S 49 R 19/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
49
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 49 R 19/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

 

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

 

 

 

Tatbestand:

 

Streitig ist ein Anspruch auf Regelaltersrente.

Der am 00.00.1933 geborene Kläger ist algerischer Staatsangehöriger und lebt in Algerien. Er war ab Februar 1959 bis Oktober/November 1973 – mit Unterbrechungen – in der Bundesrepublik versicherungspflichtig beschäftigt. Am 10.12.1973 stellte der Kläger einen Antrag auf Beitragserstattung, dem die Beklagte durch Bescheid vom 10.05.1976 entsprach. Die Beklagte errechnete einen Erstattungsbetrag von insgesamt 13.901,76 DM. Hinsichtlich der Höhe des Erstattungsbetrages wurde ein sozialgerichtliches Verfahren geführt, welches mit einem klageabweisendem Urteil endete (SG Düsseldorf, Urt. v. 30.10.1979, Az.: S 10 J 167/78). Wegen Tatbestand und Entscheidungsgründe wird auf Bl. 38 ff. d. VA Bezug genommen. Im Frühjahr 1998 gingen über den französischen Versicherungsträger bei der Beklagten diverse Unterlage (u.a. Geburtsurkunde, Heiratsurkunden etc.) ein. Die Beklagte bat um Klarstellung, welcher Antrag gestellt werde und wies darauf hin, dass für die Zeit vom 11.02.1959 bis 30.11.1973 die entrichteten Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung erstattet worden seien (Bescheid vom 10.05.1976), so dass gem. § 210 Abs. 6 SGB VI weitere Ansprüche aus diesen Versicherungszeiten ausgeschlossen seien. Dies wurde dem Kläger mittels Schreiben von Mitte Mai 1998 auch nochmals persönlich mit dem zusätzlichen Inhalt mitgeteilt, dass zu den Rechtsfolgen bereits in dem Antragsvordruck hinsichtlich der Erstattung ausgeführt worden sei. Der Kläger verblieb allerdings bei seiner Auffassung und teilte noch zusätzlich mit, er habe auch nie wissentlich einen Erstattungsantrag gestellt. Das Verwaltungsverfahren endete mit Bescheid vom 18.09.1998 mit dem ein Antrag auf Regelaltersrente abgelehnt wurde, da die bis zum 30.11.1973 geleisteten Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung erstattet wurden. Nach Korrespondenz mit dem Kläger wurde das Verfahren als erledigt erachtet. Im September 2000 ging bei der Beklagten über das algerische Generalkonsulat wiederum ein Schreiben des Klägers ein, in dem mitgeteilt wurde, dass er mit der Höhe der ausgezahlten Summe nicht einverstanden sei. Er habe Anspruch auf weitere 2262,20 DM. Korrespondenz wurde im Weiteren mit dem Generalkonsulat geführt. Ein weiteres Schreiben des Klägers aus April 2001 wurde als Überprüfungsantrag hinsichtlich des Bescheides vom 18.09.1998 gewertet. Dieser wurde mit Bescheid vom 04.03.2002 zurückgewiesen. Das Verwaltungsverfahren endete mit negativem Widerspruchsbescheid vom 18.10.2002. Die erhobene Klage (Az. 5 RJ 7/03) wurde am 30.07.2003 zurückgenommen. Der Kläger stellte erneut im Juni 2004 einen Überprüfungsantrag hinsichtlich der abschlägigen Rentenentscheidung. Der Überprüfungsantrag wurde am 16.07.2004 abschlägig beschieden. Der Kläger erhob im Dezember 2016 erneut Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf (Az.: S 49 R 110/17) mit dem Klagebegehren, die Beklagte zur Zahlung einer Regelaltersrente zu verpflichten. Nachdem der Kläger mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass zunächst ein Verwaltungsverfahren durchzuführen sei bzw. ein Überprüfungsantrag gestellt werden müsse, wobei im Hinweisschreiben hinreichend deutlich gemacht wurde, dass die Erfolgsaussichten nicht gegeben sein dürften, nahm er die Klage zurück. Er wandte sich an die Beklagte mit einem erneuten Überprüfungsantrag. Noch vor Erlass eines Bescheides erhob der Kläger unmittelbar Klage zum Sozialgericht Düsseldorf mit am 25.01.2018 eingegangenen Schreiben. Die Bescheiderteilung erfolgte  am 07.02.2018. Der Überprüfungsantrag wurde abgelehnt. Es wurde nochmals auf den Erstattungsbescheid vom 07.12.1973 und das rechtskräftige Urteil vom 30.11.1979 zur Begründung verwiesen.

Der Kläger trägt vor:

Er habe von 1959 bis 1973 Schwerstarbeit in Deutschland geleistet. Es könne nicht sein, dass er lediglich 13.901,76 DM dafür erhalten habe und im Gegenzug auf sämtliche Rentenansprüche verzichtet.

 

Der Kläger beantragt sinngemäß,

 

den Bescheid vom 18.11.1998 aufzuheben und ihm Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen aufgrund seiner in Deutschland von Februar 1959 bis Oktober/November 1973 zurückgelegten Beitragszeiten zu bewilligen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage zurückzuweisen.

