1. Die Übertragung der den Pflegekassen obliegenden Aufgaben nach dem SGB XI im Rahmen des sog. Outsourcing auf private Dienstleister ermangelt einer hierzu ermächtigenden Rechtsgrundlage. Insbesondere die für die Gesetzliche Krankenversicherung geltende Regelung des § 197b SGB V (Aufgabenerledigung durch Dritte) ist im Rahmen der Sozialen Pflegeversicherung nicht anwendbar. 2. Die von den Pflegekassen zu erbringenden Arbeitsschritte im Zusammenhang mit Beratungseinsätzen (§ 37 Abs. 3 SGB XI), Verhinderungspflege (§ 39 SGB XI) und zusätzlichen Betreuungsleistungen (Entlastungsbetrag gem. § 45b SGB XI) berühren zudem das der Steuerung der Leistungserbringung dienende Fall- bzw. Leistungsmanagement und können daher als wesentliche Aufgaben zur Versorgung der Versicherten i.S. von § 197b Satz 2 SGB V nicht auf Dritte übertragen werden.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung über einen aufsichtsrechtlichen Verpflichtungsbescheid.
Die Klägerin wurde nach einer Fusion zum 1.1.2022 Rechtsnachfolgerin der im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung als Trägerin (§ 1 Abs. 3 SGB XI) tätigen konzerninternen J. (im Folgenden: K.) mit seinerzeit ca. 56.000 Versicherten und Sitz in Celle/Niedersachsen.
Im Dezember 2017 unterrichtete die K. die Beklagte unter Vorlage eines (noch nicht unterschriebenen) Dienstleistungsvertrages „Pflegekasse“ mit einer Laufzeit vom 2.1.2018 bis 31.3.2018 über die geplante Übertragung von unterstützenden, zunächst nicht weiter konkretisierten Aufgaben im Bereich der Pflege auf das in L.. ansässige private Dienstleistungsunternehmen M. (im Folgenden: N.). Wegen stark steigender Fallzahlen und Personalausfällen sowie einer Umbesetzung in der Fachteamleitung seien erhebliche Rückstände aufgelaufen, deren Bearbeitung ausgelagert werden solle. Die Fallentscheidung bleibe der K. vorbehalten. Die Beklagte bat um Übersendung ergänzender Vertragsunterlagen, aus denen hervorgehe, welche Aufgaben der Dienstleister übernehmen solle, und teilte der K. zugleich mit, dass sachbearbeitende Aufgaben der Leistungsgewährung mit Kundenkontakt als Kernaufgaben der gesetzlichen Krankenkassen einem Outsourcing auf private Dienstleister grundsätzlich nicht zugänglich seien. Beabsichtigt sei offenbar die Bearbeitung von Fallakten im Kundenservice-Center des Dienstleisters. Nur im Hinblick auf die Behebung eines kurzfristigen personellen Engpasses werde von einer Beanstandung vorerst abgesehen.
Im März 2018 teilte die K. der Beklagten mit, dass aufgrund ihrer aktuellen Personalsituation eine weitere Unterstützung durch die N. bis zum 30.6.2018 vereinbart worden sei. Ausweislich der (nunmehr erstmals) vorgelegten „Prozessbeschreibung“ übernehme der Dienstleiter u.a. Aufgaben im Zusammenhang mit Beratungseinsätzen (§ 37 Abs. 3 SGB XI), Verhinderungspflege (§ 39 SGB XI) und zusätzlichen Betreuungsleistungen (Entlastungsbetrag gem. § 45b SGB XI). Im Juli 2018 informierte die K. die Beklagte darüber, dass sie den Vertrag mit dem Dienstleister wie vorgesehen beendet habe, jedoch mit diesem befristet bis zum 31.12.2018 weiter zusammenarbeiten werde. Die Zusammenarbeit beschränke sich auf die Prüfung und Begleichung von Rechnungen in den Bereichen Beratungseinsätze, Verhinderungspflege und Entlastungsleistungen.
Per E-Mail teilte die K. der Beklagten am 19.12.2018 mit, dass nach einer aktuellen Analyse eine weitere Verlängerung des Vertrages notwendig sei. Die Beklagte antwortete hierauf im Juni 2019, dass eine dauerhafte Tolerierung dieser Verfahrensweise nicht in Betracht komme. Eine weitere Zusammenarbeit sei allenfalls dann denkbar, wenn die N. ausschließlich fiskalische Aufgaben außerhalb der Sachbearbeitung ohne Kontakt zu Versicherten wie Postdienstleistungen (Scannen und Indizieren der Eingangspost), Datenannahme und ‑aufarbeitung oder nachträgliche Rechnungsbearbeitung im Verhältnis der Krankenkasse zu Leistungserbringern übernehme. Die K. legte der Beklagten sodann den im August 2018 mit der N. für eine Geltungsdauer vom 2.7. bis 31.12.2018 geschlossenen Dienstleistungsvertrag „Pflege“ mitsamt einer zum Bestandteil des Vertrages gemachten „Prozessbeschreibung“ vor (Bl. 86, 108 ff. d. Verwaltungsakte) und teilte ihre Absicht mit, diesen Vertrag bis zum 30.9.2020 fortzuführen. Betroffen von der Auslagerung seien lediglich zulässige Hilfstätigkeiten, nämlich die Prüfung und Begleichung von Vertragspartnerrechnungen in den Bereichen Beratungseinsätze, Verhinderungspflege und Entlastungsleistungen.
Der Aufforderung der Beklagten zur Kündigung des Vertrages, da es sich bei den vertragsgegenständlichen Leistungen des Dienstleisters um sachbearbeitende Tätigkeiten innerhalb des Kostenerstattungsverfahrens und damit innerhalb der Leistungsgewährung handele, die zum Kernbereich der Versorgung der Versicherten gehören, die nach § 197b SGB V nicht auf private Dritte ausgelagert werden können (Verweis auf Landessozialgericht –LSG- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.3.2019 – L 9 KR 54/16 KL -, bestätigt durch Bundessozialgericht –BSG-, Urteil vom 8.10.2019 – B 1 A 3/19 R), kam die K. auch nach einer mit Schreiben vom 17.12.2019 erfolgten aufsichtsrechtlichen Beratung der Beklagten gem. § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nicht nach. Sie vertrat vielmehr die Auffassung, dass sie keine wesentlichen Aufgaben der Versorgung der Versicherten an die N. übertragen habe.
