1. Die Einführung der Sonderregelung in § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG, wonach für Anträge, die in der Zeit vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2020 eingehen, bei der Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens der Eltern nur das Einkommen aus dem letzten Monat vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich ist, beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, der hierbei auch in Kauf genommen hat, dass sich diese Sonderregelung in Einzelfällen auch zu Lasten eines Antragstellers auswirken kann.
2. Die befristete Sonderregelung in § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG ist verfassungsgemäß.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 15. April 2021 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem ihre auf höheren Kinderzuschlag gerichtete Klage abgewiesen wurde.
Die 1975 geborene, verheiratete Klägerin lebt zusammen mit ihrem Ehemann und ihren sechs 1998, 2002, 2007, 2010, 2013 und 2017 geborenen Kindern in einer Mietwohnung. Die Wohngeldbehörde des Landratsamtes Z.... bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 21. Juli 2020 einen Vorschuss auf Wohngeld in Höhe von monatlich 450,00 EUR für die Monate August bis November 2020.
Die Klägerin bezog für ihre Kinder auf Grund des Bescheides der Beklagten vom 9. März 2020 Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) für März 2020 bis August 2020 in Höhe von monatlich 703,00 EUR. Dabei wurde Elterneinkommen angerechnet.
Der Ehemann der Klägerin wechselte zum 1. August 2020 zu einem neuen Arbeitgeber. Im August 2020 erhielt er vom alten Arbeitgeber den Lohn für Juli 2020 in Höhe von 2.576,00 EUR brutto (arbeitsvertraglich vereinbarte Lohnzahlung am 15. eines Monates für den vorhergehenden Monat) sowie vom neuen Arbeitgeber den für August 2020 in Höhe von 2.308,00 EUR brutto (arbeitsvertraglich vereinbarte Lohnzahlung am Monatsende).
Auf den Antrag vom 23. Juni 2020 hin bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 2. September 2020 Kinderzuschlag für die Monate September 2020 bis Februar 2021 in Höhe von monatlich 115,00 EUR.
Die Klägerin legte hiergegen mit Schreiben vom 9. September 2020 Widerspruch ein. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Leistungshöhe um 588,00 EUR im Vergleich zum letzten Bewilligungszeitraum verringere, und weshalb von einem Elterneinkommen in Höhe von 3.099,49 EUR [netto] ausgegangen werden, wo dieses zuvor bei 1.748,11 EUR gelegen habe. Das Einkommen Ihres Ehemannes hätte von März bis August 2020 im Schnitt nicht mehr als 1.800,00 EUR betragen. Im Juni 2020 habe es sich aufgrund von Kurzarbeit "Null" nur auf 1.303,23 EUR und im Mai 2020 wegen Kurzarbeit auf 1.621,12 EUR belaufen. Seit April 2018 habe er ein etwa gleich bleibendes Einkommen gehabt. Zum August 2020 habe er wegen der zuvor verordneten Kurzarbeit und der allgemeinen Ungewissheit die Arbeitsstelle gewechselt, obwohl er dort ca. 100,00 EUR weniger Einkommen erziele. Sie selbst bekomme seit April 2020 kein Elterngeld mehr; die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für ihre Tochter Y.... betrügen 0,00 EUR. Trotzdem müsse das Schulgeld weitergezahlt werden.
Mit Änderungsbescheid vom 26. Oktober 2020 erhöhte die Beklagte den Kinderzuschlag für den Bewilligungszeitraum auf monatlich 144,00 EUR.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2020 zurück. Der Bewilligungszeitraum beginne mit dem Monat, in dem der Antrag auf Kinderzuschlag gestellt werde, jedoch frühestens nach Ende des laufenden Bewilligungszeitraums. Grundsätzlich sei das zu berücksichtigende Einkommen aus dem Durchschnitt des in den sechs Monaten vor Beginn des (neuen) Bewilligungszeitraumes zugeflossenen Einkommens zu ermitteln. Allerdings sei gemäß § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG für Anträge, die – wie hier – in der Zeit vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2020 eingingen, entsprechend der Regelungen zum Notfall-Kinderzuschlag nur das Einkommen der Eltern aus dem letzten Monat vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend, hier dem August 2020. Bei den Kindern verbleibe es bei dem Durchschnittseinkommen der letzten sechs Monate. Im August 2020 seien dem Ehemann der Klägerin sowohl der Lohn des alten Arbeitgebers für Juli 2020 als auch der Lohn des neuen Arbeitgebers für August 2020 ausgezahlt worden. Die Beklagte hat sodann, auch unter Verweis auf die dem Bescheid beigefügten Berechnungsbögen, die Leistungsberechnung dargelegt. Der Gesamtkinderzuschlag werde um 45 % des Betrages, um den die monatlichen Erwerbseinkünfte den maßgebenden Betrag überstiegen, monatlich gemindert. Vorliegend übersteige das zu berücksichtigende Gesamteinkommen den elterlichen Bedarf um 1.876,82 EUR. Davon würden 45 % den möglichen Gesamtkinderzuschlag, hier 989,00 EUR mindern, sodass sich ein Kinderzuschlag von 144,00 EUR (gerundet) errechne.
