Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.02.2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der von der Beklagten zu übernehmenden Unterkunftskosten von Januar 2020 bis Oktober 2020.
Bei dem am 00.00.1994 geborenen Kläger besteht eine Behinderung mit einem GdB von 50. Bei ihm ist eine Betreuung eingerichtet, Betreuer ist der Berufsbetreuer R, E. Der Kläger arbeitete im streitigen Zeitraum bis zum 13.09.2020 im Eingangsverfahren bzw. Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), anschließend wechselte er in den Arbeitsbereich.
Am 01.10.2014 zog der Kläger in die ambulant betreute Wohngemeinschaft in der A-Straße 2 in E. Vermieter war die U GbR, die ambulant betreutes Wohnen durchführte. Der Kläger mietete einen Raum zur Alleinnutzung sowie die Küche, die sanitären Einrichtungen und das Wohnzimmer zur Mitnutzung. Die Gesamtmiete betrug 310 € monatlich (230 € Grundmiete, 30 € Nebenkosten-Vorauszahlung, 50 € Warmwasser- und Heizkostenvorauszahlung). Die Gesamtgröße der angemieteten Wohnung betrug 123,15 qm, die vom Kläger allein bewohnte Wohnfläche betrug 31,42 qm. Die U GbR hatte die Wohnung mit Mietvertrag vom 22.03.2013 für eine Grundmiete iHv 575 €/Monat zuzüglich 175 € Betriebskostenvorauszahlung/Monat zuzüglich 160 € Heizkostenvorauszahlung/Monat (insgesamt 910 €/Monat) angemietet. Die Grundmiete wurde ab 01.04.2018 auf 690 €/Monat angehoben. Die Wohnflächen der anderen Mieter betrugen 29,4 qm, 30,2 qm und 32,2 qm, zwei andere Mieter hatten 315 € monatlich und ein anderer Mieter hatte ebenfalls 310 € monatlich zu entrichten. Das Mietverhältnis des Klägers zur U GbR endete am 31.10.2020, anschließend zog der Kläger in eine stationäre Einrichtung. In einer „Belehrung“ vom 22.08.2018 informierte die Beklagte den Kläger darüber, die Bruttokaltmiete iHv 260 € monatlich sei angemessen, die konkrete Angemessenheitsgrenze liege im Kreis E für Alleinstehende bei 325,50 € monatlich.
Der Kläger bezog erstmals seit September 2018 Sozialhilfe. Bis zum 31.12.2019 bezog der Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII, die Unterkunftskosten wurden iHv 310 € monatlich übernommen. Mit Schreiben vom 06.12.2019 stellte die Beklagte die Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII ein, da der Kläger aufgrund einer Gesetzesänderung zum 01.01.2020 leistungsberechtigt nach dem 4. Kapitel des SGB XII sei.
Der Kläger beantragte am 10.12.2019 Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Er verfügte über Ausbildungsgeld der Agentur für Arbeit iHv 117 € monatlich (bis 31.07.2020) bzw. 119 € monatlich (01.08.2020 bis 12.09.2020), außerdem über Kindergeld iHv 200 € monatlich. Die Höhe des Vermögens lag bei insgesamt 2.566,94 €.
Mit Bescheid vom 28.02.2020 bewilligte die Beklagte dem Kläger Grundsicherung von Januar 2020 bis Dezember 2020 iHv insgesamt 503,71 € monatlich. Sie legte monatlich einen Regelbedarf iHv 432 € zugrunde, auf den das Kindergeld iHv 200 € angerechnet wurde. Das Ausbildungsgeld blieb anrechnungsfrei. Unterkunftskosten berücksichtigte die Beklagte iHv 271,71 € monatlich. Dies sei die dem Kläger zustehende angemessene Bruttowarmmiete. Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, die Kürzung der Unterkunftskosten sei nicht nachvollziehbar. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2020 wies der Kreis Düren den Widerspruch zurück. Die Unterkunftskosten seien nach § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB XII zu berechnen. Da sich das angemessene Verhältnis der Miete des Klägers zur vom Vermieter zu tragenden Gesamtmiete iSd § 42a Abs. 4 Satz SGB XII nicht feststellen lasse, berücksichtige die Beklagte zu Recht die Unterkunftsbedarfe nur in Höhe eines Viertels der nach dem dortigen schlüssigen Konzept angemessenen Bruttowarmmiete für einen Vier-Personen-Haushalt. Bis zur grundsätzliche Klärung sei allerdings ein Zuschlag von 50% zu den nach dem schlüssigen Konzept angemessenen kopfteiligen Aufwendungen anzuerkennen.
