L 3 KA 46/19

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 24 KA 169/17
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 3 KA 46/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

In Fällen, in denen die Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren hinsichtlich ihres Umfangs die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren so wesentlich überwiegt, dass sie nahezu einer ausschließlichen Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren entspricht, ist grundsätzlich der Ansatz der 1,3-Geschäftsgebühr gerechtfertigt.

Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26. Juni 2019 geändert und die Bescheide des Beklagten vom 13. September 2016 und 2. Mai 2017 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern weitere Anwaltskosten iHv 322,01 Euro zu erstatten.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger als Gesamt­schuldner zu zwei Dritteln und der Beklagte zu einem Drittel, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 966,04 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe zu erstattender Rechtsanwaltskosten.

Die Kläger waren im Jahr 2005 als Allgemeinmediziner zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in S. zugelassen. Sie übten ihre Tätigkeit im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis (seit 2007: Berufsausübungsgemeinschaft <BAG>) aus, der als Abrechnungsnummer die Ziffernfolge x zugewiesen war.

Mit an die

„Praxis

T.

U.

V.“

gerichtetem Schreiben vom 4. Juni 2007 leitete der Prüfungsausschuss Niedersachsen ein Ver­fahren der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der von der Gemeinschaftspraxis im Jahr 2005 verord­neten Arzneimittel auf der Grundlage einer Richtgrößen­prüfung ein. Der vorläufig er­rech­ne­te Netto-Regress belaufe sich auf 114.149,24 Euro; es könnten jedoch weitere Praxis­besonder­heiten geltend gemacht werden. Daraufhin beantragte zunächst die Gemeinschaftspraxis selbst eine Fristverlängerung (Schreiben vom 6. Juni 2007). Mit Schreiben vom 2. August 2007 zeigten die Prozess­bevoll­mächtigten der Kläger die Vertretung der „Dres. W.“ an und baten nochmals um Fristverlängerung zum Vortrag weiterer Besonderheiten. Am 20. September 2007 gingen bei der Geschäftsstelle der Prüfungs­einrichtungen Nieder­sachsen mehrere unter dem Briefkopf der Gemein­schafts­praxis verfasste (nicht unterzeichnete) Stellung­­­nahmen vom 1. August, 21. August und 13. September 2007 nebst Listen mit Einzel­verordnungs­daten ein, in denen Praxis­besonderheiten dargelegt wurden. Eine Stellungnahme seitens der Bevollmächtigten erfolgte nicht.

Der Prüfungsausschuss setzte mit Bescheid vom 20. November 2007 (Datum der Beschluss­fassung: 18. Oktober 2007) einen Regress iHv 38.389,28 Euro fest. Die Beteiligten­bezeichnung auf Seiten der Ärzte im Beschluss lautete „XY, X., Dr. Y. und Dr. Z., AA.“. Der Verwaltungs­akt wurde sowohl der „Praxis“ (Adressatenbezeichnung wie im Schreiben vom 4. Juni 2007) als auch den Bevoll­mächtig­ten bekanntgegeben.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2007 (eingegangen am 4. Dezember 2007) legten die Bevoll­mächtigten Widerspruch gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses ein. Auf Anforderung des Beklagten legten sie eine von allen Klägern unterzeichnete Vollmacht vor. Diese enthält keine ausdrückliche Bezeichnung des Vollmachtgebers, jedoch ist darauf ein Stempel der Gemeinschaftspraxis angebracht.

Mit Bescheid vom 19. April 2016 gab der Beklagte dem Widerspruch teilweise statt und hob den Beschluss des Prüfungsausschusses insoweit auf, als gegen die Widerspruchsführerin - als die der Beklagte die Gemeinschaftspraxis ansah - ein Regress festgesetzt worden war; statt­dessen setzte er eine Beratung fest. Gleichzeitig beschloss er, dass der Wider­spruchs­führerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten seien und die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig gewesen sei.

Im Anschluss stellten die Bevollmächtigten dem Beklagten Kosten iHv 3.160,40 Euro in Rechnung. Dabei legten sie einen Gegenstandswert iHv 38.389,28 Euro zugrun­de und setzten neben einer 2,9-fachen Geschäftsgebühr nach Nr 2300 Vergütungs­ver­zeichnis (VV) zum Rechts­anwaltsvergütungsgesetz (RVG), in die sie eine Gebühren­erhö­hung nach Nr 1008 VV RVG um 0,6 „wegen 3 Auftraggebern“ eingerechnet hatten, eine Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr 7002 VV RVG (20,00 Euro), eine Dokumentenpauschale für Kopien nach Nr 7000 Ziff 1 VV RVG (20,00 Euro) sowie Umsatzsteuer iHv 19% nach Nr 7008 VV RVG (504,60 Euro) an.