Die Klägerin hat am 20. November 2020 Klage erhoben. Sie habe keinen Notfall-Kinderzuschlag beantragt. Den Weiterbewilligungsantrag habe sie rechtzeitig am "20.07.2020" gestellt, weshalb der für die Berechnung maßgebende Monat der Juni 2020 wäre
Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 15. April 2021 abgewiesen. Es hat zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid vom 11. November 2020 verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass im Fall der Klägerin die Sonderregelung des § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG gelte.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 19. April 2021 zugestellten Gerichtsbescheid am 17. Mai 2021 Berufung eingelegt. Sie hat nochmals die Antragsbearbeitung durch die Beklagte ab der Antragstellung "Ende Juni 2020" dargestellt. Das Gehalt des neuen Arbeitgebers ihres Ehemannes, das zum Ende des Monats August 2020 gezahlt worden sei, sei im September 2020 zur Lebenshaltung zu nutzen gewesen. Wenn die Berechnung so erfolgt wäre, wie es bisher üblich gewesen sei und seit dem 1. Oktober 2020 auch wieder üblich sei, wäre das Einkommen fast unverändert und der Anspruch auf Kinderzuschlag bei etwa 700,00 EUR gewesen. Die Bearbeitung und Berechnung des Kinderzuschlages sei eindeutig willkürlich erfolgt.
Die Klägerin, die keinen Antrag formuliert hat, beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 15. April 2021 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 2. September 2020 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2020 zu verurteilen, ihr Kinderzuschlag für den Zeitraum von September 2020 bis Februar 2021 in Höhe von 703,00 EUR [Betrag aus vorangegangenem Bewilligungszeitraum] unter Berücksichtigung der ihr bereits bewilligten Leistungen zu zahlen.
Die Beklagte, die ebenfalls keinen Antrag formuliert hat, hält die Entscheidung des Sozialgerichtes für zutreffend. Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während des laufenden Bewilligungszeitraums seien nach Maßgabe von § 6a Abs. 7 Satz 3 BKGG nur in den dort vorgesehenen, hier jedoch nicht vorliegenden, Ausnahmefällen möglich.
Mit richterlichem Schreiben vom 16. Februar 2022 sind die Beteiligten in Bezug auf die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens auf die allgemeine Regelung in § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG sowie auf die seit 28. März 2020 geltende Sonderregelung in § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG hingewiesen worden. Ein Ausdruck der Seiten 12 bis 13 (Text des Entwurfes der Änderungsvorschrift zum Bundeskindergeldgesetzes) sowie 30 bis 33 (Begründung zur Änderungsvorschrift) der Bundestags-Drucksache 19/18107 ist ihnen zur Kenntnis gegeben worden. Die maßgebenden Erwägungen des Gesetzgebers und die Bedeutung der Änderungsvorschrift für den vorliegenden Fall sind erläutert worden. Hinsichtlich der Rüge der Klägerin, dass entgegen einer früheren Praxis auf einen Folgeantrag hin nicht die Bewilligungsentscheidung betreffend den zurückliegenden Bewilligungszeitraum rückwirkend geprüft worden sei, ist die Regelung in § 6a Abs. 7 Satz 3 BKGG dargestellt worden.
In der mündlichen Verhandlung am 28. April 2022, in der die Klägerin nicht anwesend gewesen ist, hat der Senat zu bedenken gegeben, ob im Hinblick auf die sehr deutliche Differenz zwischen der Höhe des Kinderzuschlages, wie er bis August 2020 und später auch im Jahr 2021 wieder bewilligt worden ist, zur Höhe des bewilligten Kinderzuschlages ab September 2020 nicht ein Fall der Spontanberatung vorgelegen habe. Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, einen Antrag auf Kinderzuschlag so zu stellen, dass der Bewilligungszeitraum erst im Oktober 2020 begonnen hätte. Dann wäre auf das Einkommen im September 2020 abzustellen gewesen.
Auf die Bitte des Senates hin hat die Beklagte eine Berechnung für den Bewilligungszeitraum von Oktober 2020 bis Februar 2021 durchgeführt und ist im Schriftsatz vom 12. Mai 2022 zum Ergebnis gelangt, dass sich ein Anspruch auf Kinderzuschlag in Höhe von 890,00 EUR monatlich errechne. Jedoch setze eine Abänderung der angefochtenen Bescheide im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs einen notwendigen Verzicht der Klägerin auf Kinderzuschlag für den Monat September 2020 voraus. Ein Verzicht könne aber nur für die Zukunft erklärt werden und sei für "abgewickelte" Leistungsansprüche nicht mehr möglich. Im Übrigen hätte ein Verzicht der Klägerin weiter zur Folge, dass sie mit dem Wegfall des Anspruches auf Kinderzuschlag rückwirkend auch keinen Anspruch mehr auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket für ihre "sieben Kinder" im Monat September 2020 hätte.
Mit einem weiteren Schriftsatz vom 12. Mai 2022 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass es der Klägerin auch möglich gewesen wäre, ergänzend zum Kinderzuschlag Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu beantragen, um den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft zu decken. Durch die Gesetzesänderung im Juli 2019 sei diese Möglichkeit eingeführt worden. Damit habe kein Fall einer Spontanberatung vorgelegen.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 17. Juli 2022 [gemeint ist wohl 17. Mai 2022] erwidert, dass im Juni 2020, als sie den Antrag gestellt habe, nicht ersichtlich gewesen sei, dass ihr Ehemann zum 1. August 2020 die Arbeitsstelle wechseln würde. Es sei auch nicht ersichtlich gewesen, dass bereits Beziehende von den "Notfallregelungen" betroffen sein würden. Der geringere Anspruch für August 2020 sei unbestritten. Für die folgenden Monate habe jedoch das zugrunde gelegte Einkommen nicht zur Verfügung gestanden. Mit dem Kinderzuschlag solle der Bezug von Arbeitslosengeld II gerade verhindert werden, insofern wäre ein Antrag auf selbiges ungerechtfertigt. Die Klägerin hat beantragt, nach Aktenlage zu entscheiden.
