Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 34.608,58 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Krankenhausvergütung. Umstritten ist hierbei, ob die Beklagte mit einem Erstattungsanspruch in Höhe von 34.608,58 Euro gegen Vergütungsansprüche der Klägerin aufrechnen durfte.
Der 1948 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte N (nachfolgend: Versicherter) wurde im Zeitraum vom 24. Januar 2015 bis zum 13. März 2015 in dem von der Klägerin getragenen und nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) zugelassenen Klinikum E vollstationär behandelt. Der bei Notfallaufnahme 66 Jahre alte Versicherte litt an einer Subarachnoidalblutung, von der Aorta communicans anterior ausgehend. Im Verlauf des Krankenhausaufenthalts wurden u.a. Computertomographieuntersuchungen des Schädels (mehrfach) und des Abdomens durchgeführt, zudem wurde mehrfach eine Schädeleröffnung durch Kraniotomie durchgeführt. Der Versicherte wurde beatmet. Nach Beendigung des Krankenhausaufenthalts wurde der Versicherte in eine Rehabilitationseinrichtung entlassen.
Für die stationäre Behandlung berechnete die Klägerin unter Zugrundelegung der DRG A09A (Beatmung > 499 Stunden oder < 249 Stunden mit int. Komplexbehandlung > 2352/1932/2208 P., mit hochkomplexem Eingriff oder kompl. OR-Proz. und Alter < 16 Jahre, mit int. Komplexbehandlung. > 1764/1932/- P. oder mit sehr kompl. Eingr. und int. Komplexbeh. > -/2208/- P.) einen Gesamtbetrag von 110.433,46. Hierbei brachte sie auch das Zusatzentgelt ZE 2015-97 (Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren) in Höhe von 484,63 Euro in Ansatz.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung des Behandlungsfalles, was sie der Klägerin mit Schreiben vom 1. April 2015 mitteilte. In dem Schreiben teilt die Beklagte mit, dass sich die Prüfung „anhand der bisherigen Erkenntnisse auf folgende Fragen“ beziehe:
- Vollprüfung der Abrechnung incl. Beatmungsstunden
- Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen: ZE 2015-98
8-98F.50 |
Aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur): 2209 bis 2760 Aufwandspunkte: 2209 bis 2484 Aufwandspunkte |
Die Voraussetzungen des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) 9-200.7 (Hochaufwändige Pflege von Erwachsenen: 159 bis 187 Aufwandspunkte; Berechnung nach dem Pflegekomplexmaßnahmenscore [PKMS]) sowie des OPS 8-981.0 (Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls: Mindestens 24 bis höchstens 72 Stunden) seien zweifelhaft. Anschließend beglich die Beklagte die Rechnung im April 2015.
Frau A, MDK Westfalen-Lippe, gelangte in ihrem Gutachten vom 21. Mai 2015 zu dem Ergebnis, dass die erlösrelevante Nebendiagnose R58 (Blutung, anderenorts nicht klassifiziert) in J95.0 (Funktionsstörung eines Tracheostomas) zu ändern sei. Zu streichen seien die nicht erlösrelevanten Nebendiagnosen K55.0 (Akute Gefäßkrankheiten des Darmes; es fehle an einer Beeinflussung des Patientenmanagements), J15.2 (Pneumonie durch Staphylokokken; anhand Dokumentation nicht nachvollziehbar), D68.26 (Hereditärer Faktor-XIII-Mangel; anhand Unterlagen nicht ersichtlich), D69.59 (Sekundäre Thrombozytopenie, nicht näher bezeichnet; Kriterien nach DKR D003 nicht erfüllt), D69.1 (Qualitative Thrombozytendefekte; Kriterien nach DKR D003 nicht erfüllt), J15.4 (Pneumonie durch sonstige Streptokokken), I50.14 (Linksherzinsuffizienz: Mit Beschwerden in Ruhe; anhand Dokumentation nicht nachvollziehbar), T83.5 (Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt; anhand Dokumentation nicht ersichtlich); R63.3 (Ernährungsprobleme und unsachgemäße Ernährung; anhand Dokumentation nicht nachvollziehbar, kein Aufwand ersichtlich).
Die Prozedur OPS 8-800.c2 (Transfusion von Vollblut, Eryhthrozytenkonzentrat und Thrombozytenkonzentrat: Erythrozytenkonzentrat: 11 TE bis unter 16 TE) sei zu ändern in 8-800.c1 (Transfusion von Vollblut, Eryhthrozytenkonzentrat und Thrombozytenkonzentrat: Erythrozytenkonzentrat: 6 TE bis unter 11 TE). Hinsichtlich der Prozedur OPS 8-98f.50 (Aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur): 2209 bis 2760 Aufwandspunkte: 2209 bis 2484 Aufwandspunkte) wird das die Nichterfüllung der Voraussetzungen anzeigende Zeichen „X“ vermerkt, gleichwohl aber ausgeführt, dass die Prozedur nachvollziehbar sei. Die Voraussetzungen für das Zusatzentgelt ZE 2015-97 (Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren) seien nicht erfüllt. Es ergebe sich die DRG A09B.
Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin unter Übersendung des Gutachtens mit, dass ihre „Abrechnung entsprechend dem anliegenden Gutachten korrigiert und verrechnet“ worden sei (Schreiben vom 8. Juli 2015). Unter dem 15. Juli 2015 ließ die Beklagte der Klägerin eine Zahlungsmitteilung zukommen, mit der sie die Aufrechnung des Erstattungsanspruchs gegen andere Vergütungsforderungen durchgeführt haben will.
Unter dem 21. Oktober 2019 erstellte die Klägerin eine Schlussrechnung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten, die sich über 109.948,83 Euro verhielt und das ZE 2015-97 nicht mehr berücksichtigte.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass die Rechnung zurückgewiesen werde, da bereits eine Verrechnung entsprechend dem MDK-Gutachten durchgeführt worden sei. Sie verwies auf ihr Schreiben vom 8. Juli 2015.
Am 19. November 2019 hat die Klägerin zum Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben und den Anspruch auf Zahlung von 34.608,58 Euro weiterverfolgt. Die Verrechnung sei unwirksam. Sie könne nicht auf die „Vereinbarung über das Nähere zum Verfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V – Prüfverfahrensvereinbarung“ vom 1. September 2014 (PrüfvV) gestützt werden. Denn diese finde auf sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfungen im Jahr 2015 keine Anwendung. Es verbleibe bei dem Aufrechnungsverbot aus § 15 Abs. 4 des Vertrages „Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlungen" nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V vom 6. Dezember 1996 (nordrhein-westfälischer Landesvertrag [LV NRW]). Eine der dort genannten Fallgestaltungen, in denen der Beklagten eine Aufrechnung mit Erstattungsforderungen ermöglicht werde, liege hier nicht vor. Im Übrigen bestehe auch ein Erstattungsanspruch nicht; das Krankenhaus habe zu Recht 2214 Aufwandspunkte angesetzt und den OPS-Kode 8-98f.50 verschlüsselt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 34.608,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Juli 2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihr stehe ein Erstattungsanspruch zu, der daraus folge, dass Nebendiagnosen sowie das Zusatzentgelt ZE 2015-97 zu streichen und die Prozedur OPS 8-800.c2 in 8-800.c1 zu ändern gewesen sei. Der Aufrechnung stehe das Aufrechnungsverbot aus dem Landesvertrag nicht entgegen. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; Verweis auf Urteil vom 30. Januar 2019, B 1 KR 31/18 R) werde bezweifelt, ob § 15 Abs. 4 Satz 2 des Landesvertrages ein Aufrechnungsverbot zu entnehmen und dieses mit Bundesrecht vereinbar sei. Abgesehen davon liege hier keine bloß sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung vor. Der Prüfauftrag habe auf „Vollprüfung der Abrechnung incl. der Beatmungsstunden“ gelautet. Das schließe die medizinische Notwendigkeit sowie die Verweildauer ein. Im Zweifel sei von einer Wirtschaftlichkeitsprüfung auszugehen.
Mit Urteil vom 24. August 2020 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 34.608,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Juli 2015 zu zahlen. Die Forderung der Klägerin sei nicht durch Aufrechnung erloschen, da dieser das Aufrechnungsverbot nach § 15 Abs. 4 Satz 1 LV NRW entgegenstehe. Das Aufrechnungsverbot des Landesvertrages sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) SGB V gedeckt, die Vereinbarungen über die Zulässigkeit und Grenzen von Aufrechnungen umfasse. Die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung des BSG stehe dem nicht entgegen. Daraus ergebe sich nur, dass im Anwendungsbereich der PrüfvV das landesvertragliche Aufrechnungsverbot nicht zur Anwendung komme. Der Anwendungsbereich der PrüfvV sei hier jedoch nicht eröffnet, da mit der Überprüfung eines OPS-Kodes eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung betroffen sei.
