1. Es ist Sache der hilfesuchenden Person, den Sachverhalt unter Vorlage geeigneter Unterlagen so darzulegen und nachzuweisen, dass zur Überzeugung des Gerichts ein Leistungsanspruch besteht.
2. Eine konkrete Differenzierung zwischen Ausgaben für den privaten Bereich und reinen Betriebsausgaben ist notwendig, um den Gewinn und das anzurechnende Einkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit nach §§ 11, 11b SGB II iVm § 3 Alg II-V verlässlich ermitteln zu können.
3. Vorhandenes Vermögen nach § 12 Abs. 1 SGB II steht dem Leistungsanspruch nach dem SGB II so lange entgegen, wie es nicht (nachweislich) verbraucht wurde. Ein fiktiver Vermögensverbrauch ist ohne Belang.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 7. Juni 2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Zwischen den Beteiligten ist die Ablehnung eines Antrags der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) durch den Beklagten mangels Hilfebedürftigkeit der Klägerin für die Zeit vom 01.09.2017 bis 28.02.2018 streitig.
Die Beteiligten streiten bereits seit dem Jahr 2006 darum, ob die 1961 geborene Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat. Mangels Nachweises der Hilfebedürftigkeit wurden die Anträge vom Beklagten bislang abgelehnt bzw. Leistungen versagt. Diesbezüglich waren bereits zahlreiche gerichtliche Verfahren anhängig.
Am 29.09.2017 stellte die Klägerin beim Beklagten erneut einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerin übte auch im streitgegenständlichen Zeitraum eine 1993 begonnene selbstständige Tätigkeit in den Bereichen Kunsthandwerk und Trockeneisstrahlservice aus. Sie verkauft eigenen Angaben nach selbst hergestellte Holzschuhe sowie Schmiede- und Lederwaren gegen Barzahlung auf Märkten (im Sommer ca. alle zwei Wochen) und reinigt Teppiche, Maschinen, etc. gegen Rechnungstellung. Ihre Kranken- und Pflegeversicherung bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) ruhte im streitgegenständlichen Zeitraum, da sie die Beiträge nicht bezahlte. Die Klägerin wohnt mit zwei weiteren Personen (ihrer älteren Tochter und einem Freund) in ihrem Einfamilienhaus mit drei Räumen sowie Küche und Bad. Daneben ist sie Eigentümerin eines unbebauten Grundstücks mit einer Größe von 1.630 m2 (Landwirtschaftsfläche), das sie nach eigenen Angaben im Jahr 2002 für etwa 3.000,- bis 3.500,- Euro gekauft hatte. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung liegt nicht vor. Im streitbefangenen Zeitraum bezog die Klägerin von der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik eine Unfallrente nach Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 419,58 Euro monatlich (ab 01.07.2017: 427,55 Euro). Zudem besaß sie zwei private Rentenversicherungen, eine bei der E Versicherung und eine bei der H Versicherung (Versicherungsbeginn jeweils am 01.12.2004), ein Girokonto bei der Raiffeisenbank R eG (IBAN DE...., Kontostand am 31.08.2017: 610,55 Euro), einen Bausparvertrag bei der Bausparkasse S AG (Bausparnummer ..., Kontostand im Januar 2017: 52,41 Euro) und eine Versicherung bei der B Lebensversicherung (nach Angaben der Klägerin: Risikokapitalversicherung mit Berufsunfähigkeitsversicherung).
Im Leistungsantrag gab die Klägerin an, zwei Kraftfahrzeuge zu haben (VW LT, Erstzulassung April 1984, und Seat Terra, Erstzulassung 29.12.1993, beide abgemeldet und reparaturbedürftig). Außerdem ist sie Eigentümerin eines Fiat Ducato (Baujahr 2000, amtl. Kennzeichen ..., gekauft 2011 für ca. 2.500,- Euro), den sie auch für ihre selbstständige Tätigkeit nutzt, eines Traktors und eines Markthängers.