 

Die Beklagte trägt vor:

Die Erstattung sei erfolgt. Der Kläger sei wiederholt auf die Rechtslage hingewiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zu der Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und Unterlagen, die beigezogene Akte des SG Düsseldorf zum Aktenzeichen S 49 R 110/17 sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

 

Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Bewilligung einer Regelaltersrente ist bereits unzulässig. Gemäß § 78 Abs. 1 und 3 SGG ist vor Erhebung einer Verpflichtungsklage die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 25.01.2018 lag jedoch noch kein ablehnender Bescheid der Beklagten vor. Der Bescheid vom 07.02.2018 wurde gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 SGB X in dem Zeitpunkt wirksam, indem er bekannt gegeben wurde. Kenntnis von dem Bescheid hatte der Kläger allerdings erst nach dem 07.02.2018 (Erlasszeitpunkt) und spätestens im hiesigen Klageverfahren.  Vor Bekanntgabe ist ein Verwaltungsakt  aber nicht wirksam, so dass die vorher erhobene Klage unzulässig ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 87, Rdnr. 4c). Sie wird auch nicht mit Bekanntgabe zulässig (BFH, Urt. v. 8.4.1983, Az.: VI R 209/79). Ein vorsorglich eingelegter Widerspruch wird auch dann nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt später ergeht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage 2008, SGG, § 83, Rdnr. 3). Die Klageerhebung vom 25.01.2018 erfolgte verfrüht und bleibt somit unzulässig. Ob der Kläger gegen diesen Bescheid fristwahrend Widerspruch eingelegt hat oder ob ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, ist für das hiesige Verfahren nicht entscheidend. Selbst nach der Durchführung eines Vorverfahrens bliebe die Klage unzulässig.

Auch wenn sich grundsätzlich Ausführungen zur Begründetheit  bei einer unzulässigen Klage verbieten, erscheint es nach dem hier zugrundeliegenden Sachverhalt dringend erforderlich, den Kläger darauf hinzuweisen, dass auch im Fall der Zulässigkeit der Klage, diese unter keinen Umständen begründet sein kann.

Dem Anspruch steht entgegen, dass die vom Kläger während der versicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland in der Zeit von Februar 1959 bis Oktober/November 1973 geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung mit Bescheid der Beklagten vom 10.05.1976 erstattet worden sind. Dies wird vom Kläger auch nicht bestritten. Er hat diesen Antrag auch eigenhändig ausgefüllt und sich ursprünglich gegen die Höhe in einem separaten Klageverfahren gewandt. Die Berechnung wurde im Rahmen des unter dem Aktenzeichens S 10 J 167/78 geführten Rechtsstreits ausführlich überprüft. Ausführungen zu der Berechnung und den zugrunde liegenden gemeldeten Entgelten wurden im erschöpfenden Umfang gemacht und diese ebenfalls sorgfältig und intensiv überprüft. Die Berechnung ist korrekt. Dem Kläger kann an dieser Stelle nur geraten werden, sich mit diesen Ausführungen auseinanderzusetzen. Bei objektiver Betrachtung vermag er dann auch erkennen, dass die Berechnung korrekt erfolgte.

Mit der Beitragserstattung wurde nach § 210 Abs. 6 SGB VI das Versicherungsverhältnis aufgelöst. Sämtliche, in der Zeit bis zur Beitragserstattung begründeten versicherungsrechtlichen Beziehungen des Klägers zur deutschen Rentenversicherung sind damit erloschen. In der Folgezeit hätte ein Leistungsanspruch nur wieder entstehen können, wenn ein Versicherungsverhältnis erneut begründet worden wäre. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Denn nach Oktober/November 1973 hat der Kläger keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung mehr geleistet. Ein neuer Rentenanspruch konnte somit nicht entstehen.

Ohne den Kläger zu überfordern, muss ihm unmittelbar einleuchten, dass er aus einer Versicherung, die ihm zu einem bestimmten Zeitpunkt sämtliche bis dahin geleisteten Versicherungsbeiträge wieder zurückgezahlt hat, Jahre später keinerlei Versicherungsleistungen einfordern kann. Jedes andere Ergebnis würde gegen das allgemeine und auch der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu Grunde liegende Versicherungsprinzip verstoßen. Dieses besagt, dass einem Leistungsanspruch gegenüber dem Versicherungsträger immer eine (vorhergehende) Beitragszahlung gegenüberstehen muss. Daran fehlt es aber, wenn, wie vorliegend, die Beiträge zu einem bestimmten Zeitpunkt auf Antrag des Versicherungsnehmers (hier des Klägers) erstattet wurden. Leistungen für die Zukunft waren damit ausgeschlossen. Der Kläger ist auch auf die Folgen der Auszahlung hingewiesen worden. Dass ihm die Summe in der Rückschau so niedrig erscheint, mag nachvollziehbar sein. Allerdings wird hierbei vom Kläger völlig die Kaufkraftentwicklung übersehen. 13.901,00 DM haben im Kaufkraftvergleich zur heutigen Zeit einen wesentlich höheren Wert, ca. das 2,4 fache. Im Übrigen ist der Kläger von seinem Ar­beit­geber für seine Tätigkeit in Deutschland auch entlohnt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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