, der der Versicherungspflicht nach § 193 Abs 3 des VVG genügt, bzw gegen das Risiko Pflegebedürftigkeit bei einem privaten Versicherungsunternehmen in Erfüllung ihrer Versicherungspflicht nach § 23 SGB XI versichert. Hierdurch entstanden ihr im streitigen Zeitraum monatliche Kosten iHv ... Euro (Heilkostenvollversicherung zzgl Zusatzversicherung) bzw ... Euro (ab 1.1.2019: ... Euro).

Auf den Antrag der Klägerin vom 28.6.2018 gewährte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorläufig für die Zeit von Juni 2018 bis Januar 2019 und lehnte gleichzeitig den Antrag für die Zeit vom 1. bis 8.6.2018 wegen übersteigenden Vermögens ab. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Vermögensberechnung sei bei einer Bewilligung ab 1.6.2018 der 31.5.2018. Da die Daten über den halbierten Basistarif der privaten Krankenversicherung noch nicht vorlägen, würden die Leistungen zunächst nur vorläufig bewilligt. Auch stehe die Freigabe der Klägerin noch aus, dass die Krankenversicherungsbeiträge direkt, in der nach Vorlage bewilligten Höhe, an die Krankenkasse überwiesen werden dürften. Bei den Kosten der Einlagerung der Möbel der Klägerin handele es sich weder um einen unabweisbaren Bedarf noch um einen solchen für Unterkunft. Die Möbel seien bereits seit ... eingelagert, so dass eine Übernahme durch den Beklagten nicht in Betracht käme. Im Übrigen berücksichtigte der Beklagte bei der Leistungsberechnung die Unterkunftskosten der Klägerin vollständig und rechnete Einkommen und Vermögen (ab 9.6.2018) nicht an (Bescheid vom 13.8.20.18, hinsichtlich der Anpassung des Regelbedarfs geändert für Januar 2019 durch Bescheid vom 24.11.2019).

Gegen die Ablehnung der Leistungen für die Zeit vom 1. bis 8.6.2018 erhob die Klägerin Widerspruch. Von ihrem Vermögen seien ihre laufenden Verpflichtungen gegenüber der privaten Krankenversicherung abzuziehen, so dass verwertbares Vermögen über dem Freibetrag nicht vorliege. Mit einem weiteren Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Ablehnung der Übernahme der Kosten der Möbeleinlagerung. Gleichzeitig wies die Klägerin darauf hin, ihre Krankenversicherung nach Bearbeitung ihres Widerspruchs über ihren Leistungsbezug informieren zu wollen. Das Datum des Beginns des Leistungsbezugs sei für eine rechtsverbindliche Vereinbarung mit der Krankenversicherung erforderlich.

Im Rahmen ihres Weiterbewilligungsantrags beantragte die Klägerin die Übernahme ihrer tatsächlichen Unterkunftskosten für die Zeit ab 1.2.2019. Sie habe bis einschließlich September 2018 viel Zeit auf die Lösung der Krankenversicherungsproblematik verwendet und hierbei weit über 100 Anrufe getätigt. Sie sehe die Fortsetzung ihrer beruflichen Situation in M. Seit September habe sie aber nur passende Positionen an anderen Standorten finden können. Sie habe mehrere laufende Bewerbungsverfahren im europäischen Ausland, so dass sie sofort umziehen müsste. Falls sich ihre berufliche Situation bis Mai 2019 nicht gelöst habe, würde sie ihren Fokus auf das Thema Wohnen setzen. Sie würde dann auch einen Antrag auf eine Bescheinigung für das "M-Modell-Miete" stellen. Nach ihren Recherchen müsste dann ein Wechsel in eine bezahlbare Wohnung bis zum Jahresende gelingen. Schließlich habe sie regelmäßig nach kostengünstigen Wohnungen in Anzeigen und bei Hausverwaltungen gesucht. Aufgrund ihrer beruflichen Situation sei ihr ein Umzug derzeit weder zumutbar noch sinnvoll. Für eine Unterkunft in der ...straße für ... Euro monatlich stehe sie auf Platz 2 der Warteliste. Eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr sei ihr wichtig.

Der Beklagte bewilligte vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von Februar bis Juli 2019. Dabei berücksichtigte er neben dem Regelbedarf die aus seiner Sicht angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung iHv vom 660 Euro ("Grundmiete"). Einkommen und Vermögen wurden bei der Leistungsberechnung nicht berücksichtigt (Bescheid vom 16.1.2019).

Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Absenkung ihrer Unterkunftskosten um 940 Euro monatlich und die fehlende Berücksichtigung der Kosten für die Einlagerung ihrer Möbel. Kosten für Heizung und Warmwasser seien unberücksichtigt geblieben. Ihre derzeitige Situation, ihre bisherigen Probleme, die Setzung von Schwerpunkten und die möglicherweise positive Entwicklung seien zu respektieren. Ihre Darlegungen seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Die gleichzeitige Suche nach einer Wohnung und nach einem Job könnten zu einer finanziellen und persönlichen Überforderung führen. Im Weiteren vertiefte und konkretisierte die Klägerin ihren Vortrag zu ihrer aktuellen bzw der von ihr am Stellen- und Wohnungsmarkt vorgefundenen Situation. Es sei zu berücksichtigen, dass die durch einen aktuellen Umzug entstehenden Kosten vergeblich wären, wenn sie in den nächsten Monaten ein auswärtiges Stellenangebot annähme. Schließlich seien ihr Leistungen nicht nur bis Juli 2019, sondern bis Januar 2020 zu bewilligen. Der verkürzte Bewilligungszeitraum hindere die Wohnungssuche, da er Misstrauen bei den Vermietern wecke und keine Planungssicherheit gebe.

Hierauf bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2019 zusätzliche Leistungen für Heizung iHv 29,10 Euro monatlich (Änderungsbescheid vom 31.1.2019). Für den Monat Juli 2019 bewilligte der Beklagte weitere Leistungen iHv 29,95 Euro (Kosten einer Schufa-Auskunft; Änderungsbescheid vom 5.7.2019).

Die auf Überprüfung der vorläufigen Bewilligungsentscheidungen hinsichtlich der Kosten der Möbeleinlagerung gerichteten Anträge lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 29.8.2018 sowie Bescheid vom 27.5.2019 idG des Widerspruchsbescheides vom 21.2.2020). Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 21.2.2020 blieb ohne Erfolg (Gerichtsbescheid vom 13.8.2020 - S 45 AS 473/20). Die hiergegen erhobene Berufung (L 7 AS 568/20) hat die Klägerin für erledigt erklärt.