Gegen den Bescheid vom 28.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2020 hat der Kläger am 23.07.2020 Klage erhoben. Der Kläger hat sich gegen die Reduzierung der Unterkunftskosten gewandt. Hierfür gebe es keine Rechtsgrundlage.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 28.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2020 zu verurteilen, ihm vom 01.01.2020 bis zum 31.10.2020 Grundsicherung unter Anerkennung der tatsächlichen Unterkunftskosten iHv 310 € monatlich zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist bei ihrer im Widerspruchsbescheid dargelegten Rechtsauffassung geblieben.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft der U GbR über die Anzahl der Mieter, die Höhe der jeweiligen Mieten und die von der U GbR zu zahlende Gesamtmiete eingeholt. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Auskunft vom 12.11.2020 nebst Anlagen verweisen.
Aufgrund des Wechsels des Klägers in den Arbeitsbereich der WfbM bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 29.07.2020 ab September 2020 zusätzlich einen Mehrbedarf bei gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung. Der Unterkunftsbedarf blieb unverändert.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch das Sozialgericht erklärt.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 16.02.2021 hat das Sozialgericht die Beklagte unter entsprechender Änderung des Bescheides vom 28.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2020 und unter Zulassung der Berufung verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 31.10.2020 weitere Sozialhilfe iHv 382,90 (38,29 * 10) unter Anerkennung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung als sozialhilferechtlichen Bedarf zu zahlen. Der Kläger sei dem Grunde nach leistungsberechtigt für die sozialhilferechtliche Grundsicherung, da er dauerhaft voll erwerbsgemindert sei. Gem. § 42 Nr. 4a SGB XII richteten sich die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 42a SGB XII in der ab 01.01.2020 gF. Der Kläger habe im streitgegenständlichen Zeitraum in einer Wohngemeinschaft iSd § 42a Abs. 4 Satz 1 SGB XII gelebt. Diese Vorschrift bestimme für den Regelfall, dass die Unterkunftskosten bis zum dem Betrag als Bedarf anzuerkennen seien, die ihrem nach der Zahl der Bewohner zu bemessenden Anteil an den Aufwendungen entspricht, die für einen entsprechenden Mehrpersonenhaushalt als angemessen gelten. Als Ausnahme von dieser Regel bestimme § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB XII, dass dies nicht gelte, wenn die leistungsberechtigte Person aufgrund einer mietvertraglichen Vereinbarung nur für konkret zu bestimmende Anteile des Mietzinses zur Zahlung verpflichtet sei. Dies treffe auf den Kläger zu. Er habe mit dem BeWo-Anbieter einen gesonderten Mietvertrag über das ihm alleine zur Nutzung überlassene Zimmer und die gemeinschaftlich genutzten Räume geschlossen. In einem solchen Fall seien gem. § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB XII die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bis zu dem Betrag als Bedarf anzuerkennen, der für einen Einpersonenhaushalt angemessen ist, soweit der von der leistungsberechtigten Person zu zahlende Mietzins zur gesamten Wohnungsmiete in einem angemessenen Verhältnis steht. Im Rahmen der Prüfung des Verhältnisses sei der Mietanteil der leistungsberechtigten Person mit der gesamten Wohnungsmiete zu vergleichen (Bezugnahme auf SG Aachen Urteile vom 10.12.2019 – S 20 SO 111/19 und vom 19.06.2020 – S 19 SO 109/19). Soweit die Beklagte demgegenüber die vom Leistungsberechtigten zu zahlende Miete mit der Miete ins Verhältnis setzen wolle, die von dem Hauptmieter an den Wohnungsvermieter zu zahlen ist, sei dies weder mit dem Wortlaut von § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB XII noch mit der Intention des Gesetzgebers zu vereinbaren. Aber selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten sei der Anteil des Klägers an der Gesamtmiete noch nicht als unverhältnismäßig anzusehen.