Gegen das ihr am 18. September 2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. September 2020 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegt. Das SG habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die erfolgte Aufrechnung sei wirksam. Ihr stehe ein Aufrechnungsverbot aus § 15 Abs. 4 LV NRW nicht entgegen. Die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes könne nicht auf § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V gestützt werden. Sofern darin eine Ermächtigungsgrundlage für ein Aufrechnungsverbot gesehen werden könne, verstoße dies gegen Bundesrecht. Die von der Vorschrift geregelte „Abrechnung von Entgelten“ umfasse nicht zwingend die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbots. Ein solches verstoße zudem gegen den Grundsatz der rechtzeitigen und vollständigen Einnahmenerhebung (§ 76 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – [SGB IV]). Verstoßen werde überdies gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs. 1 SGB V), indem die Krankenkassen gezwungen würden, ihre Forderungen gegenüber den Krankenhäusern ausschließlich klageweise geltend zu machen, womit erhebliche Kosten und zeitlicher Verzug verbunden seien. Aus der erstmaligen ausdrücklichen Regelung eines Aufrechnungsverbots in § 109 Abs. 6 SGB V i.d.F. ab dem 1. Januar 2020 zeige sich, dass § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V eine dahingehende Ermächtigungsgrundlage nicht enthalte. Ein Berufen auf das Aufrechnungsverbot sei zudem treuwidrig. Hinsichtlich der Geltung der PrüfvV habe sich zwischen den Beteiligten ein Vertrauenstatbestand herausgebildet. Überdies sei die genaue Abgrenzung der Prüfregime (Auffälligkeitsprüfung und Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit), die sich aus dem Urteil des BSG vom 1. Juli 2014 (B 1 KR 29/13 R) ergab, erst mit dem Urteil vom 25. Oktober 2016 (B 1 KR 22/16 R) unmissverständlich konkretisiert worden. Zum Zeitpunkt der Verrechnung sei die Beklagte nicht gehindert gewesen, die Regelungen der PrüfvV anzuwenden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 24. August 2020 zu ändern und die Klage abzuweisen,
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Aufrechnung sei nach § 15 Abs. 4 Satz 2 LV NRW verboten. Hiernach komme nämlich eine Verrechnung nur bei Beanstandungen rechnerischer Art in Betracht sowie nach Rücknahme der Kostenzusage und falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruhe. Die PrüfvV finde keine Anwendung, da im vorliegenden Fall gerade keine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V durchgeführt worden sei, sondern eine sachlich-rechnerische Prüfung der Rechnung. Bei einer solchen greife die PrüfvV nicht. Selbst wenn von der Anwendbarkeit der PrüfvV ausgegangen werde, fehle es an einer ordnungsgemäßen Aufrechnungserklärung i.S.d. § 9 PrüfvV, da Leistungs- und Erstattungsanspruch nicht genau bezeichnet worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
A. Die am 21. September 2020 schriftlich eingelegte Berufung der Beklagten gegen das ihr am 18. September 2020 zugestellte Urteil des SG Duisburg vom 24. August 2020 ist zulässig, insbesondere ohne Zulassung statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG).
B. Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die auf die Zahlung von 34.608,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Juli 2015 gerichtete Klage ist zulässig und begründet.
I. Die Klage ist zulässig. Für den im vorliegenden Fall verfolgten Zahlungsanspruch eines Krankenhausträgers auf Zahlung von weiteren Behandlungskosten ist die (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KN 1/07 KR R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 13). Es handelt sich um einen Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und auch keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 23. Juli 2002 - B 3 KR 64/01 R -, SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert (vgl. zur Notwendigkeit der Bezifferung des Klageantrags BSG, Urteil vom 28. Januar 1999 - B 3 KR 4/98 R -, SozR 3-2500 § 37 Nr. 1; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 18/03 R -, SozR 4-2500 § 39 Nr. 2).
II. Die Klage ist auch begründet.
1. Streitgegenstand in der Hauptsache ist der sich nach der Verrechnung ergebende offene Vergütungsanspruch aus den im Schreiben vom 15. Juli 2015 aufgelisteten und zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen Behandlungsfällen (hierzu BSG, Urteil vom 30. Juli 2019 – B 1 KR 31/18 R – BSGE 129, 1– Rn. 9;Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 13/14 R - SozR 4-5560 § 17b Nr. 6, juris, Rn. 8; jeweils m.w.N.). Dieses bringt die Klägerin mit der Klageschrift zum Ausdruck. In dieser führt sie zunächst aus, dass „die mit der vorliegend erhobenen Leistungsklage verfolgten Vergütungsansprüche der Klägerin aus späteren, anderweitigen Krankenhausbehandlungen von der Versicherten der Beklagten unstreitig" seien. Dem nachfolgend verweist sie zur Begründung des klageweisen Zahlungsanspruchs darauf, dass der aus diesen Behandlungsfällen erwachsene Vergütungsanspruch der Klägerin nicht wirksam durch Aufrechnung mit einem geltend gemachten Erstattungsanspruch der Beklagten aus dem Behandlungsfall der Versicherten erloschen sei.