Die Nebenkosten für ihr Hausgrundstück bezifferte die Klägerin wie folgt: Grundsteuer 16,02 Euro jährlich, Kaminkehrer-Gebühren 72,88 Euro jährlich, Gebühren für Wasser / Abwasser 71,- Euro vierteljährlich, Müllgebühren 21,15 Euro vierteljährlich, Rundfunkgebühren 52,50 Euro vierteljährlich, Haftpflicht Fahrzeug für Holzwerbung 54,51 Euro vierteljährlich. Da sie ihren Anteil der Brennstoffbeschaffung nicht erfüllen bzw. zahlen könne, gingen die genannten Hausnebenkosten allein zu ihren Lasten. Ihr Anteil für "Bad, Zentralheizung, Warmwasserversorgung" gemäß mündlichem Darlehensvertrag mit den Mitbewohnern in Höhe von 160,- Euro monatlich sei "wegen Armut ausstehend". Nachweise hierzu legte die Klägerin nicht vor. Ihre voraussichtlichen Einnahmen im streitgegenständlichen Zeitraum bezifferte die Klägerin im Antrag auf einem "Beiblatt EKS" auf monatlich "427,55 Euro (Unfallrente) + ?". Als Ausgaben setzte sie monatlich 47,84 Euro bzw. 65,84 Euro für "Sozialversicherung" an, zusätzlich für November 2017 ca. 198,- Euro Kfz-Steuer und für Januar 2018 ca. 330,- Euro Kfz-Versicherung. Die Angaben seien nicht vollständig; die Einkommens-/Ausgabenlage hänge von ihrem Gesundheitszustand, Zeit-, Finanz- und Auftragslage und allgemeiner Wirtschaftslage ab. Ihr Eigenheim werde zum Wohnen wie auch für die selbstständige Tätigkeit genutzt, der jeweilige Anteil sei wechselnd.
Den im Laufe der gerichtlichen Verfahren vorgelegten Kontoauszügen des Girokontos der Klägerin lässt sich entnehmen, dass sie im September 2017 16,02 Euro Grundsteuer und 71,- Euro für Wasser/Abwasser, im November 2017 21,15 Euro Abfallgebühren und 44,15 Euro Brandversicherung, im Dezember 2017 380,14 Euro (wohl für die Wohngebäudeversicherung) und im Januar 2018 21,15 Euro Abfallgebühren und 83,23 Euro an die Verwaltungsgemeinschaft M zahlte. Die Zahlungen weiterer Hausnebenkosten sind daraus nicht ersichtlich.
Es finden sich folgende Einzahlungen bzw. Überweisungen (Haben) auf das Konto: im September 2017 19,90 Euro und 900,- Euro Einzahlung und im November 2017 Einzahlungen von 100,- Euro und 150,- Euro sowie ein Überweisung in Höhe von 1.605,- Euro (Rg. 17009).
Zur E Versicherung legte die Klägerin im Klageverfahren die Kopie eines Schreibens der E Versicherung vom 21.02.2017 vor, wonach die unwiderruflich beantragte Umwandlung der Rentenversicherung in einen pfändungsgeschützten Vertrag nach § 167 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und § 851c Zivilprozessordnung (ZPO) vorgenommen worden sei. Eine Verwertung der Ansprüche aus dem Vertrag vor Vollendung des 60. Lebensjahres sei damit ausgeschlossen. Zu diesem Zweck habe die Klägerin unwiderruflich darauf verzichtet, über Rechte aus dem Vertrag ganz oder teilweise zu verfügen, insbesondere durch Abtretung, Verpfändung oder Beleihung. Das Recht auf ordentliche Kündigung sei insoweit ausgeschlossen, als das angesammelte Kapital innerhalb der von § 851 c Abs. 2 ZPO genannten Grenzen liege.
Die Rückkaufswerte inklusive Überschussanteilguthaben der H Versicherung stellten sich zu verschiedenen Zeitpunkten wie folgt dar:
01.12.2013: 8.615,58 Euro
01.12.2015: 9.137,29 Euro
01.12.2017: 9.641,43 Euro
01.12.2018: 9.918,82 Euro
01.12.2019: 10.270,40 Euro
Die Höhe der eingezahlten Beiträge in die H Versicherung bis zur Prämienfreistellung lt. Schreiben der Versicherung vom 27.07.2016 betrug (nach telefonischer Mitteilung der Klägerin gegenüber dem Beklagten vom 16.08.2016) insgesamt 8.640,- Euro.
