L 9 BA 32/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 211 KR 2330/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 BA 32/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Ein zeitlich vor dem Statusfeststellungsantrag (Anfrageverfahren) bereits eingeleitetes Betriebsprüfungsverfahren verdrängt das Anfrageverfahren, wenn eine Prüfung und Feststellung des Rechtsverhältnisses erfolgt.  Der Träger der Rentenversicherung muss die im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens erfolgende Feststellung von Versicherungspflicht für eine Beschäftigung nicht auf den angekündigten Prüfzeitraum beschränken.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin

vom 6. März 2019 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Streitig ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 in Höhe von 57.547,44 Euro sowie die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung und der Umlagepflicht für die Tätigkeit des Klägers zu 2. bei der Klägerin zu 1.

 

Die Klägerin zu 1. (im Folgenden: die Klägerin), eine 1995 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), ist eine „psychologisch und international ausgerichtete Unternehmensberatung auch für ehemalige Ostblockländer, verbunden mit allen dazugehörigen Dienstleistungen, wie z.B. Public Relations, Werbung und Partnervermittlung“. Gegenstand des Unternehmens ist auch die Vermittlung des Abschlusses von Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, gewerbliche Räume, Wohnräume oder Darlehen, der Erwerb von Anteilscheinen einer Kapitalgesellschaft und von ausländischen Investmentanteilen.

 

Von dem Stammkapital der Klägerin in Höhe von 50.000 DM hielten seit dem 24. März 1997 der Kläger zu 2. (im Folgenden: der Kläger) und der Gesellschafter S je 45 % je (22.500 DM) und der Mitgesellschafter P 10 % (5.000 DM). Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 10. März 2015 veräußerte der Gesellschafter P seinen Geschäftsanteil je zur Hälfte an den Kläger und Herrn S „mit sofortiger dinglicher Wirkung und mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. Januar 2015“.

 

Gemäß dem Gesellschaftsvertrag vom 3. November 1995 konnten die Gesellschafter den Geschäftsführern durch Beschluss allgemeine und besondere Weisungen erteilen, zu deren Beachtung die Geschäftsführer verpflichtet waren. Für bestimmte näher bezeichnete Handlungen bedurften die Geschäftsführer der Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 8 des Gesellschaftsvertrags). Die Gesellschafterversammlung war beschlussfähig, wenn mindestens zwei Drittel aller Stimmen anwesend oder vertreten waren. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung wurden vorbehaltlich abweichender Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Bei Stimmengleichheit galt ein Antrag als abgelehnt (§ 10 Ziff. 3 und 5 des Gesellschaftsvertrags). Wegen der Einzelheiten des Gesellschaftsvertrages wird auf Bl. 176 bis 188 der Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Gemäß der Geschäftsordnung, welche die Gesellschafterversammlung am 30. Juni 1997 erlassen hatte, beschloss die Gesellschafterversammlung über alle Maßnahmen, die ihr nach dem Gesetz oder der Satzung zugeteilt sind, einstimmig. Die Geschäftsführung bedurfte für Maßnahmen, die in ungewöhnlichem Ausmaß in den Vermögensstand, die Organisation oder den Charakter der Gesellschaft eingreifen, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Dazu gehörten u.a. Erteilung und Widerruf von Einzel- und Gesamtprokuren sowie Abschluss, Änderung und Beendigung von Anstellungsverträgen mit Prokuristen.

 

Der Kläger und Herr S gründeten zusammen noch weitere Gesellschaften; der Kläger hielt daher noch Beteiligungen an anderen Firmen, in denen er entweder als Geschäftsführer, Legal Representative, Director oder General Manager tätig war. So war er Director und „member of the board of directors“ der „Luxury Branding Research, Inc“, einer 100 %-igen Tochter der Klägerin in P S, Kalifornien/USA, errichtet und zertifiziert nach dem Gesellschaftsrecht des Staates Kalifornien. Der Kläger unterlag zudem in einer Tätigkeit für die X Z I Mt C (B) Co, Ltd. ab Juli 2012 der chinesischen Sozialversicherung in der (Kapital-)Rentenversicherung, Kranken-, Mutterschafts- und Unfallversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung.

 

Der Kläger war bereits seit 1997 zum unentgeltlichen Geschäftsführer der Klägerin berufen. Zum 1. Januar 1999 schloss er mit der Klägerin einen Geschäftsführeranstellungsvertrag, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. I 48 bis I 50 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen wird. Danach vertrat er die Gesellschaft als Geschäftsführer gemeinschaftlich mit einem weiteren Geschäftsführer oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen (Präambel zum Geschäftsführeranstellungsvertrag). Gemäß § 1 des Geschäftsführeranstellungsvertrags führte der Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrags und des Anstellungsvertrags. Der Geschäftsführer hatte seine Leistung am Sitz der Gesellschaft bzw. an den entsprechend der Geschäftsführertätigkeit erforderlichen Orten zu erbringen. An eine bestimmte Arbeitszeit war er nicht gebunden, war jedoch gehalten, jederzeit, wenn und soweit es das Wohl der Gesellschaft erforderte, zur Dienstleistung zur Verfügung zu stehen (§ 3 Abs. 3 des Vertrags). Er durfte die in § 4 Ziff. 1 – 10 des Vertrags näher bestimmten Geschäfte nur nach vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung ausführen. Gemäß § 6 Abs. 2 des Geschäftsführeranstellungsvertrags war die Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft auf vorsätzliches und grob fahrlässiges Handeln beschränkt. Der Geschäftsführer erhielt als Vergütung ein Jahresgehalt in Höhe von 30.000 DM, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen in Höhe von 2.500 DM (§ 8 Abs. 1 des Vertrags). Eine Tantieme war vom Beschluss der Gesellschafterversammlung abhängig (§ 8 Abs. 2 des Vertrags). Der Geschäftsführer hatte Anspruch auf einen eigenen Dienstwagen, Reisekosten und notwendige Aufwendungen im Interesse der Gesellschaft (§ 9 des Vertrags). Im Fall der Verhinderung der Tätigkeit durch Erkrankung hatte der Geschäftsführer einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung für die Dauer von bis zu 52 Wochen, im Falle seines Versterbens stand der Vergütungsanspruch für die auf den Sterbemonat folgenden drei Monate seinem Ehepartner bzw. den unterhaltsberechtigten Kindern zu (§ 10). § 11 des Vertrags regelte einen Urlaubsanspruch.

 

Im Jahre 2013 endete die Geschäftsführerbestellung des Klägers und ihm wurde „Prokura gemeinsam mit einem Geschäftsführer“ erteilt; beides wurde am 8. August 2013 ins Handelsregister eingetragen.

 

Mit Wirkung vom 18. Dezember 2013 schloss der Kläger als „Arbeitnehmer“ mit der Klägerin einen Anstellungsvertrag über die Tätigkeit als Prokurist, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. I 34 bis I 37 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen wird. Er verpflichtete sich zur Ausführung der in Anlage 1 zum Anstellungsvertrag näher bestimmten Tätigkeiten, u.a. zur Führung der Firma, alleinvertretungsberechtigt mit Prokura, zur Bestimmung bei der Festlegung der Unternehmensstrategie in Zusammenarbeit mit dem Personal, zum Pflegen des Kontakts mit Personen in Politik, Ämtern, Gemeinden und Berufsverbänden, Partnerfirmen usw., zur Supervision, zur Entscheidung bei der Beobachtung der Marktlage, zur Leitung beim Kundenkontaktpflegen und bei der Akquise der neuen Kunden sowie zur Orientierung des gesamten Personals anlässlich von Sitzungen über den Geschäftsgang. Außerdem verpflichtete er sich, im Bedarfsfall auch andere ihm zumutbare Tätigkeiten im Betrieb zu übernehmen (§ 1 Abs. 2 Satz des Anstellungsvertrags). Eine Kündigung war nur unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Monatsende zulässig. Das Anstellungsverhältnis endete vertraglich mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 67. Lebensjahr vollendet, ohne dass es einer Kündigung bedurfte (§ 2 des Anstellungsvertrags). Die vertraglich vereinbarte monatliche Bruttovergütung betrug 7.700 Euro, dem Kläger wurde ein Fahrzeug zur dienstlichen wie auch privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Hierbei war „die 1 % Versteuerung durch den Arbeitnehmer zu berücksichtigen“ (§ 3 Abs. 1 und Abs. 3 des Anstellungsvertrags). Eine Kostenbeteiligung hatte im Hinblick auf die private Nutzung nicht zu erfolgen, die Gesellschaft verpflichtete sich, den geldwerten Vorteil der KfZ-Nutzung der Lohnsteuer zu unterziehen (§ 7 Abs. 3 des Anstellungsvertrags). Nach § 4 des Vertrags war die teilweise oder vollständige Abtretung und Verpfändung der Vergütung ausgeschlossen, im Fall einer „Lohnpfändung“ sollte die Firma berechtigt sein, die konkrete Bearbeitungsgebühr einzubehalten. Die Arbeitszeit richtete sich nach den betrieblichen Erfordernissen, die Firma war berechtigt, die Arbeitszeiteinteilung zu ändern und bei dringenden betrieblichen Erfordernissen Überstunden anzuordnen, die der Kläger nach Absprache mit der Firma durch Freizeit ausgleichen konnte (§ 5 „Arbeitszeit/Überstunden“). Der Kläger hatte einen Anspruch auf 30 Tage Urlaub pro Kalenderjahr. Er war verpflichtet, die Firma vor Aufnahme jeder Nebenbeschäftigung zu informieren (§ 6 des Anstellungsvertrags). Der Kläger hatte einen Anspruch auf Reisekosten und sonstige Aufwendungen, die im Interesse der Gesellschaft notwendig waren und auf Kilometergeld bei Dienstreisen im eigenen PKW (§ 7 des Vertrags). Bei einer Verhinderung der Tätigkeit durch Krankheit hatte der Kläger Anspruch auf eine Weiterzahlung der Vergütung für 12 Monate. Ansprüche aus dem „Arbeitsverhältnis“ und solche, die mit diesem in Verbindung standen, hatte der Kläger innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit, bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nach drei Monaten geltend zu machen (§ 13 Satz 1 des Anstellungsvertrags). Der Vertrag war von Seiten der Klägerin mit „Arbeitgeber“ unterzeichnet.