Der "Sonderantrag" der Klägerin auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten iHv ... Euro monatlich für Februar, März und April 2019 zzgl der Kosten für die Möbeleinlagerung - ab 1.4. drohe Wohnungslosigkeit und der Verlust der eingelagerten Habe - blieb (soweit ersichtlich) unverbeschieden. Der Antrag auf die Bewilligung entsprechender darlehensweiser Leistungen (3 x ... Euro für die Differenz zwischen den tatsächlichen und den anerkannten Unterkunftskosten, wurde abgelehnt (Bescheid vom 11.4.2019).

Unter dem 25.9.2019 beantragte die Klägerin (erneut) die Überprüfung des Bescheides vom 16.1.2019 hinsichtlich der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten ab Februar 2019, was der Beklagte im Hinblick auf das laufende Widerspruchsverfahren ablehnte (Bescheid vom 31.10.2019).

Unter dem 31.10.2019 setzte der Beklagte die der Klägerin für die Zeit vom 1.6.2018 bis 31.1.2019 und für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2019 vorläufig bewilligten Leistungen endgültig fest. Eine Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1. bis 8.6.2018, für die Kosten der Möbeleinlagerung, für Unterkunft und Heizung tatsächlicher Höhe für die Zeit ab 1.2.2019 sowie eines Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung erfolgte (weiterhin) nicht.

Die Klägerin erhob gegen die endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 unter verschiedenen Gesichtspunkten Widerspruch "als Teilwiderspruch", ua gegen die Ablehnung, den Zuschuss zu den Beiträgen zu privaten Kranken- und Pflegeversicherung an sie selbst zu zahlen.

Der Beklagte verwarf die Widersprüche gegen die endgültige Festsetzung von Leistungen für die Zeit von Juni 2018 bis Juli 2019 als unzulässig. Die endgültigen Festsetzungen hätten die vorläufigen Bescheide vom 13.8.2018, geändert durch den Bescheid vom 24.11.2018, sowie vom 16.1.2019, geändert durch den Bescheid vom 31.1.2019, ersetzt und seien Gegenstand der bereits anhängigen Widerspruchsverfahren gegen die vorläufigen Bewilligungen geworden. Über diese würde in den dortigen Widerspruchsverfahren entschieden. Die weiteren Widersprüche gegen die Bescheide vom 31.10.2019 seien deshalb unzulässig (Widerspruchsbescheid vom 20.2.2020).

Schließlich wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen die vorläufigen Bewilligungen für die Zeit von Juni 2018 bis Januar 2019 bzw für die Zeit von Februar bis Juli 2019 - nach Erlass der endgültigen Bewilligungsbescheide vom 31.10.2019 - zurück. Die Klägerin habe in der Zeit vom 1. bis 8.6.2018 keinen Leistungsanspruch, da ihr in dieser Zeit Vermögen iHv 9 838,84 Euro zur Verfügung gestanden habe. Die Rückstände bei der Krankenversicherung seien nicht abzusetzen, da Schulden bei der Berechnung des Vermögens iS des SGB II grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien. Nach Abzug der zu berücksichtigenden Freibeträge verbleibe ein anzurechnendes Vermögen iHv 538,84 Euro. Hieraus habe die Klägerin ihren Bedarf in der Zeit vom 1. bis zum 8.6.2018 decken können. Bei der Bedarfsberechnung hätten die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung unberücksichtigt zu bleiben, da die Klägerin auf diese mit Schreiben vom 8.1.2019 ausdrücklich verzichtet habe. Auch die Höhe der (ab 9.6.2018) bewilligten Leistungen sei nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Einlagerungskosten sei weiter zu berücksichtigen, dass bereits die Unterkunftskosten der Klägerin mit ... Euro monatlich die Mietobergrenze für einen Ein-Personen-Haushalt von 657 Euro bzw ab 1.10.2018 iHv 660 Euro bei weitem überstiegen hätten. Dies schließe die Übernahme von Einlagerungskosten aus. Auf die Zahlung eines Zuschusses zum Beitrag zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung habe die Klägerin verzichtet. Die Unterkunftskosten der Klägerin iHv ... Euro seien nicht angemessen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II gewesen, da sie die Mietobergrenze für einen Ein-Personen-Haushalt iHv 660 Euro bei weitem überstiegen. Eine Übernahme der Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 S 3 SGB II über den 31.1.2019 hinaus scheide aus. Der Beklagte habe die tatsächlichen Unterkunftskosten der Klägerin über einen Zeitraum von acht Monaten übernommen, obgleich das Gesetz eine Übernahme regelmäßig nur für sechs Monate vorsehe. Diese Frist habe nicht verlängert werden können. Die Klägerin habe trotz entsprechender Aufforderung bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts und auch im Widerspruchsverfahren keinerlei Nachweise über ihre Kostensenkungsbemühungen vorgelegt. Mit Schreiben vom 7.1.2019 habe sie sogar ausgeführt, dass sie bis September 2018 sehr viel Zeit auf die Lösung der Krankenversicherungsproblematik verwandt und ihr Schwerpunkt auf der beruflichen Situation gelegen habe. Falls sich ihre berufliche Situation bis Mai 2019 nicht gelöst habe, würde sie den Focus auf das Thema Wohnen legen. Soweit die Klägerin mit Schreiben vom 25.10.2019 ihre angebliche Wohnungssuche dokumentiere, ändere dies nichts. Zum einen stünden die dortigen Angaben im Widerspruch zu den vorherigen Angaben. Auch sei nicht glaubhaft, dass, wenn die Bemühungen tatsächlich unternommen worden seien, diese nicht zeitnah nachgewiesen worden seien. Es sei nicht ersichtlich, wann die angeblichen Gespräche mit Hausverwaltungen bzw Besichtigungen stattgefunden hätten (Widerspruchsbescheide vom 20.2.2020).

Am 13.3.2020 hat die Klägerin gegen die Widerspruchsbescheide vom 20.2.2020, mit denen ihre Widersprüche gegen die vorläufigen Bewilligungen vom 13.8.2018 bzw vom 16.1.2019 - nach Erlass der endgültigen Bewilligungsbescheide - zurückgewiesen worden sind, Klage zum Sozialgericht München erhoben.

Das Sozialgericht hat die Klage nach entsprechender Anhörung der Beteiligten zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 11.8.2020, zugestellt am 26.8.2020).