2. Der Vergütungsanspruch aus den unstreitigen Behandlungsfällen ist nicht durch wirksame Aufrechnung erloschen. Der von der Beklagten erklärten Aufrechnung kommt keine Erfüllungswirkung zu, weil ihr ein Aufrechnungsverbot entgegensteht.
Nach § 15 Abs. 4 LV NRW können Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden (Satz 1). Bei Beanstandungen rechnerischer Art sowie nach Rücknahme der Kostenzusage und falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht, können überzahlte Beträge verrechnet werden (§ 15 Abs. 4 Satz 2 LV NRW).
a) Trotz der Kündigung des zum 1. Januar 1997 in Kraft getretenen LV NRW mit Wirkung zum 8. April 2003 findet § 15 Abs. 4 LV NRW Anwendung. Die Vertragsparteien haben sich nämlich darauf verständigt, den Vertrag bis zu einer - bisher noch nicht zustande gekommenen - Neuregelung weiterhin anzuwenden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. September 2011 - L 16 KR 212/08 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Mai 2012 - L 16 KR 8/09 -; Senat, Urteil vom 18. Dezember 2013 - L 11 KR 378/12 -; Senat, Beschluss vom 11. Juli 2018 - L 11 KR 492/17 -).
b) Der sachliche Anwendungsbereich des LV NRW ist eröffnet. Nach § 1 Abs. 1 LV NRW regelt dieser die allgemeinen Bedingungen einer Krankenhausbehandlung, soweit sie gemäß § 39 Abs. 1 SGB V vor- und nachstationär, teilstationär sowie - wie hier - vollstationär erbracht wird mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den Krankenkassen und den zugelassenen Krankenhäusern zu fördern, um eine im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit notwendige medizinische Versorgung des Versicherten im Krankenhaus zu gewährleisten.
c) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 LV NRW können Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden. Bei Beanstandungen rechnerischer Art sowie nach Rücknahme der Kostenzusage und falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht, können überzahlte Beträge verrechnet werden (Satz 2).
Aus § 15 Abs. 4 Satz 2 LV NRW folgt nach der einhelligen Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen im Umkehrschluss ein Aufrechnungsverbot für Erstattungsforderungen, die unter keine der drei vertraglich vereinbarten Varianten fällt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Mai 2012 - L 16 KR 8/09 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Dezember 2016 - L 1 KR 358/15 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. März 2003 - L 5 KR 141/01 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3. Juni 2003 - L 5 KR 205/02 - GesR 2003, 293 – juris-Rn. 18 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. September 2011 - L 16 KR 212/08 – KHE 2011/210; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. April 2019 - L 10 KR 723/17 <Revision im Verfahren B 1 KR 17/20 R zurückgenommen>).
aa) Der vorliegende Sachverhalt betrifft keine Erstattungsforderung der Beklagten, die unter eine der drei Varianten des § 15 Abs. 4 Satz 2 LV NRW gefasst werden kann.
(1) Eine Beanstandung rechnerischer Art i.S.d. § 15 Abs. 4 Satz 2 Var. 1 LV NRW liegt nicht vor. Eine rechnerische Beanstandung betrifft unter Berücksichtigung systematischer Erwägungen (Vergleich zu § 15 Abs. 4 Satz 1 LV NRW, der durch die Fassung „Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art" weiter als Satz 2 gefasst ist) Fehler in der Addition, Subtraktion etc. (so auch SG Gelsenkirchen, Urteil vom 13. Mai 2020 - S 46 KR 2242/19 -). Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte den geltend gemachten Erstattungsanspruch auf das Gutachten des MDK gestützt, wie sich aus der Erklärung vom 8. Juli 2015 ergibt. Das MDK-Gutachten umfasste die Prüfung der Haupt- und Nebendiagnosen, der Prozeduren sowie des abgerechneten Zusatzentgeltes (vgl. die Beschreibung des Prüfumfangs auf S. 2) und kam zum Ergebnis, dass sich aufgrund der Streichung von Nebendiagnosen und Prozeduren die DRG A09B ergab und überdies das Zusatzentgelt ZE 205-197 nicht angefallen war. Damit ergibt sich die Erstattungsforderung aus der fehlerhaften Anwendung der vertraglich vereinbarten Abrechnungsregelungen bei der Subsumtion im Rahmen des DRG-Systems und der unzutreffenden Subsumtion der Anlagen zur FPV 2015, beinhaltet aber keinen bloßen Rechenfehler. Dem entspricht auch der Prüfauftrag der Beklagten, für dessen Auslegung es auf den Empfängerhorizont des MDK ankommt (zur Auslegung des Prüfauftrages vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 14/13 R - SozR 4-2500 § 275 Nr. 15 - Rn. 11 und Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 23/14 R - SozR 4-2500 § 275 Nr. 29 - Rn. 19).