 

Von der monatlichen Vergütung des Klägers für die Tätigkeit als Prokurist wurde Lohnsteuer entrichtet.

 

 

Der Kläger hatte im März 2015 nach eigenen Angaben Bürgschaften für die Klägerin in Höhe von 450.000 Euro übernommen. Im September 2015 beliefen sich die Höchstbetragsbürgschaften auf 540.000 Euro und solche für die Betriebsmittellinie auf 200.000 Euro.

 

Anfang 2015 trat die Beklagte in eine Betriebsprüfung bei der Klägerin ein. Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 bestätigte die seinerzeit von der Klägerin mandatierte Steuerberatungsgesellschaft G und Partner der Beklagten („P B“) Termine für eine Betriebsprüfung, die an sechs Tagen im Juni 2015 in den Räumlichkeiten der Steuerberatungsgesellschaft stattfinden sollte. Intern vermerkte die Beklagte als „Datum der Terminierung“ den 5. März 2015. Die Klägerin hat in ihrer späteren Klageschrift angegeben, die „Prüfankündigung“ sei am 20. März 2015 bei ihren Steuerbevollmächtigten eingegangen.

 

Am 26. März 2015 ging ein Antrag des Klägers auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status in seiner Tätigkeit als Prokurist bei der Klägerin ab 18. Dezember 2013 bei der Beklagten ein. Er halte immer noch 45 % der Gesellschaftsanteile der GmbH und dominiere zusammen mit dem anderen 45 %-Gesellschafter die Geschäftstätigkeit der Klägerin. Dem Geschäftsführer gegenüber sei er weisungsberechtigt. Tätig sei er auch für andere Auftraggeber, nämlich als Geschäftsführer der C B Academy und als General Manager bei der S S in B/China.

 

Die für Statusfeststellung bei der Beklagten zuständige „Abteilung Versicherung und Rente – Clearingstelle“ gab den Antrag des Klägers auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status am 2. April 2015 unter Bezugnahme auf die vorrangige Zuständigkeit wegen einer bereits eingeleiteten Betriebsprüfung intern an den (Betriebs-)“Prüfdienst“ mit der Bitte ab, dieser möge im Rahmen der Betriebsprüfung über das Vertragsverhältnis entscheiden. Die Clearingstelle teilte dies dem Kläger durch Schreiben vom 2. April 2015 mit.

 

Die Beklagte („Abteilung 23 Prüfdienst“) führte die Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 im Juni 2015 im Steuerbüro G und Partner durch (zuletzt am 26. Juni 2015). Die tätig gewordene Betriebsprüferin M. vereinbarte mit den Steuerbevollmächtigten der Klägerin, im Nachgang zu der Betriebsprüfung zunächst eine Prüfmitteilung ohne Beanstandungen zu erstellen, das Statusfeststellungsverfahren in Bezug auf den Kläger indessen abzutrennen und separat zu bescheiden; in Bezug auf den Kläger wurde die Übersendung von Lohnunterlagen an die Beklagte durch das Steuerbüro vereinbart.

 

Dementsprechend teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 22. Juli 2015 als Ergebnis der Betriebsprüfung mit, die in Stichproben durchgeführte Prüfung habe im gesamten Prüfzeitraum zu keinen Feststellungen hinsichtlich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags geführt. Außerdem übersandte die Steuerberatungsgesellschaft G und Partner der Betriebsprüferin der Beklagten unter dem Betreff „Prüfung“ und mit Angabe der Betriebsnummer der Klägerin und der Rentenversicherungsnummer des Klägers am 27. und 28. Juli 2015 per e-mail-Anlage die Lohnkonten des Klägers für die Jahre 2011 bis 2014 sowie die Unterlagen (Urkunde) betreffend den Verkauf bzw. der Abtretung der Geschäftsanteile zum 1. Januar 2015.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2015 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Absicht an, aufgrund der am 26. Juni 2015 durchgeführten Betriebsprüfung für die Zeit vom 1.  Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 Nachforderungen zur Sozialversicherung für die Beschäftigung des Klägers in Höhe von insgesamt 57.547,44 Euro zu erheben.  

 

Der Geschäftsführer der Klägerin, Herr S, trat, beginnend am 25. August 2015 unter dem Betreff „mündliche Anhörung aufgrund der Betriebsprüfung“, mit der Betriebsprüferin der Beklagten in einen regen e-mail-Kontakt, zur Frage der Versicherungspflicht des Klägers, u.a. zur Bedeutung des Sozialversicherungsabkommens mit China, da der Kläger seit August 2008 dort regelmäßig arbeite. Er (der Geschäftsführer) habe bereits mit dem Kläger einen schriftlichen Anhörungstext verfasst, bitte aber um einen mündlichen Termin zur Erläuterung, in dem sie ihren Standpunkt darlegen könnten. Der Kläger habe neben seiner Tätigkeit für die Klägerin zwei weitere Firmen gegründet, u.a. eine Limited in China. Ab 2012 erbringe er die unternehmerischen Leistungen in China, er arbeite seit 2012 bei einer Firma in China und sei ab September 2012 tatsächlich als Angestellter arbeitslosen-, kranken- und rentenversichert nach der chinesischen Sozialversicherungspflicht. Mit e-mail vom 27. August 2015 fragte der Geschäftsführer an, ob der Antrag auf Statusfeststellung auch zurückgezogen werden könne; dies verneinte die Betriebsprüferin der Beklagten mit Verweis auf das laufende Betriebsprüfungsverfahren.

 

Mit Bescheid vom 12. Januar 2016 forderte die Beklagte die Klägerin für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 zur Nachentrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung auf. Das durch die Betriebsprüfung eingeleitete sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungsverfahren habe zu dem Ergebnis geführt, dass der Kläger als Beschäftigter der Klägerin seit dem 1. Januar 1999 der Versicherungspflicht in der Renten- und in der Arbeitslosenversicherung unterliege; in der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze Beitragsfreiheit. Insgesamt machte die Beklagte für den Kläger Beitragsforderungen in Höhe von insgesamt 57.547,44 Euro geltend. Beiträge würden im Rahmen der Verjährung nur für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2011 nachgefordert. Bei der Beurteilung der Versicherungspflicht sei die Tätigkeit des Klägers im Vorstand der Aktengesellschaft nicht zu berücksichtigen. Die Vorschrift des § 1 Satz 4 SGB VI gelte nur für die Vorstandsmitglieder einer deutschen Aktiengesellschaft, auch § 18 AktG sei nicht anwendbar. Der Kläger habe in dem betreffenden Zeitraum als Gesellschafter-Geschäftsführer bis zum 7. August 2013 nicht mindestens 50 % der Geschäftsanteile besessen; auch als mitarbeitender Gesellschafter habe er ab dem 8. August 2013 bis zum 31. Dezember 2014 nicht mehr als 50 % der Geschäftsanteile gehalten. Er stehe als nicht zum Geschäftsführer bestellter, zu 45 % (ab dem 14. März 2015 zu 50 %) beteiligter Gesellschafter der GmbH trotz Prokura in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Die Beteiligten hätten einen Anstellungsvertrag geschlossen. Die Prokura bestehe laut Handelsregisterauszug nur gemeinsam mit einem Geschäftsführer. Nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrags habe er als Minderheitsgesellschafter nicht die Rechtsmacht, Einzelweisungen der Geschäftsführung an sich im Bedarfsfall zu verhindern (Hinweis auf BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 30/40 R).