Im Rahmen ihrer am 11.9.2020 beim Landessozialgericht erhobenen Berufung hat die Klägerin zunächst auf ihren Vortrag im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren Bezug genommen. Die vom Beklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen zur Ermittlung der angemessenen Kosten für die Unterkunft (Mietobergrenzen) für Leistungsberechtigte nach dem SGB II und SGB XII - Bemessungsgrenzen von Prof Dr Göran Kauermann, Ludwig-Maximilian-Universität M, Institut für Statistik vom 12.7.2018 und vom 10.7.2019 hat die Klägerin abgelehnt. Der Beklagte habe nicht auf Arbeit Dritter zurückgreifen dürfen. Die für den Mietspiegel 2017 erhobenen Daten seien keine geeignete Grundlage für die Mietobergrenze nach dem SGB II, da diese auf die Jahre 2013 bis 2016 zurückgingen und damit aus mehreren Jahren vor der Flüchtlingskrise 2015 stammten. Die Erhebung einer Bruttokaltmiete sei realitätsfern, da Wohnungen regelmäßig mit einer Nettokaltmiete und einer auch die sog kalten Betriebskosten umfassenden Warmmiete angeboten würden. Bestandsmieten im Sinn des Mietspiegels müssten unberücksichtigt bleiben, da diese für eine Neuanmietung keine Relevanz besäßen. Die Unterlagen suggerierten, dass 50 qm-Wohnungen zu 500 Euro angemietet werden könnten. Dies sei unrealistisch. Mietwohnungen im Rahmen der Mietobergrenze iHv 660 Euro seien regelmäßig nur 25 bis 30 qm groß. Aufgrund der "Brennpunktsituation" im Bereich der Neuanmietungen sollte ausschließlich auf Daten aus Neuvermietungen der letzten 24 Monate zurückgegriffen werden. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass zwischenzeitlich ein sehr großer Marktanteil auf möblierte Wohnungen entfalle. Diese seien nicht mietspiegelrelevant und blieben deshalb unberücksichtigt. Insoweit bilde der Mietspiegel nicht mehr die Realität ab. Das viel zu knappe Angebot an verfügbarem Wohnraum sei Bestandteil der Realität von Wohnungssuchenden, die von der Statistik nicht erfasst werde. Die Fortschreibung der Mietobergrenze mittels Verbraucherindex sei unzureichend. Die Klägerin habe aufgrund der lediglich sechs Monate dauernden vorläufigen Bewilligungen bis Juli 2019 keine Möglichkeit gehabt, auf dem Mietwohnungsmarkt eine angemessene Wohnung zu finden, und wohne deshalb nunmehr ohne Mietvertrag, möbliert in weit unter 50 qm. Aufgrund des im streitigen Zeitraum durchgehend begrenzten Wohnraums sei es ihr nicht möglich gewesen, ihre eingelagerten Möbel zu sich zu holen, um die laufenden Lagerkosten zu vermeiden.

Auf einen rechtlichen Hinweis im Rahmen des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 26.7.2021 bzw der Niederschrift hierzu hat die Klägerin dem Antrag zugestimmt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 11.8.2020 - S 45 AS 450/20 sowie die Bescheide des Beklagten vom 31.10.2019 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 20.2.2020, geändert durch den Bescheid vom 26.8.2021, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 1. bis 8.6.2018 sowie für den Zeitraum 9.6.2018 bis 31.1.2019 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der Einlagerungskosten und für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2019 Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten sowie der Einlagerungskosten zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und verweist zunächst auf die Begründung der angefochtenen Entscheidungen. Sein Konzept bzw das Konzept der Landeshauptstadt M entspreche den Anforderungen höchstrichterlicher Rechtsprechung zum schlüssigen Konzept. Es sei mit dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.9.2013 im Revisionsverfahren B 4 AS 77/12 R bestätigt worden. Die Mietobergrenzen für die Landeshauptstadt seien in der Folge auf demselben wissenschaftlich anerkannten statistischen Verfahren regelmäßig überprüft und fortgeschrieben worden. Dies sei obergerichtlich bereits mehrmals bestätigt worden (bezugnehmend auf das Urteil des Senats vom 19.12.2016 - L 7 AS 241/15).

Mit Änderungsbescheid vom 26.8.2021 hat der Beklagte die der Klägerin im Zeitraum Februar bis Juli 2019 bewilligten Kosten für Heizung um 47,98 Euro auf 77,08 Euro monatlich erhöht.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (Schriftsatz des Beklagten vom 7.2.2022, Erklärung der Klägerin vom 14.2.2022).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Akten verwiesen, auch soweit diese vom Beklagten und vom Sozialgericht München beigezogen worden sind.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat konnte den Rechtsstreit nach § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten dem zugestimmt haben.

1. Streitig ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 11.8.2020, mit dem die Klage gegen die endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.2.2020 abgewiesen worden ist, soweit dort (1.) für den Zeitraum vom 1. bis 8.6.2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vollständig, (2.) für den Zeitraum vom 9.6.2018 bis zum 31.1.2019 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung von Einlagerungskosten iHv 226,10 Euro monatlich und (3.) für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2019 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der tatsächliche geschuldeten Kosten sowie der Einlagerungskosten abgelehnt worden sind. Eine entsprechende Beschränkung des Streitgegenstandes ist sowohl zeitlich als auch inhaltlich (vgl zur Abtrennbarkeit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zuletzt BSG, Urteil vom 21.7.2021 - B 14 AS 31/20 R -, Rn 15 mwN) zulässig. Insoweit hatte die Klägerin bereits gegen die vorläufigen Bewilligungen vom 13.8.2018 (Zeitraum 9.6.2018 bis 31.1.2019) und vom 16.1.2019 (Februar bis Juli 2019) (Teil-) Widerspruch erhoben. Die vorläufigen Bewilligungen und die sie ändernden Verfügungen erledigten sich allerdings durch die endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl BSG, Urteil vom 11.7.2019 - B 14 AS 44/18 R -, Rn 9 mwN), die gleichzeitig nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden sind (vgl BSG, Urteil vom 5.7.2017 - B 14 AS 36/16 -, Rn 16 ff). Nach § 96 Abs 1, § 153 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens wurde der Änderungsbescheid vom 26.8.2021, mit dem der Beklagte die Leistungen für Heizung von 29,10 Euro auf 77,08 Euro monatlich angehoben hat.

Im vorliegenden Verfahren nicht streitig sind hingegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 9.6.2018 bis 31.7.2019, soweit sie nicht Bedarfe für Unterkunft und Heizung betreffen (vgl hierzu Verfahren L 7 AS 559/20, mit Urteil vom selben Tag), da insoweit (insbesondere die konkludente Ablehnung der Gewährung eines Zuschusses zum Beitrag zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung bzw dessen Auszahlung an die Klägerin) die vorläufigen Bewilligungsentscheidungen vom 13.8.2018 bzw vom 16.1.2019 von der Klägerin nicht angefochten worden sind, so dass insoweit die ablehnenden endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens wegen der vorläufigen Bewilligungen werden konnten.