(2) Ebenso wenig beruht die Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben (§ 15 Abs. 4 Satz 2 Var. 3 LV NRW). Eine „nur" sachlich falsche Abrechnung kann in der Regel nicht als auf vom Krankenhaus zu vertretenden Angaben beruhend angesehen werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. März 2003 - L 5 KR 141/01, juris, Rn. 21 unter Verweis auf insoweit abweichende Regelungen des rheinland-pfälzischen Sicherstellungsvertrages).
(3) Es liegt schließlich auch keine Rücknahme der Kostenzusage im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 2 Var. 2 LV NRW vor.
d) Das in § 15 Abs. 4 Satz 2 LV NRW geregelte Aufrechnungsverbot ist wirksam.
aa) Das Aufrechnungsverbot findet seine Grundlage in § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) SGB V. Die Vorschrift regelt die Befugnis zur Vereinbarung von Regelungen über die Abrechnung von Entgelten, was die Möglichkeit von Vereinbarungen über die Zulässigkeit und Grenzen von Aufrechnungen einschließt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3. Juni 2003 - L 5 KR 205/02 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Dezember 2016 - L 1 KR 358/15 - LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. April 2019 - L 10 KR 723/17 -).
Der bisherigen Rechtsprechung des BSG ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Vielmehr hat das BSG zu dem sich aus § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b SGB V ergebenden gesetzlichen Rahmen ausgeführt, dass dieser die Vertragspartner berechtigt, Modalitäten zur Abrechnung von Vertragsleistungen zu regeln, wozu u.a. Verrechnungsmodalitäten zählen (vgl. BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 11/15 R – SozR 4-2500 § 69 Nr. 10 - Rn. 20 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 27/11 R – BSGE 112, 156 - SozR 4-2500 § 114 Nr. 1 - Rn. 35). Auch der bisherigen Rechtsprechung des BSG sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass ein landesvertragliches Aufrechnungsverbot kein von § 112 SGB V umfasster Regelungsgegenstand und deshalb nichtig wäre. Vielmehr hält das BSG daran fest, dass ein nach § 112 SGB V vereinbartes landesvertragliches Aufrechnungsverbot im Geltungsbereich der PrüfvV (dazu sogleich) keinen Bestand haben kann, äußert sich jedoch nicht zur (Vor-)Frage der Reichweite der Ermächtigungsgrundlage (vgl. den Terminbericht vom 11. November 2021 im Revisionsverfahren B 1 KR 36/20 R zu einem Aufrechnungsverbot im hamburgischen Landesvertrag).
bb) Auch mit ihren weitergehenden Einwänden dringt die Beklagte nicht durch. Das aus § 15 Abs. 4 Satz 2 LV NRW folgende Aufrechnungsverbot verstößt weder gegen § 76 Abs. 1 SGB IV <(1)> noch gegen § 71 Abs. 1 SGB V <(2)>. Nichts anderes folgt aus dem neugeschaffenen § 109 Abs. 6 SGB V <(3)>. Das gilt unbeschadet der Frage, ob man eine Unwirksamkeit auch öffentlich-rechtlicher Verträge nur unter den Voraussetzungen des § 58 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch annimmt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 5. November 2008 – B 6 KA 55/07 R – SozR 4-2500 § 83 Nr. 5 – Rn. 14).
(1) Das landesvertragliche Aufrechnungsverbot bzw. seine Vereinbarung verstößt nicht gegen § 76 Abs. 1 SGB IV. Die Vorschrift begründet die öffentlich-rechtliche Pflicht der Sozialversicherungsträger, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben. Sie verpflichtet die Sozialversicherungsträger, ihre Ansprüche effektiv zu verwirklichen (BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 - B 12 R 28/18 R -, SozR 4-2400 § 24 Nr. 9 - Rn. 14). Zu diesem Ziel steht das in § 15 Abs. 4 Satz 2 LV NRW geregelte Aufrechnungsverbot indessen nicht in Widerspruch. Denn die Beklagte wird dadurch nicht gehindert, etwaige Erstattungsforderungen durch außergerichtliche Zahlungsaufforderungen und anschließende (Zahlungs-)Klagen zu verfolgen. Lediglich die Geltendmachung durch Aufrechnung wird auf die in § 15 Abs. 4 Satz 2 LV NRW geregelten Fälle beschränkt.