Mit Bescheid vom 13.3.2020 verpflichtete die Beklagte daraufhin die K. gem. § 89 Abs. 1 Satz 2, § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, den Dienstleistungsvertrag „Pflegekasse“ mit der Firma O. zur Durchführung von Unterstützungsleistungen im Bereich der Pflegesachbearbeitung unverzüglich nach Nr. 10 des Vertrages außerordentlich zu kündigen. Zur Begründung führte sie aus, dass sich das aufsichtsrechtliche Verfahren nicht durch die Befristung des Vertrages bis zum 30.9.2020 erledige. Die K. habe bereits mehrfach eine Beendigung des Vertrages nach Ablauf der jeweils aktuellen Befristung in Aussicht gestellt und dann die Zusammenarbeit weiter fortgesetzt. Der auf das Outsourcing von Aufgaben der Sachbearbeitung im Leistungsbereich nach § 1 Abs. 3 SGB XI, § 197b SGB V in Verbindung mit § 97 SGB X gerichtete Vertrag sei rechtswidrig. Er verstoße gegen § 197b Satz 2 SGB V, wonach wesentliche Aufgaben der Versorgung der Versicherten nicht in Auftrag gegeben werden dürften. Hierzu gehöre die Bearbeitung von Leistungsanträgen der Versicherten. Nicht dem Kernbereich der Versorgung der Versicherten unterfielen regelmäßig Outsourcing-Verträge zu Rechnungsprüfung und -bearbeitung, die Versicherungsträger mit Dienstleistern schlössen, und in denen es um den Sachleistungsbereich gehe, in dem diese Aufgaben ausschließlich das Verhältnis zwischen Versicherungsträger und zugelassenem Leistungserbringer beträfen. Hier sei nicht der Kernbereich der Versorgung der Versicherten betroffen, da für diese die Leistungen unabhängig von einer nachrangigen Rechnungsprüfung gewährt würden. Dies sei jedoch bei Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI und bei Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI nicht der Fall. Hierbei handele es sich um Leistungen, die nach dem Kostenerstattungsverfahren gewährt würden, bei denen also der Versicherte die ihm entstandenen Rechnungen zur Gewährung einer Kostenerstattung bei der Pflegekasse einreiche. Dienstleister dürften hier in keiner Weise an der Sachbearbeitung beteiligt werden, auch nicht durch eine Prüfung von Rechnungen im Kostenerstattungsverfahren. Eine Zusammenarbeit mit privaten Dienstleistern komme ausschließlich bei in keiner Weise durch Bearbeitung von Daten oder deren Selektion in den Entscheidungsprozess der Sachbearbeitung eingreifenden fiskalischen Leistungen außerhalb der Sachbearbeitung, wie dem Scannen und Indizieren der Eingangspost sowie der Datenannahme, in Betracht. Jeder Prüfungsschritt, der die Kostenerstattungsfähigkeit der Leistungen betreffe, sei dagegen unzulässige Sachbearbeitung. Da die Prozesse der Entlastungsleistungen und der Verhinderungspflege ausweislich der vorgelegten Prozessbeschreibung eine Anspruchsprüfung beinhalteten und der K. lediglich eine abschließende Entscheidung über die Kostenerstattung vorbehielten, habe dies unmittelbare Auswirkungen für die Versicherten und betreffe den Kernbereich der Versorgung. Gleiches gelte für die Abrechnung der Beratungseinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB V, die zwar keine Erstattung an den Versicherten beinhalteten aber aufgrund der Feststellungen des Dienstleisters zu einer Kürzung des Pflegegeldes führen könnten.
Weder der Wortlaut des § 197b SGB V noch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/3100, S. 159), der zufolge „Kernaufgaben zur Erfüllung der Versorgungsansprüche der Versicherten“ nicht übertragen werden dürften, lieferten Hinweis auf eine restriktivere Auslegung des Begriffes „wesentliche Aufgaben“. Für die Unzulässigkeit der vorliegend streitigen Aufgabenübertragung spreche auch, dass es eine § 197b SGB V entsprechende Vorschrift im SGB XI nicht gebe. Zudem widerspreche der Vertrag auch datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V und § 94 SGB XI. Der Erlass des Verpflichtungsbescheides sei schließlich notwendig und verhältnismäßig, um die Rechtsverletzung abzustellen und deren Wiederholungen zu vermeiden. Das nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auszuübende Ermessen werde dahingehend ausgeübt, dass die Vermeidung von Nachahmung, datenschutzrechtliche Bestimmungen sowie das öffentliche Interesse an der Erfüllung der den Pflegekassen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben durch die K. selbst deren wirtschaftliche Interessen überwöge.
Die K. hat gegen den ihr am 17.3.2020 zugestellten Bescheid am 15.4.2020 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass der streitgegenständliche Vertrag mit der N. nach Auslaufen zum 30.9.2020 nicht verlängert worden sei. Soweit sich hieraus eine Erledigung der Anfechtungsklage ergebe, werde diese als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt. Ihr berechtigtes Interesse hieran liege darin, dass sich in naher Zukunft bei Auftragsspitzen erneut die Notwendigkeit ergeben könnte, für die vorliegend in Rede stehenden Teile der Verwaltungstätigkeit private Dienstleister heranzuziehen. Auf die N. seien die folgenden vorbereitenden Hilfstätigkeiten übertragen worden:
- Öffnen des eingegangenen, vorher im Scanzentrum der K. digitalisierten und klassifizierten Vorganges und der Rechnung durch Eingabe der Krankenversicherungsnummer des Versicherten im Datenverarbeitungssystem
- Prüfung der für Leistungsgewährung an den Pflegedienst erforderlichen versicherungs- und leistungsrechtlichen Voraussetzungen
45b SGB XI:
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- Handelt es sich inhaltlich um die Leistungsart „Entlastungsleistungen“?