Nicht Gegenstand des Verfahrens wurden schließlich die eine Überprüfung der vorläufigen Bewilligungen nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 SGB X ablehnenden Entscheidungen (vgl BSG, Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SG 19/09 B -, Rn 9; B Schmidt in Meyer-Ladewig ua, SGG, 13. Aufl 2020, § 96 Rn 4b). Entsprechendes gilt hinsichtlich des darlehensweise Leistungen ablehnenden Bescheides vom 11.4.2019 sowie der die Übernahme der Mietschulden für Juli 2019 ablehnenden Entscheidung vom 25.10.2019 idG des Widerspruchsbescheides vom 21.2.2020 (vgl hierzu L 7 AS 569/20 mit Urteil vom selben Tag), nachdem es sich insoweit um abweichende Streitgegenstände handelt (vgl zur Mietschuldenübernahme ausdrücklich BSG, Urteil vom 9.8.2018 - B 14 AS 38/17 -, Rn 13).

2. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum 1. bis 8.6.2018, da sie in diesem Zeitraum mangels Hilfebedürftigkeit nicht leistungsberechtigt war (dazu unter 3.). Der Klägerin stehen - unabhängig vom Bestehen ihrer Leistungsberechtigung bis zum 19.6.2018 - höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum 9.6. bis 31.1.2019 im Hinblick auf die von ihr geschuldeten Kosten der Einlagerung ihrer Habe nicht zu (dazu unter 4.). Die Klägerin hat - nach Erlass des Änderungsbescheides vom 26.8.2021 - keinen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2019 unter Berücksichtigung der von ihr für die von ihr bewohnten Unterkunft tatsächlich geschuldeten Kosten iHv 1 600 Euro sowie der Einlagerungskosten iHv 226,10 Euro monatlich (dazu unter 5.).

3. Die Ablehnung der Leistungen für die Zeit vom 1. bis 8.6.2018 ist nicht zu beanstanden. In dieser Zeit fehlte der Klägerin die Leistungsberechtigung nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II. Die Klägerin war nicht hilfebedürftig, da sie ihren Lebensunterhalt aus dem ihr zur Verfügung stehenden Vermögen bestreiten konnte (vgl § 7 Abs 1 S 1 Nr 3, § 9 Abs 1 SGB II).

a) Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen, die (...) hilfebedürftig sind (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die Hilfe nicht von anderen (...) erhält (§ 9 Abs 1 SGB II). Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs 1 SGB II). Vom Vermögen sind unter anderem abzusetzen ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 Euro je vollendetem Lebensjahr (...); der Grundfreibetrag darf den Höchstbetrag von 9 900 Euro nicht übersteigen (§ 12 Abs 1 S 1 Nr 1, S 2 Nr 2 SGB II). Vom Vermögen abzusetzen ist weiter ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 Euro (...) (§ 12 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II).

b) Maßgeblicher Stichtag für die Bewertung des Vermögens ist vorliegend der 1.6.2018, also der Tag, auf den der von der Klägerin am 28.6.2018 beim Beklagten gestellte Leistungsantrag nach § 37 Abs 2 S 2 SGB II zurückwirkt (vgl BSG, Urteil vom 20.2.2020 - B 14 AS 52/18 R  -, Rn 23 ff). In der Folge ist zu prüfen, ob das der Klägerin zur Verfügung stehende Vermögen wesentliche Änderungen iS des § 12 Abs 4 S 3 SGB II erfuhr (vgl BSG, aaO, Rn 29). Wesentlich ist eine Änderung der Geldbetragshöhe dann, wenn sie im Hinblick auf die Vermögensfreibeträge erheblich ist (BSG, aaO, Rn 30).

c) Auf dieser Grundlage stand der Klägerin (zumindest) in der Zeit vom 1. bis 8.6.2018 in einer Lebensversicherung, auf ihrem Giro- sowie ihrem Kreditkartenkonto ihre Hilfebedürftigkeit ausschließendes Vermögen iHv 9 512,64 Euro zur Verfügung.

aa) Ausweislich der vorliegenden Akten verfügte die Klägerin im hier maßgeblichen Zeitraum an Vermögen über einen Lebensversicherungsvertrag mit einem garantierten Rückkaufwert iHv ... Euro und einer Schlussüberschussbeteiligung aus der Hauptversicherung und einer Beteiligung an der Bewertungsreserve aus der Hauptversicherung iHv jeweils ... Euro abzüglich einer Vorauszahlung iHv ... Euro, so dass das Versicherungsunternehmen zum 31.5.20218 als vorhandenen Wert eine Gesamtsumme iHv ... Euro bestätigte (vgl Bl 69 der Beklagtenakte).

(1.) Bei dem zunächst in einem (Lebens-) Versicherungsvertrag gebundenen Guthaben handelt es sich in Höhe des Rückkaufwertes der Versicherung zzgl der Überschussbeteiligung und den Anteilen an der Bewertungsreserve (vgl BSG, Urteil vom 10.8.2016 - B 14 AS 51/15 R -, Rn 16 ff) um Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II. Hieran hat sich durch den Teilrückkauf der Klägerin iHv ... Euro rückwirkend zum 1.6.2018, der zu einer entsprechenden Gutschrift auf dem Girokonto der Klägerin am 20.6.2018 führte, nichts geändert. Ausweislich des von der Klägerin tatsächlich bereits vor Antragstellung am 28.6.2018 getätigten Teilrückkaufs liegt auf der Hand, dass es sich bei dem Guthaben um unmittelbar verwertbares und damit zur kurzfristigen Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehendes Vermögen handelte.

(2.) Bei dem dargelegten Vermögen der Klägerin in der Versicherung handelte es sich weder um nach Bundesrecht gefördertes Altersvorsorgevermögen iS des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II noch um als zur Altersvorsorge geschütztes Vermögen iS des § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II.

Das in der (Lebens-) Versicherung gebundene Vermögen hatte nicht nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II unberücksichtigt zu bleiben, da die Klägerin nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Es hatte auch nicht (insgesamt) nach § 12 Abs 3 Nr 6 Alt 2 SGB II wegen einer besonderen Härte unberücksichtigt zu bleiben. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus dem Vortrag der Klägerin, dass die Lebensversicherung ihre Altersvorsorge beinhalte. Ob von einer besonderen Härte iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II auszugehen ist, bestimmt sich nach den Umständen Einzelfalls. Zwar kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Privilegierung von Vermögen in Lebensversicherungen nach § 12 Abs 3 Nr 6 Alt 2 SGB II in Betracht kommen, wenn die Lebensversicherung für die Altersvorsorge bestimmt ist. Dies setzt zunächst voraus, dass die Leistungsberechtigte das Vermögen nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts für sich verwenden will und eine der Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat (vgl BSG, Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 68/06 R -, Rn 32). Vorliegend spricht zwar die Laufzeit des Vertrages bzw die vereinbarte Kapitalabfindung zum 1.11.2021 bzw eine ab diesem Zeitpunkt zu zahlende monatliche Rente und damit nach der Vollendung des 61. Lebensjahres der Klägerin dafür, dass die Lebensversicherung zunächst zur Vorsorge für das Alter bestimmt war. Allerdings hatte die Klägerin diese Bestimmung zwischenzeitlich aufgegeben, nachdem sie den Vertrag bereits in 2016 iHv ... Euro (darlehensweise) und im Juni 2018 iHv ... Euro (durch Teilrückkauf) zur Bestreitung ihres laufenden Lebensunterhalts verwendete.