(2) Auch ein Verstoß gegen den in § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V niedergelegten Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist nicht ersichtlich. Nach dieser Regelung haben die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer die Vereinbarungen über die Vergütungen nach dem SGB V so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten. Verträge nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) SGB V sind jedoch ersichtlich keine „Vereinbarungen über Vergütungen“ in diesem Sinne. Sie regeln nicht die Vergütung von Leistungen, sondern setzen diese voraus und betreffen nur die Abwicklung des Vergütungsanspruchs. Das gilt auch für § 15 Abs. 4 Satz 2 LV NRW, wobei diese Bestimmung ohnehin nur etwaige Erstattungsansprüche betrifft, die von § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V bereits im Ansatz nicht erfasst werden (Engelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 71 SGB V <Stand: 15. Februar 2021>, Rn. 24; vgl. auch die dortige Übersicht <Rn. 22>, die Verträge nach § 112 SGB V nicht aufführt).
(3) Aus der mit Wirkung zum 1. Januar 2020 neugeschaffenen Regelung des § 109 Abs. 6 SGB V folgt nichts anderes. In Satz 1 der Vorschrift wird bestimmt, dass gegen Forderungen von Krankenhäusern, die aufgrund der Versorgung von ab dem 1. Januar 2020 aufgenommenen Patientinnen und Patienten entstanden sind, Krankenkassen nicht mit Ansprüchen auf Rückforderung geleisteter Vergütungen aufrechnen können, sofern die Forderung der Krankenkasse nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt ist (Satz 2) bzw. eine abweichende Vereinbarung nach § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG besteht (Satz 3).
Die Regelung erfasst nach ihrem Wortlaut nur Forderungen aus Behandlungsfällen, die nach dem 1. Januar 2020 stattgefunden haben, weshalb ihre Nichtanwendbarkeit auf den vorliegenden Sachverhalt (Behandlungsfall in 2015) außer Frage steht und anderes von der Beklagten auch nicht geltend gemacht wird. Angesichts der ausdrücklichen Anordnung ihrer zeitlichen Geltung ab dem 1. Januar 2020 kann der Vorschrift nichts für die davorliegende Zeit entnommen werden, insbesondere nicht dazu, ob vor ihrem Inkrafttreten die Vereinbarung eines landesvertraglichen Aufrechnungsverbotes auf § 112 SGB V gestützt werden konnte. Das gilt auch für den von der Beklagten angeführten Umstand, dass mit der Neuregelung die erstmalige Schaffung eines gesetzlichen Aufrechnungsverbots erfolgt ist. Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass die Schaffung des Aufrechnungsverbots in § 109 Abs. 6 SGB V notwendig wurde, weil die hohe Zahl der Abrechnungsvorgänge, in denen Aufrechnungen erfolgten, zu erheblichen Liquiditätsengpässen geführt hatten (BT-Drs. 19/13397, S. 54). Der Gesetzgeber ging dabei von bestehenden Aufrechnungsmöglichkeiten aus, ohne dies weiter zu konkretisieren und ohne auf bereits bestehende Aufrechnungsverbote einzugehen, wenngleich er auf die „Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Aufrechnungen“ in zahlreichen sozialgerichtlichen Verfahren hinwies. Dem kann zwar entnommen werden, dass ein weitestgehender Ausschluss der Aufrechnung mit Erstattungsansprüchen gegen Vergütungsansprüche ab dem 1. Januar 2020 (Behandlungsfalldatum) beabsichtigt war. Keine Erkenntnisse ergeben sich dagegen für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Regelung von Aufrechnungsverboten in Verträgen nach § 112 SGB V für die hier betroffene Zeit vor dem 1. Januar 2020 (Behandlungsfalldatum).
cc) Das Aufrechnungsverbot ist auch nicht deshalb nichtig, weil der Anwendungsbereich der PrüfvV eröffnet wäre. Die in § 9 PrüfvV vereinbarten Zahlungs- und Aufrechnungsregeln schließen im Anwendungsbereich der PrüfvV nach Rang, Regelungssystem und -zweck Aufrechnungsverbote aus, die - wie hier im Umkehrschluss aus § 15 Abs. 4 Satz 2 LV NRW folgend - in Landesverträgen nach § 112 SGB V vereinbart sind (BSG, Urteil vom 30. Juli 2019 - B 1 KR 31/18 R – a.a.O. - Rn. 26 ff.).
Allerdings ist der sachliche Anwendungsbereich der PrüfvV im vorliegenden Fall nicht eröffnet. § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG ermächtigt die Vertragsparteien dazu, das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V zu regeln. Diese Norm bestimmt zugleich, welche Prüfungsgegenstände eine PrüfvV haben kann (vgl. BSG SozR 4-2500 § 301 Nr. 8, Rn. 30). Der Anwendungsbereich der PrüfvV ist damit eröffnet, wenn die Prüfung erfolgt, um allein die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung (§ 12 Abs. 1 SGB V) zu überprüfen, etwa die medizinische Notwendigkeit der Dauer der stationären Behandlung (Auffälligkeitsprüfung). Hiervon abzugrenzen ist die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung (BSG, SozR 4-2500 § 301 Nr. 7 - Rn. 9 ff.; BSG, SozR 4-2500 § 301 Nr. 8 - Rn. 9 f; Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 26. November 2018 - 1 BVR 318/17, 1 BVR 1474/17, 1 BVR 2207/17 -, NJW 2019, 351 - Rn. 28 ff.).