- Ist der Pflegedienst zur Abrechnung der Leistung berechtigt?
- Sind die Rechnungsunterlagen vollständig eingereicht und formal korrekt? (z.B. Prüfung von Zeitraum, Unterschrift, IK-Nummer)
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- Handelt es sich inhaltlich um die Leistungsart „Verhinderungspflege“?
- Sind die Rechnungsunterlagen vollständig eingereicht und formal korrekt?
- Sind die Prüfkriterien des § 39 SGB XI erfüllt (z.B. Verwandtschaftsgrad, Pflegegrad, Pflege in häuslicher Umgebung)?
§ 37 SGV XI:
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- Handelt es sich inhaltlich um die Leistungsart „Beratungseinsatz“?
- Sind die Rechnungsunterlagen vollständig eingereicht und formal korrekt?
- Sind die Prüfkriterien des § 37 SGB XI erfüllt (z.B. Intervall je nach Pflegegrad)?
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- §§ 45b, 39 SGB XI: Prüfung von Restleistungsansprüchen (ergibt die Vorprüfung durch den Sachbearbeiter der N., dass kein offenes Budget verfügbar ist, wird der Vorgang mit einem Hinweis auf die Sachlage an den Sachbearbeiter der K. übermittelt, der die abschließende Bearbeitung inklusive Bescheiderteilung vornimmt. Spezielle Fallkonstellationen mit erhöhtem Bearbeitungsaufwand werden routinemäßig an die Sachbearbeiter der K. abgegeben, z.B. Kürzung des Pflegegeldes bei Wahl von Kombinationsleistungen …)
- § 37 SGB XI: Prüfung der Tatbestandsmerkmale zur Erstattung (ergibt die Prüfung, dass vom Pflegegrad abhängige gesetzliche Beratungsintervalle nicht eingehalten wurden, Übermittlung des Vorganges „über die Aufgabenliste“ zur abschließenden Bearbeitung und evtl. Kürzung des Pflegegeldes an Sachbearbeiter der K.)
- Erfassung des Ergebnisses der Prüfung (besteht ein „aktiver“ Leistungsanspruch, werden die relevanten Rechnungsdaten versichertenbezogen im Datensystem erfasst)
- Zahlungsvorbereitung (Erstattungen an die Versicherten erfolgen nicht durch die N.).
Die Auslagerung dieser Aufgaben sei angesichts des sich aus demografischen Gründen und den Pflegestärkungsgesetzen ergebenden ansteigenden Fallvolumens um 20 Prozent und der sich hieraus erhöhenden Arbeitslasten, die nach altersbedingtem Ausscheiden von qualifizierten Mitarbeitern durch den eigenen Personalstamm nicht mehr zu bewältigen seien, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch im wohlverstandenen Interesse der Versicherten geboten gewesen. Die K. sei nach § 12 SGB XI für die Sicherstellung der pflegenden Versorgung verantwortlich und trage die Verantwortung dafür, das Volumen der von ihr vereinnahmten Beiträge durch Verwaltungs- und insbesondere Sachbearbeitungskosten nicht zu überschreiten. Eine „Verschlankung“ des Verwaltungsapparates durch Kooperationen zwischen den Trägern der Kranken- und Pflegeversicherung und privaten Leistungserbringern trage dieser Verantwortung und der Komplexität moderner Industriegesellschaften Rechnung.
Die vorliegend übertragenen Aufgaben seien nicht als „wesentliche Aufgaben“ i.S. der auch im Recht der Pflegeversicherung anzuwendenden Regelung des § 197b Satz 2 SGB V bzw. als nicht an Dritte auszulagernde „Kernaufgaben“ gemäß der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift zu qualifizieren. Kernaufgaben in diesem Sinne könne nicht jegliche Sachbearbeitung sein, sondern nur eine solche, die z.B. ein spezifisches „Knowhow“ und auch das spezifische Instrumentarium der Kassen erfordere. Das Outsourcing an die N. habe sich auf die Rechnungsprüfung im Kostenerstattungsverfahren für Beratungseinsätze, Verhinderungspflege und Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI beschränkt und insofern nicht zum Leistungsmanagement der Klägerin, d.h. der Ausgestaltung, Bewilligung oder Ablehnung von Leistungen, gehört. Unmittelbare Auswirkungen für Versicherte hätten sich hieraus auch bei der Abrechnung von Beratungseinsätzen gem. § 37 Abs. 3 SGB XI nicht ergeben. Leistungsansprüche der Versicherten seien durch die Bezahlung einer Rechnung des Pflegedienstes nicht betroffen gewesen. Zu einer Kürzung des Pflegegeldes habe es allein durch die Beurteilung einer Pflegekasse kommen können.
Bei Auslegung des § 197b Satz 2 SGB V sei auch der Verweis auf die §§ 89 bis 92, 97 SGB X durch § 197b Satz 3 SGB V zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber akzeptiere in § 97 SGB X, dass aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Effizienz Aufgaben der Krankenkassen durch Dritte wahrgenommen werden könnten, die sogar Aufträge aufnehmen, Bescheide erteilen und Widersprüchen abhelfen könnten. Zu berücksichtigen sei des Weiteren die Regelung des § 33 Abs. 5b SGB V, mit der die Krankenkassen dazu verpflichtet würden, den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. In anderen Fällen könne mithin die Bearbeitung durch Dienstleister erfolgen.
Die seitens der Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des BSG vom 8.10.2019 betreffe lediglich das (nicht auf Dritte übertragbare) Fallmanagement der Beratung von Versicherten im Rahmen eines Modellvorhabens und sei auf den vorliegenden Fall mit hier in Streit stehenden Hilfstätigkeiten nicht übertragbar. Die Aufgabenübertragung verstoße auch nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen zum Schutze der Versicherten. Die N. sei lediglich im Rahmen der Abrechnung bzw. der Rechnungsprüfung tätig geworden und habe hierbei den gesetzlichen Datenschutz gewährleistet.