(3.) Es kann dahinstehen, ob der aus vertragsgestalterischen Gründen von der Klägerin gewählte Teilrückkauf und der mit ihm verbundenen Verbleib eines Guthabens iHv ... Euro im Versicherungsvertrag dazu führt, dass insoweit von einer fehlenden Verwertbarkeit iS des § 12 Abs 1 SGB II oder einer fehlenden Berücksichtigungsfähigkeit wegen einer besonderen Härte nach § 12 Abs 3 Nr 6 Alt 2 SGB II auszugehen ist. Denn hierauf kommt es zum Zeitpunkt der Verwertung durch die Annahme der Versicherungsgesellschaft mit Schreiben vom 19.6.2018 nicht mehr an, nachdem zu diesem Zeitpunkt das Vermögen der Klägerin bereits durch einen anderweitigen Verbrauch unter den Freibetrag nach § 12 Abs 2 SGB II gesunken war (vgl hierzu in der Folge unter d).

bb) Auf dem Girokonto der Klägerin befand sich ausweislich der vorliegenden Unterlagen am 1.6.2018 ein Guthaben iHv ... Euro, auf dem Kreditkartenkonto ein Guthaben iHv ... Euro (...). Diese Kontoguthaben sind ohne weiteres kurzfristig verwertbar und standen der Klägerin zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts unmittelbar zur Verfügung. Bei dem Vermögen der Klägerin auf dem Giro- und Kreditkartenkonto handelte es sich weder um nach Bundesrecht gefördertes Altersvorsorgevermögen iS des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II noch um als zur Altersvorsorge geschütztes Vermögen iS des § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II. Umstände, die nach § 12 Abs 3 SGB II gegen eine Berücksichtigung der Kontoguthaben sprechen könnten, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

d) Das Gesamtvermögen der Klägerin im Zeitraum überstieg den der Klägerin nach § 12 Abs 2 SGB II zustehenden Freibetrag.

Der Freibetrag der Klägerin betrug im streitigen Zeitraum bis ... 9 300 Euro (nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II: ... + nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II: Freibetrag für notwendige Anschaffungen iHv 750 Euro).

e) Der Beklagte hat eine Bewilligung von Leistungen für die Zeit bis 8.6.2018 zu Recht abgelehnt, weil das der Klägerin am 1.6.2018 zur Verfügung stehende Vermögen unter Berücksichtigung der aktenkundigen Buchungen bis zum Ablauf des 19.6.2018 nicht unter den dargelegten Freibetrag iHv 9 300 Euro absank.

 

Versicherung

Girokonto

Kreditkartenkonto

Gesamtwert

1.6.2018

11 536,08

2.6.2018

 

 

11 525,34

4.6.2018

 

11 358,74

 

 

 

11 132,64

5.6.2018

 

 

9 512,64

12.6.2018

 

 

9 412,64

18.6.2018

 

 

9 312,64

20.6.2018

 

 

9 253,14

 

 

9 253,14

f) Soweit der Beklagte aufgrund des von ihm angewandten fiktiven Vermögensverbrauchs abweichend von den vorstehenden Ausführungen der Klägerin bereits ab 9.6.2018 Leistungen bewilligte, erfolgte dies auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen (rechtswidrig) zugunsten der Klägerin und hat bereits deshalb im Rahmen der vorliegenden Entscheidung unberücksichtigt zu bleiben. Auf dieser Grundlage kann letztlich dahinstehen, ob die Barabhebungen vom Girokonto ggf mit dem von der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung am 28.6.2018 angegebenen Bargeld iHv ... Euro identisch waren oder nicht.

g) Bei der Bewertung des Vermögens der Klägerin kann hingegen nicht berücksichtigt werden, dass Schulden bei der privaten Krankenversicherung bestanden. Vermögen iS von § 12 SGB II ist nicht die Bilanz aus aktiven und passiven Vermögenswerten, sondern es sind die vorhandenen aktiven Vermögenswerte (BSG, Urteil vom 20.2.2020 - B 14 AS 52/18 R -, Rn 31). Allein die Absicht, das Vermögen zur Schuldentilgung verwenden zu wollen, schließt dessen Berücksichtigung bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3, § 9 Abs 1 SGB II nicht aus (vgl BSG, aaO).

h) Weiter kann nicht berücksichtigt werden, dass die Klägerin das ihr am 1.6.2018 zur Verfügung stehende Vermögen im laufenden Monat tatsächlich zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts ua in Form der Bezahlung der laufenden Beiträge zur privaten Krankenversicherung einsetzen wollte/musste. Denn in der vorliegend allein maßgeblichen Situation der Leistungsbewilligung ist vorhandenes, zu verwertendes und verwertbares Vermögen so lange zu berücksichtigen, wie es tatsächlich vorhanden ist; ein "fiktiver Vermögensverbrauch" wird damit nicht berücksichtigt (vgl BSG, Urteil vom 20.2.2020 - B 14 AS 52/18 R -, Rn 32). Solange Vermögen zu berücksichtigen ist, steht es dem Leistungsanspruch im Sinne eines "Alles-oder-nichts" entgegen (BSG, aaO).

4. Die Klägerin hat für die Zeit vom 9.6.2018 bis 31.1.2019 keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung. Ein solcher ergibt sich nicht aus dem laufenden Bedarf für die von der Klägerin im genannten Zeitraum bewohnte Unterkunft, nachdem diese Kosten vollumfänglich bei der Leistungsberechnung berücksichtigt wurden. Einen Anspruch auf höhere Leistungen können auch die monatlichen Kosten iHv ... Euro nicht begründen, die durch die Einlagerung der Habe der Klägerin angefallen sind.

Zwar ist bereits bundesobergerichtlich geklärt, dass die angemessenen Kosten einer Einlagerung Teil der Unterkunftskosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sein können, wenn es wegen der Größe der konkreten Unterkunft erforderlich ist, vorübergehend nicht benötigten, angemessenen Hausrat und persönliche Gegenstände anderweitig unterzubringen (vgl BSG, Urteil vom 16.2.2008 - B 4 AS 1/08 R -, Rn 12 ff; Beschluss vom 13.2.2019 - B 14 AS 220/18 B). Die Anmietung mehrerer Räumlichkeiten entbindet allerdings den Grundsicherungsträger nicht von einer Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten. Maßgebend für diese Prüfung ist zum einen die Höhe der Gesamtkosten der angemieteten Räumlichkeiten. Anwendung findet auch hinsichtlich dieser Gesamtaufwendungen die nach der Rechtsprechung des BSG heranzuziehende Produkttheorie (vgl hierzu unter 5.), wobei die Verhältnisse des Aufenthaltsorts des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten maßgebend sind. Zum anderen bestimmt sich die Angemessenheit der Aufwendungen für einen zusätzlichen Raum zur Einlagerung von Gegenständen weiter danach, ob diese Gegenstände in einer nachvollziehbaren Relation zu dem Lebenszuschnitt der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten stehen (vgl BSG, aaO, Rn 21).