 

Dem Kläger gegenüber stellte die Beklagte mit einem weiteren Bescheid ebenfalls vom 12. Januar 2016 unter dem Betreff „Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV am 26. Juni 2015 bei der E.R.P. […] Sozialversicherungsrechtliche Feststellung nach § 7 SGB IV“ fest, für ihn habe als Auftragnehmer der Klägerin ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt bestanden. Er unterliege seit dem 1. Januar 1999 der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung, Beiträge würden unter Beachtung der Verjährungsvorschriften ab dem 1. Januar 2011 nachgefordert.   

 

Die Kläger erhoben gegen die Bescheide gemeinschaftlich Widerspruch. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Prüfdienst sei nach Abschluss der Betriebsprüfung am 22. Juli 2015 nicht mehr für weitergehende Entscheidungen zuständig gewesen. Der Kläger sei zudem Vorstand einer Aktiengesellschaft in China; in seiner Tätigkeit für die die X Z IM C(B) Co, Ltd. entrichte er in China seit Juli 2012 Sozialversicherungsbeiträge, was eine beigefügte Bescheinigung belege. Es sei zu prüfen, ob dies zu seiner Sozialversicherungsfreiheit nach deutschem Recht führe.

 

Mit zwei Widerspruchsbescheiden, jeweils unter dem Datum 14. November 2016, wies die Beklagte die Widersprüche der Kläger jeweils getrennt voneinander zurück. Gegenüber dem Kläger begründete sie, warum für ihn Versicherungspflicht in der Beschäftigung bestehe, gegenüber der Klägerin, warum die sich aus der Betriebsprüfung ergebende Nachforderung bestehen bleibe.

 

Die Kläger haben am 14. Dezember 2016 gemeinschaftlich Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben.

 

Mit Urteil vom 6. März 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Die Prüfmitteilung des Beklagten vom 22. Juli 2015 stehe ihrem Erlass nicht entgegen, denn es handele sich schon nicht um einen Bescheid im Sinne eines Verwaltungsakts. Die Mitteilung enthalte eine Information über die Betriebsprüfung, weise aber keinen Regelungscharakter auf, da es an einer verbindlichen Rechtsfolge fehle. Damit liege kein bestandskräftiger Betriebsprüfungsbescheid vor, der erst zurückgenommen werden müsse, bevor über die streitigen Bescheide entschieden werden könne. Auch eine Verwirkung der Berechtigung, einen Bescheid zu erlassen, liege nicht vor. Seit der Prüfmitteilung bis zur Anhörung zum Betriebsprüfungsbescheid seien nur sechs Tage vergangen. An einer zwischen der Betriebsprüferin und dem Steuerberatungsbüro getroffenen Vereinbarung, wonach zuerst eine Prüfmitteilung und dann ein gesonderter Bescheid ergehen werde, habe die Kammer keine Zweifel. Es sei schwerlich vorstellbar, dass ein Steuerberatungsbüro ohne Wissen, Wollen und Einverständnis der Klägerin Unterlagen an die Beklagte übersandt habe.

 

Inhaltlich seien die Bescheide nicht zu beanstanden. Das Fehlen einer relevanten Unternehmensbeteiligung führe zwar nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung, in der Regel sei jedoch von einer solchen auszugehen. Größere Bedeutung komme der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht zu. Entscheidend sei, ob die Möglichkeit bestehe, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigen abzuwenden. Eine „Schönwetterselbständigkeit“ sei mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. Da der nur theoretische Konfliktfall entscheidend sein könne, sei es unerheblich, ob eine Einflussnahme und/oder Kontrolle durch die Gesellschafter auf die laufende Geschäftsführung tatsächlich stattgefunden habe. Es komme insoweit nicht darauf an, ob von einer bestehenden Rechtsmacht tatsächlich Gebrauch gemacht worden sei, weil die versicherungsrechtliche Beurteilung andernfalls davon abhinge, ob die Tätigkeit aus Sicht der Rechtsmachtinhaber beanstandungsfrei ausgeübt werde. Dies könne jedoch kein rechtlich entscheidendes Kriterium zur Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit sein. Im Hinblick auf die größtmögliche Rechtssicherheit sei es geboten, eine von Anfang an latent bestehende Rechtsmacht auch dann für eine abhängige Beschäftigung als ausschlaggebend anzusehen, wenn von ihr konkret (noch) kein Gebrauch gemacht worden sei. Bezüglich Minderheitsgesellschaftern habe das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ausgeführt, dass der Umfang der Teilhabe am Stammkapital wesentliche Auswirkungen darauf habe, ob der mitarbeitende Gesellschafter-Geschäftsführer Beschäftigter oder Selbständiger sei. Verfüge der Gesellschafter-Geschäftsführer über weniger als 50 % des Stammkapitals, sei dies Indiz für seine abhängige Beschäftigung, da er regelmäßig die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung nicht endgültig beeinflussen könne, so dass ihn deren Entscheidungen bänden und er Weisungen an sich nicht verhindern könne. Ein Ausnahmefall liege dann vor, wenn der Gesellschaftsvertrag so gestaltet sei, dass Gesellschafterbeschlüsse Einstimmigkeit als Wirksamkeitsvoraussetzung hätten oder eine Sperrminorität für den Minderheitsgesellschafter konstituierten, so dass der Gesellschafter-Geschäftsführer Beschlüsse und Weisungen an sich verhindern könne. Dabei müsse sich diese Schutzklausel auf Angelegenheiten der Gesellschaft insgesamt beziehen und dürfe nicht nur besonders herausgehobene Angelegenheiten betreffen (Hinweis auf Urteil des 1. Senats vom 4. Dezember 2015, L 1 KR 356/13). Vorliegend habe der Kläger im streitigen Zeitraum nur über 45 % der Gesellschaftsanteile verfügt; geändert habe sich dies erst mit dem Verkauf der Gesellschaftsanteile am 20. März 2015. Ein rückwirkender Verkauf sei zwar steuer- und gesellschaftsrechtlich möglich, sozialversicherungsrechtlich hingegen nicht relevant, da eine rückwirkende Änderung der Sozialversicherungspflicht durch Rechtsgeschäfte ausscheide.

 

Vertrauensschutz im Hinblick auf die Kopf-und-Seele-Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme nicht in Betracht. Diese habe sich auf Fälle der familienhaften Mithilfe bezogen, mithin auf Familiengesellschaften. Eine solche liege hier nicht vor. Aus den überstaatlichen Abkommen könnten die Kläger nichts für sich herleiten. Die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers unterfalle deutschem Recht. Dies ändere sich nicht dadurch, dass der Kläger weitere Tätigkeiten bei anderen, rechtlich selbständigen Gesellschaften des Konzerns ausübe.

 

Die Kläger haben gegen das ihnen am 12. März 2019 zugestellte Urteil am 2. April 2019 Berufung eingelegt. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Die Sachverhaltsdarstellung des Sozialgerichts könne in weiten Teilen nicht nachvollzogen werden, da die Verwaltungsakte der Beklagten eklatante Lücken aufweise. Die Beklagte habe für den angefochtenen Statusfeststellungsbescheid keine Ermächtigungsgrundlage. Das gesamte Verfahren hätte sich nach § 7a SGB IV und nicht nach § 28p SGB IV richten müssen. Das Sozialgericht habe nicht annehmen dürfen, dass der Antrag des Klägers auf Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Abs. 1 SGB IV zu Recht von der Clearingstelle an den Betriebsprüfungsdienst delegiert worden sei. Denn die Betriebsprüfung sei erst nach dem Statusfeststellungsantrag eingeleitet worden. Es sei auch bei Berücksichtigung der am 23. Februar 2015 von der ehemaligen Steuerbevollmächtigten der Klägerin bestätigten diversen Sammeltermine für zahlreiche Betriebsprüfungen, unter denen sich die Klägerin nach Aktenlage nicht befunden habe, unklar, wann genau eine Betriebsprüfung bei der Klägerin habe durchgeführt werden sollen und verbindlich festgestanden habe. Der erstmalige Antrag des Klägers auf Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens sei nicht in der Akte, die Beklagte habe aber am 4. Februar 2015 Feststellungsbögen versandt, sie müsse von dem Statusfeststellungsantrag spätestens am 4. Februar 2015 Kenntnis erlangt haben, mithin vor Beginn des Betriebsprüfungsverfahrens. Am 26. März 2015 seien die Feststellungsbögen des Klägers eingereicht worden, darin habe er angegeben, dass er als Gesellschafter Prokura besitze und die versicherungsrechtliche Beurteilung seit dem 18. Dezember 2013 wünsche. Seit der Beurkundung der Übernahme von Gesellschaftsanteilen durch den Kläger am 20. März 2015 sei er zu 50 % an der Gesellschaft beteiligt. Im Statusverfahren sei die Antragsrücknahme der Kläger vom 27. August 2015 maßgeblich gewesen und hätte zur Rücknahme des Bescheides der Beklagten und Beendigung des Verfahrens führen müssen.