Die Beklagte habe außerdem das ihr obliegende Ermessen bei Erlass des Verpflichtungsbescheides nicht fehlerfrei ausgeübt. Die entsprechenden Ausführungen enthielten keine Ermessensausübung, sondern suggerierten eine Verpflichtung der Beklagten zur erfolgten Entscheidung. Die angeführte Nachahmungsgefahr ersetze nicht die Ermessensausübung. Einzubeziehen seien diesbezüglich vielmehr das mit einer Aufgabenübertragung verbundene Ausmaß der Betroffenheit der Versicherteninteressen, die Verfahrensbeschleunigung, die Qualitätssicherung beim Dienstleister, die Wirtschaftlichkeit, die Anforderungen des Bundesrechnungshofes an eine wirtschaftliche Verwaltung, die aus anderen gesetzlichen Bestimmungen erkennbar werdenden Signale des Gesetzgebers für die Auslegung des Tatbestandes „wesentliche Aufgaben“ sowie die Unterschiede zwischen der Sachbearbeitung bei Verhinderungspflege und Beratungseinsätzen nach dem SGB XI und der Sachbearbeitung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13.3.2020 aufzuheben,
hilfsweise,
festzustellen, dass der Bescheid vom 13.3.2020 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den streitgegenständlichen Verpflichtungsbescheid und bekräftigt, dass es sich bei den von der K. auf die N. übertragenen Aufgaben nicht lediglich um Hilfstätigkeiten bei der Prüfung und Begleichung von Rechnungen gehandelt habe, die von § 197b Satz 2 SGB V nicht berührt würden. Jeder, nicht nur ein abschließender Prüfschritt, der die Kostenerstattungsfähigkeit von den Versicherten im Einzelfall zu erbringende Leistungen betreffe, stelle eine unzulässige Sachbearbeitung wesentlicher Aufgaben dar. Entgegen der Rechtsansicht der K. bzw. der Klägerin, sei das Urteil des BSG vom 8.10.2019, laut dem es nicht darauf ankomme, ob eine ausgelagerte Leistung – wie vorliegend - als bloße „Unterstützungsleistung“ deklariert werde, auf den vorliegenden Fall anwendbar. Die tatsächliche Leistungsgewährung könne keinen geringeren Schutzstatus genießen, als die Beratung über Leistungen und Versorgungsformen. Das BSG habe bereits mit Urteil vom 31.5.2016 (B 1 A 2/15 R, juris Rn. 15) festgestellt, dass die Leistungsgewährung an Versicherte eine Kernaufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidung geworden sind.
Entscheidungsgründe
Das erkennende Gericht ist nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 SGG funktionell und nach § 57 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. SGG örtlich zuständig. Die Klägerin ist ein Sozialversicherungsträger und hatte zum Zeitpunkt der Klageerhebung ihren Sitz in Celle/Niedersachsen (§ 1 der Satzung der Klägerin vom 12.8.2009 in der Fassung des 4. Nachtrags vom 1.7.2014).
Einer notwendigen Beiladung der N. gem. § 75 Abs. 2, Alt. 1 SGG bedarf es nicht. Diese ist an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt, als dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Der streitgegenständliche aufsichtsrechtliche Verpflichtungsbescheid erschöpft sich in der Wahrung der Gleichgewichtslage zwischen Staat und Klägerin als Selbstverwaltungskörperschaft. Er ist nicht dazu bestimmt, (auch) dem Individualinteresse Einzelner zu dienen und greift insofern nicht unmittelbar in die Rechtsphäre der N. als privatem Dienstleister ein (vgl. BSG, Urteil vom 8.10.2019, a.a.O, juris Rn. 8 m.w.N.).
Die Klage ist unzulässig, sofern die Klägerin den Bescheid der Beklagten vom 13.3.2020 im Wege der Aufsichtsklage (§ 54 Abs. 3 SGG) angefochten hat. Die mit dem Bescheid vorgenommene Verpflichtung der K., den von ihr mit der N. im August 2018 geschlossenen Dienstleistungsvertrag „Pflegekasse“ unverzüglich außerordentlich zu kündigen, hat sich bereits vor der mündlichen Verhandlung des Senats – maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer Verpflichtungsanordnung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (BSG, Urteil vom 8.10.2019, a.a.O., juris Rn. 9) - durch Zeitablauf erledigt. Die Klägerin hat den streitgegenständlichen Vertrag nach dessen Auslaufen zum 30.9.2020 nicht verlängert. Der Vertrag kann seitdem das Recht nicht mehr verletzen (§ 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) und entfaltet auch anderweitig keinerlei Rechtswirkungen mehr, sodass sich die Verfügung der Beklagten durch Zeitablauf erledigt hat (§ 39 Abs. 2 SGB X).
Zulässig ist die Klage hingegen, soweit die Klägerin sich hiermit hilfsweise im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) gegen die mit dem Bescheid der Beklagten vom 13.3.2020 verfügte Verpflichtung der K. zur Kündigung des mit der N. geschlossenen Vertrages wendet. Eine Umstellung von einer Aufsichtsklage als besondere Form der Anfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist grundsätzlich zulässig. Dabei handelt es sich nicht um eine Klageänderung (§ 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG).