Auf dieser Grundlage können die Kosten der Einlagerung vorliegend nicht als Unterkunftsbedarf berücksichtigt werden. Dabei kann letztlich dahinstehen, welche Güter die Klägerin bereits mehrere Jahre vor ihrem Leistungsantrag beim Beklagten eingelagert hatte und ob diese in nachvollziehbarer Relation zum Lebenszuschnitt einer SGB II-Leistungsberechtigten stehen. Denn die Höhe der Gesamtkosten der durch die Klägerin im streitigen Zeitraum angemieteten Räumlichkeiten mit zumindest ... Euro im Monat übersteigt die am Wohnort der Klägerin iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessenen Kosten bei weitem (vgl hierzu unter 5.), so dass eine Übernahme der Einlagerungskosten durch den Beklagten bereits aus diesem Grund ausscheidet.

Hiergegen steht schließlich nicht, dass es sich bei dem eingelagerten Gut um Hausrat und damit um geschütztes Vermögen handeln mag. Bei den Tatbeständen des § 12 Abs 3 Satz 1 SGB II handelt es sich um rein vermögensrechtliche Schutzvorschriften gegenüber dem Verwertungsbegehren des Grundsicherungsträgers, die sich aber nicht auf die Höhe der nach § 22 SGB II zu übernehmenden Unterkunftskosten auswirkt (vgl zum geschützten Eigenheim bzw § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB II bereits BSG, Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R -, Rn 20).

5. Der Klägerin stehen schließlich auch für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2019 keine höheren Leistungen für Unterkunft und Heizung zu, als ihr zuletzt mit Änderungsbescheid vom 26.8.2021 bewilligt worden sind.

a) Die Klägerin war im streitigen Zeitraum leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 S 1 SGB II, da sie das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hatte, ohne jegliches Einkommen und Vermögen und damit hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II war, sich Anhaltspunkte für das Fehlen ihrer Erwerbsfähigkeit nicht ergaben und die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in M hatte.

b) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung, nachdem weder die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 S 1 SGB II noch die des § 22 Abs 1 S 3 SGB II erfüllt sind.

aa) Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II).

bb) Die Klägerin kann ihren Anspruch auf Übernahme weiterer Unterkunftskosten nicht auf § 22 Abs 1 S 1 SGB II stützen, da die tatsächlich geschuldeten Kosten für das Apartment nicht angemessen waren.
(1.) Die tatsächlichen Unterkunftskosten iS des § 22 Abs 1 Abs 1 SGB II der Klägerin betrugen im streitigen Zeitraum ... Euro monatlich.

(2.) Die Höhe der vom Beklagten insoweit für einen Ein-Personen-Haushalt als angemessen festgesetzten Kosten iHv 660 Euro monatlich bruttokalt ist nicht zu beanstanden.

(a) Das BSG hat seine Rechtsprechung zur Prüfung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der abstrakten "Angemessenheit" in § 22 Abs 1 S 1 SGB II zuletzt dahin zusammengefasst und konkretisiert, dass zunächst die (abstrakt) angemessene Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte Person sowie der angemessene Wohnungsstandard zu bestimmen ist. In der Folge ist die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept zu ermitteln. Zuletzt sind die angemessenen kalten Betriebskosten einzubeziehen (vgl BSG, Urteil vom 30.1.2019 - B 14 AS 11/18 R -, Rn 19).

(b) Diese Anforderungen an die abstrakte "Angemessenheit" sind vorliegend erfüllt.

(aa) Das vom Beklagten der Bestimmung der Mietobergrenze zugrunde gelegte Konzept geht von einer angemessenen Wohnungsgröße für alleinstehende Personen iHv 50 qm aus. Dies entspricht der bundesobergerichtlichen Rechtsprechung, wonach zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückzugreifen ist, welche die Länder auf Grund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (vgl BSG, Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R -, Rn 14 ff). Dies sind in Bayern nach Nr 22.2 WFB 2012 bzw Nr 5.8. VVWoBindR für alleinstehende Personen bis zu 50 qm (vgl hierzu auch BSG, aaO). Dieser Wert ist auch für die Landeshauptstadt M maßgeblich (vgl BSG, aaO, Rn 17 und 19).

(bb) Es ist weiter nicht zu beanstanden, dass der Beklagte in seinem Konzept als Vergleichsraum vom Gebiet der Landeshauptstadt M ausging (vgl konkret zu M BSG, Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R -, Rn 22; noch offengelassen in BSG, Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R -, Rn 20ff).

(cc) Das auf dieser Grundlage vom Beklagten erstellte Konzept ist schlüssig.

Das Konzept geht auf die Entscheidung des Landessozialgerichts vom 11.7.2012 - L 16 AS 127/10 bzw das im dortigen Verfahren streitige Konzept zurück, wie es im Berufungsverfahren durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen K vom 15.3.2012 zum Mietspiegel 2007 (bzw Korrekturen vom 3.4.2012 und vom 22.5.2012 zu den Bruttokaltmieten) nachvollzogen wurde. Dabei wurde auf Daten aus dem Mietspiegel 2007 zum Stichtag 1.7.2007 und zum Stichtag 1.7.2008 zurückgegriffen. Die gegen die Entscheidung des 16. Senats erhobene Revision blieb ohne Erfolg, da auch das Revisionsgericht zu dem Ergebnis kam, dass das vom Landessozialgericht gewählte Verfahren zur Überprüfung der vom Beklagten ermittelten Angemessenheitsgrenze in 2007 und 2008 den Vorgaben der bundesobergerichtlichen Rechtsprechung zum schlüssigen Konzept entspricht (vgl BSG, Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R -, Rn 28).

Der Beklagte hat dieses Konzept in der Folge in eigener Zuständigkeit von K nach denselben wissenschaftlich anerkannten statistischen Verfahren fortschreiben lassen. Dabei wurde nunmehr zwischen Neuvertragsvermietungen (Neuvermietungen innerhalb der letzten vier Jahre) und Bestandsmieten (Mietanpassungen innerhalb der letzten vier Jahre) differenziert. Im vorliegend maßgeblichen Gutachten vom 12.7.2018 wurde parallel zur Erstellung des Mietspiegels für das Jahr 2019 die Mietobergrenze für die Zeit von Oktober 2018 bis September 2019 erstellt. So ergaben sich für Ein-Personen-Haushalte bzw Wohnungen um 50 qm Bestandsmieten iHv 495,10 Euro, Mieten für Neuvermietungen iHv 603,48 Euro (jeweils 20 % Quantil) bei einem 95 %-Konfidenzintervall bei Neuvermietungen von 546,89 Euro bis 660,06 Euro monatlich bruttokalt.