 

Die Beklagte habe ihren Bescheid auch deshalb ohne Ermächtigung erlassen, weil die Betriebsprüfung spätestens mit dem Schreiben vom 22. Juli 2015 beendet gewesen sei, auch wenn damit keine Regelung getroffen worden sei. Damit sei spätestens die Clearingstelle wieder zuständig gewesen, wenngleich vieles dafür spreche, dass sie im Hinblick auf den unkonkreten Termin des Beginns der Betriebsprüfung schon im Februar und März 2015 zuständig geblieben sei. Die Beklagte habe für die Statusfeststellung am 12. Januar 2016 nach Abschluss des Betriebsprüfungsverfahrens keine Befugnis mehr gehabt.

 

Die Beklagte könne sich nicht auf eine mündliche Besprechung zwischen der ehemaligen Steuerbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten berufen, wonach Einverständnis geherrscht habe, dass die Beklagte nach Abschluss des Betriebsprüfungsverfahrens noch eine Statusfeststellung durchführen werde. Eine solche Absprache sei nicht verschriftlicht worden. Außerdem könne die schriftliche Beendigung der Betriebsprüfung nicht hinter eine mündliche Absprache zurücktreten. Zudem belege die e-mail-Korrespondenz, dass die Betriebsprüferin beabsichtigt habe, ein Statusfeststellungsverfahren durchzuführen, eine Fortsetzung der Betriebsprüfung sei hingegen nie beabsichtigt und auch nicht angekündigt gewesen. Tatsächlich sei der Bescheid vom 12. Januar 2016 nach seiner Bezeichnung und seinem Verfügungssatz kein Betriebsprüfungsbescheid (sondern ein Statusfeststellungsbescheid). Schließlich habe der Kläger die Steuerbevollmächtigten G & P zu keinem Zeitpunkt bevollmächtigt, in seinem Namen Erklärungen abzugeben. Auch das Statusfeststellungsverfahren sei seinerseits rechtswidrig gewesen, weil nicht durch eine Ermächtigung gedeckt.

 

Tatsächlich sei in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt, wann eine Betriebsprüfung tatsächlich beendet sei. Der zur Betriebsprüfung berufene Rentenversicherungsträger sei aber, wenn er über eine sozialrechtliche Statusfrage im laufenden Betriebsprüfungsverfahren mitentscheiden wolle, verpflichtet, deren Einbeziehung hinreichend deutlich zu machen. Das sei im Fall der Kläger nicht erfolgt, in welchem der Inhalt der Besprechung zwischen der Steuerbevollmächtigten nicht hinreichend verschriftlicht worden sei. Ein Vorbehalt, wonach die Betriebsprüfung nicht beendet sei, habe im Fall der Klägerin nicht vorgelegen.

 

Der Bescheid sei auch in der Sache rechtswidrig. Der Kläger sei in dem streitigen Zeitraum in China voll der dortigen Sozialversicherungspflicht unterworfen. Seine Tätigkeit dort werde durch die Klägerin vergütet. Er halte sich auch viel, zeitweise überwiegend in China auf, seine Einkünfte würden dort voll verbeitragt, es sei zumindest die Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen. Gemäß Art. 8 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über Sozialversicherung vom 12. Juli 2001 (BGBl. Teil II, 2002 Nr. 3 S. 83 ff.) hätte die Beklagte über den Antrag der Kläger entscheiden müssen, den Kläger von der Sozialversicherungspflicht zu befreien. Bei negativem Ausgang müsse das Verbot der Doppelverbeitragung beachtet werden, das gelte auch bei zwei verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen. Hilfsweise müsse die Beklagte die Beitragsbemessungsgrenze beachten. In den USA sei der Kläger Vorstand einer Aktiengesellschaft US-amerikanischen Rechts. Diese sei unter den weit gefassten Konzernbegriff des Sozialversicherungsrechts zu rechnen. Es gälten die Grundsätze der Feststellung von Renten- und Sozialversicherungsfreiheit in sämtlichen Tätigkeiten für konzernangehörige Unternehmen. § 1 Abs. 1 Satz 3 SGB VI schreibe in seinem Wortlaut nicht vor, dass es sich um eine in Deutschland ansässige Aktengesellschaft handeln müsse, gefordert werde nur die Vorstandstätigkeit in einer Aktiengesellschaft. Dies genüge für die Versicherungsfreiheit in sämtlichen weiteren Tätigkeiten für konzernzugehörige Unternehmen.

 

Der Verfügungssatz des angefochtenen Bescheids stelle eine durchgehende Versicherungspflicht seit dem Jahr 1999 fest. Diese Ausdehnung auf die Zeit vor und nach dem Betriebsprüfungszeitraum seit rechtswidrig und deshalb aufzuheben.

 

Im Hinblick auf die Änderung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den in etwa gleich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern genössen die Kläger im Rahmen der Betriebsprüfung für den vergangenen Zeitraum Vertrauensschutz (Hinweis auf Rittweger, DStR 2017, 1237 ff.). Diese Rechtsprechungsänderung sei erst mit der Veröffentlichung der drei Urteile des Bundessozialgerichts vom 11. November 2015 im Quartal II/2016 sowie des Urteils vom 14. März 2018 bekannt worden.

 

Die Kläger beantragen,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2019 sowie die Bescheide der Beklagten vom 12. Januar 2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14. November 2016 aufzuheben,

 

hilfsweise das Verfahren im Hinblick auf den Antrag nach Art. 8 des deutsch-chinesischen Sozialversicherungsabkommens auszusetzen,

 

weiter hilfsweise die Revision zuzulassen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Man habe die versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers seit dem 1. Januar 1999 festgestellt und Sozialversicherungsbeiträge seit dem 1. Januar 2011 im Rahmen der Verjährung nachgefordert. Zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der Clearingstelle der Beklagten sei das Betriebsprüfungsverfahren bereits eingeleitet gewesen. Die Betriebsprüfung sei auch nicht mit der Prüfmitteilung vom 22. Juli 2015 beendet worden. Zwar treffe es zu, dass diese keinen Hinweis enthalte, wonach die Betriebsprüfung nicht beendet sei, maßgeblich für die Auslegung sei jedoch der verständige Empfängerhorizont. Dabei müsse sich die Klägerin das Wissen der mandatierten Steuerberatungsgesellschaft zurechnen lassen. Zwischen dieser und der Betriebsprüferin sei vereinbart gewesen, dass zunächst eine Prüfmitteilung erfolgen und nach Prüfung von noch einzureichenden Unterlagen ein Bescheid betreffend die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Klägers erlassen werden solle. Darauf beruhend habe die Steuerberatungsgesellschaft der Beklagten die prüffähigen Unterlagen am 27. Juli 2015 übersandt. Die Kläger hätten vor diesem Hintergrund die Prüfmitteilung so verstehen müssen, dass durch sie die Betriebsprüfung noch nicht beendet gewesen sei.  Etwas anderes folge auch nicht aus der Stellungnahme der Prüferin vom 9. August 2016. Diese habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Bescheid über die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung erst habe ergehen sollen, nachdem die Prüfmitteilung ohne Feststellungen übersandt worden sei. Dem lasse sich nicht entnehmen, dass ein Bescheid außerhalb des Betriebsprüfungsverfahren habe ergehen sollen.

 

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

 

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bde.) und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung des Klägers und der Klägerin hat keinen Erfolg.