Der Beklagte setzte demgegenüber die der Gemeinschaftspraxis zu erstattenden Kosten auf lediglich 1.097,18 Euro fest. Aufgrund der Tätigkeit der Bevollmächtigten der Gemeinschafts­praxis im vorangegangenen Verwaltungsverfahren sei die Geschäftsgebühr gemäß Nr 2301 VV RVG iHv 1,0 festzusetzen. Dies entspreche der Rahmenwertigkeit von 1,8 einer nach Nr 2300 VV RVG berechneten Gebühr. Unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit lägen die Voraussetzungen einer den 1,3-fachen Satz überschreitenden Geschäftsgebühr nach Nr 2300 VV RVG vor. Der tatsächliche Umfang und die tatsächliche Schwierigkeit des Falls seien jedoch nicht in der beantragten Form ersichtlich, sodass die Beantragung des 2,3-fachen Satzes der Geschäftsgebühr unbillig sei. Mit der Festsetzung des 1,0-fachen Satzes der Gebühr werde bereits ein Toleranzbereich bzw Beurteilungsspielraum des Rechtsanwalts von 20% im Hinblick auf die angemessene Vergütung berücksichtigt. Eine Gebührenerhöhung nach Nr 1008 VV RVG sei nicht anzusetzen, da die Tätigkeit für eine Gemeinschaftspraxis gegenüber den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung nur für einen Auftraggeber erfolge. Schließlich sei die Geltendmachung von Auslagen für Ablichtungen aus Behördenakten nach Nr 7000 VV RVG unbillig, da den Bevollmächtigten die Prüfungsakte kostenfrei in Kopie übersandt worden sei und daher keine Ablichtungen aus Behördenakten gefertigt worden seien (Bescheid vom 13. September 2016).

Der Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid des Beklagten folgend erhoben die Bevoll­mächtigten hiergegen Widerspruch, der sich gegen die Anwendung der Nr 2301 VV RVG, die Höhe der Geschäftsgebühr und die Nicht­berücksichtigung der Gebührenerhöhung für mehrere Auftrag­geber sowie der Dokumenten­pauschale richtete. Hilfsweise legten sie eine neue Gebühren­rechnung vom 22. November 2016 vor, in der sie eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr 2301 VV RVG, eine Gebühren­erhöhung um 0,6 nach Nr 1008 VV RVG und die schon zuvor in Ansatz gebrachten Pauschalen nach den Nrn 7000 und 7002 VV RVG nebst 19 % Umsatzsteuer ansetzten (Gesamtbetrag: 2.087,02 Euro). Dazu führten sie aus, dass das Verfahren vor dem Prüfungs­ausschuss sehr kurz gewesen und die umfangreiche Begründung erst im Wider­spruchs­­verfahren gegen den Regress­bescheid erfolgt sei. Damit entspreche der Umfang der Tätigkeit im Nach­prüfungs­verfahren dem Umfang bei einer ausschließlichen Tätigkeit im Nachprüfungs­verfahren, sodass in Anbetracht des reduzierten Gebührenrahmens der Ansatz der Höchst­gebühr von 1,3 gerecht­fertigt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2017 wies der Beklagte den Widerspruch der Gemein­schafts­praxis zurück. Dieser Bescheid ging den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 8. Mai 2017 zu.

Am 7. Juni 2017 haben die Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben, mit der sie den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung weiterer Anwaltskosten auf den Betrag von 966,04 Euro beschränkt haben. Dem liegt die im Widerspruchsverfahren geänderte Gebühren­berechnung vom 22. November 2016 zugrunde, wobei die Nichtberück­sichti­gung der Dokumentenpauschale nach Nr 7000 VV RVG nicht mehr angefochten ist.

Die Kürzung der Geschäftsgebühr auf die 1,0-fache Gebühr sei zu Unrecht erfolgt. Schon der Umstand, dass die Kläger einen Fachanwalt für Medizinrecht beauftragt hätten, spreche für eine überdurchschnittliche Schwierigkeit der Angelegenheit. Zu berück­sichtigen sei ferner, dass der Beklagte im Laufe des mehrjährigen Verfahrens einen Vergleichs­vorschlag unterbreitet habe, der umfangreich mit der Mandant­schaft habe besprochen werden müssen. Außerdem hätten neben der Richtgrößenprüfung für das Jahr 2005 auch die Prüfungen für die Jahre 2002 bis 2004 und 2006 überprüft werden müssen, was sich aus dem umfangreichen anwaltlichen Vortrag im Widerspruchsverfahren ergebe. Weiterhin sei die Erhöhungsgebühr nach Nr 1008 VV RVG zutreffend angesetzt worden. Bereits im Rubrum des Bescheides des Prüfungs­aus­schusses sei auf Klägerseite unmissverständlich keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) benannt, sondern drei einzelne Ärzte angegeben worden. Wollten die Prüfgremien eine GbR in Anspruch nehmen, so erfordere dies eine richtige Bezeichnung der GbR in dem Bescheid; eine Gemeinschaftspraxis werde im Bescheid des Prüfungs­ausschusses aber nicht einmal ansatz­weise erwähnt. Dass der Prüfungs­ausschuss jeden einzelnen Arzt habe in Anspruch nehmen wollen, habe den Hintergrund, dass nur so in das Privat­vermögen der Ärzte vollstreckt werden könne. Bei einer Inanspruchnahme „nur“ der Gemein­schafts­praxis könne demgegenüber nur in das Betriebsvermögen der Praxis vollstreckt werden, das häufig nicht sehr werthaltig sei.