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig, wenn sich ein Verwaltungsakt, der mit einer Anfechtungsklage angegriffen war, erledigt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Auflage 2020, § 131 Rn. 9 ff). Hierbei muss es sich nicht unbedingt um ein rechtliches Interesse handeln, vielmehr ist auch ein wirtschaftliches Interesse ausreichend. Ein berechtigtes Interesse in diesem Sinne ergibt sich vorliegend aus dem plausiblen Vortrag der Klägerin, dass sich bei ihr zukünftig mit einiger Wahrscheinlichkeit, z.B. wegen personeller Engpässe und gestiegener Arbeitsvolumina, abermals das Erfordernis einer (dann beabsichtigten) Übertragung von Aufgaben der sozialen Pflegeversicherung an einen privaten Dienstleister in dem vorliegend streitig gewesenen Rahmen ergeben werde und sie in diesem Falle einer Wiederholung der am 13.3.2020 verfügten Aufsichtsanordnung der Beklagten ausgesetzt wäre.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13.3.2020 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die in dem o.g. Bescheid enthaltene Aufsichtsanordnung der Beklagten an die Klägerin ist formell rechtmäßig ergangen. Das Bundesamt für Soziale Sicherung ist als Behörde der Beklagten nach § 90 Abs. 1 SGB IV die für die Klägerin bzw. deren Rechtsnachfolgerin als Sozialversicherungsträger, dessen Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt (bundesunmittelbarer Versicherungsträger), zuständige Aufsichtsbehörde. Sie kann gem. § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nach vorheriger, erfolglos verlaufener Beratung nach pflichtgemäßem Ermessen die Verpflichtung aussprechen, eine festgestellte Rechtsverletzung zu beheben. Das hierfür gesetzlich vorgesehene, zeitlich und in seiner Intensität abgestufte Verfahren wurde vorliegend eingehalten. Vor Erlass der streitgegenständlichen Aufsichtsanordnung erfolgten mehrfach Hinweise zur Beratung der K. und (erfolglose) Aufforderungen der Beklagten zur Beendigung des Vertrages.
Die Beklagte hat sich bei ihrer Anordnung zudem auf die Rechtsaufsicht nach § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IV beschränkt und nicht fachaufsichtsrechtlich Umfang und Zweckmäßigkeit von Maßnahmen zum Gegenstand ihrer staatlichen Überwachungstätigkeit gemacht (vgl. BSG, Urteil vom 22.3.2005 – B 1 A 1/03 R, juris Rn. 33).
Die Verpflichtungsanordnung vom 13.3.2020 ist auch materiell rechtmäßig ergangen. Der Prüfungsmaßstab, nach dem sich die Beklagte als Aufsichtsbehörde zu richten hat, ergibt sich aus den rechtlichen Vorgaben für das Verhalten der K. im Zusammenhang mit dem zwischen ihr und der N. geschlossenen Vertrag über die Durchführung von Unterstützungsleistungen im Bereich der Pflegesachbearbeitung. Die Beklagte ist dabei zu Recht davon ausgegangen, dass die K. mit ihrem Handeln Rechtsverstöße begangen hat. Der Grundsatz maßvoller Ausübung der Rechtsaufsicht und das der Klägerin wie ihrer Rechtsnachfolgerin als Träger mittelbarer Staatsverwaltung zustehende Selbstverwaltungsrecht (vgl. § 29 SGB IV) gebieten es in diesem Zusammenhang, der beaufsichtigten Körperschaft einen gewissen Bewertungsspielraum zu belassen (BSG, Urteil vom 22.3.2005, a.a.O, m.w.N.). Verwendet das Gesetz daher z. B. einen unbestimmten Rechtsbegriff, der mehrere Auslegungen zulässt und dessen Auslegung in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist, bedarf ein aufsichtsrechtliches Einschreiten regelmäßig einer besonderen Rechtfertigung. Der Bewertungs- bzw. Beurteilungsspielraum des Beaufsichtigten endet allerdings dort, wo er gegen allgemein anerkannte Maßstäbe verstoßen hat, die diesen Spielraum einengen oder ausschließen. Erst eine entsprechende Grenzüberschreitung stellt eine Rechtsverletzung i.S. von § 89 SGB IV dar (vgl. BSG, Urteile vom 20.6.1990 - 1 RR 4/89 - und vom 11.8.1992 - 1 RR 7/91 – m.w.N.). Bewegt sich das Handeln oder Unterlassen des Versicherungsträgers dagegen nicht im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren, sind förmlichen Aufsichtsmaßnahmen, die dieses beanstanden, rechtmäßig. So verhält es sich im vorliegenden Fall.
Die K. war zu der vorliegend streitigen Übertragung von Aufgaben der ihr gegenüber den Versicherten obliegenden Leistungen nach den §§ 45b, 39, 37 Abs. 3 SGB XI nicht berechtigt. Es fehlt diesbezüglich bereits an einer hierzu ermächtigenden Rechtsgrundlage.
Die Träger der Sozialversicherung dürfen nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden (§ 30 SGB IV). Das SGB XI enthält keine Bestimmung, die eine Übertragung der den Pflegekassen obliegenden Aufgaben im engeren oder auch nur weiteren Zusammenhang mit Leistungen der Verhinderungspflege, dem Entlastungsbetrag und Beratungsbesuchen auf private Dritte ermöglicht. Im Siebten Kapitel des SGB XI werden lediglich Beziehungen der Pflegekassen zu den Leistungserbringern (ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen) und die mit diesen zu schließenden Versorgungsverträge und Vergütungsvereinbarungen behandelt. Eine gemeinsame Aufgabenerledigung wird in § 12 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB XI i.V.m. § 94 SGB X nur in der Zusammenarbeit mit örtlichen und regionalen Arbeitsgemeinschaften ermöglicht. Unter den Voraussetzungen des § 88 SGB X können (lediglich) andere Leistungsträger und Verbände mit Aufgaben der sozialen Pflegeversicherung betraut werden. Die gesetzlichen Bestimmungen der § 7a Abs. 8 und § 7b Abs. 2 SGB XI eröffnen im Rahmen der Pflegeberatung die Möglichkeit zu Kooperationen mit anderen Trägern und vertragliche Vereinbarungen mit unabhängigen, neutralen Beratungsstellen; § 7a Abs. 1 Satz 8 SGB XI ermöglicht (nur) diesbezüglich sogar eine Übertragung des Fallmanagements auf Dritte (z.B. gemeinnützige und freie Organisationen und Einrichtungen gem. § 17 Abs. 3 SGB I). Eine Vorschrift entsprechend § 197b SGB V, die generell bzw. im Zusammenhang mit den §§ 45b, 39, 37 Abs. 3 SGB XI eine Aufgabenübertragung nicht nur auf Arbeitsgemeinschaften und andere Träger oder Verbände, sondern auch auf private Dritte erlaubt, enthält das SGB XI hingegen nicht.
