L 5 AS 456/22 B, L 5 AS 457/22 B, L 5 AS 458/22 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 49 AS 561/21, S 49 AS 2367/21, S 49 AS 2565/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 AS 456/22 B, L 5 AS 457/22 B, L 5 AS 458/22 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerden der Klägerin werden die Beschlüsse des Sozialgerichts Duisburg vom 18.03.2022 in den Verfahren S 49 AS 561/21, S 49 AS 2367/21 und S 49 AS 2565/21 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Landeskasse.

 

Gründe:

 

Die Beschwerde ist begründet. Gegen die Klägerin war ein Ordnungsgeld aufgrund ihrer Säumnis in den Terminen am 10.03.2022 nicht festzusetzen.

 

Gemäß §§ 111 Abs. 1, 202 SGG i.V.m. § 141 Abs. 3 ZPO kann gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen das Gericht angeordnet hat und der im Termin nicht erscheint, ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Für unentschuldigt ferngebliebene Beteiligte gilt insoweit § 380 Abs. 1 ZPO, wobei allerdings die weiteren bei einem Zeugen nach dieser Vorschrift möglichen Sanktionen, wie die Auferlegung der durch das Ausbleiben verursachten Kosten und die Festsetzung von Ordnungshaft, bei einer Entscheidung nach § 141 Abs. 3 ZPO keine Anwendung finden. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegenüber einem Beteiligten steht hinsichtlich Grund und Höhe im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.

 

Nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 186 Abs. 1 GVG erfolgt die Verständigung mit einer hör- oder sprachbehinderten Person nach ihrer Wahl mündlich, schriftlich oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen ist (Satz 1). Für die mündliche und schriftliche Verständigung hat das Gericht die geeigneten technischen Hilfsmittel bereitzustellen (Satz 2). Die hör- oder sprachbehinderte Person ist auf ihr Wahlrecht hinzuweisen (Satz 3). Entsprechend Art. 13 Abs. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl. 2008 II, 1419, 1420 - UN-BRK) soll diese spezielle Vorschrift zur Kommunikation im gerichtlichen Verfahren den gleichberechtigten und wirksamen Zugang zur Justiz für Menschen mit Behinderungen gewährleisten (vgl. BSG, Beschluss v. 28.09.2017 – B 3 KR 7/17 B, SozR 4-1720 § 186 Nr. 1, Rn. 7; Lückemann, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 186 GVG, Rn. 1).

 

Wie sich dem Vorbringen der Klägerin und vor allem den im Beschwerdeverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen (z.B. Bericht des Klinikums D vom 06.07.2016) entnehmen lässt, leidet die Klägerin unter einer hochgradigen, an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beidseits. Sie gehört damit zu dem in § 186 Abs. 1 Satz 1 GVG genannten Personenkreis. Angesichts dessen hätte das SG die Klägerin auf ihr Wahlrecht dahingehend hinweisen müssen, dass die Verständigung während des gesamten Verfahrens (also nicht nur im Verhandlungs- oder Erörterungstermin) mündlich, schriftlich oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person erfolgt. Einen solchen Hinweis hat das SG bislang nicht erteilt. Dies stellt sich nach der Rechtsprechung des BSG als Verfahrensfehler dar (vgl. BSG, Beschluss v. 28.09.2017 – B 3 KR 7/17 B, SozR 4-1720 § 186 Nr. 1, Rn. 8). Wird ein hör- oder sprachbehinderter Beteiligter nicht auf sein Wahlrecht im Hinblick auf die im Verfahren zu führende Kommunikation hingewiesen, stellt sich die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bei Nichterscheinen in einem Termin als ermessensfehlerhaft dar.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
Saved