L 6 SB 2855/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 1127/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2855/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. August 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt – zum vierten Mal – die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 40.

Er ist 1969 geboren, hat nach der Hauptschule eine Ausbildung als Koch abgeschlossen und ist – wegen Bandscheibenproblemen – zum Industriekaufmann umgeschult worden. Er arbeitet in Vollzeit als Lagerist in einem Autohaus und ist vorwiegend für den Verkauf von Autoteilen und Zubehör zuständig. Die Tätigkeit ist durch bevorzugt sitzende Arbeit am Schreibtisch und mit dem Computer geprägt. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Ehefrau ist halbtags berufstätig. Er lebt in einem Eigenheim mit Garten, das er selbst versorgt. Hobbys sind Fußballspielen, Ski- und Radfahren (vgl. Anamnese N).

Am 29. Dezember 2011 beantragte er bei dem Landratsamt R (LRA) erstmals die Feststellung des GdB. Zur Akte gelangte neben Befundberichten der Entlassungsbericht der Rklinik S über die in der Zeit vom 14. Juni bis 5. Juli 2011 durchgeführte stationäre Rehabilitation. Danach sei bei sequestriertem Bandscheibenvorfall L5/S1 links am 30. Mai 2011 eine Exzision der Bandscheibe perkutan endoskopisch erfolgt. Als Rehabilitationsziele wurden die Stabilisierung der Wirbelsäule, der Aufbau rumpfstabilisierender Muskulatur sowie eine Gang- und Haltungsschulung benannt. Bei der Abschlussuntersuchung habe der Kläger noch über Missempfindungen im Bereich von D4 und D5 des linken Fußes geklagt. Er sei überwiegend schmerzfrei gewesen, eine Zunahme der Beweglichkeit der Wirbelsäule und eine Verbesserung der Koordination sowie des Gangbildes hätten erreicht werden können. Das Zeichen nach Ott wurde mit 30:32 cm, das Zeichen nach Schober mit 10:13 cm und der Finger-Boden-Abstand (FBA) mit 30 cm angegeben.

A sah versorgungsärztlich für den operierten Bandscheibenschaden einen GdB von 20, den das LRA mit Bescheid vom 14. März 2012 ab dem 29. Dezember 2011 feststellte.

Am 18. Juli 2012 beantragte der Kläger erstmals die Neufeststellung des GdB und legte den Befundbericht der Kkliniken R über die ambulante Behandlung am 10. April 2012 vor. Darin wurde eine Schmerzchronifizierung Stadium II nach dem Mainzer Stadienmodell beschrieben. Das Gangbild sei unauffällig ohne Druckschmerz gewesen. Durch die Wurzelblockade S1 links sei es zu einer deutlichen Schmerzlinderung gekommen, die Sensibilitätsstörungen hätten abgenommen.

F sah versorgungsärztlich einen weiteren Teil-GdB von 20 für das chronische Schmerzsyndrom und einen Gesamt-GdB von 30, den das LRA mit Bescheid vom 19. September 2012 seit dem 18. Juli 2012 feststellte.

Am 10. Oktober 2013 wurde wiederum die Neufeststellung des GdB und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) beantragt. Vorgelegt wurde der Bericht des Uklinikums T über die ambulante Vorstellung am 25. Juni 2013 in der Schmerzambulanz. Danach habe ein guter Allgemein- und Ernährungszustand bestanden, die Kraft in beiden Beinen sei seitengleich, es bestehe kein Anhalt für eine Muskelatrophie des linken Beines. Es handele sich bei der geschilderten Symptomatik um ein chronifiziertes neuropathisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenprolaps und operativer Versorgung im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS).

A sah zusätzlich einen Teil-GdB von 10 für ein Bronchialasthma, hielt aber an der Einschätzung des Gesamt-GdB mit 30 zunächst fest. Nach Vorlage des Gutachtens der Gutachterkommission für Fragen ärztlicher Haftpflicht vom 1. August 2013, wonach kein medizinischer Behandlungsfehler habe festgestellt werden können, wurden keine neuen Gesichtspunkte gesehen, sodass das LRA den Neufeststellungsantrag und die Feststellung des Merkzeichens „aG“ mit Bescheid vom 17. Februar 2014 ablehnte.