Mit Schreiben vom 30. Mai 2022 ist die Klägerin der Auffassung der Beklagten entgegengetreten, dass sie ergänzend Arbeitslosengeld II hätte beantragen können.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 2. Juni 2022 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Auf Anfrage zur Anpassung der Leistungsbewilligung im Hinblick auf die Anhebung des Höchstbetrages des Kinderzuschlages zum 1. Januar 2021 hat die Beklagte mit Schreiben vom 21. Juni 2022 mitgeteilt, dass nach der Dienstanweisung lediglich der Differenzbetrag gezahlt werde, jedoch keine Änderung des Bewilligungsbescheides erfolge. Für die Monate Januar und Februar 2021 hätte für jedes der Kinder 20,00 EUR mehr ausgezahlt werden müssen. Allerdings seien bislang nur 100,00 EUR je Monat zur Auszahlung gekommen. Auf Nachfrage und richterlichen Hinweis hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Juni 2022 mitgeteilt, dass auch die noch ausstehenden 40,00 EUR für das sechste Kind ausgezahlt worden seien. Sie hat eine Kopie der diesbezüglichen Kassenanordnung vorgelegt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (eAkte, 278 Dokumente) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Das Gericht entscheidet gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet, weil das Sozialgericht zu Recht die Klage abgewiesen hat. Der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2020 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2020 ist rechtmäßig, weil die Klägerin keinen Anspruch auf höheren Kinderzuschlag hat (2.). Eine Auslegung des Antrages vom 23. Juni 2020 in dem Sinne, dass die Klägerin Kinderzuschlag erst ab Oktober 2020 begehrt, dann aber berechnet auf der Grundlage des Einkommens ihres Ehemannes im September 2020, scheidet aus (3.). Auch eine Leistungsgewährung auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kommt vorliegend nicht in Betracht (4.).
1. Anspruchsgrundlage für das Rechtsschutzbegehren der Klägerin ist § 6a BKGG. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer – wie hier erhobenen – kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (sog. unechte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 SGG) ist der maßgebende Zeitpunkt grundsätzlich die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz (ständige Rspr. des BSG, z. B. BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KR 13/17 R – SozR 4-2500 § 139 Nr. 10 = juris Rdnr. 14; vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG [13. Aufl., 2020], § 54 Rdnr. 34, m. w. N.). Bei laufenden Leistungen ist die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum maßgebend, für den die Leistungen begehrt werden (vgl. Keller, a. a. O.). Danach ist für die Monate September bis Dezember 2020 die vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2020 geltende Fassung von § 6a BKGG (vgl. Artikel 2 Nr. 2 des Gesetzes vom 29. April 2019 [BGBl. I S. 530]) und für die Monate Januar und Februar 2021 vom 1. Januar 2021 bis zum 29. Juli 2021 geltende Fassung von § 6a BKGG (vgl. Artikel 5 Nr. 3 des Gesetzes vom 1. Dezember 2020 [BGBl. I S. 2616])
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kinderzuschlag nach den Regelungen des Bundeskindergeldgesetzes in der in ihrem Fall maßgebenden Fassungen.
a) Nach § 6a Abs. 1 BKGG erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn
1. sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 BKGG haben,
2. sie mit Ausnahme des Wohngeldes, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags über Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe von mindestens 900,00 EUR oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von mindestens 600,00 EUR verfügen, wobei Beträge nach § 11b SGB II nicht abzusetzen sind, und
3. bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II besteht, wobei die Bedarfe nach § 28 SGB II außer Betracht bleiben.
Zum 1. Januar 2021 sind der Regelung in § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG folgende zwei Sätze angefügt worden (vgl. Artikel 5 Nr. 3 des Gesetzes vom 1. Dezember 2020 [BGBl. I S. 2616]):
"Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist das für den Antragsmonat bewilligte Wohngeld zu berücksichtigen. Wird kein Wohngeld bezogen und könnte mit Wohngeld und Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden werden, ist bei der Prüfung Wohngeld in der Höhe anzusetzen, in der es voraussichtlich für den Antragsmonat zu bewilligen wäre."
Eine von § 6 Abs. 1 Nr. 3 BKGG abweichende, im Fall der Klägerin nicht einschlägige Sonderregelung ist in § 6 Abs. 1a BKGG enthalten.
Die Regelungen über die Berechnung eines Leistungsanspruches finden sich in § 6a Abs. 2 bis 6 BKGG.
Nach § 6a Abs. 7 Satz 1 BKGG ist über den Gesamtkinderzuschlag für sechs Monate zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum beginnt mit dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird, jedoch frühestens nach Ende eines laufenden Bewilligungszeitraums (vgl. § 6a Abs. 7 Satz 1 BKGG).