Es ist zur Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden, dass nunmehr zwischen Neuvertrags- und Bestandsmieten differenziert und auf den höheren Mittelwert der Neuvertragsmieten zurückgegriffen wird, da der Wert der Neuvertragsmieten noch näher das tatsächliche Mietangebot der letzten Jahre abbildet und für den Leistungsberechtigten günstiger ist, als der Mittelwert ohne Differenzierung zwischen Neuvertrags- und Bestandsmieten. Entsprechendes gilt, soweit der Beklagte seit 1.1.2014 und damit auch im streitigen Zeitraum auf den statistisch errechneten, für die Leistungsberechtigten günstigeren oberen Wert des Konfidenzintervalls zurückgriff (vgl Urteil des Senats vom 19.12.2016 - L 7 AS 477/15), wenn er die Mietobergrenze auf 660 Euro bruttokalt monatlich festlegte. Die von der Klägerin kritisierte Berücksichtigung von sog Bestandsmieten findet damit nicht statt.

Der Rückgriff auf die Daten für die Erstellung des Mietspiegels für die Stadt M ist nicht zu beanstanden (vgl BSG, Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R -, Rn 26 f mwN). Insoweit kann die Klägerin folglich nicht mit ihrem Einwand gehört werden, dort seien Daten zu Mieten in möblierten Apartments unberücksichtigt geblieben. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin kritisiert, dass die im Konzept berücksichtigten Daten zu alt seien. Die von der Klägerin monierte Fortschreibung des Konzepts durch den Verbraucherindex (vgl hierzu BSG, Urteil vom 12.12.2017 - B 4 AS 33/16 R) in den Jahren, in denen Daten für einen Mietspiegel nicht erhoben werden, kann nicht durchgreifen, da diese für die vorliegend allein maßgebliche Angemessenheitsgrenze nicht zur Anwendung kam.

Es ist schließlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen seines Konzepts auf Daten zurückgreift, die nicht zwischen einer Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten differenzieren, sondern unmittelbar Daten zu Bruttokaltmieten nutzt, da statistische Daten zur Bestimmung der kalten Nebenkosten gerade im unteren Wohnsegment nicht vorliegen (vgl BSG, Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R -, Rn 31 mwN).

Gegen das Konzept des Beklagten kann schließlich nicht der sinngemäße Vortrag der Klägerin durchgreifen, für den vom Beklagten festgesetzten Bruttokaltmietpreis sei es tatsächlich nicht möglich, in M eine Wohnung 50 qm-Wohnung anzumieten. Nachdem die Mietobergrenze auf einem qualifizierten Mietspiegel beruht (vgl BSG, Urteil vom 10.9.2009 - B 4 AS 77/12 R -, Rn 38 mwN) und mit der dargelegten Fokussierung auf Neuvertragsmieten verstärkt auf das tatsächliche Mietangebot abstellt, ist davon auszugehen, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt.

(c) Die von der Klägerin tatsächlich geschuldeten Unterkunftskosten übersteigen die nach dem als schlüssig zu bewertenden Konzept des Beklagten angemessenen Kosten erheblich. Da der Beklagte die angemessenen Unterkunftskosten iHv 660 Euro bei der streitgegenständlichen Leistungsberechnung berücksichtigte, kommt eine Übernahme weiterer Kosten nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II nicht in Betracht.

(3.) Entsprechendes muss - nach Erlass des Änderungsbescheides vom 26.8.2021, in dem die monatlichen Leistungen für Heizung auf 77,08 Euro festgesetzt wurden - hinsichtlich der Heizkosten gelten. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die vorliegenden Rechnungen für das von der Klägerin angemietete vollmöblierte Apartment die tatsächlichen Heizkosten nicht gesondert ausweisen und diese im Hinblick auf die im streitigen Zeitraum vereinbarte Pauschalmiete auch anderweitig nicht zu ermitteln waren. Insbesondere erfolgte keine Nebenkostenabrechnung, die Rückschlüsse auf die in der Pauschalmiete enthaltenen Heizkosten zuließe.

Hieraus kann aber, insbesondere im Hinblick auf die Größe des angemieteten Apartments mit ca 37 qm und seine vollständige Ausstattung einschließlich wöchentlichem Wäschedienst, nicht geschlossen werden, dass die die Mietobergrenze übersteigenden tatsächlichen Kosten vollständig den Heizkosten zuzurechnen sind.

Finden sich damit keinerlei Anhaltspunkte für die tatsächlichen Heizkosten der Klägerin, sind diese entsprechend § 202 SGG iVm § 287 Abs 2 ZPO zu schätzen (vgl BSG, Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R -, Rn 27; zu den Kosten einer Heizpumpe BSG, Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R -, Rn 16).

Nachdem vorliegend anderweitige Bezugspunkte für eine realitätsnahe Schätzung insbesondere aufgrund fehlender Nebenkostenabrechnung nicht festzustellen sind, erscheint es sachgerecht, insoweit auf den (zum streitigen Zeitraum aktuellsten) Heizspiegel M 2018 zurückzugreifen und zugunsten der Klägerin auf die dort angegebenen höchsten (Fernwärme) oberen "erhöhte" Kosten (18,50 Euro pro qm und Jahr) abzustellen. Hieraus ergeben sich auf der Grundlage der für einen Ein-Personen-Haushalt angemessenen Quadratmeterzahl monatliche Heizkosten iHv 77,08 Euro (18,50 Euro/qm x 50 qm : 12), die der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 26.8.2021 bewilligte.

cc) Ein höherer Leistungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 22 Abs 1 S 3 SGB II. Es ist nicht festzustellen, dass es der Klägerin im Zeitraum von August 2018 bis Januar 2019 subjektiv nicht möglich oder nicht zuzumuten war, ihre Unterkunftskosten auf einen angemessenen Umfang zu reduzieren.