Im Widerspruchsverfahren wurde der Bericht des Uklinikums T über die ambulante Vorstellung vom 28. November 2013 vorgelegt. Danach habe der Kläger berichtet, durch den unerwarteten Tod seines Vaters vor 14 Tagen Ängste vor der Dunkelheit und dem Alleinsein entwickelt zu haben. Er höre immer wieder seine Mutter, die abends um 22:30 Uhr vor seiner Tür gerufen habe. Am Tag nach dem Tod des Vaters habe ihn eine Bekannte besucht und ihm von Suizidabsichten erzählt, was ihn zusätzlich belastet habe. Früher habe er nie psychische Probleme gehabt. Seit 2011 leide er unter chronischen Schmerzen im linken Bein. Es seien Ängste, Anspannung und Intrusionen aufgetreten, die sich diagnostisch noch im Rahmen einer akuten Belastungsreaktion bei vorbestehendem Schmerzsyndrom einordnen ließen. Eine Beratung hinsichtlich ambulanter Therapiemöglichkeiten sei erfolgt. Weiter gelangte der Bericht des S1 zur Akte, wonach es zu einem Spontanabgang eines Nieren- und Uretersteins gekommen sei. Seitdem sei der Kläger schmerzfrei, urologisch bestehe kein Handlungsbedarf.

A führte aus, dass alle Behinderungen erfasst und angemessen bewertet worden seien. Eine höhere Einstufung sei nicht zu begründen, für arterielle Verschlusskrankheiten und Hüftbeschwerden sei kein GdB anzunehmen. Gestützt hierauf wies das Regierungspräsidium S2 – Landesversorgungsamt – den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2014 zurück.

Am 1. September 2015 beantragte er zum dritten Mal die Neufeststellung des GdB und verwies darauf, nunmehr im Asthma bronchiale Programm aufgenommen zu sein. Neben bereits aktenkundigen Unterlagen legte er den Befundbericht des Z über die Kontrolluntersuchung am 21. Oktober 2014 vor. Danach habe keine relevante Obstruktion oder Restriktion vorgelegen. Es bestünden eine breite Sensibilisierung auf Pollen und außerhalb der Pollenflugzeit eine immer noch unterschwellige bronchiale Hyperreagibilität. In der aktuellen Situation werde bei Bedarf Salbutamol als Monotherapie vorgeschlagen.

Das LRA holte Befundscheine des S1 (rezidivierende Harnsteinbildung mit immer wieder auftretenden Koliken, eine Dauerprophylaxe müsse in Betracht gezogen werden) und des Z (Asthma bronchiale vom Mischtyp) ein. A bewertete das Bronchialasthma weiterhin mit einem Teil-GdB von 10, berücksichtigte zusätzlich das Nierensteinleiden mit einem Teil-GdB von 20 und schätzte den Gesamt-GdB auf 40 ein.

Mit Bescheid vom 26. November 2015 stellte das LRA einen GdB von 40 seit dem 1. September 2015 fest. Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S2 – Landesversorgungsamt – nach versorgungsärztlicher Stellungnahme des G (keine neuen Gesichtspunkte) mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2016 zurück.

Der vierte Antrag auf Neufeststellung wurde am 28. Februar 2017 gestellt und das Zertifikat über die Teilnahme an der strukturierten Asthma-Schulung vorgelegt, weiter der Bericht über die Kernspintomographie (MRT) des lumbalen Spinalkanals vom 21. Dezember 2016. Danach habe sich eine kräftige Prolapskomponente LWK 5/S1 mit Kompression gezeigt. Der B beschrieb nach ambulanter Untersuchung vom 17. Januar 2017 einen Bandscheibenvorfall LWK5/S1 ohne manifeste Paresen.
Das LRA zog den Abschlussbericht der R Therapie- und Analysezentrum GmbH über die ganztägige ambulante Rehabilitation vom 24. April bis 19. Mai 2017 bei, aus dem sich ein vollschichtiges Leistungsvermögen ergab. Der orientierende neurologische Befund bei der Abschlussuntersuchung habe dem bei der Aufnahmeuntersuchung entsprochen. Die Wirbelsäulenbeweglichkeit sei im Vergleich zur Aufnahmeuntersuchung verbessert und nicht wesentlich eingeschränkt (Zeichen nach Ott 30:34 cm, Zeichen nach Schober 10:16 cm, Finger-Boden-Abstand [FBA] 10 cm) gewesen. Beim Fersengang sei rechts ein Ziehen in der Wade angegeben worden, alle Gangarten, also der Zehenspitzen- und Fersengang sowie der Einbeinstand seien beidseits sicher durchführbar.