Der Beklagte lehnte den Antrag vom 29.09.2017 mit streitgegenständlichem Bescheid vom 27.10.2017 für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis 31.08.2018 ab, weil die Klägerin ihre Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen habe. Den Widerspruch der Klägerin hiergegen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2018 als unbegründet zurück.
Am 31.03.2018 stellte die Klägerin beim Beklagten einen erneuten Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, der mit Bescheid vom 15.05.2018 für die Zeit vom 01.03.2018 bis 28.02.2019 abgelehnt wurde. Auf einen Überprüfungsantrag der Klägerin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2018 die Rücknahme des Bescheides vom 15.05.2018 ab (Klageverfahren S 16 AS 667/18, Berufungsverfahren L 16 AS 198/20).
Die Klägerin erhob am 16.01.2018 Klage zum Sozialgericht Landshut. Sämtliche Unterlagen lägen bereits vor. Dem Grunde nach bestehe ein Anspruch nach dem SGB II, es seien lediglich noch Feststellungen zur Höhe erforderlich.
Mit Schreiben vom 26.02.2018 und 27.03.2018 forderte das Sozialgericht von der Klägerin weitere Unterlagen (Kontoauszüge für die Zeit von September bis Dezember 2017, Bestätigungen über eingezahlte Beiträge und Rückkaufswerte der Lebens- bzw. Rentenversicherungen bei der H und der E Versicherung (Stand: September 2017), Auflistung der Betriebseinnahmen und -ausgaben nebst Belegen) an, die von der Klägerin nur teilweise eingereicht wurden. Sie legte insbesondere Kopien aus ihrem handschriftlichen Geschäftsbuch ohne Belege vor, ferner teilweise geschwärzte Kontoauszüge und eine Übersicht über alle Einnahmen und Ausgaben im Jahr 2017, wobei sie nicht nach dem Einkommen aus der Unfallrente und aus der selbstständigen Tätigkeit unterschied und auch die Ausgaben nicht nach privater und beruflicher Veranlassung differenzierte.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 07.06.2018 ab. Die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09.2017 bis 28.02.2018. Streitgegenständlich sei der Zeitraum vom 01.09.2017 bis 28.02.2018, da die Klägerin im März 2018 beim Beklagten einen neuen Antrag gestellt habe, über den der Beklagte noch zu entscheiden haben werde. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig gewesen, da sie über Einkommen und verwertbares Vermögen verfügt habe, mit dem sie ihren Bedarf in der streitgegenständlichen Zeit habe decken können. Der Regelbedarf für Alleinstehende habe im streitgegenständlichen Zeitraum 409,- Euro bzw. - ab 01.01.2018 - 416,- Euro monatlich betragen. Selbst unter Berücksichtigung aller von der Klägerin angegebenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung und der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung komme ein Leistungsanspruch der Klägerin nicht in Betracht. Auf den Bedarf anzurechnen sei das Einkommen aus der Unfallrente in Höhe von 427,55 Euro monatlich abzüglich der Versicherungspauschale in Höhe von 30,- Euro gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II / Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V), so dass ein anzurechnendes Einkommen aus der Verletztenrente in Höhe von 397,55 Euro verbleibe. Der dadurch noch nicht gedeckte Bedarf im streitgegenständlichen Zeitraum habe durch das zu berücksichtigende, verwertbare Vermögen der Klägerin gedeckt werden können. Bezüglich der Rentenversicherung bei der H habe kein Verwertungsausschluss bestanden. Der Rückkaufswert dieser Rentenversicherung inkl. Überschussanteilguthaben habe sich zum 01.12.2013 auf insgesamt 8.615,58 Euro, zum 01.12.2015 auf insgesamt 9.137,29 Euro und zum 01.12.2017 auf insgesamt 9.641,43 Euro belaufen. Mangels genauerer Angaben der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum gehe das Gericht von einem Verkehrswert in der streitbefangenen Zeit von ca. 9.600,- Euro aus. Dem stünden eingezahlte Beiträge in Höhe von insgesamt 8.640,- Euro gegenüber. Dieser Vermögensgegenstand sei rechtlich und tatsächlich verwertbar gewesen, da tatsächliche oder rechtliche Hindernisse nicht ersichtlich seien. Die H Rentenversicherung sei auch nicht nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II vom Vermögen der Klägerin abzusetzen, weil es sich nicht um eine nach Bundesrecht geförderte