Auch ein Verweis auf die Ermächtigung zur Aufgabenübertragung gem. § 197b SGB V findet sich im SGB XI - anders als z.B. für die Anwendung der §§ 143 bis 170 SGB V (Organisation) durch § 46 Abs. 5 SGB XI oder für die §§ 227 ff., 384 ff SGB V (Erhebung von Beiträgen) durch §§ 54, 57 SGB XI - nicht. Soweit die Klägerin diesbezüglich auf § 1 Abs. 3 SGB XI verweist, ergibt sich aus dieser Regelung lediglich, dass die Aufgaben der Pflegekassen als Träger der in § 1 Abs. 1 SGB XI als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung bzw. „fünfte Säule“ der sozialen Sicherung bezeichneten gesetzlichen Pflegeversicherung von den Krankenkassen (§ 4 SGB V) wahrgenommen werden. Eine Ermächtigung zur generellen Übertragung von Aufgaben aus dem Gebiet der sozialen Pflegeversicherung unter Rückgriff auf die Bestimmungen des die gesetzliche Krankenversicherung regelnden SGB V ergibt sich hieraus indes nicht. Pflegekassen sind vielmehr nach § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB XI als Körperschaften des öffentlichen Rechts Träger eigener Rechten und Pflichten. Sie sind dem Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung zuzuordnen und werden in funktionaler Selbstverwaltung tätig. Soweit sie sich gem. § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB XI der Organe sowie des Personals und der Infrastruktur der Krankenkassen bedienen, soll dies nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 12/5652, S. 117) ein einheitliches Vorgehen sichern und Reibungsverluste zu den Krankenkassen vermeiden, die im Übrigen auch Arbeitgeber der für die Pflegekassen tätigen Mitarbeiter sind. Gleichwohl handeln die Krankenkassen und die Pflegekasse stets als eigene, auch finanziell streng getrennte Rechtsträger. § 46 Abs. 2 Satz 3 SGB XI sieht vor, dass für die Pflegekassen kein eigenes Verwaltungspersonal anzustellen, sondern das Verwaltungspersonal der Krankenkasse zu nutzen ist. Dies verpflichtet einerseits die Krankenkassen, die personellen Voraussetzungen für die Durchführung der Aufgaben der Pflegekasse zu schaffen, und verbietet andererseits den Pflegekassen, Arbeits- und Dienstverhältnisse zur Wahrnehmung ihrer Verwaltungsaufgaben zu begründen (Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, August 2021, 112. Ergänzungslieferung, § 46 SGB XI Rn. 12).
Für die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung ihrer Versicherten sind die Pflegekassen nach § 12 Abs. 1 SGB XI somit in erster Linie selbst verantwortlich. Auch wenn sie bei ihrer Arbeit mit allen an der pflegerischen, gesundheitlichen und sozialen Versorgung Beteiligen und anderen Trägern partnerschaftlich zusammenwirken (§ 12 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SGB XI), fehlt es doch gleichwohl sowohl – wie ausgeführt - an einer ausdrücklichen Ermächtigung zur Aufgabenübertragung an Private im SGB XI als auch an einem Verweis auf eine (entsprechende) Anwendung der Ermächtigungsnorm des § 197b SGB V (vgl. etwa § 26 Abs. 3 Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte - KVLG 1989 -). Die Übertragung von Aufgaben der Pflegeversicherung an private Dritte, die im Übrigen auch durch die Satzung der K. nicht ausdrücklich erlaubt wurde, ist mithin trotz aller hiermit nicht in Abrede zu stellenden Vorteile insbesondere hinsichtlich einer Verschlankung bei der Abarbeitung sich aus dem umfänglichen Leistungskatalog des SGB XI ergebenden Arbeitsaufträge (vgl. hierzu Prof. Dr. Thüsing/Pötters, Outsourcing gem. § 197b SGB V: Möglichkeiten und Grenzen einer Aufgabenerledigung durch Dritte, SGb 2013, 320 ff.) nach der derzeitigen Gesetzeslage unzulässig (so auch Bassen in: Udsching/Schütze, SGB XI, Soziale Pflegeversicherung, 5. Auflage 2018, § 46 Rn. 5; Evers in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Meßling/Udsching, 62. Edition, Stand 1.9.2021, § 46 SGB XI Rn. 6).
Der Senat vermag als Rechtsgrundlage für das streitgegenständliche Outsourcing auch nicht die Bildung von Gewohnheitsrecht anzunehmen. Hinsichtlich der Übertragung von Aufgaben der Träger der sozialen Pflegeversicherung auf private Dritte ist die Bildung einer langandauernden, von der Rechtsüberzeugung aller, „die es angeht“, getragenen Übung (vgl. BSG, Urteil vom 30.2.2010 – B 2 u 2/18 R -, juris Rn. 38) vorliegend nicht ersichtlich. Die Beklagte hat diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vielmehr – von der Klägerin unwidersprochen - dargelegt, dass zwar sowohl in der Vergangenheit als auch gegenwärtig auch anderen Pflegekassen im Einzelfall bzw. in Notfällen zeitlich begrenzt ein Outsourcing auf private Dienstleister erlaubt worden sei bzw. werde. Sie habe dann jedoch stets darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Anwendbarkeit des § 197b SGB V im Bereich der sozialen Pflegeversicherung bestünden. Von einem zwischen den Beteiligten seit langem bestehenden (stillschweigenden) Einvernehmen über diese Frage kann mithin nicht ausgegangen werden.