 

A. Gegenstand des Rechtsstreits sind die beiden Bescheide der Beklagten vom 12. Januar 2016 in der Fassung der beiden Widerspruchsbescheide vom 14. November 2016, mit denen die Beklagte im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens die Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung für das Jahr 2011 bis 2014 verpflichtet und gegenüber dem Kläger festgestellt hat, dass in seiner bereits seit 1999 ausgeübten Tätigkeit für die Klägerin Versicherungspflicht zu den o.g. Zweigen der Sozialversicherung bestand. Die beiden Kläger haben die Klage gemeinschaftlich erhoben, es liegt daher eine subjektive, aber keine objektive Klagehäufung vor. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Klägerin sich konkret gegen die Nacherhebung von Beiträgen wendet, der Kläger hingegen bei sachgerechter Auslegung seines Klagebegehrens (§ 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG) (nur) gegen die Feststellung der Versicherungspflicht. Die subjektive Klagehäufung begründet nur dann auch eine objektive Klagehäufung, wenn mehrere unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen. Das ist nicht der Fall, wenn die Nacherhebung von Beiträgen und die gleichzeitige Feststellung der Versicherungspflicht für das den Beitragsanspruch auslösende Beschäftigungsverhältnis angefochten werden und beides zeitgleich im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens verfügt worden ist. Es handelt sich dabei vielmehr um identische Ansprüche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen, auf dasselbe Ziel gerichtet sind und aus materiell-rechtlichen Gründen nur einheitlich entschieden werden können. Die Nacherhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung gegenüber dem Arbeitgeber und die gleichzeitige inhaltsgleiche Feststellung der Sozialversicherungspflicht der Beschäftigung gegenüber einem Beschäftigten im Verfahren der Betriebsprüfung ist insoweit Ausdruck einer einheitlichen Entscheidung (vgl. zur Befugnis des Rentenversicherungsträgers zu dieser Vorgehensweise BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R, Rdnr. 22 sowie weiter unten B. 2.). Auf die Frage, ob bei mehreren Streitgenossen unterschiedliche Prozessrechtsverhältnisse begründet werden, kommt es dagegen nicht an (BSG, Beschluss vom 14. September 2006 – B 6 KA 24/06 B, Rdnr. 3; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. August 2007 – L 2 SO 1979/07 W-B, Rdnr. 6).

 

B. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die beiden Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz).

 

1. Die Klage der Klägerin gegen die Nacherhebung von Beiträgen ist nicht begründet, denn die Beklagte hat der Klägerin gegenüber zu Recht unter Berufung auf die seit dem 1. Januar 1999 ausgeübte Tätigkeit des Klägers zunächst als Geschäftsführer und ab dem 18. Dezember 2013 als Prokurist für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz und dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG, konkret „U1“ und „U2“) erhoben.

 

a. Rechtsgrundlage ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Er berechtigt die Träger der Rentenversicherung, im Rahmen der Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu erlassen einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

 

Die Beklagte war für die Festsetzung der Beitragsnachforderung gegenüber der Klägerin nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV zuständig. Der vom Kläger am 26. März 2015 gestellte Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status in seiner Tätigkeit als Prokurist ab dem 18. Dezember 2013 steht der Befugnis der Beklagten nicht entgegen, aufgrund ihrer bereits zuvor eingeleiteten Betriebsprüfung Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie Umlagen festzusetzen. Im Rahmen dieses Verfahrens darf sie über den versicherungsrechtlichen Status des Klägers als Vorfrage entscheiden. Zwischen einem Betriebsprüfungs- und Statusfeststellungsanfrageverfahren besteht zwar grundsätzlich ein wechselseitiger Ausschluss nach dem Kriterium der zeitlichen Vorrangigkeit. Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können Beteiligte u.a. schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Mit dieser Regelung kommt ein wechselseitiger Ausschluss zwischen einem Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV und einem Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV nach dem Kriterium der zeitlichen Vorrangigkeit zum Ausdruck. Einem bereits eingeleiteten Anfrageverfahren kommt daher Sperrwirkung gegenüber einer Betriebsprüfung zu, dasselbe gilt auch umgekehrt (näher BSG, Urteil vom 4. September 2018 – B 12 KR 11/17 R Rdnr. 12). Der Senat lässt offen, ob diese gesetzliche Priorisierung der verschiedenen Verwaltungsverfahren direkt auch den vorliegenden Fall erfasst, in dem zwar zwei solche Verfahren zeitlich konkurrieren, aber nur ein Versicherungsträger – die Beklagte – betroffen ist und tätig wurde. Der Kläger hatte sein Anfrageverfahren an die „Clearingstelle“ der Beklagten gerichtet, die Beklagte ist in der Abteilung „Prüfdienst“ auch für die Betriebsprüfung zuständig. Mithin liegen im vorliegenden Fall zwei Verfahren bei demselben Versicherungsträger vor. Nach dem Wortlaut ist diese Konstellation nicht von der Kollisionsregel des § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV erfasst, die nur das Verhältnis eines bei einem Versicherungsträgers eröffneten Statusfeststellungsverfahrens (Anfrageverfahren) zu einem weiteren Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung erfasst, welches bei einem „anderen“ Versicherungsträger geführt wird. Der Begriff „anderer Versicherungsträger“ meint schon nach seinem Wortsinn unterschiedliche Versicherungsträger (vgl. Duden, zu „andere“), dagegen nicht die unterschiedlichen Stellen/Abteilungen ein und desselben Versicherungsträgers. Das entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung. § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV will divergierende Entscheidungen unterschiedlicher Versicherungsträger über den sozialversicherungsrechtlichen Status vermeiden (Ziegelmeier in: Kasseler Kommentar, § 7a SGB IV Rndr. 18; Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 7a SGB IV [Stand: 10.01.2022], Rdnr. 17, BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 12 R 1/18 R, Rdnr. 13 „unterschiedliche Versicherungsträger“; weniger klar dagegen die Gesetzesbegründung: „Einzugstelle oder einen Rentenversicherungsträger“, BT-Drs. 14/1855, S. 7 – Zu Nummer 2 [Zu § 7a]).

 

Ein zumindest praktisches Bedürfnis nach einer entsprechenden Anwendung der Vorrangregel zur Ordnung verschiedener Verfahren innerhalb eines Versicherungsträgers besteht aber nach der praktischen Erfahrung des Senats gerade bei großen Versicherungsträgern wie der Beklagten im Rahmen der Massenverwaltung. § 7a Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB IV dient erkennbar der Verhinderung widerstreitender Entscheidungen über dasselbe Beschäftigungsverhältnis bzw. eine entsprechende (selbständige) Tätigkeit. Die Gefahr widerstreitender Entscheidungen ist nicht davon abhängig, ob tatsächlich unterschiedliche Versicherungsträger beteiligt sind. Ist ein einheitlicher Versicherungsträger sowohl für das Betriebsprüfungsverfahren als auch das Anfrageverfahren zuständig, ist ebenfalls nicht ausgeschlossen, dass divergierende Entscheidungen unterschiedlicher Abteilungen in unterschiedlichen Verfahren zur Frage der Versicherungspflicht einer Tätigkeit ergehen können. Solche divergierenden Entscheidungen in Verfahren der Statusfeststellung und der Betriebsprüfung bei demselben Versicherungsträger können auftreten, weil entweder eine ungenügende interne Abstimmung oder schlichte Unkenntnis vom jeweils anderen Verfahren bestehen oder unterschiedliche Gewichtungen der für die Beurteilung nach § 7 SGB IV maßgeblichen Indizien vorgenommen werden. Mit Blick auf die dadurch bestehende gleich geartete Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen auch innerhalb eines einheitlichen Sozialversicherungsträgers ist der Träger daher, wenn ein Anfrageverfahren und ein Betriebsprüfungsverfahren zeitlich zusammentreffen, gehalten, nicht zwei streng getrennte Verwaltungsverfahren zu führen, sondern nach Maßgabe der zeitlichen Vorrangregel des § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV dasjenige Verwaltungsverfahren durchzuführen, welches zuerst eingeleitet wurde. So hat das Bundessozialgericht im Anwendungsbereich der Vorrangregelung (§ 7a Abs. 1 SGB IV), also bei „trägerübergreifenden Verfahren“, betont, dass der für das Betriebsprüfungsverfahren zuständige Rentenversicherungsträger bei einem nach Einleitung gestellten Statusfeststellungsantrag aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität „gehalten ist“, seine Prüfung auf das zugrunde liegende Anfrageverfahren zu erstrecken und hierüber eine Entscheidung zu treffen. (BSG, Urteil vom 4. September 2018 – B 12 KR 11/17 R, Rdnr. 15 a.E.). Verfahrensrechtlich verdrängt eine zeitlich vorrangige Einleitung des Betriebsprüfungsverfahrens das Anfrageverfahren vollumfänglich und endgültig, soweit im Rahmen der Betriebsprüfung eine Entscheidung über das Rechtsverhältnis getroffen wird, das auch Gegenstand des Statusfeststellungsverfahrens ist. Diese von § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV strukturierte Vorgehensweise dient u.a. der Verwaltungspraktikabilität (BSG, a.a.O., Rdnr. 15). Sie ist in gleicher Weise für zwei Verwaltungsverfahren nach § 7a SGB IV und § 28p SGB IV geboten, die das gleiche Rechtsverhältnis betreffen und beide bei einem (großen) Sozialversicherungsträger begonnen werden.