Anlageform oder einen sonstigen nach § 5 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifizierten Altersvorsorgevertrag gehandelt habe. Auf § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II könne sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen, da für den streitgegenständlichen Zeitraum kein unwiderruflicher Verwertungsausschluss für die H Versicherung vereinbart worden sei. Auch der Ausschlusstatbestand des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II sei nicht einschlägig, da die Klägerin nicht dem privilegierten Personenkreis unterfalle. Die Verwertung der Rentenversicherung der Klägerin sei auch weder offensichtlich unwirtschaftlich noch würde sie eine besondere Härte darstellen; die Regelungen des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II seien nicht einschlägig. Der Verkehrswert der H Versicherung in Höhe von ca. 9.600,- Euro habe die Freibetragsgrenzen gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 4 SGB II überschritten. Der Grundfreibetrag für die am 02.02.1961 geborene Klägerin habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung am 29.09.2017 auf 8.400,- Euro, der Freibetrag für notwendige Anschaffungen auf 750,- Euro belaufen, sodass sich ein Freibetrag von insgesamt 9.150,- Euro ergebe. Vermögen sei zu berücksichtigen, solange es tatsächlich vorhanden sei. Ein fiktiver Vermögensverbrauch sei nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin habe außerdem über weitere Vermögensgegenstände sowie Einkommen aus ihrer selbstständigen Tätigkeit verfügt, dessen Höhe von ihr - trotz Aufforderung durch den Beklagten und das Gericht - nicht nachgewiesen und belegt worden sei. Sie habe in der mündlichen Verhandlung zudem vorgetragen, dass ihre beiden Mitbewohner - ihre Tochter und ein Freund - keine Miete bezahlen würden, sie von ihnen aber "gelegentlich Hilfe und finanzielle Unterstützung in Form von Darlehen" erhalte, deren genaue Höhe sie jedoch nicht habe beziffern können. Dies lege den Schluss nahe, dass die Klägerin erforderliche Hilfe von anderen iSd § 9 Abs. 1 SGB II in nicht unerheblichem Umfang erhalten habe, ohne dass eine ernsthafte und verbindliche Rückzahlungsverpflichtung bestünde.
Gegen das ihrem damaligen Bevollmächtigten am 18.07.2018 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat die Klägerin am 17.08.2018 beim Bayerischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Die Klägerin ist in allen fünf im Senat anhängigen Berufungsverfahren (L 16 AS 812/18, L 16 AS 813/18, L 16 AS 198/20, L 16 AS 199/20 und L 16 AS 200/20) mit Schreiben vom 25.10.2021 (zugestellt laut PZU am 30.10.2021) darauf hingewiesen worden, dass die Berufungen noch nicht begründet wurden und ist unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 106a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebeten worden, bis spätestens 30.11.2021 folgende Unterlagen (Aufzählung, soweit den hier streitigen Zeitraum betreffend) vorzulegen:
- Bestätigung der H Lebensversicherung AG über den Verkehrswert sowie die Summe der eingezahlten Beiträge zum Stichtag 01.09.2017 bzw. alternativ eine Schweigepflichtentbindungserklärung gegenüber der H Versicherung
- noch fehlende lückenlose Kontoauszüge für die Zeit vom 01.01.2018 bis 28.02.2018
- den Kontoauszug zum Bausparvertrag mit Stand zum 31.12.2017
- Nachweise über die ihr entstandenen Hausnebenkosten
- Evtl. Verkaufserlös aus dem beabsichtigten Verkauf des Hängers
- Kopie eines Auszugs aus dem Grundbuch über die ihr gehörenden Immobilien bzw. Angabe der entsprechenden Flurnummern
- Belege zu ihren Betriebseinnahmen und -ausgaben im streitgegenständlichen Zeitraum
Mit einem am 04.01.2022 eingegangen Schreiben, das alle fünf Berufungsverfahren betraf, hat die Klägerin drei Schreiben der H Versicherung über den Stand der Rückkaufswerte zum 01.12.2017, 01.12.2018 und 01.12.2019, teilweise geschwärzte Kontoauszüge für die Zeit vom 03.07.2017 bis 10.07.2017 und von Januar 2018 bis Februar 2020, Nachweise über den Kontostand des Bausparvertrags zum 31.12.2017 und für das Jahr 2019 sowie eine Übersicht über ihre Betriebseinnahmen und -ausgaben in der Zeit von November 2019 bis Dezember 2020 ohne Belege vorgelegt. Der Markthänger sei unverkäuflich, da defekt.