Vorliegend ist eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung gegeben, die nicht der PrüfvV unterfällt. Denn die von der Beklagten veranlasste Prüfung durch den MDK bezog sich auf die Anwendung der vertraglich vereinbarten Abrechnungsregelungen bei der Subsumtion im Rahmen des DRG-Systems, auf obige Ausführungen wird verwiesen. Nicht Gegenstand der Prüfung war dagegen die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass der Prüfauftrag mit „Vollprüfung der Abrechnung“ eingeleitet wird. Daraus folgt aber nicht, dass damit eine Wirtschaftlichkeitsprüfung verbunden gewesen wäre. Denn es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Umfang der Prüfung nachfolgend auf die Beatmungsstunden, das Zusatzentgelt ZE 2015-98 und die Prozedur OPS 8-98F.50 konkretisiert wurde. Angesichts dieser Bezeichnung konkreter Prüfgegenstände bedürfte es eines Anhalts im Prüfauftrag, dass davon auch die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung umfasst gewesen sein sollte. Derartige Anhaltspunkte könnten in der Benennung entsprechender Prüfungspunkte (Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung, Verweildauer) liegen, fehlen hier jedoch. Sie liegen angesichts des gesundheitlichen Zustands des notfallmäßig aufgenommenen Versicherten, der im Verlauf des Aufenthalts beatmet werden musste, auch nicht nahe. Für das dargelegte Verständnis des Prüfauftrages bei objektivierter Auslegung spricht im Übrigen, dass auch der MDK den Prüfauftrag in dieser Weise verstanden und ausgeführt hat.
Im vorliegenden Fall kann dabei offen bleiben, ob die Anfügung des Satz 4 an § 275 Abs. 1c SGB V durch Art. 6 Nr. 21a Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung <Krankenhausstrukturgesetz – KHSG> vom 10. Dezember 2015 (BGBI. I 2229) mit Wirkung zum 1. Januar 2016 den Anwendungsbereich der bereits auf der Grundlage von § 275 Abs. 1c SGB V a.F. erlassenen PrüfvV ab Januar 2016 teilweise auch auf sachlich-rechnerische Prüfungen erweitert hat (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2020 - B 1 KR 15/19 R - BSGE 130, 299 ff. - Rn. 14; vgl. zuletzt Terminbericht vom 11. November 2021 - B 1 KR 36/20 R; zur fehlenden Rückwirkung von Art. 6 Nr. 21a KHSG vgl. auch BSG, SozR 4-2500 § 301 Nr. 8 - Rn. 31 ff.; BVerfG, Beschluss vom 26. November 2018 - 1 BVR 318/17 u.a.). Sämtliche hier streitigen Behandlungsfälle betrafen das Jahr 2015. Auch die Abrechnungen und die Aufrechnungserklärung der Beklagten erfolgten sämtlich vor Januar 2016. Da auch der Prüfauftrag vor Januar 2016 erteilt wurde, ergibt sich auch unter diesem Gesichtspunkt keine Geltung der PrüfvV (BSG, Urteil vom 16. Juli 2020 - B 1 KR 15/19 R - BSGE 130, 299 ff. - SozR 4-2500 § 275 Nr. 32 - Rn. 14).
e) Schließlich kann sich die Beklagte gegenüber der Klägerin auch nicht darauf berufen, dass dem Aufrechnungsverbot bzw. dem Berufen auf dieses das Verbot unzulässiger Rechtsausübung (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. dem in § 242 BGB verankerten Grundsatz von Treu und Glauben) entgegenstünde.
Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass widersprüchliches Verhalten zu einem Rechtsverlust führen kann, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Ein derartiger Vertrauenstatbestand kann sich ausnahmsweise aus einer langjährigen einvernehmlichen Praxis der Beteiligten bei Hinzutreten weiterer Umstände bilden (vgl. zum Vertrauen von Krankenhausträgern und Krankenkassen in das Bestehen eines einheitlichen, unter § 275 Abs. 1c SGV V a.F. zu fassenden Prüfregimes bis Ende 2014: BSG, Urteil vom 16. Juli 2020 - B 1 KR 15/19 R - BSGE 130, 299 ff. - Rn. 18 - mit Verweis auf BSG, Urteil vom 19. April 2016 - B 1 KR 33/15 R - BSGE 121, 101 ff. - Rn. 20).
