Sicherheitsleistungen auf ein Anwalts-Anderkonto erfüllen nicht die Zahlungspflicht des Arbeitgebers für Beitragsnachforderungen und lassen daher Säumniszuschläge unberührt
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 05.04.2022 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten auch der Beschwerde.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 43.239,17 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die im Handelsregister eingetragene Antragstellerin (und Beschwerdeführerin) ist auf dem Gebiet der Bauwirtschaft tätig.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV iVm §§ 2, 6 SchwarzArbG stellte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) mit Bescheid vom 18.03.2020 für den Zeitraum vom 01.03.2013 bis 31.12.2016 eine Nachforderung in Höhe von 468.844,54 EUR (Beitragsnachforderungen und Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB I) fest.
Im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bezahlte der Geschäftsführer der Antragstellerin einen Betrag in Höhe von 200.000,00 EUR (später weitere 165.470,54 EUR) als Abschlagszahlung auf ein Rechtsanwaltsanderkonto. Wie im Treuhandvertrag unwiderruflich geregelt, wurden nach rechtskräftiger Verurteilung des Geschäftsführers die im Zusammenhang mit dem Strafverfahren stehenden Sozialversicherungsbeiträge an die DRV bzw. die zuständigen Einzugsstellen ausgezahlt. So kehrte die Staatsanwaltschaft von insgesamt 365.470,54 EUR einen Betrag in Höhe von 247.285,55 EUR an die Antragsgegnerin aus, den Restbetrag an die BG Bau und die ikk classic.
Mit Schreiben vom 25.05.2020 beantragten die Antragstellerbevollmächtigten den Erlass der seitens der Antragsgegnerin angeforderten Säumniszuschläge in Höhe von 127.111,00 EUR (Stand: 13.05.2020) sowie den Erlass der bis zu dieser Entscheidung entstehenden Säumniszuschläge. Ferner wurde die Stundung der Säumniszuschläge bis zu dieser Entscheidung beantragt, die Erteilung einer Aufstellung über die noch offenen Sozialversicherungsbeiträge und die Stundung des verbleibenden Restbetrags bis zur Erteilung dieser Auskunft.
Mit Schreiben vom 18.06.2020 teilte die Antragsgegnerin mit, sie könne dem Wunsch auf Erlass der Säumniszuschläge nicht entsprechen. Der Erlass sei nur dann möglich, wenn die Einziehung nach Lage des Einzelfalles unbillig sei. Selbst eine erhebliche wirtschaftliche Belastung sei nicht unbillig bei gesetzlicher Zahlungsverpflichtung. Bislang seien bei der Antragstellerin keine Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt worden. Auch eine Vermögensauskunft sei nicht abgegeben worden. Es seien nicht alle Maßnahmen ausgeschöpft. Es werde gebeten, die Zahlung von aktuell 141.720,74 EUR zu veranlassen.
Die Antragstellerin legte innerhalb der Widerspruchsfrist Widerspruch dagegen ein und mahnte die Verbescheidung aller Anträge an.
Mit weiterem Schreiben vom 17.09.2020 (Folgeschreiben u.a. vom 16.06.2021 und 08.11.2021) führte die Antragsgegnerin (nochmals) zum aus ihrer Sicht nicht möglichen Erlass aus und teilte zudem mit, dass auch eine Stundung der Beiträge nicht möglich sei. Dem Widerspruch könne nicht abgeholfen werden. In der Folge wurde auf nochmalige Anforderung eine Beitragskontenübersicht übersandt.
Am 23.11.2021 beantragte die Antragsgegnerin die Vollstreckung in das Vermögen der Antragstellerin aus einem Geldbetrag in Höhe von 144.177,24 EUR (Beitragsforderungen in Höhe von 14.459,74 EUR sowie Säumniszuschläge in Höhe von 129.567,50 EUR) beim Hauptzollamt L. Die Antragstellerin bezahlte die Beitragsforderung.