Die Klägerin hat einen Antrag zur Berufung nicht gestellt.
Der Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat erklärt, die von der Klägerin übermittelten Kontoauszüge seien unzulässigerweise teilweise geschwärzt worden und unleserlich. In ihrer Aufstellung vermische die Klägerin gewerbliche und nichtgewerbliche Ausgaben. Einnahmen fehlten vollständig, was nicht nachvollziehbar sei. Aufgrund der gesetzten Frist dürfte die Klägerin präkludiert sein. In einem weiteren Schreiben vom 07.03.2022 hat die Klägerin nochmals ihre Meinung bekräftigt, alle Unterlagen zur Prüfung ihrer Hilfebedürftigkeit in ausreichendem Umfang vorgelegt zu haben.
Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 07.06.2018 ist nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Antrag zur Berufung gestellt. Unter Berücksichtigung ihres Vortrags geht der Senat davon aus, dass sie die Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts sowie der angefochtenen Bescheide und die Verurteilung des Beklagten zur endgültigen Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der Zeit vom 01.09.2017 bis 28.02.2018 in gesetzlicher Höhe begehrt. Aus ihrer Sicht hat sie zumindest im sozialgerichtlichen Verfahren alle Unterlagen zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen vorgelegt, so dass ihr Begehren nicht mehr auf nur vorläufige Leistungserbringung nach § 41a SGB II, sondern auf endgültige Erbringung der Leistungen nach Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraums gerichtet ist. Da die Klägerin am 31.03.2018 einen neuen Leistungsantrag gestellt hat und der Beklagte hierüber mit Bescheid vom 15.05.2018 (ablehnend) entschieden hat (Klageverfahren S 16 AS 667/18, Berufungsverfahren L 16 AS 198/20), ist in diesem Berufungsverfahren nur der Bescheid vom 27.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018 streitig, der den Bescheid vom 10.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2017 für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis 28.02.2018 erledigt hat (§ 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X).
Die so verstandene Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Bescheid vom 27.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2018 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Klägerin hat auch zur Überzeugung des Senats ihre Hilfebedürftigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.09.2017 bis 28.02.2018 nicht nachgewiesen. Sie kann ihren Bedarf durch Einkommen und vorhandenes, verwertbares Vermögen decken.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig und (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Streitig ist allein die Frage der Hilfebedürftigkeit der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum. Hilfebedürftig ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II iVm § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
Die materielle Beweislast für das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit trägt die Klägerin als hilfesuchende Person (vgl. Korte in LPK-SGB II, 7. Aufl. 2021, § 9 Rdnr. 5; BSG, Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 6/08 R). Die materielle Beweislast bzw. Feststellungslast regelt, wen die Folgen treffen, wenn das Gericht eine bestimmte Tatsache letztlich nicht feststellen kann (non liquet). Es gilt der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Es ist also Sache der Klägerin, den Sachverhalt unter Vorlage geeigneter Unterlagen so darzulegen und nachzuweisen, dass zur Überzeugung des Gerichts ein Leistungsanspruch besteht. Kommt ein Kläger seiner Mitwirkungsobliegenheit im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG nicht nach, sind die Gerichte trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 103 Satz 1 SGG nur eingeschränkt verpflichtet, weiter zu ermitteln. Dies gilt insbesondere für Umstände, die in der Sphäre der Klägerin liegen. In diesem Fall trifft die Klägerin die Feststellungslast (vgl. Karl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, § 9 Rdnr. 233, 219).