Schließlich ist nach § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend. Hiervon abweichend hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 28. März 2020 eine Sonderregelung in § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG getroffen (vgl. Artikel 6 Nr. 2 des Gesetzes vom 27. März 2020 [BGBl. I S. 575]). Diese lautet:
"Abweichend von § 6a Absatz 8 Satz 1 ist für Anträge, die in der Zeit vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2020 eingehen, bei der Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens der Eltern nur das Einkommen aus dem letzten Monat vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich."
b) Die Klägerin erfüllte im streitbefangenen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 BKGG. Ihre sechs Kinder lebten in dieser Zeit in ihrem Haushalt, waren unverheiratet, hatten das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Klägerin erhielt für sie Kindergeld.
c) Ebenfalls war die Anspruchsvoraussetzung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BKGG erfüllt, weil allein das nicht bereinigte Einkommen des Ehemannes der Klägerin mit Ausnahme von Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag über der (pauschalen) Mindesteinkommensgrenze in Höhe von 900,00 EUR lag.
(1) Der vorliegend maßgebende Bewilligungszeitraum begann gemäß § 6a Abs. 7 Satz 1 BKGG im September 2020, weil der vorangegangene Bewilligungszeitraum am 31. August 2020 endete.
Da die Klägerin den Antrag auf Bewilligung von Kinderzuschlag am 23. Juni 2020 gestellt hatte, ist auf Grund der Sonderregelung in § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG bei der Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens der Eltern nur das Einkommen aus dem letzten Monat vor Beginn des Bewilligungszeitraums, das heißt aus August 2022, maßgebend. Dass die Klägerin den Antrag bereits in der zweiten Junihälfte 2020, das heißt über einen Monat vor August 2020, gestellt hat, ist unerheblich, weil in § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG auf Anträge, "die in der Zeit vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2020 eingehen", abgestellt wird. Diese gesetzliche Regelung ist sowohl für die Beklagte als auch für das Sozialgericht und das Landessozialgericht bindend.
Für die Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens von Kindern verbleibt es bei der Regelung aus § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG mit dem Durchschnittseinkommen aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums.
(2) Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 11. November 2020 und die diesen beigefügten Berechnungsbögen sowie auf das Berechnungsprotokoll vom 22. September 2020 (Dokument 171 der eAkte) verwiesen. Die Klägerin hat gegen die Berechnung als solche keine Einwände erhoben, sondern lediglich dagegen, dass für die Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens ihres Ehemannes nicht wie zuvor auf einen 6-Monats-Zeitraum sondern auf die Einnahmen im August 2020 abgestellt worden ist.
(2.1) Danach betrug der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlags von Juli bis Dezember 2020 auf Grund von § 6a Abs. 2 Satz 1 BKGG in Verbindung mit § 20 Abs. 3 BKGG für jedes zu berücksichtigende Kind 185,00 EUR. Wegen anzurechnendem, bereinigtem Einkommen mindert sich gemäß § 6a Abs. 3 Satz 1 BKGG der Höchstbetrag bei X.... auf 117,45 EUR (= 185,00 EUR – 67,55 EUR) und bei Y…. auf 131,37 EUR (= 185,00 EUR – 53,63 EUR). Die Summe der einzelnen Kinderzuschläge bildet nach § 6a Abs. 4 BKGG den Gesamtkinderzuschlag, vorliegend 988,82 EUR oder gerundet 989,00 EUR.
Der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin errechnet sich aus der Summe der Regelbedarfe für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, vorliegend 2.625,00 EUR (= [389,00 EUR x 2] + 345,00 EUR + 328,00 EUR + [308,00 EUR x 3] + 250,00 RUR), und der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, vorliegend 845,00 EUR. Dies ergibt einen Gesamtbedarf in Höhe von 3.470,00 EUR.
Im August 2008 flossen dem Ehemann der Klägerin Löhne in Höhe von brutto 2.576,00 EUR und 2.308,00 EUR zu (zur Anwendung des Zuflussprinzips: Kühl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [5. Aufl., 2020], § 6a BKGG [Stand: 29.11.2021] Rdnr. 73). Nach einer Einkommensbereinigung ist Erwerbseinkommen in Höhe von 3.035,07 EUR anzurechnen (vgl. § 6a Abs. 5 Satz 1 und 2 BKGG).
Der Gesamtbedarf der Klägerin und ihres Ehemannes, den die Beklagte auf 1.158,25 EUR beziffert hat, bestehend aus Regelbedarfen in Höhe von 778,00 EUR (= 389,00 EUR x 2) und Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 380,25 EUR, wird vom anzurechnenden Erwerbseinkommen in Höhe von 3.035,07 EUR um 1.158,25 EUR überstiegen.
Nach § 6a Abs. 6 Satz 1 BKGG wird der Gesamtkinderzuschlag stufenweise gemindert, wenn das zu berücksichtigende Einkommen oder Vermögen der Eltern deren Gesamtbedarf übersteigt. Nach § 6a Abs. 6 Satz 3 BKGG wird der Gesamtkinderzuschlag um 45 Prozent des Betrags, um den die monatlichen Erwerbseinkünfte den maßgebenden Betrag übersteigen, monatlich gemindert. Bezogen auf den Betrag in Höhe von 1.876,82 EUR, der nach dem Abzug des Gesamtbedarfs der Eltern vom Erwerbsein kommen verbleibt, ergibt dies eine Minderung nach Maßgabe von § 6a Abs. 6 Satz 3 BKGG in Höhe von 844,57 EUR. Danach verbleibt zum Gesamtanspruch auf Kinderzuschlag in Höhe von 988,82 EUR rechnerischer ein Anspruch auf 144,25 EUR. Dieser wird nach Maßgabe von § 11 Abs. 2 BKGG auf 144,00 EUR abgerundet.