F hielt versorgungsärztlich an der bisherigen Einschätzung fest, sodass das LRA den Neufeststellungsantrag mit Bescheid vom 19. September 2017 ablehnte.

Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger das Protokoll des Landgerichts Tübingen (Az.: 8 O 7/14) über die mündliche Verhandlung im Verfahren gegen die Kkliniken R wegen der Behandlung in den Jahren 2011 und 2012 vor. Daraus ergab sich ein Widerrufsvergleich auf Zahlung von 500,00 € an den Kläger bei einem auf 10.000 € festgesetzten Streitwert. Weiter wurde ein Blutdruckmessprotokoll vorgelegt.

N1 bewertete versorgungsärztlich den operierten Bandscheibenschaden und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule nunmehr mit einem Teil-GdB von 30 und zusätzlich einen Bluthochdruck mit einem Teil-GdB von 20, der Gesamt-GdB betrage weiter 40. Nachdem der Kläger weitere, bereits aktenkundige, Befundberichte vorlegte, wies Z1 versorgungsärztlich darauf hin, dass häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkungen sowie häufig rezidivierende andauernde und ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome bereits anerkannt seien.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S2 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2018 zurück. Gegenüber den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 26. November 2015 zu Grunde lagen, sei keine wesentliche Änderung eingetreten.

Am 9. Mai 2018 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und den Bericht des Neurozentrums R über die Behandlung am 1. Februar 2018 (Z. n. Wurzelkompression S1 rechts) vorgelegt.

Zur weiteren Sachaufklärung hat das SG sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte erhoben.

Der S1 hat urologische Gesundheitsstörungen verneint und keinen GdB gesehen.

S3, Schmerzambulanz der Universität T, hat ein chronifiziertes neuropathisches Schmerzsyndrom beschrieben. Die Nervenschädigung der S1-Wurzel sei durch einen Bandscheibenvorfall 2011 entstanden. Die bisherige Behandlung habe zu einer Linderung über zwei bis drei Monate geführt, wobei die Schmerzreduktion bei circa 20 % liege. Durch die Schmerzen sei eine psychische Erkrankung entstanden, wobei von einer leichten Depression auszugehen sei, die bei der Bewertung berücksichtigt werden müsse. Ergänzend sind Behandlungsberichte vorgelegt worden.

Der L hat bekundet, dass bezüglich des Schmerzzustandes ein wechselhaftes Schmerzbild bestehe. Eine Schmerzfreiheit sei nie komplett erreicht worden. Das Asthma bronchiale und der Bluthochdruck seien stabil. Bezüglich des Nierensteinleidens komme es immer wieder zu schmerzhaften Steinabgängen. Eine mittlerweile depressive Grundstimmung infolge der chronischen Schmerzen zeichne sich ab. In einem GdB von 40 werde keine ausreichende Würdigung des Gesundheitszustandes gesehen.

Weiterhin hat der Kläger neben dem bereits aktenkundigen Protokoll über die mündliche Verhandlung bei dem Landgericht Tübingen das in diesem Verfahren erstattete neurochirurgische Fachgutachtung des U1 vom 3. November 2014 vorgelegt. Danach sei weder in der Indikationsstellung noch bei der Methodenwahl oder der Durchführung der endoskopischen Operation am 30. Mai 2011 zur Entfernung eines sequestrierten Bandscheibenvorfalls in Höhe L5/S1, noch bei der Indikationsstellung und technischen Durchführung der Sympathicus-Blockade am 8. Mai 2012 ein ärztlicher Fehler festzustellen.