 

Diesen Vorgaben ist die Verfahrensweise der Beklagten gerecht geworden. Das Betriebsprüfungsverfahren ist gegenüber der Klägerin zeitlich vor dem Anfrageverfahren des Klägers nach § 7a SGB IV eingeleitet worden und hat dieses auch endgültig verdrängt.

 

Der Kläger hat zwar am 26. März 2015 bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status für die ab dem 18. Dezember 2013 bei der Klägerin ausgeübte Tätigkeit eingereicht und damit den für das optionale Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV notwendigen Antrag eines Beteiligten gestellt. Die Beklagte hatte ihrerseits aber zu diesem Zeitpunkt bereits ein Betriebsprüfungsverfahren gegenüber der Klägerin eingeleitet. Ein anders Verfahren „zur Feststellung der Beschäftigung“ i.S. des § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist im Fall der Betriebsprüfung eingeleitet, wenn der Träger der Rentenversicherung nach außen erkennbar Ermittlungen zur Feststellung einer Beschäftigung in Gang gesetzt hat. Als Verwaltungsverfahren (§ 8 SGB X) beginnt die Betriebsprüfung mit der nach außen wirkenden Tätigkeit, die auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist. Im Fall eines Betriebsprüfungsverfahrens liegt die nach außen wirkende Tätigkeit in der Prüfankündigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages vom 3. Mai 2006, zuletzt geändert a 16. Juli 2021 (Beitragsverfahrensverordnung – BVV). Eine Betriebsprüfung soll dem Arbeitgeber oder der von ihm beauftragten Stelle im Voraus angekündigt werden (BSG, aaO, Rdnr. 14). Die Beklagte hat der Klägerin gegenüber bereits im Februar 2015 die Durchführung eines Betriebsprüfungsverfahrens angekündigt. Das ergibt sich aus der Bestätigung der damaligen Steuerbevollmächtigten der Klägerin (G und P) vom 23. Februar 2015 gegenüber dem für Betriebsprüfungen zuständigen „Prüfbüro“ der Beklagten. Das Steuerbüro bestätigt darin Termine für die Betriebsprüfung und bezog sich auf ein Fax der Beklagten vom 19. Februar 2015. Eine nähere Bezeichnung der Unternehmen, für welche Betriebsprüfungen verabredet wurden, erfolgte zwar nicht. Auch ist das in Bezug genommene Fax nicht aktenkundig. Allerdings spricht nach Aktenlage mehr dafür, dass sich die Bestätigung des Steuerbüros auf die u.a. am 26. Juni 2015 in den Räumen des Steuerbüros durchgeführte Betriebsprüfung bezog, die dem Steuerbüro mit einem Fax angekündigt wurde. Untermauert wird eine Einleitung des Betriebsprüfungsverfahrens spätestens am 5. März 2015 schließlich durch den entsprechenden Eintrag der Betriebsprüferin in der internen Fachanwendung der Beklagten, wonach dieses Datum als „Datum der Terminierung“ eingetragen ist. Die im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesende Vertreterin der Beklagten führte dazu auf Anfrage aus, aus dem Datumsvermerk der „Terminierung“ ergebe sich nach den Verwaltungsabläufen der Beklagten, dass spätestens an diesem Tag mit der Abrechnungsstelle der Klägerin die Betriebsprüfung abgesprochen worden sei. Schließlich haben die Kläger selbst in der Klageschrift mitgeteilt, die Prüfankündigung sei bei dem Steuerbevollmächtigten der Klägerin am 20. März 2015 eingegangen. Ein erstmals im Klageverfahren geltend gemachter, bereits vor dem Antrag vom 26. März 2015 gestellter früherer Statusfeststellungsantrag des Klägers ist ergibt sich aus den Akten nicht und ist auch sonst nicht nachgewiesen. Der Kläger selbst benennt für einen früheren Antrag kein konkretes Datum. Aktenkundig ist vielmehr allein die interne Abgabe des Antrags des Klägers vom 26. März 2015 durch die Clearingstelle der Beklagten an den für das Betriebsprüfungsverfahren intern zuständigen „Prüfdienst“ unter dem Datum „04.02.2015“ und einem Eingangsstempel der Abteilung „23 (Prüfdienst)“ erst vom 10. April 2015. Das in der Akte genannte Abgabedatum „04.02.2015“ spricht nicht dagegen. Dabei handelt es sich zur Überzeugung des Senats um eine offensichtliche Unrichtigkeit in Gestalt eines schlichten Zahlendrehers. Denn es ergibt sich aus dem Ausdruck der Fachanwendung der Beklagten, dass am 2. April 2015 („2.4.2015“), das Statusfeststellungsverfahren des Klägers wegen der Betriebsprüfung als „erledigt“ geführt wurde. Ausgehend davon war das Betriebsprüfungsverfahren bei Eingang des Antrags auf Statusfeststellung bereits eingeleitet. Das Betriebsprüfungsverfahren verdrängte den Statusfeststellungsantrag zunächst vorläufig, dem folgte die interne Abgabe des Antrags an den „Prüfdienst“. Im Hinblick darauf, dass gerade die Tätigkeit des Klägers Gegenstand der Betriebsprüfung war, verdrängte diese Prüfung und Bescheidung in der Sache das Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB VI auch endgültig, so dass zu letzterem keine gesonderte Entscheidung mehr ergehen musste.

 

b. Die Beklagte hat in formeller und materieller Hinsicht ohne Rechtsfehler von der Ermächtigung des § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV Gebrauch gemacht. Die Nachforderung von Beiträgen ist in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig erfolgt.

 

aa. Die Klägerin wurde vor Erlass des Bescheides vom 12. Januar 2016 mit Schreiben vom 28. Juli 2015 angehört, das seinerzeit bevollmächtigte Steuerbüro G und P hat den Eingang am 4. August 2015 unter Berufung auf die Ortsabwesenheit der Geschäftsführung der Klägerin bestätigt und eine Fristverlängerung zur Stellungnahme beantragt (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X).

 

bb. Der Bescheid ist inhaltlich nicht zu beanstanden, denn der Kläger war bei der Klägerin ab Abschluss des Anstellungsvertrags als Geschäftsführer zum 1. Januar 1999 abhängig beschäftigt.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ist die Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

 

Die o.g. Vorschrift kommt hier zur Anwendung, obwohl sich der Kläger – nach eigenen Angaben –  im streitigen Zeitraum viel, teilweise auch überwiegend, in China aufhielt. Nach § 3 Nr. 1 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbständig tätig sind. Beschäftigungsort ist im Grundsatz derjenige Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird bzw. der als Basis für eine Beschäftigung dient. Tätigkeitsort für eine selbständige Tätigkeit ist derjenige, an dem eine feste Arbeitsstätte besteht (Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 3 SGB IV [Stand: 09.11.2021], Rn. 13). Maßgebend ist, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale der Tätigkeit liegt (für die Beschäftigung vgl. Zieglmeier in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 4 SGB IV Rdnr. 6). Der Senat geht davon aus, dass die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer/Prokurist der Klägerin überwiegend in Deutschland ausgeübt wurde. Nachweise für eine körperlich überwiegend in China ausgeübte Tätigkeit gerade in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer oder Prokurist der Klägerin hat der Kläger nicht vorgelegt. Auch die beiden Anstellungsverträge enthalten keinen Hinweis auf eine Verpflichtung, die Tätigkeit überwiegend in China auszuüben; andere Indizien oder Belege dafür, dass der Kläger durchgehend oder in näher abgegrenzten Zeiträumen gerade für die Klägerin in China gearbeitet hat, fehlen. Auf eine möglicherweise daneben ausgeübte Tätigkeit für eine chinesische Kapitalgesellschaft kommt es nicht an, diese könnte nur ein ggf. weiteres Beschäftigungsverhältnis betreffen. Ausgehend davon liegt kein Tatbestand vor, der es gebietet, eine Entsendung i.S. des § 4 SGB IV zu prüfen, weil die Arbeitsleistung gegebenenfalls (überwiegend) im Ausland erbracht wurde. Ungeachtet dessen hat der Kläger selbst angegeben, über keine Entsendebescheinigung zu verfügen.