(2.2) Zum 1. Januar 2021 ist der Höchstbetrag des Kinderzuschlags von 185,00 EUR auf 205,00 EUR gestiegen. Dieser Anstieg ist gemäß § 6 Abs. 7 Satz 3 BKGG zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat dem im Falle der Klägerin dadurch Rechnung getragen, dass sie an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 100,00 EUR (= 20,00 EUR/Kind x 5 Kinder) jeweils für Januar und Februar 2021 gezahlt hat. Die bis vor kurzem unterbliebene Zahlung für das sechste Kind hat die Beklagte noch vor der Entscheidung des Senates nachgeholt. Damit ist der materiell-rechtliche Anspruch der Klägerin erfüllt.
Diese Verfahrensweise entspricht der Regelung in § 14 Satz 1 BKGG. Danach ist, wenn der Antrag auf Kindergeld, Kinderzuschlag oder Leistungen für Bildung und Teilhabe abgelehnt wird, ein Bescheid zu erteilen. Nach § 14 Satz 2 BKGG gilt das Gleiche, wenn das Kindergeld, Kinderzuschlag oder Leistungen für Bildung und Teilhabe entzogen werden. Daraus folgt, dass bei einer Bewilligung der genannten Leistungen kein Bescheid ergehen muss (vgl. Conradis, in: Ranke/Pepping (Hrsg.), Mutterschutz, Elterngeld, Elternzeit [6. Aufl., 2022], § 14 BKGG Rdnr. 2). Es gelten in diesem Fall die allgemeinen Regeln des § 33 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Nach § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist ein mündlicher Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ob diese Regelung entsprechend für Verwaltungsakte, die in anderer Weise, zum Beispiel durch die Auszahlung des Leistungsbetrages, erlassen worden sind (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 Alt. 4 SGB X) gilt, ist umstritten (vgl. die Nachweise bei Pattar, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X [2. Aufl., 2017], § 33 Rdnr. 112; bejahend für das BKGG: Conradis, a. a. O.). Sofern die Klägerin einen Bescheid über die Nachzahlung in Folge der Anhebung des Höchstbetrages wünschen sollte, müsste sie auf jeden Fall zunächst ein diesbezügliches besonderes Interesse geltend machen.
d) Soweit die Klägerin moniert, dass für die Berechnung des anzurechnenden Einkommens nicht auf einen 6-Monats-Zeitraum, sondern auf den letzten Monat vor dem neuen Leistungszeitraum abgestellt wird, ergib sich dies bindend aus der Sonderregelung in § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG. Die Einführung dieser Regelung beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, der hierbei auch in Kauf genommen hat, dass sich diese Sonderregelung in Einzelfällen auch zu Lasten eines Antragstellers auswirken kann.
(1) Die Gesetzesänderung geht auf den Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket) zurück. Nach der Gesetzesbegründung war beabsichtigt, die Entscheidungen über Anträge auf Kinderzuschlag in Zeiten der Corona-Pandemie einfacher und schneller zu gestalten. Der Gesetzgeber hatte zwar unter anderem die Fälle vor Augen, in denen Eltern in den Pandemiezeiten Kurzarbeitergeld beziehen oder sonst Einkommenseinbußen hinnehmen mussten (vgl. BT-Drs. 19/18107, S. 31 [letzter Absatz]). Ihm war allerdings auch bewusst, dass die neue Regelung dazu führen konnte, dass sich ein geringerer Kinderzuschlag oder gar kein Kinderzuschlag ergeben kann (vgl. BT-Drs. 19/18107, S. 32 Absatz 7 ["Im Vergleich …"]). Eine Einzelfall- oder eine Härtefallprüfung sah der Gesetzgeber nicht vor. Denn am Ende des zitierten Absatzes heißt es: "Eine Prüfung, welche Variante – Zugang unter Berücksichtigung des Bemessungszeitraums von sechs Monaten oder Zugang unter Berücksichtigung eines Bemessungszeitraums von einem Monat – für den Antragstellenden günstiger ist, wird nicht durchgeführt."
Vor diesem Hintergrund ist eine Auslegung von § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG im Interesse der Klägerin, in dem zum Beispiel eine Härtefallklausel in die Regelung hineininterpretiert wird, nicht gangbar, weil eine planwidrige Regelungslücke nicht festgestellt werden kann.