Im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) hat sich die Antragstellerin gegen die Vollstreckung aus dem Bescheid der DRV vom 18.03.2020 gewandt. Der Anspruch auf Erlass der Säumniszuschläge sei gemäß § 76 Abs. 3, Abs. 2 Nr. 3 SGB IV gegeben. Unbillig sei, dass Säumniszuschläge aus einem Betrag von 200.000,00 EUR gefordert würden, der auf ein Rechtsanwaltsanderkonto eingezahlt sei. Die Antragsgegnerin sei auch zur Entscheidung hierüber zuständig. Säumniszuschläge fungierten nach der gesetzgeberischen Intention als Druckmittel, um den Beitragsschuldner zur rechtzeitigen Zahlung der Beiträge anzuhalten, zum anderen als standardisierter Mindestschadensausgleich. Es solle der Zinsvorteil abgeschöpft werden und der mit Beitreibung der Nachforderung entstandene Verwaltungsaufwand kompensiert. Ein Druckmittel zur Zahlung sei im vorliegenden Fall nicht erforderlich gewesen. Es bestehe auch kein Zinsvorteil der Beitragsschuldnerin. Ferner werde gegen das Übermaßverbot verstoßen. Zudem bestünden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Zuschlagshöhe (BFH 26.05.2021 - VII B 13/21). Ein Hauptsache-Rechtsbehelf sei noch möglich, die Klage zwar als Verpflichtungsklage statthaft, jedoch sei bislang noch kein Verwaltungsakt mit Rechtsbehelfsbelehrung ergangen. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor. Bei überwiegend wahrscheinlichem Anspruch auf Erlass der Säumniszuschläge komme es nicht mehr darauf an, ob die Antragstellerin durch die Vollstreckung in die Insolvenz getrieben werden könne. Auch bei offenen Erfolgsaussichten im Rahmen der Güterabwägung sei im Sinne der Antragstellerin zu entscheiden es bestehe ein massiver Liquiditätsverlust durch die Beitreibung der Säumniszuschläge. Ein Bescheid vom 18.06.2021 liege nicht vor, dem Schreiben vom 18.06.2020 sei keine Verwaltungsaktsqualität zu entnehmen. Zudem sei vorsorglich Widerspruch gegen dieses Schreiben eingelegt worden.
Der Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass lediglich noch die Säumniszuschläge und Mahngebühren streitig seien. Der Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge sei mit Bescheid vom 18.06.2021 verbeschieden worden. Der Einzug der Säumniszuschläge und Mahnkosten sei nicht unbillig. Es handele sich bei der Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 Abs. 1 SGB IV um eine gebundene Entscheidung. Ein Erlass könne nicht auf § 24 Abs. 2 SGB IV gestützt werden, da keine unverschuldete Nichtkenntnis der Zahlungspflicht glaubhaft gemacht sei. Dem stehe der Sachverhalt, wie er von der DRV festgestellt worden sei, entgegen. Auch Billigkeitsgründe sowie verfassungsrechtliche Bedenken rechtfertigten keinen Erlass der geltend gemachten Säumniszuschläge. Säumniszuschläge seien nicht mit Nachzahlungszinsen säumiger Steuerzahler zu vergleichen. Auf BSG 07.07.2020 - B 12 R 28/18 R werde Bezug genommen. Die Zahlung auf ein Anderkonto rechtfertige keinen Erlass der Säumniszuschläge. Intention der Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,00 EUR sei die Außervollzugsetzung eines Haftbefehls gewesen. Die Sicherheitsleistung habe der Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung gestanden. Ferner bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides.
Mit Beschluss vom 05.04.2022 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Die Entscheidung über den Erlass der bestandskräftig festgestellten Säumniszuschläge stehen pflichtgemäßen Ermessen des Versicherungsträgers. Eine Ermessensreduzierung auf Null ergebe sich auch unter Berücksichtigung der angegebenen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge nicht. In den Säumniszuschlägen sei auch eine Strafkomponente enthalten, die bewusst über die Abschöpfung des Zinsgewinns hinausgehe. Die Zahlung auf das Treuhandkonto sei zwar im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen, führe jedoch nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null.
Hiergegen haben die Antragstellerbevollmächtigten innerhalb der Beschwerdefrist Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingereicht und im Wesentlichen die Ausführungen erster Instanz vertieft. Insbesondere hat die Antragstellerin nochmals auf den Beschluss des BFH 26.05.2021 - VII B 13/21 Bezug genommen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Säumniszuschläge rechtfertigten eine Ermessensreduzierung auf Null. Nicht zutreffend sei, dass eine Mitschuld der Antragstellerin bestehe. Die Vollstreckung sei rechtsmissbräuchlich, soweit über einen Antrag des Beitragsschuldners noch nicht endgültig erkannt worden sei (LSG NRW 24.06.2016 - L 7 AS 882/16 B ER). Es sei daher gerade keine Ermessensreduzierung auf Null erforderlich.
Die Antragstellerin beantragt, unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Augsburg vom 05.04.2022 wie folgt zu erkennen:
1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es bis zu einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren über den Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge nach § 76 Abs. 2, Abs. 3 SGB IV zu unterlassen, aus dem Bescheid der DRV Bund vom 18.03.2020 zu vollstrecken.
2. Der Antragsgegnerin wird weiter aufgegeben, die Vollziehung aufzuheben und den Vollstreckungsauftrag an das Hauptzollamt L vom 23.11.2021 zu widerrufen.