 

Aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über Sozialversicherung vom 12. Juli 2001 folgt keine andere Beurteilung. Art. 3 des Abkommens entspricht inhaltlich im Wesentlichen § 3 und § 4 SGB IV. Art. 4 begrenzt die Regelungen zur Entsendung zeitlich auf die ersten 48 Kalendermonate einer Entsendung. Für eine Entsendung des Klägers in seiner Arbeit gerade für die Klägerin gibt es aber gerade keine ausreichenden Anhaltspunkte oder Belege.

 

Zur Überzeugung des Senats war der Kläger in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer wie auch als Prokurist i.S. des § 7 Abs. 1 SGB IV seit dem 1. Januar 1999 bei der Klägerin beschäftigt. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung des Sozialgerichts Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu betonen bleibt, dass beide Anstellungsverträge als Geschäftsführer und Prokurist typische Begriffe wie auch Einzelregelungen enthielten, wie sie ein Arbeitsverhältnis prägen. So begründeten beide Verträge jeweils einen monatlichen Anspruch auf eine feste Vergütung für die Tätigkeiten. Die Haftung des Klägers für Schäden Dritter aus der Tätigkeit wurde im Innenverhältnis gemäß den Grundsätzen zur Arbeitnehmerhaftung auf vorsätzliches und grob fahrlässiges Handeln beschränkt. Beide Verträge enden ohne Kündigung mit Eintritt der Regelaltersgrenze. Im Anstellungsvertrag über die Tätigkeit des Prokuristen wird der Kläger als „Arbeitnehmer“ bezeichnet, die Klägerin als Vertragsunterzeichnerin als „Arbeitgeber“. Der Kläger besaß in dem Zeitraum zu keinem Zeitpunkt kraft seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung die Rechtsmacht, Weisungen an sich als Geschäftsführer und ab dem 18. Dezember 2013 als Prokurist zu verhindern. Als Geschäftsführer unterlag er kraft des Anstellungsvertrags und des Gesetzes (§ 37 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG) den Weisungen der Gesellschafterversammlung als willensbildendes Organ. Kraft besonderer Regelungen des Gesellschaftsvertrags oder seines Gesellschaftsanteils, der bis zum 31. Dezember 2014 (nur) 45 % betrug, war er nicht in der Lage, ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern. In seiner Tätigkeit als Prokurist unterlag er den Weisungen des Geschäftsführers. Auch insoweit war er nicht in der Lage, über seine Stellung als Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer anzuweisen, ihm als Prokurist im Einzelfall keine Weisungen zu erteilen. Die Weisung an Angestellte gehört als Teil des operativen Geschäfts eines Geschäftsführers zu dem Bereich, für den die Gesellschafterversammlung ohne besondere Regelungen im Gesellschaftervertrag kein Weisungs- oder Vetorecht hat. Soweit der Kläger auch Personalverantwortung hatte, schließt das ein Weisungsrecht nicht aus. Auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 25 SGB III [Stand: 15.02.2022], Rn. 26). Außerdem ist gerade das Erteilen von Weisungen unmittelbarer Ausdruck einer Eingliederung in ein Unternehmen. Die Regelungen in der Geschäftsordnung vermitteln keine sozialversicherungsrechtlich bedeutsame Rechtsmacht. Denn außerhalb des Gesellschaftsvertrags zustande gekommene, das Stimmverhalten regelnde Vereinbarungen (Abreden) sind bei der Bewertung der Rechtsmachtverhältnisse im Hinblick auf ihre Abänderbarkeit nicht zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R –, BSGE 125, 183 – 189).

 

Diese Beschäftigung nach § 7 SGB IV löste für den Kläger Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung aus.

 

Die Versicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit für die Klägerin entfiel ab Juli 2012 nicht etwa deshalb, weil er ab diesem Zeitpunkt der Sozialversicherungspflicht in China unterlag. Gemäß der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bescheinigung der Beijng Social Insurance Contribution Information unterlag der Kläger von Juli 2012 bis Juli 2015 der Versicherungspflicht im mehreren Zweigen der chinesischen Sozialversicherung in seiner Tätigkeit bei der X Z I M C (B) & Co Ltd. Dabei handelte es sich um eine weitere Tätigkeit bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die mit der Klägerin offensichtlich nicht identisch war. Unbeachtlich ist daher, ob der Kläger auch Gesellschaftsanteile an dieser Kapitalgesellschaft hielt.

 

Der Kläger ist nicht deshalb von der Rentenversicherungspflicht und der Versicherung der Arbeitslosen ausgenommen, weil er als Vorstand in einer oder mehrerer von ihm mitgegründeter chinesischer Tochtergesellschaften der Klägerin oder einer Kapitalgesellschaft nach amerikanischem (kalifornischen) Recht („Inc.“ = Incorporation) tätig war. Für Vorstände von Aktiengesellschaften schließen die Ausnahmeregelungen des § 1 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und die gleichlautende Bestimmung des § 27 Abs. 1 Nr. 5 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) mangels eines entsprechenden Schutzbedürfnisses die Versicherungspflicht aus bzw. lassen den Versicherungstatbestand für die Beschäftigung zumindest nicht wirksam werden (so BSG, Urteil vom 07. Juli 2020 – B 12 R 19/18 R –, Rdnr. 13).

 

§ 1 Satz 3 SGB VI lautet:

 

„Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft sind in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes als ein Unternehmen gelten.“

 

Vorstandsmitglieder im Sinne der Vorschriften sind grundsätzlich nur solche einer Aktiengesellschaft (AG) deutschen Rechts (BSG Urteil vom 7. Juli 2020 – B 12 R 19/18, Rdnr. 13). Damit sind die Vorstandsmitglieder oder vergleichbare Organe ausländischer AG oder ähnlicher Kapitalgesellschaften nicht erfasst, es sei denn, über- oder zwischenstaatliches Recht, insbesondere europäisches Gesellschaftsrecht, regeln eine Gleichstellung der ausländischen juristischen Person mit einer AG inländischen Rechts (BSG, Urteil vom 12. Januar 2011 – B 12 KR 17/09 R, – Board of Directors einer US-Kapitalgesellschaft). Eine „Substitution“ der Tatbestandserfüllung allein wegen einer tatsächlichen Vergleichbarkeit von Gesellschaftsformen im Wege einer Analogie scheidet grundsätzlich aus (vgl. BSG Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R, Rdnr. 13). Möglich ist eine Gleichbehandlung ausländischer Kapitalgesellschaften dann, wenn über- oder zwischenstaatliches Recht, insbesondere europäisches Gesellschaftsrecht, eine beabsichtigte Gleichstellung der ausländischen juristischen Person mit einer AG inländischen Rechts enthalten (sog. Äquivalenzregelungen – KassKomm/Guttenberger, 116. EL September 2021, SGB VI § 1 Rdnr. 33).

 

Eine einschlägige gesetzliche Äquivalenzregelung enthält für China oder die USA weder das deutsche Sozialrecht noch das einschlägige, unmittelbar zu beachtende internationale Recht, insbesondere nicht das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über Sozialversicherung vom 12. Juli 2001 (vgl. BSG, Urteil vom 12. Januar 2011 – B 12 KR 17/09 R –, BSGE Rdnr. 18 – ausgeführt für die USA).

 

Der Senat musste das Verfahren auch nicht mit Blick auf einen Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht aussetzen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der anwaltlich vertretene Kläger einen solchen Befreiungsantrag bereits mit seinem Widerspruch gegen den angefochtenen Bescheid vom 12. Januar 2016 gestellt hat (die Widerspruchsbegründung vom 12. April 2016 jedenfalls enthält einen solchen Antrag nicht ausdrücklich) oder erst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat. Denn eine Befreiung hat für die Beurteilung der streitbefangenen Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer und Prokurist der Klägerin keine Auswirkungen. Der Anspruch auf Befreiung richtet sich nach Art. 8 des o.g. Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über Sozialversicherung. Danach kann der nach Art. 3 und 4 des Abkommens zuständige Träger des für eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit zuständigen Vertragsstaats den Arbeitnehmer von den Rechtsvorschriften zur Versicherungspflicht auf einen gemeinsamen Antrag des Arbeitgebers und Arbeitnehmers befreien, wenn für den Arbeitnehmer Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaats gelten. Die zuständigen Stellen des anderen Vertragsstaats müssen vorher Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Im Fall des Klägers finden auf das streitige Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin nur die Vorschriften eines Vertragsstaats, nämlich des deutschen Staats Anwendung (dazu oben). Soweit sich die Klägerin für den Antrag auf die Sozialversicherungspflicht nach chinesischem Sozialversicherungspflicht für eine andere Tätigkeit des Klägers für eine chinesische Kapitalgesellschaft, konkret ab Juli 2012 für die XZ IM C (B) Co, Ltd. beruft, so könnte ein Befreiungsantrag nur diese Tätigkeit erfassen. Diese Befreiung entfaltete jedoch unter keinem Gesichtspunkt Aus- oder Rückwirkungen auf die Beschäftigung als Geschäftsführer und Prokurist der Klägerin.