Bei ihrer Rechtsauffassung, dass wegen des Zuflusses zweier Einkommen im August 2020 zwar in diesem Monat ein geringerer Bedarf oder ein geringerer Anspruch auf Kinderzuschlag bestanden habe, nicht aber in den darauf folgenden Monaten, lässt die Klägerin außer Acht, dass der Anspruch auf Kinderzuschlag auf der Grundlage entweder eines Durchschnittseinkommens aus den sechs Monaten vor dem Beginn des Bewilligungszeitraums (vgl. § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG) oder in ihrem Fall auf der Grundlage des Einkommens aus dem vorangegangenen Monat (vgl. § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG) zu berechnen ist. Diese Gesetzeslage gilt seit 1. Juli 2019 auf Grund der Änderungen des Bundeskindergeldgesetzes durch das Gesetz zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe (Starke-Familien-Gesetz – StaFamG) vom 29. April 2019 (BGBl. I S. 530). A. als zur früheren Rechtslage sind seitdem Schwankungen in den Einkommens- oder Bedarfsverhältnissen oder sonstige Änderungen nicht mehr relevant (vgl. Kühl, NZS 2020, 362 [365 f.]). Lediglich Änderungen in der Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft oder des Höchstbetrages des Kinderzuschlages sind nach Maßgabe von § 6a Abs. 7 Satz 3 BKGG zu berücksichtigen.
(2) Eine Auslegung im Sinne der Intention der Klägerin aus verfassungsrechtlichen Gründen lässt sich nicht begründen.
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips aus Artikel 20 des Grundgesetzes (GG) und der Ausgestaltung von Sozialleistungen ein Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 4 AS 7/20 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 107 = juris Rdnr. 43, m. w. N.; BSG, Urteil vom 3. November 2021 – B 11 AL 2/21 R – juris Rdnr. 26, m. w. N.; vgl. auch die umfangreichen Nachweise bei Sächs. LSG, Urteil vom 24. Mai 2012 – L 3 AS 206/11 – juris Rdnr. 40 und Sächs. LSG, Urteil vom 15. Januar 2015 – L 3 AL 30/13 – juris Rdnr. 35; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 21. September 2017 – L 3 AL 211/15 – juris Rdnr. 39, m. w. N.; Sächs. LSG, Urteil vom 23. Januar 2020 – L 3 AL 67/18 – info also 2021, 64 ff. = juris Rdnr. 29, m. w. N.). Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten zu entscheiden, in welcher Weise er die Ausgestaltung von Sozialleistungen regelt, und diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an denen er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Willkürlich handelt er nicht bereits dann, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung wählt (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2011 – 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 [Verletztenrentenanrechnung auf Hartz IV-Leistungen] – NZS 2011, 895 ff. = juris Rdnr. 31, m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 [menschenwürdiges Existenzminimum] – BVerfGE 137, 34 ff. = SozR 4-4200 § 20 Nr. 20 = NJW 2014, 3425 ff. = juris Rdnr. 80, m. w. N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 9. September 1998 – B 13 RJ 5/98 R – SozR 3-5050 § 22 Nr. 6 = juris Rdnr. 28, m. w. N.; BSG, Urteil vom 10. November 2011 – B 8 SO 12/10 R – SozR 4-3500 § 30 Nr. 4 = juris Rdnr. 24, m. w. N.). Entscheidend ist vielmehr, ob der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 21. September 1993 – 12 RK 39/91 – SozR 3-2500 § 6 Nr. 6 = juris Rdnr. 18, m. w. N.; BSG, Urteil vom 9. September 1998, a. a. O.; BSG, Urteil vom 10. November 2011, a. a. O.; BSG, Urteil vom 29. Juni 2017 – B 10 EG 4/16 R – BSGE 123, 276 ff. = SozR 4-7837 § 2f Nr. 1 juris Rdnr. 27, m. w. N.).
Diese verfassungsrechtlichen Grenzen hat der Gesetzgeber bei der Schaffung der Sonderregelung in § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG nicht überschritten. Mit dieser zeitlich befristeten Sonderregelung wurde das Ziel verfolgt, das Verwaltungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, damit Anspruchsberechtigte während der Corona-Pandemie schneller Kinderzuschlag beziehen können. Der Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung kann ein legitimer gesetzgeberischer Zweck sein (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 7. April 2022 – 1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16, 1 BvR 1824/17 – juris Rdnr. 308). Wenn der Gesetzgeber für Anträge, die in der Zeit vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2020 eingingen, zur Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens der Eltern nur das Einkommen aus dem letzten Monat vor Beginn des Bewilligungszeitraums als maßgebend betrachten wollte, war diese Maßnahme zu einer der Hochzeiten der Corona-Pandemie geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass es keinen verfassungsrechtlich garantierten, allgemeinen Anspruch auf eine steuerfinanzierte Sozialleistungen dem Grunde oder der Höhe nach gibt. Lediglich ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Abs. 1 GG ist anerkannt (vgl. z. B. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 [Hartz IV-Regelsatz, Hartz IV-Gesetz] – BVerfGE 125, 175 ff. =NJW 2010, 505 ff. = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12 = juris Rdnr. 133 ff.; BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 [Asylbewerberleistungsgesetz] – BVerfGE 132, 134 ff. = NVwZ 2012, 1024 ff. = SozR 4-3520 § 3 Nr. 2 = juris Rdnr. 62 ff.). Das Kinderzuschlagsrecht ist keine Ausprägung dieses Grundrechtes, sondern dient vielmehr dazu, die Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II, die in Ausfüllung dieses Grundgesetzauftrages den Lebensunterhalt sichern sollen, zu vermeiden.