Gegen das dem Kreis E am 19.02.2021 zugestellt Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 15.03.2021. Als „gesamte Wohnungsmiete“ iSd § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB XII sei die Miete anzusehen, die der Hauptmieter an den Vermieter/Eigentümer zu zahlen habe. Sei diese nicht bekannt, sei von den angemessenen Aufwendungen für einen entsprechenden Mehrpersonenhaushalt auszugehen. Vermieden werde solle mit der Regelung eine Vertragsgestaltung zulasten des Leistungsträgers. Weiche der vereinbarte Mietanteil von dem nach Kopfteilen geschuldeten Anteil um mehr als 50% ab, bedürfe es besonderer Gründe, um noch als angemessen bewertet zu werden. Andernfalls sei nicht zu rechtfertigen, dass leistungsberechtigte Personen mit einzelnen Mietverträgen gegenüber Bewohnern einer Wohngemeinschaft mit einem gemeinschaftlichen Mietvertrag bevorzugt würden. Eine Abweichung von dem nach Kopfteilen bemessenen Anteil an der Gesamtmiete eines entsprechenden Mehrpersonenhaushalts sei jedenfalls dann unangemessen, wenn die Einzelmiete um mehr als 50% von diesem Kopfteil abweiche. Dies ergebe im vorliegenden Fall einen Angemessenheitsbetrag von 271,73 €, der dem Kläger bewilligt worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.02.2021 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Hinzu komme, dass der Kläger keine Möglichkeit habe, seinen Vermieter zur Auskunft über die durch diesen zu entrichtende Miete zu zwingen. Zudem sei die Schlüssigkeit des Konzepts der Beklagten zu den angemessenen Unterkunftskosten nicht nachprüfbar.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die aufgrund der Zulassung durch das Sozialgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben. Der Bescheid vom 28.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2020 ist rechtswidrig, soweit keine höheren Unterkunftskosten als Bedarf anerkannt werden. Der Kläger kann von Januar 2020 bis Oktober 2020 weitere monatliche Unterkunftskosten iHv 38,29 € beanspruchen.
Die Klage ist zulässig, der durch seinen Betreuer gesetzlich vertretene Kläger (§ 1902 BGB) hat diese form- und fristgerecht erhoben und mit der Stadt E gegen die richtige Beklagte gerichtet. Gem. § 97 Abs. 1 SGB XII ist der örtliche Träger der Sozialhilfe grundsätzlich sachlich zuständig, örtliche Träger sind gem. § 3 Abs. 2 SGB XII die Kreise und kreisfreien Städte. Nach § 1 der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe nach dem SGB XII im Kreis E vom 29.12.2004 überträgt der Kreis E als örtlicher Träger der Sozialhilfe den Städten und Gemeinden des Kreises zur Entscheidung im eigenen Namen die Durchführung der ihm als örtlicher Träger obliegenden Aufgaben. Den Widerspruchsbescheid erlässt der Kreis Düren (§ 85 Abs. 2 Nr. 4 SGG), der die Beklagte auch im gerichtlichen Verfahren vertritt (§ 4 Abs. 2 der Satzung); passivlegitimiert für den Anspruch und damit passiv prozessführungsbefugt bleibt jedoch allein die Beklagte. Der Kläger verfolgt sein Begehren zu Recht mit der Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG.
Streitgegenstand des Verfahrens ist allein die Höhe der Unterkunftskosten für die Zeit von Januar 2020 bis Oktober 2020 unter entsprechender Änderung des Leistungsbescheides. Der Kläger hat die Klage zulässig auf die Unterkunftskosten beschränkt (hierzu Löcken in JurisPK SGB XII § 35 Rn. 227 mwN). Der Bescheid vom 29.07.2020 ist nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, denn dieser Bescheid trifft hinsichtlich der Höhe der Unterkunftskosten keine von dem zunächst angefochtenen Bescheid abweichende Regelung.
Die Klage ist begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat ergänzend verweist, hat das Sozialgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben.
Der Kläger hat im streitigen Zeitraum dem Grunde nach einen Anspruch auf Grundsicherung. Während der Zeit der Eingangsphase in der WfbM war der Kläger gem. § 41 Abs. 3a Nr. 1 SGB XII eine leistungsberechtigte Person, danach folgt die Leistungsberechtigung aus § 41 Abs. 3 SGB XII. Er konnte seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen oder Vermögen bestreiten (§ 41 Abs. 1 SGB XII). Als anzurechnendes Einkommen stand allein das von den Eltern an den Kläger weitergeleitete Kindergeld zur Verfügung, das von der Beklagten zu Recht auf den Regelbedarf angerechnet worden ist. Das Ausbildungsgeld ist nicht als Einkommen anzurechnen (BSG Urteil vom 23.08.2010 – B 8 SO 17/09 R). Das vorhandene Vermögen liegt unter dem Freibetrag iHv 5.000 € (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII idF der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 22.03.2017 – BGBl I, 519).
Der Anspruch auf Unterkunftskosten richtet sich gem. § 42 Nr. 4 a) SGB XII nach § 42a SGB XII, denn der Kläger lebte in nicht in einer Einrichtung iSd § 13 Abs. 2 SGB XII, sondern in einer ambulant betreuten Wohnung. Der Leistungsträger hatte nicht die Gesamtverantwortung für die Lebensführung (dazu Urteil des Senats vom 02.12.2021 – L 9 SO 8/21) des Klägers übernommen.