Mit Urteil vom 26. Juni 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Anwaltskosten. Der Beklagte sei im Ergebnis zu Recht von einer Unbilligkeit der anwaltlichen Gebührenbestimmung ausgegangen. Die angesetzte 2,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr 2300 VV RVG übertreffe auch unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums des Anwalts das rechtlich zulässige Maß deutlich. Demgegenüber habe der Beklagte mit seiner Bewertung (1,8-fache Gebühr) den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Ver­mögens­verhältnisse des Auftraggebers und das Haftungsrisiko hinreichend berücksichtigt. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im Vorverfahren werde von der Kammer als überdurch­schnitt­lich bewertet. Die Tätigkeit habe sich im konkreten Fall auch als schwierig dargestellt. Unter Berücksichtigung der überdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse der Kläger und der festgesetzten Regresssumme gehe die Kammer schließlich nur von einer leicht über­durch­schnitt­lichen Bedeutung der Angelegenheit aus. Der Beklagte habe ferner zutreffend die begehrte Erhöhung nach Nr 1008 VV RVG abgelehnt. Entgegen der Ansicht der Kläger sei die Entscheidung des Prüfungsausschusses gegenüber der Gemeinschaftspraxis und nicht gegen­über den einzelnen Ärzten ergangen. Dies ergebe sich unmittelbar aus der Entscheidung, die neben den einzelnen Namen der Praxisinhaber auch die Abrechnungsnummer der Praxis benenne. Zudem sei der gesamte Schriftverkehr bis zur Entscheidung bzw bis zur Manda­tie­rung der Prozessbevollmächtigten über die Praxis der Kläger geführt worden. Daher hätten keinerlei Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Regressfestsetzung ausschließlich gegen­über den einzelnen Mitgliedern der Praxis erfolgen sollte. Schließlich habe der Beklagte auch zutreffend die Dokumentenpauschale nicht berücksichtigt.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 5. Juli 2019 zugestellte Urteil haben die Kläger am 5. August 2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen ein­gelegt. Sie verweisen auf ihre Ausführungen im Vor- und im erstinstanzlichen Verfahren und heben hervor, dass die Nichtgewährung der Dokumentenpauschale zuzüglich Umsatzsteuer nicht angegriffen und damit nicht Gegenstand der Klage geworden sei. Die Erwähnung der Betriebs­stättennummer der Praxis in der Entscheidung des Prüfungsausschusses lasse nicht den Rückschluss darauf zu, dass die Gemeinschaftspraxis und nicht die einzelnen Ärzte für die Regressforderung hätten in Anspruch genommen werden sollen. Es sei unstreitig geworden, dass der Prüfungsausschuss einen Titel gegen jeden einzelnen Arzt und nicht gegen die Gemein­­schafts­praxis gewollt habe, um bei einer Nichtzahlung der Regresssumme von fast 39.000,00 Euro gegen jeden einzelnen Arzt vorgehen zu können. Hinsichtlich der Höhe der Geschäftsgebühr sei schließlich noch zu berücksichtigen, dass für jeden der betroffenen Ärzte im Hinblick auf dessen Besonderheiten, zusätzliche Qualifikationen und Behandlungs­schwer­punkten gesondert habe vorgetragen werden müssen.

 

Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

1.    das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26. Juni 2019 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 13. September 2016 in Gestalt des Widerspruchs­bescheides vom 2. Mai 2017 abzuändern,

2.    den Beklagten zu verurteilen, ihnen weitere Anwaltskosten iHv 966,04 Euro nebst Zinsen iHv fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

 

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

 

Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und stellen keinen Antrag.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Kläger, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. In diesem Umfang hat das SG ihre Klage zu Unrecht abgewiesen; im Übrigen ist die erstinstanzliche Entscheidung aber nicht zu beanstanden.

A. Die gegen die Bescheide des Beklagten vom 13. Mai 2016 und 2. Mai 2017 gerichtete Klage ist als (Teil-)Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1 und 4 SGG statthaft (vgl Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 27. September 2011 - B 4 AS 155/10 R, SozR 4-1935 § 7 Nr 1, Rn 12) und auch im Übrigen zulässig.