Unabhängig von der im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung mithin nicht eröffneten Anwendung des § 197b SGB V handelt es sich bei den streitgegenständlichen, seitens der Klägerin als „Hilfstätigkeiten“ bezeichneten Aufgaben der sozialen Pflegeversicherung „Prüfung und Begleichung von Vertragspartnerrechnungen in den Bereichen Beratungseinsätze, Verhinderungspflege und Entlastungsleistungen“ darüber hinaus um eine die Versicherten unmittelbar berührende Sachbearbeitung, die auch nach der betreffenden Vorschrift nicht auf private Dritte übertragen werden darf. Krankenkassen können gem. § 197b Satz 1 SGB V die ihnen obliegenden Aufgaben durch Arbeitsgemeinschaften oder durch Dritte mit deren Zustimmung wahrnehmen lassen, wenn die Aufgabenwahrnehmung durch die Arbeitsgemeinschaften oder den Dritten wirtschaftlicher ist, es im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen liegt und Rechte der Versicherten nicht beeinträchtigt werden. Wesentliche Aufgaben zur Versorgung der Versicherten dürfen nicht in Auftrag gegeben werden (§ 197b Satz 2 SGB V). Eine Regelung, die solche Aufgaben auf private Dritte überträgt, ist ihrer Art nach nicht zulässig, da sie die Gewährung von Leistungen an Versicherte, eine Kernaufgabe der Krankenkassen betrifft (BSG, Urteil vom 8.10.2019, a.a.O., juris Rn. 28, mit Hinweis auf den Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD für ein Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung, BT-Drucks. 16/3100, S. 159, und auf weitere BSG-Entscheidungen).
Zu den wesentlichen und damit nicht übertragbaren Aufgaben der Versorgung Versicherter gehört insbesondere das Leistungsmanagement, das sich mit der Steuerung der Leistungserbringung i.S. der Verschaffung von (Sach-) Leistungsansprüchen befasst (Bloch in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, 3. Auflage 2018, § 197b Rn. 5). Der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI, die Erstattung von Aufwendungen im Rahmen häuslicher Pflege bei Verhinderung der Betreuungsperson (sog. Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI) und die Beratung in der eigenen Häuslichkeit nach § 37 Abs. 3 SGB XI gehören ohne Weiteres zu den grundlegenden Versorgungsleistungen, auf die den Versicherten Leistungsansprüche gegen die Pflegekasse zustehen.
Der Auffassung der Klägerin, dass die von der N. nach dem streitgegenständlichen Dienstleistungsvertrag „Pflegekasse“ in diesen Leistungsbereichen zu leistenden Arbeitsschritte nicht als „wesentliche Aufgaben zur Versorgung der Versicherten“ i.S. von § 197b Satz 2 SGB V, sondern als zulässigerweise zu übertragende „Hilfstätigkeiten“ zu qualifizieren sind – die Bezeichnung und Qualifizierung der durchzuführenden Tätigkeiten durch die Vertragspartner ist insoweit nicht von Belang -, vermag der Senat nicht beizutreten. Der zum Bestandteil des streitgegenständlichen Vertrages gemachten Prozessbeschreibung ist vielmehr zu entnehmen, dass die N. in allen drei ihr übertragenen Aufgabenbereichen eine qualifizierte Sachbearbeitung mit inhaltlicher Prüfung der versicherungs- und leistungsrechtlichen Voraussetzungen durchzuführen hatte. So war bei der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI eine Plausibilitätsprüfung hinsichtlich der auf der Rechnung angegebenen Rechnung durchzuführen (z.B. ob tatsächlich ein Krankenhausaufenthalt vorlag) und es war vom Sachbearbeiter der N. aufzuklären, ob noch ein offenes Budget bei dem Versicherten bestand. Die N. wies die K. erst nach dieser inhaltlichen Vorprüfung auf ein etwaiges Erfordernis zur Pflegegeldkürzung hin und setzt den Antrag ansonsten auf „genehmigt“ bzw. auf „beendet“. Ähnliches galt für die Prüfung von Restleistungsansprüchen im Rahmen des Entlastungsbetrages nach § 45b SGB XI, in deren Rahmen die N. bei jeder eingereichten Rechnung zu ermitteln hatte, ob und in welcher Höhe noch ein offenes Budget bei Versicherten bestand. Im Rahmen der Abrechnung der Beratungen von Versicherten im eigenen Haushalt durch Pflegedienste oder Beratungsstellen nach § 37 Abs. 3 SGB XI prüfte der Dienstleister N. nach dem eigenen Vortrag der Klägerin (Schriftsatz vom 22.2.2022) die Rechnung über den Einsatz und schrieb den zuständigen Sachbearbeitern der K., sofern sich aus der Dokumentation der Beratungseinsätze Hinweise auf weitergehende Maßnahmen ergäben, Vermerke hierüber (z.B. dass sich der Versicherte weitere Beratung wünsche oder die Versorgung mit einem Hilfsmittel angezeigt sei).
Auch wenn dies alles in einem automatisierten Verfahren geschah, in dem die N. nicht in Kontakt zu Versicherten kam und die Letztentscheidungsbefugnis stets bei der Klägerin verblieb, erforderten die von der N. vorzunehmenden Prüfschritte von ihrer Prüfdichte her gleichwohl eine nicht lediglich oberflächliche Auseinandersetzung mit Leistungsvoraussetzungen bzw. Tatbestandsmerkmalen, die das Leistungsverhältnis der K. zu den bei ihr Versicherten unmittelbar berührten und nicht lediglich fiskalischer Art waren. Die Tiefe der vorzunehmenden Prüfungen durch die N. erschließt sich auch aus dem Vermerk eines Mitarbeiters der K. in den Verwaltungsakten vom 21.12.2017 (Bl. 119 „Krisenintervention im Fachteam Leistungen der Pflegekasse“) über einen Personalbedarf, der durch die Vergabe von „Backoffice“-Aufgaben (solche Aufgaben dienen üblicherweise der Aufrechterhaltung des Kerngeschäfts) an einen erfahrenen Dienstleister mit Fachpersonal zu decken sei. Das nach der o.g. Rechtsprechung des BSG den wesentlichen Aufgaben i.S. des § 197b Satz 2 SGB V bzw. den Kernaufgaben der Krankenkassen unterfallende Leistungsmanagement war hiernach mindestens zu großen Teilen auf die N. übertragen worden.