Lebt eine leistungsberechtigte Person zusammen mit anderen Personen in einer Wohnung im Sinne von § 42a Abs. 2 Satz 2 SGB XII (Wohngemeinschaft) und ist sie vertraglich zur Tragung von Unterkunftskosten verpflichtet, sind gem. § 42a Abs. 4 Satz 1 SGB XII die von ihr zu tragenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bis zu dem Betrag als Bedarf anzuerkennen, der ihrem nach der Zahl der Bewohner zu bemessenden Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung entspricht, die für einen entsprechenden Mehrpersonenhaushalt als angemessen gelten („Kopfteilprinzip“). Dies gilt gem. § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB XII nicht, wenn die leistungsberechtigte Person auf Grund einer mietvertraglichen Vereinbarung nur für konkret bestimmte Anteile des Mietzinses zur Zahlung verpflichtet ist; in diesem Fall sind die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bis zu dem Betrag als Bedarf anzuerkennen, der für einen Einpersonenhaushalt angemessen ist, soweit der von der leistungsberechtigten Person zu zahlende Mietzins zur gesamten Wohnungsmiete in einem angemessenen Verhältnis steht.
Für den Kläger gilt § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB XII, denn er hatte die Wohnung nicht mit anderen gemeinsam gemietet, sondern mit dem Mietvertrag vom 23.09.2014 „einen Raum zur Alleinnutzung“ sowie die Gemeinschafträume zur gemeinsamen Nutzung angemietet und schuldete eine allein auf diesen Nutzungsanteil bezogene Miete. Die Beklagte ist damit verpflichtet, die tatsächlichen Unterkunftskosten zu übernehmen. Die vom Kläger geschuldete Bruttokaltmiete iHv 260 € ist nach den „Richtlinien des Kreises Düren zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung – Stand Januar 2020“ angemessen, hiernach galt eine Angemessenheitsobergrenze für eine alleinstehende Person von 325,50 € bruttokalt. Für unangemessen hohe Heizkosten gibt es ebenfalls keine Anhaltspunkte (vergl. hierzu die Grenzwerte im o.a. Konzept S. 6).
Die Rechtauffassung der Beklagten, wonach die angemessenen Kosten für einen Einpersonenhaushalt nur anzuerkennen seien, soweit der von der leistungsberechtigten Person zu zahlende Mietzins in einem angemessenen Verhältnis zu dem von dem Vermieter an den Hauptmieter zu zahlenden Mietzins stehe bzw. bei deren Nichtkenntnis von dem angemessenen Betrag für einen Mehrpersonenhaushalt auszugehen sei, trifft nicht zu:
Der Wortlaut der Vorschrift ordnet eine entsprechende Interpretation nicht an, vielmehr stellt der Begriff „gesamte Wohnungsmiete“ auf die von allen Bewohnern insgesamt zu entrichtende Miete ab. Gegen eine erweiternde Interpretation sprechen Sinn und Zweck der Bestimmung und systematische Gesichtspunkte:
Sinn und Zweck der Prüfung des angemessenen Verhältnisses iS dieser Vorschrift ist nicht, eine wirtschaftliche Vermietung von Wohnraum durch einen (Unter)Vermieter innerhalb der Angemessenheitsgrenzen zu sanktionieren, sondern allein zu verhindern, dass in Wohngemeinschaften abweichend vom Kopfteilprinzip Mietverträge zu Lasten der Sozialhilfeträger abgeschlossen werden, indem bei gemischten Wohngemeinschaften die Sozialhilfeempfänger einen unangemessen hohen Anteil an der Gesamtmiete, also der insgesamt dem Vermieter zu entrichtenden Miete aufbringen müssen. Dies folgt auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9984 S. 94). Hiernach soll die Einschränkung sogar nur bei Mietverträgen mit einem anderen Mieter der Wohnung (also einem Mitbewohner) gelten, wenn die vertraglich vereinbarte Miete zu der gesamten Wohnungsmiete in einem unangemessenen Verhältnis steht (kritisch zu dieser Einschränkung zu Recht Bindig in JurisPK SGB XII § 42a Rn. 92). Ob das Verhältnis aus der geschuldeten Miete des Leistungsberechtigten und der Gesamtmiete für die Wohnung angemessen ist, bestimmt sich insbesondere nach der Wohnungsgröße und der dem Leistungsberechtigten zur Nutzung überlassenen Wohnräume (Gebhardt in BeckOK SGB XII § 42a Rn. 35), nicht aber von der vom Vermieter zu zahlenden Gesamtmiete. Nicht nachvollziehbar und sinnwidrig wäre die Auffassung der Beklagten auch für den Fall, dass der Vermieter seinerseits nicht Mieter, sondern Eigentümer der Wohnung ist. Dann würde das Gesetz gar keine Verhältnisprüfung erlauben, obwohl eine solche zur Vermeidung einer missbräuchlichen Gestaltung durch Leistungsempfänger im o.a. Sinne ebenso geboten wäre. Wenn dem Wohnungsgeber (Vermieter) die Wohnung kostenfrei oder sehr günstig unterhalb des Marktpreises zur Verfügung gestellt worden ist (zB aus caritativen Gründen von einer großen Wohnungsbaugesellschaft) wäre jede vom Leistungsempfänger aufzubringende Miete „unverhältnismäßig“, was erkennbar von § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB XII nicht intendiert ist.