Letztlich ist der Entlassungsbericht des Uklinikums T über den teilstationären Aufenthalt in der Abteilung für psychosomatische Medizin und Psychotherapie vom 17. September bis 2. November 2018 zur Akte gelangt. Danach sei der Kläger offen und freundlich im Kontakt gewesen, wach, bewusstseinsklar und voll orientiert. Im Gespräch habe sich kein Anhalt für Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen gezeigt. Anamnestisch sei eine Minderung von Konzentration und Gedächtnis geklagt worden, weiter ein Grübeln bezüglich der gesundheitlichen und beruflichen Zukunft. Aufgrund unklarer thorakaler Schmerzen mit Ausstrahlung in den linken Arm sei eine Labor- und EKG-Diagnostik zum Ausschluss eines akuten Myokardsyndroms erfolgt. Hierbei habe sich ein unauffälliges EKG ergeben. Aufgrund der hypertonen Blutdruckwerte sei die antihypertensive Medikation erhöht worden.

Anschließend hat das SG zunächst die sachverständige Zeugenauskunft der W erhoben, die eine zweimalige ambulante psychiatrische Behandlung beschrieben hat. Es bestehe eine chronische Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren. Der Kläger berichte über Schmerzen und Erschöpfung. Eine Enttäuschung sei im Kontakt spürbar gewesen. Es hätten sich Hinweise auf ängstliche und depressive Anteile gezeigt.

Weiterhin hat das SG das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des N aufgrund ambulanter Untersuchungen am 7. Juni und 19. Juli 2019 erhoben. Diesem gegenüber hat der Kläger angegeben, mit seiner Wohn- und Lebenssituation sehr zufrieden zu sein, das Einfamilienhaus stehe am Waldrand auf einem schönen Grundstück. An Hobbys seien Fußballspielen, Ski- und Radfahren erwähnt worden. Nach einem Rezidivbandscheibenvorfall sei er operiert worden. Postoperativ sei zunächst der Hauptschmerz weg gewesen, allerdings hätten weiterhin brennende Schmerzen im Bereich der linken Fußsohle bestanden. Diese imponierten zum Teil bis heute. Nach dem plötzlichen und unerwarteten Tod seines Vaters seien neben depressiven Verstimmungen auch Angstzustände aufgetreten. Er habe Klage erhoben, da er einen gewissen Schutz vor Arbeitslosigkeit haben wolle und sich auch das Mehr an Urlaub als sehr hilfreich vorstelle. Manchmal denke er, vielleicht in Zukunft nicht mehr arbeiten zu können und eventuell sogar auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein. Deshalb sei es auch eine angenehme Vorstellung, nicht mehr so lange arbeiten zu müssen. Hauptproblem seien die neuropathischen Schmerzen im Bereich der linken Fußsohle. Diese seien quälend und belastend. Hinzu kämen die Nierensteine, das Asthmaleiden und die psychische Verunsicherung mit leichter depressiver Verstimmung. Der Schlaf sei durch Schmerzen und Gefühlsstörungen im Bereich der linken Fußsohle gemindert. Es bestehe ein Dauerschmerz tagsüber, die Beschwerden seien nach Angaben des Klägers in der Begutachtungssituation besonders ausgeprägt gewesen. Er könne keine längeren Strecken mehr zu Fuß gehen, längeres Stehen sei beschwerlich und Schwimmen gehen könne er nicht mehr, weil der Wasserdruck von außen schon zu einer Schmerzzunahme führe. Tagsüber seien die Schmerzen etwas besser, da er durch die Arbeit abgelenkt sei. Abends und in Ruhe nähmen sie erheblich zu. Motorisch habe sich eine leichte schmerzreflektorische Parese der Fußsenkung rechts gezeigt, ansonsten keine umschriebenen Paresen und keine signifikante Umfangsdifferenz im Bereich der Unterschenkel. Das Gangbild sei schwerfällig und schmerzgeplagt gewesen. Ein Aufsetzen des linken Fußes im Außenbereich sei vermieden worden. Psychisch habe sich ein spürbarer Leidensdruck mit Blick auf die hartnäckigen und quälenden neuropathischen Schmerzen radikulärer Natur gezeigt, die insbesondere im Bereich der linken vorderen Fußsohle schwerpunktmäßig lokalisiert seien. Affektiv mache der Kläger unter Medikation einen ernsten, bedrückten sowie leicht- bis mittelgradig depressiv verstimmt wirkenden Eindruck. Anhaltspunkte für Störungen des Denkens und der Wahrnehmung hätten sich nicht gezeigt, auch keine Hinweise auf kognitive Beeinträchtigungen. Eine höhergradige Antriebsminderung sei nicht spürbar gewesen, subjektiv erlebe sich der Kläger aber erheblich antriebsgemindert. Zusammenfassend hat der Sachverständige eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei chronifiziertem neuropathischen Schmerz beschrieben. Daneben bestehe eine mittelgradige depressive Episode vorwiegend reaktiver Genese vor dem Hintergrund des neuropathischen Schmerzsyndroms. Die Schmerzsymptomatik sei als sehr ausgeprägt anzusehen, sodass daraus ein GdB von 50 folge. Die psychische Beeinträchtigung in Form einer mittelgradigen depressiven Verstimmung, die seit längerem bestehe, sei in diesem Wert berücksichtigt. Ergänzend hat er den Befundbericht des F1 vom 12. Juli 2019 vorgelegt. Danach erschwere der Leistungsanspruch an sich selbst und die bisher erfahrene Wertschätzung für seinen intensiven Arbeitseinsatz am Arbeitsplatz dem Kläger eine konsequente Verhaltensänderung. Er müsse in diesem Bereich weiter lernen, die Verantwortung für das eigene Wohlergehen selbst zu übernehmen und seine Grenzen klar nach außen zu kommunizieren.
 