Der Bedarf der Klägerin beläuft sich zum einen auf den Regelbedarf nach § 20 Abs. 1, Abs. 1a SGB II iVm §§ 28, 28a Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) und § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes (RBEG) vom 22.12.2016 sowie § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung - RBSFV 2018) in Höhe von 409,- Euro bzw. - ab 01.01.2018 - in Höhe von 416,- Euro. Zum anderen sind gemäß § 22 SGB II Kosten der Unterkunft im streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von 16,02 Euro Grundsteuer und 71,- Euro (Wasser/Abwasser) im September 2017, 21,15 Euro Abfallgebühren und 44,15 Euro Brandversicherung im November 2017, 380,14 Euro (wohl für die Wohngebäudeversicherung beim Bayerischen Versicherungsverband) im Dezember 2017 und 21,15 Euro (Abfallgebühren) und 83,23 Euro (VG M, wohl für Wasser/Abwasser nach Abrechnung des Jahres 2017) im Januar 2018 anhand der Kontoauszüge belegt. Für die weiter behaupteten Kosten für Heizung, Warmwasser und Bad in Höhe von 160,- Euro pro Monat hat die Klägerin keine Nachweise erbracht. Solche Kosten sind auch nicht aus den vorgelegten Kontoauszügen ersichtlich. Im Leistungsantrag hatte die Klägerin angegeben, diese Kosten "wegen Armut" derzeit nicht zu bezahlen bzw. Brennstoffe selbst zu beschaffen; entsprechende Rechnungen wurden jedoch nicht eingereicht.
Die Klägerin verfügte über Einkommen aus der Verletztenrente in Höhe von 427,55 Euro und verwertbares Vermögen, das ihr zur Deckung des oben genannten Bedarfs zur Verfügung stand. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass von der Verletztenrente nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V die Versicherungspauschale in Höhe von 30,- Euro abzusetzen ist, so dass sich hieraus ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 397,55 Euro ergibt.
Da die Klägerin ihr Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit nicht, insbesondere nach reinen Betriebseinnahmen und -ausgaben differenziert und anhand von Belegen überprüfbar, nachgewiesen hat, kann der Senat schon nicht beurteilen, ob nicht bereits das Gesamteinkommen der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ihren grundsicherungsrechtlichen Bedarf deckte. Die Klägerin selbst hat in ihrem Schreiben vom 07.03.2022 angegeben, sie könne (nur) die Markteinnahmen nicht belegen. Ausweislich der Kontoauszüge wurden auf das Konto der Klägerin - neben den monatlichen Überweisungen der Unfallrente - jedenfalls im September 2017 900,- Euro eingezahlt und eine Rechnung in Höhe von 19,90 Euro überwiesen; im November 2017 finden sich Einzahlungen in Höhe von insgesamt 250,- Euro und die Überweisung auf eine Rechnung (Rg. 17009) in Höhe von 1.605,- Euro. Der Beklagte hat zurecht darauf hingewiesen, dass die Klägerin in der Aufstellung ihrer Einnahmen und Ausgaben nicht zwischen den Einnahmen aus der Unfallrente und den Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit unterscheidet. Gleiches gilt für die Ausgaben, da in der übersandten Kopie aus dem Geschäftsbuch beispielsweise auch Hausnebenkosten und Stromkosten in voller Höhe als Ausgaben angesetzt wurden, obwohl das Haus nur anteilig (ohne konkrete Angaben der Klägerin, zu welchem Anteil) für die selbstständige Tätigkeit der Klägerin genutzt wurde. Eine konkrete Differenzierung zwischen Ausgaben für den privaten Bereich und reinen Betriebsausgaben ist jedoch notwendig, um den Gewinn der Klägerin und letztlich das anzurechnende Einkommen aus ihrer selbstständigen Tätigkeit gemäß §§ 11, 11b SGB II iVm § 3 Alg II-V (in der Fassung vom 26.07.2016) verlässlich ermitteln zu können. Dies war dem Senat anhand der vorliegenden Unterlagen nicht möglich. Darüber hinaus konnte der Senat mangels Vorlage von Belegen nicht überprüfen, ob es sich bei den Ausgaben, sofern man ihre Eigenschaft als Betriebsausgaben unterstellt (etwa Ausgaben, die im handschriftlichen Geschäftsbuch als "Ware" oder "Verbrauch, Werkstatt, Material" bezeichnet sind), um notwendige Ausgaben iSd § 3 Abs. 2, 3 Alg II-V handelte.