 

Aufgrund der auch ab Januar 2011 ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers war die Beklagte berechtigt, die Beträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung nebst Umlagen mit dem angefochtenen Bescheid festzusetzen und die Klägerin zur Zahlung aufzufordern. Ein aus zwischenstaatlichem Recht mögliches Verbot der Doppelverbeitragung besteht bereits deshalb nicht, weil der Kläger in der streitigen Tätigkeit nur einer Beitragspflicht und gerade nicht (zusätzlich) der Sozialversicherungspflicht in China unterlag.

 

Die Klägerin kann sich gegenüber der Beitragsforderung schließlich nicht darauf berufen, wegen der Prüfmitteilung vom 20. Juli 2015 habe die Beklagte danach keine Beitragsforderungen mehr für den Prüfzeitraum erheben dürfen. Insbesondere hat die Prüfmitteilung vom 20. Juli 2015 das Betriebsprüfungsverwaltungsverfahren nicht förmlich abgeschlossen, mit der Folge etwa, dass die Klägerin nur nach Maßgabe der §§ 44 ff. SGB X die Beiträge noch rückwirkend hätte festsetzen können.

 

Allgemein sind pauschal gehaltene Prüfmitteilungen im Betriebsprüfungsverfahren, wonach die Betriebsprüfung „ohne Beanstandung geblieben ist“, bereits nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt nicht geeignet, eine Beitragsforderung auszuschließen, denn sie haben keinen Regelungsgehalt. Sie sind, so sie keine konkreten Prüfergebnisse mitteilen, keine der Bestandskraft zugänglichen Verwaltungsakte i.S. des § 31 SGB X. Das gilt insbesondere für Mitteilungen mit dem Inhalt, dass die durchgeführte Prüfung „keine Feststellungen oder Beanstandungen ergeben habe“ (näher BSG, Urteil vom 19. September 2019 – B12 R 25/18 R, Rdnr. 32). Auch die Beklagte hat in der Mitteilung vom 22. Juli 2015 mitgeteilt, dass die in Stichproben durchgeführte Prüfung zu „keinen Feststellungen hinsichtlich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags geführt“ habe. Damit hat sie gerade keine Regelung getroffen, wonach die Klägerin keine Beiträge schuldete.

 

Die Klägerin konnte auch nicht darauf vertrauen, dass mit der Prüfmitteilung das Verfahren der Betriebsprüfung schon endgültig beendet war. Die Beklagte in Gestalt der Betriebsprüferin M. hatte mit der Steuerberaterin der Klägerin zuvor vereinbart, zunächst eine Prüfmitteilung ohne Berücksichtigung der Tätigkeit des Klägers zu fertigen und zuzuleiten und die Versicherungspflicht des Klägers separat zu bescheiden. Dass die Klägerin insoweit auch selbst mit einem weiteren Bescheid im Rahmen der Betriebsprüfung rechnete, belegen die am 27./28. Juli 2015 vom mandatierten Steuerbüro übersandten Lohnkonten unter Angabe der Rentenversicherungsnummer des Klägers. Diese Übersendung ergäbe keinen Sinn, wenn alle Beteiligten das Betriebsprüfungsverfahren seinerzeit bereits für endgültig abgeschlossen gehalten hätten. Das belegt schließlich auch der Fortgang des auf die förmliche Anhörung abgelaufenen e- mail-Verkehrs, beginnend mit der e-mail des Geschäftsführers vom 25. August 2015 mit dem Betreff „WA mündliche Anhörung aufgrund der Betriebsprüfung“.

 

Auf eine Rechtsprechungsänderung hinsichtlich der Gesellschafter-Geschäftsführer oder der Kopf-und-Seele-Rechtsprechung kann sich die Klägerin nicht berufen; ergänzend zu den Ausführungen des Sozialgerichts verweist der Senat auf das Urteil des BSG vom 19. September 2019 (B 12 R 25/18 R), dem er sich anschließt.

 

2. Unbegründet ist auch die Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 12. Januar 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2016, der gegenüber dem Kläger die Versicherungspflicht seit 1999 festgestellt hat.

 

Die Beklagte war berechtigt, anlässlich des Verfahrens der Betriebsprüfung, betreffend die Klägerin als Arbeitgeberin, auch dem Kläger gegenüber als Beschäftigter Feststellungen zu seiner Versicherungspflicht zu treffen. Die Träger der Rentenversicherung dürfen im Rahmen einer Betriebsprüfung, damit auf der Grundlage von § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV, Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht in der Sozialversicherung nicht nur gegenüber dem jeweiligen Arbeitgeber, sondern auch gegenüber dessen (vermeintlich) Beschäftigten erlassen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R, Rdnr. 20 ff.). Der Kläger hatte vor dem Bescheiderlass im Rahmen des umfangreichen e-mail-Verkehrs über den Geschäftsführer Gelegenheit zu der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit Stellung zu nehmen (§ 24 SGB X). Die Feststellung der Beklagten ist für den Kläger auch inhaltlich zutreffend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu B. 1. verwiesen. Der Kläger war bereits ab dem 1. Januar 1999, seinerzeit aufgrund eines Anstellungsvertrags als Geschäftsführer der Klägerin, Beschäftigter i.S. des § 7 SGB IV. Er unterlag in dieser Beschäftigung der Versicherungspflicht in den von der Beklagten festgestellten Zweigen der Sozialversicherung. Die Beklagte durfte die Feststellung anlässlich der Betriebsprüfung auch für die Zeit ab dem 1. Januar 1999 treffen, obgleich sie für diesen Zeitraum zuvor keine Prüfankündigung gegenüber der Klägerin als Arbeitgeberin versandt hatte und ihr gegenüber insoweit auch keine Beiträge nacherhoben hat. Die Beklagte bewegte sich damit noch im Rahmen der ihr nach § 28p SGB IV zugewiesenen funktionellen Zuständigkeit. Zwar ist nach dem Wortlaut die Kompetenz, Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht zu erlassen, nur „im Rahmen der Prüfung“ eröffnet. Die Kompetenz erstreckt sich aber auf alle anlässlich der Prüfung gefundenen Erkenntnisse in Bezug auf die Versicherungspflicht. § 7 BVV (gültig ab dem 1. Juli 2006 als Nachfolgeregelung von § 1 Beitragsüberwachungsverordnung - BeitrÜV) steht dem nicht entgegen. Er verpflichtet die Träger der Rentenversicherung, die Prüfung beim Arbeitgeber nach § 28p des SGB IV grundsätzlich nach vorheriger Ankündigung durchzuführen (dazu bereits oben). Für die Jahre ab 1999 bis 2010 lag der Klägerin gegenüber keine solche Ankündigung der Beklagten vor. Das Erfordernis der Ankündigung ist allerdings nicht Ausdruck einer nach § 28p SGB IV nur auf den benannten Zeitraum beschränkten Prüfungskompetenz, sondern dient dem Zweck, den Arbeitgeber praktisch in die Lage zu versetzen, seinen u.a. in § 28p Abs. 5 Satz 1 SGB IV und § 7 Abs. 2 Satz 2 und § 10 Abs. 1 und 3 BVV niedergelegten Mitwirkungspflichten in der Prüfung nachzukommen. Für Zeiträume, deren Prüfung vorher nicht konkret angekündigt wurde, muss der Prüfer/die Prüferin vor Ort deshalb u.U. die Anforderungen an die gebotene Mitwirkung anpassen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. Juli 2007 – L 1 RA 248/03 Rdnr. 25). Im Fall des Klägers gilt es zudem zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Versicherungspflicht für eine Tätigkeit allein des Klägers festgestellt hat, die auch im Prüfungszeitraum noch ausgeübt wurde (Geschäftsführer).  Auch das Bundessozialgericht hat schließlich die Feststellung von Versicherungspflicht eines im Verfahren der Betriebsprüfung geprüften Beschäftigungsverhältnisses für Zeiträume nicht beanstandet, die über den konkreten Prüfzeitraum hinausgingen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R, Rdnr. 19 f. mit zustimmender Anmerkung auch zur funktionellen Zuständigkeit für die Feststellung von Versicherungspflicht von Freudenberg, jurisPR-SozR 25/2015 Anm. 3 unter C.)

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

 

 

Rechtskraft
Aus
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