Schließlich ist auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes der Klägerin im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägig. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht zu dem allgemeinen Vertrauensschutzgebot aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 3 GG im Urteil vom 7. Dezember 2010 ausgeführt, dass das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen, begrenzten (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Dezember 2010 – 1 BvR 2628/07 [Arbeitslosenhilfe Abschaffung] – BVerfGE 128, 90 ff. = SozR 4-1100 Art 14 Nr. 23 = NJW 2011, 1058 ff. = juirs Rdnr. 43, m. w. N.). In seiner ständigen Rechtsprechung unterscheidet das Bundesverfassungsgericht zwischen einer echten und einer unechten Rückwirkung. Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, etwa wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 1 BvR 1679/17, 1 BvR 2190/17 [WindSeeG, Offshore-Windpark] – BVerfGE 155, 238 ff. = NVwZ-RR 2021, 177 ff. = juris Rdnr. 128 ff., m. w. N.; vgl. hierzu auch z. B. Sachs, in: Sachs, Grundgesetz [9. Aufl., 2021], Art. 20 Rdnr.132 ff., m. w. N.).
In Bezug auf § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG liegt weder ein Fall einer echten noch einer unechten Rückwirkung vor. Diese Regelung wurde durch Artikel 6 Nr. 2 des Gesetzes vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 575) mit Wirkung zum 28. März 2020 (vgl. Artikel 6 Nr. 2 des Gesetzes vom 27. März 2020 [a. a. O.]) eingeführt und betraf Anträge, die in der Zeit vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2020 eingingen. Denknotwendig kann ein solches Gesetz, das in der Zukunft liegende Anträge zum Gegenstand hat, keine echte Rückwirkung entfalten. Aber auch die Voraussetzungen für eine unechte Rückwirkung liegen nicht vor. Denn die Sonderregelung lässt begonnene Bewilligungszeiträume, die bis in den Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2020 hineinreichen, unberührt. Das Kinderzuschlagsrecht ist ebenso wie das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende darauf ausgelegt, eine aktuelle Bedarfslage zu decken. Es begründet keine über das Ende des jeweiligen Bewilligungsabschnitts hinausgehende verfestigte Anspruchsposition (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Dezember 2010, a. a. O., juirs Rdnr. 48 [zum Anspruch auf Arbeitslosenhilfe]). Eine unabhängig von einer konkreten Bewilligungsentscheidung bestehende Erwartung des Bürgers, er werde – den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt – in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, ist mangels hinreichender Konkretisierung kein geschütztes Recht, weil das Grundgesetz keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage gewährt (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Dezember 2010, a. a. O., juirs Rdnr. 49, m. w. N.).
3. Ein denkbarer Ansatz, um der Interessenlage der Klägerin gerecht zu werden, hätte eventuell sein können, ihren Antrag vom 23. Juni 2020 vor dem Hintergrund der zum 28. März 2020 in Kraft getretenen Sonderregelung in § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG dahingehend zu verstehen, dass sie erst Leistungen ab Oktober 2020 begehrt, dann aber auf der Grundlage der Einkommensverhältnisse von September 2020.
Hierbei wäre nicht das von der Beklagten skizzierte Verzichtsproblem aufgetreten.
Nach § 46 Abs. 1 Halbsatz 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) kann auf Ansprüche auf Sozialleistungen durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden. Der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden (vgl. § 46 Abs. 1 Halbsatz 2 SGB I). Von einem Verzicht werden allein noch nicht erfüllte oder noch nicht auf andere Weise erloschene sowie zukünftige Einzelansprüche aus dem Recht erfasst. Auf bereits "abgewickelte" Leistungsansprüche kann sich der Verzicht nach § 46 SGB I nicht erstrecken (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 – B 4 RA 13/03 R – SozR 4-1200 § 46 Nr. 1 = NZS 2004, 110 = juris Rdnr. 16; Rolfs in: Hauck/Noftz, SGB I [48. Erg.-Lfg., Stand: Dezember 2019], § 46 Rdnr. 20; Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I [3. Aufl., 2018], § 46 Rdnr. 2, m. w. N.).
Wenn der Antrag der Klägerin vom 23. Juni 2020 so zu verstehen gewesen wäre, dass sie erst Leistungen ab Oktober 2020 und ausgehend von den Einkommensverhältnissen im September 2020 begehrte, hätte sich die Frage nach einem rückwirkenden Leistungsverzicht nicht gestellt. Die Frage, wie ein Antrag oder eine sonstige Erklärung auszulegen ist, kann noch während eines laufenden Verwaltung- oder Gerichtsverfahrens geklärt werden. Wenn eine Behörde bei ihrer Verwaltungsentscheidung von einem anderen Inhalt eines Antrages ausgegangen ist als von dem, wie er sich dann im laufenden Verfahren herausstellt, wäre die Entscheidung abzuändern, weil über etwas entschieden worden ist, was so nicht begehrt worden ist.
Auch der Einwand der Beklagten, dass die Klägerin keine Ansprüche auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket für ihre Kinder im Monat September 2020 gehabt hätte, wenn sie erst Leistungen ab Oktober 2020 begehrt hätte, erscheinen bei einer rein finanziellen Betrachtung nicht zwingend. Denn die Beklagte hat bei ihrer Probeberechnung einen hypothetischen Anspruch der Klägerin in Höhe von 890,00 EUR ermittelt. Bezogen auf die Monate Oktober 2020 bis Februar 2021 errechnet sich daraus ein Gesamtanspruch in Höhe von 4.450,00 EUR (= 890,00 EUR/Monat x 5 Monate). Dem stehen bewilligte und gezahlte Leistungen für September 2020 bis Februar 2021 in Höhe von insgesamt 864,00 EUR (= 144,00 EUR/Monat x 6 Monate) gegenüber. Bei einer Antragstellung erst ab Oktober 2020 würde sich ein Differenzbetrag in Höhe von 3.586,00 EUR (= 4.450,00 EUR – 864,00 EUR) ergeben. Hieraus hätte die Klägerin wohl etwaige Ansprüche auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket betreffend September 2020 decken können, ohne der Differenzbetrag aufgebraucht gewesen wäre.