Der Beklagte ist dem Sachverständigengutachten unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des R1 entgegengetreten. Der beschriebene Harnleiterstein stelle keine Behinderung dar, der als weitere Diagnose benannte Bluthochdruck rechtfertige keinen GdB von mindestens 10. Die psychische Störung mit chronischer Schmerzerkrankung habe nicht zu dauernden mindestens mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten geführt. Der Kläger befinde sich im Arbeitsprozess, es bestehe ein normales Familienleben und darüber hinaus gehe er Hobby wie Fußballspielen, Ski- und Radfahren nach. Bei der Begutachtung habe er geäußert, dass er mit seiner Wohn- und Lebenssituation sehr zufrieden sei.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 5. August 2020 hat das SG die Klage abgewiesen, da der GdB mit 40 zutreffend bewertet sei. Im Vordergrund stehe das chronische Schmerzsyndrom, das nach der Operation des Bandscheibenvorfalls aufgetreten sei. Aus diesem habe sich eine depressive Verstimmung entwickelt, die als leicht- bis mittelgradig zu bewerten sei. Auf den Sachverständigen N habe der Kläger einen ernsten, bedrückten, gegenwärtig leicht- bis mittelgradig depressiv verstimmt wirkenden Eindruck gemacht. Für Störungen des Denkens und der Wahrnehmung habe sich ebenso wenig ein Anhalt gefunden wie Hinweise auf kognitive Beeinträchtigungen. Eine höhergradige Antriebsminderung sei nicht spürbar gewesen. Die depressive Verstimmung sei als leichtgradig anzusehen. Auch zusammen mit der chronischen Schmerzstörung werde die Teilhabe nicht ein einem solchen Maß beeinträchtigt, dass von einer schweren Störung gesprochen werden können. Das Ausmaß einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werde nicht erreicht. Die Beeinträchtigungen durch das Nierensteinleiden seien mit einem Teil-GdB von 20 keinesfalls zu hoch bewertet. Der Bluthochdruck könne allenfalls mit einem Teil-GdB von 10 bewertet werden, nachdem insbesondere eine wesentliche Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht nachgewiesen sei. Das Bronchialasthma führe nur zu einer geringgradigen Funktionsbeeinträchtigung. Ausgehend von einem Teil-GdB von 40 für die chronische Schmerzstörung und die depressive Verstimmung ergebe sich kein höherer Gesamt-GdB, da das Nierensteinleiden eine weitere Erhöhung nicht rechtfertige, da der vom Beklagten angenommene Teil-GdB von 20 hierfür bereits großzügig bemessen sei.