Der Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte des LSG, des SG sowie die Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs. 1, 173 SGG), in der Sache aber unbegründet. Der Beschluss des SG vom 05.04.2022 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Das LSG ist zur Entscheidung zuständig (§ 17a Abs. 5 GVG), in der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
1. Soweit sich der Antragsteller gegen die Zwangsvollstreckung wendet und (vorläufige) Einstellung bzw. Unterlassen der Zwangsvollstreckung begehrt, hat der Antrag keinen Erfolg.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 86b Abs. 2 SGG. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung ist ein Anordnungsgrund - in der Regel die Eilbedürftigkeit - und ein Anordnungsanspruch - der materiellrechtliche Anspruch. Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen, wobei auch im einstweiligen Rechtsschutz der Amtsermittlungsgrundsatz gilt BVerfG 25.2.2009 - 1 BvR 120/09; § 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG iVm mit § 920 Abs. 2, § 924 ZPO; s.a. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 86b Rn. 41). Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang für das Obsiegen in der Hauptsache eine erhöhte Wahrscheinlichkeit spricht. Ist beziehungsweise wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruchs der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenziell bedeutsame Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers zu entscheiden. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlangt dann eine besondere Ausgestaltung, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Soweit sich das Gericht an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert, sind diese abschließend zu prüfen (vgl. hierzu: BVerfG 08.07.2020 - 1 BvR 932/20; 14.3.2019 - 1 BvR 169/19; 25.10.1998 - 2 BvR 745/88; 19.10.1977 - 2 BvR 42/76; 22.11.2002 - 1 BvR 1586/02; 12.05.2005 - 1 BvR 569/05).
Im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 2 SGG kommt es hinsichtlich der rechtlichen und sachlichen Voraussetzungen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an (LSG Bayern 26.04.2021 - L 20 KR 45/21 B ER, Rn. 31 bis 34).
In Anwendung dieser Grundsätze ist ein Anordnungsanspruch für die (vorläufige) Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht glaubhaft oder anderweitig ersichtlich.
Die Vollstreckung bestimmt sich vorliegend nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X iVm den Vorschriften des VwVG bzw. innerhalb dessen der begrenzten Verweisung auf Teile der AO. Nach § 3 Abs. 1 VwVG wird die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner durch eine Vollstreckungsanordnung eingeleitet; eines vollstreckbaren Titels bedarf es nicht. Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung sind gem. § 3 Abs. 2 VwVG der Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist, die Fälligkeit der Leistung und der Ablauf einer Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides oder, wenn die Leistung erst danach fällig wird, der Ablauf einer Frist von einer Woche nach Eintritt der Fälligkeit. Nach § 3 Abs. 3 VwVG soll der Schuldner vor Anordnung der Vollstreckung ferner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden. Die Vollstreckungsanordnung wird nach § 3 Abs. 4 VwVG von der Behörde erlassen, die den Anspruch geltend machen darf. Die Vollstreckungsanordnung ist der Auftrag des Leistungsträgers an die Vollstreckungsbehörde, die Vollstreckung durchzuführen; diese rein verwaltungsinterne Vorbereitungsmaßnahme ist kein Verwaltungsakt und nicht (separat) anfechtbar (Becker, SGb 2018, 456 bis 465, BSG 25.06.2015 - B 14 AS 38/14 R). Auch wenn Vollstreckungsbehörde vorliegend das Hauptzollamt ist, § 4 b) VwVG iVm § 249 AO, kann sich die Antragstellerin an die Antragsgegnerin wenden (BSG 25.06.2015 - B 14 AS 38/14 R, Rn. 19).
Die Voraussetzungen der Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 257 AO iVm § 5 Abs. 1 VwVG) bzw. der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 258 AO iVm § 5 Abs. 1 VwVG) liegen nicht vor. Die Vollziehung ist weder gehemmt (§ 257 Abs. 1 Nr. 1 AO iVm § 251 Abs. 1 AO und § 3 VwVG) noch wird der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben (§ 257 Abs. 1 Nr. 2 AO) noch ist der Anspruch auf Leistung (insoweit) erloschen (§ 257 Abs. 1 Nr. 3 AO) oder die Leistung gestundet worden (§ 257 Abs. 1 Nr. 4 AO).
Der Beitragsbescheid der DRV vom 18.03.2020 ist bestandskräftig und auch fällig, § 86b Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Der Vollstreckung steht nicht im Wege, dass keine Entscheidung über den Stundungsantrag bzw. die Stundungsanträge und über den Erlassantrag bzw. die Erlassanträge getroffen worden wäre. Eine solche hat die Antragsgegnerin vorliegend (ablehnend) getroffen, so bereits hinsichtlich der Erlassanträge spätestens mit Bescheid vom 18.06.2020, mit dem - wenngleich keine Rechtsbehelfsbelehrung aufgenommen worden ist - ausdrücklich mitgeteilt wird, dass kein Erlass der Beiträge in Betracht kommt. Über die Stundungsanträge wurde mit weiterem Bescheid vom 17.09.2020 entschieden. Ein mit LSG NRW 24.10.2016 - L 7 AS 882/16 B ER vergleichbarer Fall liegt daher gerade nicht vor. Es kann dahinstehen, ob im Folgenden weitere Bescheide mit eigenständigen Regelungen (zur selben Thematik) erlassen worden sind oder ggf. wiederholende Verfügungen vorliegen.