Weitere Erwägungen dazu, ob und gegebenenfalls wie der Antrag der Klägerin vom 23. Juni 2020 hätte ausgelegt werden können, erübrigen sich aber, weil die Klägerin (auch) in ihren Schreiben vom 17. und 30. Mai 2022 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie durchgehend, das heißt auch für September 2020, Leistungen begehrt. Es kann deshalb auch dahin gestellt bleiben, ob der erwogenen Auslegung des Antrages entgegen stehen könnte, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung im Juni 2020 der Klägerin noch nicht die Einkommensverhältnisse von August 2020 bekannt waren.
4. Schließlich scheidet im Ergebnis ein Anspruch auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm gegenüber dem Anspruchsteller obliegende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem jeweiligen Sozialrechtsverhältnis rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt hat. Dabei gehören zu den Nebenpflichten, deren Verletzung einen Herstellungsanspruch begründen kann, vor allem die Pflichten zur Beratung (vgl. § 14 SGB I), Auskunft (vgl. § 15 SGB I), Belehrung und verständnisvollen Förderung des Versicherten. Diese Pflichten sind verletzt, wenn sie, obwohl ein konkreter Anlass zu den genannten Dienstleistungen bestanden hat, nicht oder nur unzureichend erfüllt worden sind. Der Leistungsträger ist unter Umständen jedoch auch zu einer Spontanberatung verpflichtet. Weiter ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht (sogenannter Schutzzweckzusammenhang). Erforderlich ist ein objektives Fehlverhalten der Verwaltung, das die Entscheidung des Versicherten über die Wahrnehmung seiner Rechte fehlgeleitet hat. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 15/10 R – SozR 4-1500 § 193 Nr. 6 = juris, jeweils Rdnr. 39, m. w. N.; BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 29/10 R – SozR 4-1200 § 14 Nr. 15 = juris, jeweils Rdnr. 12; m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 10. Dezember 2020 – L 3 AL 196/17 – info also 2021, 120 ff. = Breith 2021, 610 ff. = juris Rdnr. 37, m. w. N.).
Der Senat neigt der Auffassung zu, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin auf die erheblichen finanziellen Auswirkungen auf ihren Leistungsanspruch hinzuweisen, die durch den Zufluss zweier Erwerbseinkommen im August 2020 und einem Beginn des Bewilligungszeitraums zum 1. September 2020 entstehen konnten. Außerdem hätte sie die Klägerin über etwaige Handlungsalternativen und deren leistungsrechtliche Konsequenzen beraten müssen. Hierzu hätte zwischen dem Eingang der letzten von der Klägerin eingereichten Unterlagen am 25. oder 26. August 2020 und dem Erlass des ersten Bewilligungsbescheides vom 2. September 2020 Gelegenheit bestanden. Gegebenenfalls hätte der Bescheiderlass zurückgestellt werden müssen, um der Beratungspflicht nachkommen zu können.
Gleichwohl sind die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht gegeben, weil der erforderliche Schutzzweckzusammenhang nicht vorliegt. Denn die Klägerin ist, wie sich auch im gerichtlichen Verfahren gezeigt hat, durch das Beratungsunternehmen der Beklagten nicht in ihrer Entscheidung, wie sie ihre Rechte wahrnehmen möchte, fehlgeleitet worden. Die Klägerin hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass sie die Regelung in § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG für verfehlt hält und alternative Lösungsansätze nicht aufgreifen möchte.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
I. Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen die Beschwerde als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die angefochtene Entscheidung bezeichnen.
Anschriften des Bundessozialgerichts:
bei Brief und Postkarte bei Eilbrief, Telegramm, Paket und Päckchen
34114 Kassel Graf-Bernadotte-Platz 5
34119 Kassel
Telefax-Nummer:
0561 - 3107475
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem.
§ 65a Abs. 4 SGG eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Informationen hierzu können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
- Rechtsanwälte,
- Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
- selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
- berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Organisationen zu Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen die Begründung als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 SGG).
In der Begründung muss dargelegt werden, dass
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
- die Entscheidung von einer zu bezeichnenden Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
- ein zu bezeichnender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundessozialgericht schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen den Antrag als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 SGG).
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck ist kostenfrei bei allen deutschen Gerichten erhältlich. Er kann auch über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs ist der Vordruck in Papierform auszufüllen, zu unterzeichnen, einzuscannen, qualifiziert zu signieren und dann in das elektronische Gerichtspostfach des Bundessozialgerichts zu übermitteln.
Falls die Beschwerde nicht schon durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt ist, müssen der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den Belegen innerhalb der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
III. Ergänzende Hinweise
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um zwei weitere Abschriften. Dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
Dr. Scheer |
Schneider |
Höhl |