L 5 P 23/22 NZB

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 15 P 419/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 P 23/22 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 19.01.2022 wird zurückgewiesen.

Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe:

 

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

 

Gemäß § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in einem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro oder bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,00 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

 

Die Berufung ist nicht kraft Gesetzes zugelassen, weil der hier von der Klägerin geltend gemachte Zahlbetrag lediglich einen Wert von 355,61 Euro erreicht.

Gründe für eine Zulassung der Berufung im Sinne von § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Danach ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG), des Bundessozialgerichts (BSG), des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GemS) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf der Abweichung beruht, oder (3) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

 

Keiner dieser Zulassungsgründe liegt vor.

 

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Rechtssache, wenn sie eine bisher ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Klärungsbedürftigkeit), und deren Klärung auch durch das Berufungsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). Ein Individualinteresse genügt nicht (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 144 Rn. 28 f. m.w.N. aus der Rechtsprechung). Die Rechtsfrage darf sich nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lassen oder bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden sein (vgl. z.B. BSG, Beschluss v. 15.05.1997 - 9 BVg 6/97 zum im Wesentlichen gleichlautenden § 160 SGG; zum Ganzen vgl. LSG NRW, Beschluss v. 07.10.2011 - L 19 AS 937/11 NZB, juris Rn. 17).

 

Die Klägerin macht mit ihrer Beschwerde im Wesentlichen geltend: Die Frage, ob bei einer versicherten Person, die bereits Leistungen der Pflegeversicherung erhalte (wie hier die Schwiegermutter der Klägerin nach Pflegegrad 4), eine plötzlich auftretende Verschlechterung des Pflegezustandes ebenfalls einen Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld auslösen könne, werfe eine grundsätzliche Bedeutung auf.

 

Diese Frage ist jedoch, wie sich obergerichtlicher- und höchstrichterlicher Rechtsprechung entnehmen lässt, bereits geklärt. Nicht nur die erstmalige, unvermittelt eingetretene Pflegebedürftigkeit, sondern auch die relevante bzw. wesentliche Änderung einer Pflegesituation kann demnach eine Arbeitsverhinderung und in deren Folge einen Anspruch auf Zahlung von Pflegeunterstützungsgeld entstehen lassen (vgl. BAG, Urteil v. 15.11.2011 – 9 AZR 348/10, juris Rn. 44; Hessisches LSG, Urteil v. 13.06.2019 – L 8 P 52/18, juris Rn. 27). Denn unter „einer akut aufgetretenen Pflegesituation“ gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG lässt sich nicht nur das erstmalige Auftreten von Pflegbedürftigkeit, sondern auch die wesentliche, plötzlich und unvermittelt eintretende Änderung einer bereits bestehenden Pflegesituation subsummieren. Der Gesetzeswortlaut selber schließt damit weitere Akutereignisse mit der Folge erneuter Zahlungsansprüche nicht per se aus (vgl. hierzu auch Gallner, in: Erfurter Kommentar, 22. Aufl. 2022, § 2 PflegeZG, Rn. 2; Müller, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Aufl. 2016, § 2 PflegeZG, Rn. 11 ff., P. S. Müller, in: Feichtinger/Malkmus, Entgeltfortzahlungsrecht, 2. Aufl. 2010, § 2 PflegeZG, Rn. 16, Schlegel, jurisPR-SozR 10/2008, Anm. 4, jeweils m.w.N.). Die Frage, ob eine derartige wesentliche Änderung tatsächlich unvermittelt eingetreten ist, stellt demgegenüber keine Rechtsfrage dar und kann naturgemäß keine grundsätzliche Bedeutung begründen.

 

Eine Divergenz (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) liegt ebenfalls nicht vor. Einen Verfahrensmangel (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Ein solcher ist auch nicht erkennbar.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG). Mit der Ablehnung der Zulassung wird das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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