Es besteht auch kein Anspruch auf (vorläufigen) Erlass oder eine (vorläufige) Stundung der ausstehenden Säumniszuschläge und Mahngebühren. Hinsichtlich der Säumniszuschläge ergibt sich bereits kein Anordnungsanspruch. Weder ist ein Fall unverschuldeter Nichtkenntnis der Beitragspflicht (§ 24 Abs. 2 SGB IV) ersichtlich noch ist das Ermessen für einen Beitragserlass nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 SGB IV auf Null reduziert. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen der Antragstellerin tragen eine Ermessensreduzierung auf Null nicht (vgl. zur Unterscheidung der Säumniszuschläge und der Verzinsung der Nachzahlung nach § 233a AO iVm § 238 Abs. 1 Satz 1 AO: BVerfG 04.05.2022 - 2 BvL 1/22 und Kögel in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Auflage 1995, 168. Lieferung, § 240 Säumniszuschläge, Rn. 63). Auch wenn im Rahmen des Ermessens eine Zahlung auf das Anderkonto, wie das SG zu Recht ausführt, zu berücksichtigen sein dürfte, ist auch diese nicht - auch nicht in Zusammenschau - geeignet, eine Ermessensreduzierung auf Null zu begründen. Insbesondere kann ebenfalls berücksichtigt werden, dass sich die Antragstellerin entgegen der grundsätzlichen gesetzlichen Wertung (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG) gegen eine (vorläufige) Zahlung direkt an die Einzugsstellen bzw. an die Berufsgenossenschaft entschieden hat, sondern den Weg über ein Anderkonto gegangen ist. Eine Unbilligkeit im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV ist nicht anzunehmen.
Die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null für eine Stundung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB IV sind ebenfalls nicht ersichtlich. Der pauschale Vortrag rechtfertigt die Annahme einer entsprechenden Härte nicht.
Auch die Voraussetzungen des § 258 AO sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Insbesondere ist hierfür eine vorübergehende Unbilligkeit erforderlich (Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 258 Einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung, Rn. 6), die nicht vorgetragen oder anderweitig ersichtlich ist.
Darüber hinaus ist auch kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht oder anderweitig ersichtlich. Der pauschale Vortrag hierzu rechtfertigt eine solche Annahme nicht.
2. Soweit die Antragstellerin begehrt, der Antragsgegnerin aufzugeben, die Vollziehung aufzuheben und den Vollstreckungsauftrag an das Hauptzollamt L vom 23.11.2021 zu widerrufen, ist dem Antrag nicht stattzugeben. Er ist bereits - soweit er auf die Aufhebung des Vollstreckungsauftrags zielt - unzulässig, da ein rein inneres Behördenhandeln vorliegt (s.o.). Auch wenn Rechtsschutz hiergegen - wie zum Teil in der Rechtsprechung angenommen - gewährt werden könnte, und der Antrag über obiges Rechtsschutzbegehren hinaus gehen würde, ist der Antrag ebenfalls mangels Eilbedürftigkeit nicht abweichend zu entscheiden.
Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm §§ 154 Abs. 2, 161 Abs. 1, 162 VwGO.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde zum BSG anfechtbar.
III.
In Verfahren, in denen weder Antragstellerin noch Antragsgegnerin eine der in § 183 SGG genannten Personengruppen angehört, ist der Streitwert zur Ermittlung der gerichtlichen Gebühren festzusetzen, § 197a Abs. 1 SGG analog i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 3 Abs. 1 GKG.
Der Streitwert ist hierbei nach dem Ermessen des Gerichtes festzusetzen, § 202 SGG i.V.m. § 3 ZPO; § 52 Abs. 1 GKG. Betrifft der Antrag der Antragstellerin eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend, § 52 Abs. 3 GKG. Der Wert von Nebenforderungen wird hierbei nicht berücksichtigt (§ 43 Abs. 1 GKG). Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG).
Mit der Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen eine zu vollstreckende Geldforderung in Höhe von 144.177,24 EUR minus bereits beglichener 14.459,74 EUR, gesamt also (noch) 129.717,50 EUR. Hiervon macht der Senat aufgrund des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz einen Abschlag in Höhe von zwei Drittel, sodass ein Streit wert in Höhe von 43.239,17 EUR angenommen wird.
Diese Streitwertentscheidung ergeht gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG.
Der Beschluss kann hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nicht mit der Beschwerde zum BSG angegriffen werden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).