Am 8. September 2020 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Das SG habe fehlerhaft angenommen, dass nur eine leichtgradige depressive Episode bestehe. Die Gesundheitsstörungen seien ausschließlich auf der Grundlage medizinischen Fachwissens festzustellen und dem Gericht sei es verwehrt, eigene Überlegungen zu den Gesundheitsstörungen und dem Schweregrad an die Stelle der ärztlichen Feststellungen zu setzen. Die Überlegungen seien weiter medizinisch unzutreffend, da sie von N referierten Angaben sich nur auf die äußeren Lebensverhältnisse, aber nicht darauf bezögen, dass nach den Stellungnahmen aller behandelnden Ärzte ständig rund um die Uhr teilweise heftigste Schmerzen bestünden, die zu einem Verlust von Lebensfreude, Zermürbung, Ein- und Durchschlafstörungen, Konzentrationsstörungen u.v.m. führten. Die Nervensensibilität an den Füßen sei sicherlich vergleichbar mit dem Gesicht, weil in den Füßen, wie im Gesicht, viele sensible Nerven vorhanden seien. Neuralgien im Gesichtsbereich würden bei schwerer Ausprägung mit einem GdB von 50 bis 60 bewertet. Die depressive Episode sei Folge der Schmerzstörung, sodass die psychische Erkrankung ihre Ursache in der neurologischen Erkrankung habe und deshalb letztere maßgebend für die Einschätzung des GdB sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. August 2020 sowie den Bescheid vom 19. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 26. November 2015 einen Grad der Behinderung von 50 seit dem 28. Februar 2017 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung. Da Schmerzen immer psychische Auswirkungen hätten, müsse eine entsprechende Bewertung im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ erfolgen. Danach entspreche ein GdB von 50 schweren psychischen Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Ein solch vergleichbarer Zustand bestehe beim Kläger keinesfalls. Er sei berufstätig, führe ein normales Familienleben und gehe Hobbys nach. Die Bewertung mit einem Teil-GdB von 40 sei maximal.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG) ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 5. August 2020, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) auf Feststellung eines höheren GdB unter Aufhebung des Bescheides vom 19. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 16. April 2018 sowie teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 26. November 2015 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 19. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Er kann die Neufeststellung des GdB nicht beanspruchen, da sich auch der Senat nicht davon überzeugen konnte, dass eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen eingetreten ist. Der GdB-Bewertung des Sachverständigen N2 kann sich der Senat, ebenso wie das SG, nicht anschließen.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn diese einen um wenigsten 10 veränderten Gesamt-GdB rechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt – teilweise –  aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 9a RVs 55/85 –, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Nach Überzeugung des Senats ist in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers gegenüber dem maßgebenden Vergleichsbescheid vom 26. November 2015 keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, die eine Neufeststellung des GdB rechtfertigt.

Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Soweit der Antrag sich auf den Zeitraum vor dem 1. Januar 2018 bezieht, richtet sich der Anspruch nach den in diesem Zeitraum geltenden gesetzlichen Vorgaben (vgl. §§ 69 SGB IX ff. a. F.), nach denen ebenso für die Bewertung des GdB die VersMedV und die VG die maßgebenden Beurteilungsgrundlagen waren.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der GdB mit 40 auch weiterhin nicht rechtswidrig zu niedrig bewertet ist.

Die vorwiegenden Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers sind zwar durch das Wirbelsäulenleiden und die operative Entfernung des Bandscheibenvorfalls verursacht, führen indessen im Funktionssystem „Rumpf“ zu keinem Teil-GdB von wenigstens 20.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten „Postdiskotomiesyndrom“) primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte „Wirbelsäulensyndrome“ (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.

Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz-dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Nach diesen Maßstäben liegen wenigstens mittelgradige funktionelle Einschränkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt nicht vor. Vielmehr bestehen bei dem Kläger im Bereich der Wirbelsäule nur leichte Bewegungseinschränkungen, wie der Senat im Rehabilitationsentlassungsbericht aus 2017 entnimmt, den er im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet. Danach lag das Zeichen nach Ott für die Beweglichkeit der Brustwirbelsäule bei 30:34 cm und das Zeichen nach Schober für die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule bei 10:16 cm, sodass jeweils Normalbefunde gegeben waren. Passend hierzu ist der FBA mit 10 cm bestimmt worden. Der B hat unter Berücksichtigung des Ergebnisses der MRT nur einen kleinen Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts beschrieben. Neurologische Ausfälle hat er ebenso verneint wie manifeste Paresen. Der Sachverständige N konnte nur eine leichte schmerzreflektorische Parese der Fußsenkung objektivieren. Umschriebene Paresen verneint auch er ausdrücklich und hat keine Umfangsdifferenz im Bereich der Unterschenkel feststellen können, sodass ein relevanter Mindergebrauch der unteren Extremitäten nicht belegt ist.

Aus Vorstehendem folgt gleichzeitig, dass im Funktionssystem „Beine“ kein Teil-GdB berücksichtigt werden kann. Soweit der Kläger der Rechtsauffassung ist, die Vorgaben der VG, Teil B, Nr. 2.2 zur Bewertung der Gesichtsneuralgien, wonach solche schwere einen GdB von 50 bis 60 ergäben, seien entsprechend heranzuziehen, entbehrt dieser Vergleich jeder nachvollziehbaren Grundlage. Vielmehr sind nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 nicht nur vollständige Nervenausfälle der unteren Gliedmaßen in diesem Funktionssystem zu bewerten, sondern es besteht auch keine Regelungslücke, die allenfalls eine analoge Heranziehung rechtfertigen könnte. Danach führt nur ein Komplettausfall den Nervus ischiadicus distal zu einem GdB von 50 und eine völlige Gebrauchsunfähigkeit eines Beines zu einem GdB von 80. Ein solch vollständiger Ausfall ist bei dem Kläger ebenso wenig gegeben, wie ein – geringer zu bewertender – Teilausfall eines Nervens. Vielmehr bestehen nach den Feststellungen des Sachverständigen N (vgl. oben) keine umschriebenen Paresen, sondern nur eine leichte schmerzreflektorische Parese der Fußsenkung.
Die solchermaßen bestehenden Funktionseinschränkungen wirken sich vor diesem Hintergrund einzig im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ aus und sind dort zu bewerten, aber mit dem vom Beklagten angenommenen Teil-GdB von 40 nicht zu niedrig eingestellt.