Auch systematische Gesichtspunkte sprechen gegen die Auffassung der Beklagten:
Personen, die in einer Wohngemeinschaft leben und zur Tragung von Unterkunftskosten verpflichtet sind, erhalten gem. § 42a Abs. 4 Satz 1 SGB XII grundsätzlich den kopfteiligen Anteil an der Gesamtmiete (soweit angemessen) als Unterkunftskosten, ohne dass es auf eine vom Vermieter seinerseits zu zahlende Gesamtmiete ankommt. Der hier maßgebliche § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB XII enthält eine Ausnahme vom Kopfteilprinzip und erlaubt eine Übernahme der konkret vereinbarten Miete. Als Korrektiv ist vorgesehen, dass diese im Verhältnis zu den Anteilen der anderen Mieter nicht unangemessen (im Sinne von einseitig zu Lasten des sozialhilfeberechtigten Leistungsempfängers) sein darf. Dafür, dass es nun – abweichend zu Satz 1 - zusätzlich auf die vom Vermieter zu entrichtende Miete ankommen soll, enthält das Gesetz keine Anhaltspunkte, denn fraglich wäre dann auch, weshalb das nicht auch im Rahmen des Satzes 1 gelten soll.
Eine abweichende Interpretation ist zudem nicht mit der Notwendigkeit einer Kostensenkungsaufforderung (§§ 42a Abs. 4 Satz 3 iVm § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII) zu vereinbaren. Da der Leistungsempfänger (wie auch im vorliegenden Fall) ohnehin nur höchstens die angemessenen Unterkunftskosten erhält (vorliegend unterschreitet der Kläger diese sogar erheblich), könnte man ihn nicht zur Senkung der Unterkunftskosten auffordern, weshalb die Beklagte dies vorliegend auch unterlassen hat (soweit die Beklagte in dem Schriftsatz vom 01.03.2022 auf einen Hinweis des SG auf einen Bescheid vom 10.08.2018 abstellt, womit dem Kläger mitgeteilt worden sei, dass einem Umzug in eine neue Wohnung nicht zugestimmt werden könne, da deren Kosten unangemessen seien, erschließt sich nicht, weshalb das eine Kostensenkungsaufforderung bezüglich der für den Kläger seit 2014 bewohnten Wohnung in der A-Straße darstellen soll, zumal der Kläger 2018 noch gar keine Grundsicherung bezog). Die Beklagte hat dem Kläger am 22.08.2018 sogar ausdrücklich mitgeteilt, dass seine KdU angemessen seien.
Ein Außerachtlassen der vom Vermieter zu entrichtenden Gesamtmiete bei der Prüfung der Angemessenheit iSd § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB XII lässt die Vorschrift nicht leerlaufen. Verhindert wird wie dargelegt, dass in einer Wohngemeinschaft Kosten zulasten des Sozialhilfeträgers in unverhältnismäßiger Weise auf den Leistungsempfänger abgewälzt werden. Eine solche Situation ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da alle Zimmer ungefähr gleich groß sind und die Mieter alle in etwa dieselbe Miete zahlen (der Kläger zahlte sogar den geringeren Betrag). Die Auffassung der Beklagten hingegen bestraft ohne gesetzliche Ermächtigung einen wirtschaftlich handelnden Wohnungsgeber, der als gewerblich tätiger Leistungserbringer das Recht hat zu versuchen, preiswerten Wohnraum auf dem Markt zu finden, ohne dass dies nur dem Sozialhilfeträger zugutekommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.