Die genaue Höhe des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Klägerin auch über verwertbares Vermögen in Form des Rückkaufswertes der H Versicherung verfügte, das die gesetzlichen Vermögensfreibeträge überstieg. Als Vermögen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 13.05.2011 grundsätzlich alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen, die den Grundfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II (150,- Euro je vollendetem Lebensjahr, im Falle der Klägerin also 8.400,- Euro bis Januar 2018 und 8.550,- Euro ab Februar 2018) und den Freibetrag für notwendige Anschaffungen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II (750,- Euro), insgesamt 9.150,- Euro bzw. - ab 01.02.2018 - 9.300,- Euro übersteigen.
Zum anzurechnenden Einkommen sowie der als Vermögen zu berücksichtigenden Rentenversicherung der H, soweit die genannten Freibeträge überschritten sind, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht nachgewiesen hat, dass der Rückkaufswert der H Versicherung inklusive des Überschussanteilsguthabens unterhalb des Vermögensfreibetrages von 9.150,- Euro gelegen hat. Der Senat hat die Klägerin gebeten, den Wert zum 01.09.2017 zu belegen bzw. alternativ dem Senat eine Schweigepflichtentbindungserklärung zu erteilen, damit dieser die erforderliche Auskunft selbst bei der H Versicherung einholen kann. Dieser Bitte mit gerichtlichem Schreiben vom 25.10.2021 unter Fristsetzung bis 30.11.2021 ist die Klägerin trotz Hinweises auf die mögliche Präklusionswirkung des § 106a Abs. 3 SGG nicht nachgekommen. Die Vorgehensweise des Sozialgerichts, mangels anderweitiger Anhaltspunkte für den hier am 01.09.2017 beginnenden streitgegenständlichen Zeitraum einen Wert von ca. 9.600,- Euro zugrunde zu legen, nachdem der Rückkaufswert nachweislich am 01.12.2015 9.137,29 Euro und am 01.12.2017 9.641,43 Euro betragen hatte, ist nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat hierbei im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG von seiner Schätzbefugnis nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 287 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässig Gebrauch gemacht und die Schätzungsgrundlagen offengelegt sowie schlüssig und nachvollziehbar dargelegt (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 47/14 R, Rdnr. 18 ff. juris).
Zutreffend hat das Sozialgericht auch darauf hingewiesen, dass vorhandenes Vermögen dem Leistungsanspruch nach dem SGB II so lange entgegensteht, wie es nicht (nachweislich) verbraucht wurde (vgl. Silbermann in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2020, § 9 Rdnr. 20 und Lange in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2020, § 12 Rdnr. 129). Ein fiktiver Vermögensverbrauch ist dabei ohne Belang. Vermögen ist deshalb - soweit es die Freibeträge übersteigt und nicht zum Schonvermögen zählt (hier jedenfalls in Höhe von ca. 450,- Euro bzw. 300,- Euro (die Vermögensfreibeträge übersteigender Rückkaufswert der H Versicherung) zzgl. des Guthabens auf dem Girokonto in Höhe von 610,55 Euro und des Vermögen in Höhe von rund 50,- Euro aus dem Bausparvertrag, insgesamt also rund 1.000,- Euro) - solange auf den Leistungsanspruch anzurechnen, bis es tatsächlich verbraucht ist; dies gilt auch, soweit es bereits in einem früheren Bewilligungszeitraum entsprechend berücksichtigt, tatsächlich aber nicht verbraucht worden ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 30.07.2008 - B 14 AS 14/08 B; Lange in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 12 Rdnr. 30). Die Klägerin hat ihr Vermögen nicht verbraucht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).