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 bedingen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher Behandlung in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris Rz. 42; vgl. auch LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 17. Dezember – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Hiervon ausgehend kann zwar von einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ausgegangen werden, die aber bereits die Ausschöpfung des Bewertungsrahmens nicht rechtfertigt. Der Sachverständige N hat für den Senat überzeugend eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren beschrieben, die zu einer depressiven Episode reaktiver Genese geführt hat. Seiner daraus gezogenen – rechtlichen – Schlussfolgerung, dass der Teil-GdB mit 50 einzuschätzen sei, folgt der Senat hingegen nicht. Die Annahme einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten rechtfertigt sich aus dem von ihm erhobenen Befund nicht, wie R1 versorgungsärztlich schlüssig eingewandt hat. N hat den Kläger lediglich als leicht- bis mittelgradig depressiv verstimmt wirkend beschrieben. Es zeigten sich keine Störungen des Denkens und der Wahrnehmung sowie keine Hinweise auf kognitive Beeinträchtigungen. Die subjektiv geklagte Antriebsminderung konnte von ihm nicht objektiviert werden, vielmehr beschreibt er, dass keine höhergradige Antriebsminderung spürbar gewesen ist. Passend hierzu hat S3, Schmerzambulanz der Uklinik T, nur eine leichte Depression gesehen. Soweit nach dem Tod des Vaters aktenkundig Ängste beschrieben worden sind, wurden diese vom Uklinikum T als akute Belastungsreaktion eingeordnet, indessen nicht als dauerhafte Beeinträchtigungen. Im Übrigen hat der Sachverständige erhoben, dass der Kläger über eine zufriedenstellende Wohn- und Lebenssituation berichtet und als Hobbys Fußballspielen, Radfahrer und Skifahren beschrieben hat. Daneben geht er einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nach, sodass sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kläger in der Fähigkeit zur Strukturierung des Alltags und der Freizeitgestaltung so relevant eingeschränkt ist, dass die Ausschöpfung des Bewertungsrahmens einer stärker behindernden Störung gerechtfertigt wäre. Passend hierzu hat der Kläger selbst angegeben, dass sich die Schmerzen unter Ablenkung besserten. Die Befunde des N korrespondieren mit dem Entlassungsbericht des Uklinikums T (stationärer Aufenthalt vom 19. September bis 2. November 2018), den der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Danach war der Kläger freundlich und offen im Kontakt, dabei wach, bewusstseinsklar und voll orientiert. Im Gespräch zeigten sich keine Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen sowie kein Anhalt für formale Denkstörungen. Bei erhaltener Schwingungsfähigkeit ist die Stimmung nur bei der Schilderung der Beschwerdesymptomatik als gedrückt beschrieben worden, Antrieb und Psychomotorik waren regelrecht. Eine höhere Bewertung des Teil-GdB als mit 30 kommt daher nicht in Betracht.

Im Funktionssystem „Harnorgane“ ist kein höherer Teil-GdB als 10 für das Nierensteinleiden (vgl. VG, Teil B, Nr. 12.1.1) gegeben, nachdem der S1 in seiner sachverständigen Zeugenauskunft fortdauernde Gesundheitsstörungen auf seinem Fachgebiet verneint und keine GdB-relevanz gesehen hat.

Der Teil-GdB im Funktionssystem „Atmung“ ist nicht mit mehr als 10 zu bewerten. Nach den VG, Teil B, Nr. 8.5 ist ein Bronchialasthma ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion bei einer Hyperreagibilität mit seltenen (saisonalen) und/oder leichten Anfällen mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten. Nach dem Befundbericht des Z konnte bei dem Kläger keine relevante Obstruktion oder Restriktion objektiviert werden. Beschrieben wird eine breite Sensibilisierung auf Pollen und eine außerhalb der Pollensaison noch unterschwellige bronchiale Hyperreagibilität. Eine wesentliche Befundänderung ist nicht gegeben, nachdem Z bei seiner Untersuchung 2016 einen entsprechenden Befund erhoben und der L in seiner sachverständigen Zeugenauskunft das Asthma als stabil beschrieben hat. Ein höherer Teil-GdB als 10, wie ihn versorgungärztlich auch A gesehen hat, kommt daher nicht in Betracht.

Ebenso besteht kein höherer Teil-GdB als 10 im Funktionssystem „Herz und Kreislauf“, da keine mittelschwere Form des Bluthochdrucks mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades vorliegt, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten wäre (vgl. VG, Teil B, Nr. 9.3). Vielmehr entnimmt der Senat dem Entlassungsbericht des Uklinikums T, dass der Bluthochdruck medikamentös eingestellt werden konnte. Der diastolische Blutdruck lag im Mittel deutlich unter 100 mmHg. Die handschriftlichen Aufzeichnungen des Klägers, die er im Widerspruchsverfahren vorgelegt hat, bestätigen dies. Soweit im Uklinikum T Schmerzen mit Ausstrahlung in den linken Arm gegeben wurden, hat durch die Labor- und EKG-Diagnostik ein akutes Myokardsyndrom ausgeschlossen werden können und das EKG war unauffällig.

Der Teil-GdB im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ entspricht somit dem Gesamt-GdB und ist mit 40 nicht rechtswidrig zu niedrig festgestellt. Die weiteren anzunehmenden Teil-GdB von jeweils maximal 10 erhöhen den Gesamt-GdB nicht (vgl. VG, Teil A, Nr. 3 d ee).

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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