(1.) Nach § 22 Abs 1 S 3 SGB II sind die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, die den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der alleinstehenden Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

(2.) Es ist nicht festzustellen, dass es der Klägerin subjektiv unmöglich war, ihre Unterkunftskosten zu senken. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 27.7.2018 vom Beklagten darauf hingewiesen, dass ihre Unterkunftskosten als unangemessen bewertet und 657 Euro als angemessen betrachtet werden. Weiter wurde die Klägerin aufgefordert, ihre Kosten zu senken und dies monatlich bzw am Ende des Bewilligungszeitraums zu belegen. Soweit der Beklagte seinen Hinweis auf die aus seiner Sicht angemessene Bruttokaltmiete beschränkte und keine Angaben zur Angemessenheit der Heizkosten machte, ist dies nicht zu beanstanden, da die Angemessenheit der Heizkosten von unterschiedlichen Umständen, insbesondere der Gebäudefläche und dem eingesetzten Energieträger abhängig ist, die bei der Kostensenkungsaufforderung regelmäßig nicht bekannt sein werden. Die insoweit fehlende Kostensenkungsaufforderung führt lediglich dazu, dass zunächst die (ggf unangemessenen) tatsächlichen Heizkosten zu übernehmen sind und dann insoweit ein erneutes Kostensenkungsverfahren durchzuführen ist.

Auf dieser Grundlage war die Klägerin in die Lage versetzt, in der Zeit von August 2018 bis Januar 2019 ihre Unterkunftskosten auf einen angemessenen Umfang zu senken. Es sind keine Gründe vorgetragen oder anderweitig ersichtlich, aufgrund derer dies der Klägerin subjektiv unmöglich war.

Insoweit kann zunächst nicht berücksichtigt werden, dass in der Kostensenkungsaufforderung noch die bis September 2018 geltende Mietobergrenze (Bruttokaltmiete für einen Ei-Personen-Haushalt iHv 657 Euro monatlich) und nicht die letztlich für den streitigen Zeitraum maßgeblichen 660 Euro monatlich angegeben waren, nachdem nicht festzustellen ist, dass die Klägerin durch die Differenz iHv 3 Euro monatlich in ihrer Suche nach angemessenem Wohnraum (in wesentlichem Umfang) beschränkt war (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 21.7.2021 - B 14 AS 31/20 R -, Rn 50 mwN).

Es ist nicht festzustellen, dass sich die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum von August 2018 bis Januar 2019 adäquat um eine Senkung ihrer Unterkunftskosten bemüht hat. Hierzu hat die Klägerin im Verwaltungsverfahren angegeben, dass sie sich zunächst um ihre Krankenversicherung und später um ihre Jobsuche gekümmert habe. Ihre Anfrage um Verlängerung der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten über Januar 2019 hinaus begründete die Klägerin sinngemäß damit, ihren Focus noch bis Mai 2019 auf die Jobsuche und erst danach auf die Senkung ihrer Unterkunftskosten legen zu wollen. Soweit die Klägerin im weiteren Verlauf vortrug, sich fortgesetzt ab Juni 2018 um eine Wohnung bemüht zu haben zu wollen, überzeugt dies letztlich nicht, bleibt sie doch trotz Vorhalt des Beklagten eine Aufklärung der Widersprüchlichkeit ihrer Angaben schuldig. Dies gilt insbesondere, soweit die Klägerin im Januar 2019 angab, sich ab Mai 2019 um eine Kostensenkung bemühen zu wollen, und davon ausgehe, dass dies dann bis Ende des Jahres gelingen sollte. Tatsächlich ist der Klägerin eine Kostensenkung im August 2019 gelungen. Letztlich hat die Klägerin die vom Beklagten von Anfang an erbetene Dokumentation ihrer Suche zu keinem Zeitpunkt vorgelegt. Die mit Schreiben vom 25.10.2019 getätigten Angaben bleiben mit zehn konkret angegebenen Bemühungen über einen Zeitraum von sechs Monaten weit hinter dem zurück, was einer Leistungsberechtigten ohne feststellbare Einschränkungen zur Überzeugung des Gerichts möglich ist. Auch die (kurzfristige) Beantragung einer Sozialwohnung wurde nicht belegt. Sind bereits hinreichende Bemühungen der Klägerin um eine Kostensenkung in der Zeit von August 2018 bis Januar 2019 nicht festzustellen, kann dahinstehen, ob die in dieser Zeit der Klägerin (lediglich) über einen Zeitraum von acht Monaten (Laufzeit ab Erlass: 5,5 Monate) ausgestellte vorläufige Bewilligung hinreichenden Bemühungen den Erfolg versagt hätte. Hiergegen dürfte sprechen, dass die Klägerin im Folgebewilligungszeitraum mit einer lediglich sechs Monate umfassenden vorläufigen Bewilligung eine angemessene Wohnung finden konnte. Eine vorläufige Bewilligung über einen Zeitraum von sechs Monaten entspricht schließlich regelmäßig der Situation von Leistungsberechtigten, die sich aufgrund unangemessener Unterkunftskosten um Kostensenkung zu bemühen haben (vgl § 41 Abs 3 S 2 Nr 2 SGB II).

(3.) Gründe, aus denen eine Senkung der Unterkunftskosten der Klägerin im Zeitraum von August 2018 bis Januar 2019 unzumutbar gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich. Insoweit kann insbesondere nicht berücksichtigt werden, dass die Klägerin sich neben der Wohnungssuche noch um andere Angelegenheiten im Zusammenhang mit ihrem gerade anlaufenden Leistungsbezug zu kümmern hatte (Krankenversicherung) und sich gleichzeitig um die Aufnahme einer Beschäftigung bemühte. Denn beides dürfte auf die weit überwiegende Mehrheit der Leistungsberechtigten zutreffen bzw vom Gesetzgeber bereits berücksichtigt worden sein, als er die Zeit für die Kostensenkung gesetzlich auf "in der Regel jedoch längstens für sechs Monate" festlegte (vgl § 22 Abs 1 S 3 SGB II). Gründe, die über Januar 2019 hinaus eine ausnahmsweise Übernahme der erheblich unangemessenen Kosten begründen könnten, sind nicht ersichtlich.

c) Nachdem im streitigen Zeitraum bereits die laufenden Kosten für die von der Klägerin bewohnte Unterkunft die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs 1 S 1 SGB II bei Weitem überstiegen, scheidet auch hier eine Berücksichtigung der Einlagerungskosten als Unterkunftsbedarf aus. Insoweit ist auf die Ausführungen unter 4. zu verweisen. Soweit die Klägerin sinngemäß geltend macht, dass die Kosten der Einlagerung zu übernehmen seien, da sie aufgrund des Verhalten des Beklagten an einer Kostensenkung gehindert war, kann auch dies einen weitergehenden Anspruch der Klägerin auf höhere Leistungen für die Unterkunft nicht begründen. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Beklagte eine ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber der Klägerin obliegende Haupt- oder Nebenpflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), nicht ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Eine Pflichtverletzung ergibt sich insbesondere nicht aus der sinngemäßen Verweigerung der Bewilligung von Leistungen für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten, wie sich aus § 41 Abs 3 S 2 SGB II ergibt, wonach der Bewilligungszeitraum insbesondere in den Fällen regelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden soll, in denen über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden wird oder die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung unangemessen sind.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

 

Rechtskraft
Aus
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