So liegt es hier jedoch nicht. Die Beklagte sieht einen Vertrauenstatbestand „hinsichtlich der Geltung der PrüfvV“ dahingehend, dass „von einem einheitlichen Prüfregime“ auszugehen sei, „auf das die Regelungen der PrüfvV nach übereinstimmendem Willen Anwendung finden sollten, also auch die Möglichkeit, öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche gegen weitere unstreitige Vergütungsansprüche zu verrechnen“. Damit stellt sie im Ausgangspunkt darauf ab, dass sie ein schützenswertes Vertrauen in die Existenz eines einheitlichen Prüfregimes ohne die Unterscheidung in Wirtschaftlichkeitsprüfung und sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung gehabt habe. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach dem Urteil des BSG vom 1. Juli 2014 (B 1 KR 29/13 R) und seiner der Publikation folgenden Auswertung ab dem 1. Januar 2015 die Krankenhausträger und Krankenkassen nicht mehr davon ausgehen konnten, dass das bisherige gemeinsame Verständnis eines einheitlichen Prüfregimes zutraf (BSG, Urteil vom 16. Juli 2020 - B 1 KR 15/19 R – a.a.O. – Rn. 26). Dass sich eine genauere Abgrenzung der Prüfregime erst der späteren Entscheidung vom 25. Oktober 2016 (B 1 KR 22/16 R) entnehmen ließ, ist für den ab dem 1. Januar 2015 fehlenden Vertrauenstatbestand hinsichtlich eines einheitlichen Prüfregimes unerheblich (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2020 – a.a.O. – Rn. 32 zur Relevanz für die Frage der positiven Kenntnis von der Nichtschuld <§ 814 BGB> im Rahmen von Erstattungsansprüchen).
3. Der klageweise verfolgte Vergütungsanspruch ist auch nicht verjährt.
Der Anspruch eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse auf Zahlung von Vergütung für Krankenhausbehandlung unterlag nach Maßgabe des im konkreten Behandlungsfall noch gültigen Rechts (BSG, Urteil vom 20. Januar 2021 - B 1 KR 31/20 R -, SozR 4-2500 § 109 Nr. 84 - Rn. 31) einer vierjährigen Verjährung (vgl. dazu Wahl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl, § 109 SGB V <Stand: 07.01.2019>, Rn. 172, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. des BSG). Die Verjährung der streitigen Vergütungsforderung begann nach Ablauf des Entstehungsjahres 2015 (§ 45 Abs. 1 SGB I). Die Klägerin hat am 19. November 2019 vor Eintritt der Verjährung (Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Dezember 2019) Klage erhoben (§ 90 SGG) und hierdurch den Eintritt der Verjährung der Forderung gehemmt (§ 45 Abs. 2 SGB I analog i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die mittlerweile geltende, verkürzte Verjährungsfrist von zwei Jahren nach Maßgabe von § 109 Abs. 5 Satz 1 SGB V (i.d.F. durch Art 7 Nr. 8a Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals <Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - PpSG> vom 11.12.2018, BGBl I 2394, m.W.v. 1.1.2019) findet keine Anwendung, wie sich aus § 109 Abs. 5 Satz 2 SGB V ergibt. Danach gilt § 109 Abs. 5 Satz 1 SGB V nicht für Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen, die – wie hier – vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind.
4. Der mit der Klage verfolgte Zinsanspruch in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Juli 2015 folgt aus § 15 Abs. 1 Satz 4 LV NRW. Ausgehend von der Zahlungsmitteilung vom 15. Juli 2015, in dem die Aufrechnung mitgeteilt wird, und dem Umstand, dass die Klageforderung(en) unstreitig ist bzw. sind, bestehen keine Zweifel daran, dass sich die Beklagte am 17. Juli 2015 in Zahlungsverzug befand.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
D. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Abgesehen davon, dass sich – wie dargelegt – die maßgebliche Gesetzeslage zur Zulässigkeit der Aufrechnung seitens der Krankenkassen gegen Krankenhausvergütungsansprüche zwischenzeitlich mehrfach geändert hat, die vorliegend maßgebliche Rechtslage also um „auslaufendes Recht“ handelt, das eine zunehmend geringer werdende Zahl von Streitsachen betrifft (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 12. August 2020 – B 1 KR 46/19 B – juris-Rn. 7 m.w.N.), erschließt sich die Beantwortung der von der Beklagten aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang zwischen §§ 76 Abs. 2 SGB IV, 71 Abs. 1 SGB V und 109 Abs. 6 SGB V derart unmittelbar aus dem Gesetz, dass sie nicht höchstrichterlich klärungsbedürftig sind.
E. Der Streitwert für das Berufungsverfahren folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.