Aus der nach alledem anzunehmenden Rechtswidrigkeit des Dienstleistungsvertrages „Pflegekasse“ ergibt sich des Weiteren, dass die Klägerin mit der Aufgabenübertragung bzw. dem (von der Beklagten nicht konkret beanstandeten) „Vertrag über die Auftragsverarbeitung personenbezogener Daten“ auch gegen Grundsätze des Datenschutzes verstoßen hat. Einschlägig sind diesbezüglich – wiederum mangels eines entsprechenden Verweises im SGB XI – nicht die Datenschutzbestimmungen des § 284 SGB V, sondern § 93 Abs. 1 SGB XI i.V.m. den §§ 67a ff. SGB X und § 94 SGB XI. Sozialdaten sind nach § 67a Abs. 2 Satz 1 SGB X grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben und dürfen von Dritten nur erhoben werden, wenn eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei ihnen zulässt oder die Übermittlung an die erhebende Stelle ausdrücklich vorschreibt (§ 67a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2a SGB X). Vorliegend steht einer Datenerhebung durch die N. die Vorschrift des § 94 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI entgegen, die zwar den Pflegekassen eine Verarbeitung rechtmäßig erhobener Sozialdaten der Versicherten erlaubt, nicht hingegen eine Erhebung, Speicherung oder Verarbeitung von Daten, die aus Maßnahmen im Rahmen einer unzulässigen Kooperation mit einem privaten Dritten stammen (vgl. BSG, Urteil vom 8.10.2019, a.a.O, juris Rn. 34 [zur Parallelvorschrift § 284 Abs. 1 Nr. 4 SGB V]).
Die Beklagte übte das ihr bei der Ausübung der aufsichtsrechtlichen Befugnisse gegenüber der K. zustehende Ermessens rechtmäßig aus (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Sie traf - formal hinreichend begründet (§ 35 Abs. 1 SGB X) - eine Ermessensentscheidung, hielt dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens ein und machte von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch. Sinn und Zweck der Rechtsaufsicht ist es, die Verwaltung zu einem gesetzmäßigen Verhalten zu veranlassen (BSG, Urteil vom 12.11.2003 - B 8 KN 1/02 U R). Die als Ergebnis der Ermessensentscheidung getroffene Verpflichtung der Klägerin zur außerordentlichen Kündigung des mit der N. geschlossenen Dienstleistungsvertrags war geeignet, notwendig und auch verhältnismäßig, um die festgestellte Rechtsverletzung abzustellen, insbesondere um die Rechte der Versicherten zu wahren und eine Beeinträchtigung der Rechtsposition anderer Pflegekassen im Wettbewerb auszuschließen. Auch die Verhinderung einer Nachahmung durch andere Privatkassen erscheint als Zweck einer Verpflichtungsanordnung nicht abwegig. Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, dass die Beklagte in ihre Ermessenserwägungen auch Gesichtspunkte wie eine mit der Aufgabenübertragung bezweckte Verfahrensbeschleunigung und Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, die vom Dienstleister zu garantierende Qualitätssicherung, die sich aus anderen gesetzlichen Bestimmungen erkennbar werdenden Signale des Gesetzgebers für die Auslegung des Tatbestandes „wesentliche Aufgaben“ sowie etwaige Unterschiede zwischen der Sachbearbeitung bei Verhinderungspflege und Beratungseinsätzen nach dem SGB XI und der Sachbearbeitung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung hätte einbeziehen müssen, so sind all dies Aspekte, die erst nach Eröffnung einer möglichen Aufgabenerledigung durch Dritte überhaupt, ggf. im Rahmen der Prüfung des § 197b Satz 1 SGB V, in Betracht zu ziehen wären, nicht hingegen, wenn – wie vorliegend - eine Aufgabenübertagung bereits ausgeschlossen war.
Die Beklagte musste die Verpflichtung zur Kündigung nicht auf einzelne Vertragsbestandteile beschränken. Ihr stand hinsichtlich der Aufsichtsmittel ein Auswahlermessen zu. Sie durfte nur insoweit in das Recht der K. als einem Träger der Sozialversicherung eingreifen, soweit dies erforderlich war, um die Rechtsverletzung zu beenden, und soweit dies auch verhältnismäßig war. Eine Beschränkung der aufsichtsbehördlichen Verfügung auf einzelne Vertragsbestandteile der beiden streitgegenständlichen Verträge war vorliegend nicht angebracht, da die rechtswidrigen Bestandteile den Verträgen jeweils ihr Gepräge gaben und nicht isoliert aus dem jeweiligen Vertrag herausgelöst werden konnten, ohne in die Vertragsfreiheit einzugreifen. Die nach den obigen Ausführungen rechtswidrige Übertragung der Aufgaben „Prüfung der versicherungs- und leistungsrechtlichen Voraussetzungen“ für (Rest-)Leistungen nach den §§ 45b, 39, 37 Abs. 3 SGB XI sowie für die Prüfung der Tatbestandsmerkmale zur Erstattung der Beratungseinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI war Hauptvertragsgegenstand. Soweit Vertragsbestandteile wie die Übertragung der Aufgaben „Eingang der Rechnungen“ für Leistungen nach den §§ 45b, 39 SGB XI, „Erfassung des Ergebnisses in BITMARCK_21cjng“ und „Zahlungsvorbereitung in BITMARCK_21cjng“ möglicherweise als von § 197b Satz 2 SGB V nicht erfasste und damit nicht zu beanstandende Tätigkeiten zu qualifizieren sein sollten, waren diese internen Maßnahmen nicht von den übrigen rechtswidrigen Leistungsinhalten zu trennen, ohne dass der Vertrag sein Wesen hierdurch geändert hätte.
Die Pflicht zur Kündigung hat die K. schließlich nicht unzumutbar getroffen. Nach Ziffer 10 des Dienstleistungsvertrags „Pflegekasse“ wurde ihr gegenüber der N. ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall eingeräumt, dass die Durchführung des Vertrags im Widerspruch zu einer behördlichen Weisung u.a. der Beklagten steht. Zivilrechtliche Nachteile hatte sie insofern nicht zu befürchten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.