I. Dabei haben die Kläger die Entscheidung über die Erstattung von Anwaltskosten für ihre Vertretung im Widerspruchsverfahren nur insoweit angefochten, als der Beklagte anstelle der Höchst­gebühr von 1,3 nach Nr 2301 VV RVG lediglich eine 1,0-fache Geschäftsgebühr erstattet und eine Berücksichtigung der Gebühren­erhöhung für zwei weitere Auftraggeber nach Nr 1008 VV RVG abgelehnt hat. Demgegenüber richtet sich die Klage aus­drück­lich nicht gegen die Nicht­berücksichtigung der Dokumenten­pauschale nach Nr 7000 VV RVG. Insoweit - und soweit der Beklagte einen Erstattungsbetrag iHv 1.097,18 Euro festgesetzt hat - sind die Bescheide des Beklagten nicht Gegenstand der Anfechtungsklage geworden und damit in Bestandskraft erwachsen.

Soweit die Kläger den Gegenstandswert und den Leistungsantrag in der Berufungsschrift vom 5. August 2019 auf 899,00 Euro beziffert haben, geht der Senat von einem Rechenfehler aus, der nach dem eindeutig erkennbaren Begehren der Kläger offenkundig ist und deshalb nicht zu einer Beschränkung der Klageforderung auf diesen Betrag führt (§ 123 SGG). Tatsächlich begehren die Kläger die Erstattung eines weiteren Betrages iHv 966,04 Euro, wie sich schon aus der Klageschrift sowie folgender Berechnung ergibt:

Gegenstandswert: 38.389,28 Euro

Höhe einer Gebühr, § 13 Abs 1 RVG iVm Anl 2 RVG (idFd

Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts <Kosten-

­rechts­modernisierungsgesetz - KostRMoG vom 5. Mai 2004):        902,00 Euro

 

1,3 Geschäftsgebühr, Nr 2301 VV RVG                               1.172,60 Euro

0,6 Gebührenerhöhung, Nr 1008 VV RVG                               541,20 Euro

Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr 7002 VV RVG         20,00 Euro

Zwischensumme netto                                                           1.733,80 Euro

19% Umsatzsteuer                                                                   329,42 Euro

Gesamtbetrag                                                                        2.063,22 Euro

abzüglich bereits erfolgter Erstattung                                    1.097,18 Euro

Klageforderung                                                                         966,04 Euro

 

II. Wie schon das SG zutreffend erkannt hat, bedurfte es vor der Erhebung der Klage an sich nicht der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, denn gegen die vom Beklagten getrof­fene Kostenfestsetzungsentscheidung findet ein Vorverfahren nicht statt (vgl BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 - B 6 KA 7/08 R, SozR 4-1300 § 63 Nr 9, Rn 13 mwN). Dieser Umstand ändert jedoch weder etwas an der Zulässigkeit der Klage noch ergibt sich aus dem Widerspruchs­bescheid eine zusätzliche selbst­ständige Beschwer, die zu einer isolierten (vollständigen) Aufhebung dieses Bescheides führen könnte (vgl dazu B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Kel­ler/Lei­the­rer/ Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 95 Rn 3a mwN).

III. Bedenken an der Zulässigkeit der Klage bestehen auch nicht im Hinblick darauf, dass diese nicht von der (ehemaligen) Gemeinschaftspraxis, sondern von ihren einzelnen Mitgliedern als Streitgenossen erhoben worden ist. Letzteres folgt schon aus der eindeutigen Bezeichnung der

Kläger in der anwaltlichen Klageschrift vom 2. Juni 2017, und gleichermaßen ist auch die Berufung im Namen der drei Ärzte eingelegt worden.

Zwar ist der einzelne Arzt nicht ohne weiteres berechtigt, die Zahlung von Honoraransprüchen

der BAG an sich zu verlangen (vgl dazu BSG, Urteil vom 16. Mai 2018 - B 6 KA 15/17 R, SozR 4-2500 § 87b Nr 15, Rn 15), und für den hier streitbefangenen Kosten­erstat­tungs­anspruch der Gemein­schaftspraxis kann nichts anderes gelten. Da aber alle Gesellschafter der ehemaligen Gemeinschafts­praxis im Wege der subjektiven Klagehäufung (vgl dazu näher B. Schmidt aaO, § 74 Rn 2) klagen, liegt darin jedenfalls eine konkludente - und zulässige (vgl BSG aaO) - wechsel­seitige Ermächtigung der Praxispartner, die Ansprüche der Gesellschaft im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen (gewillkürte Prozessstandschaft). Insofern besteht auch kein Zweifel am Vorliegen des erforderlichen eigenen Rechtsschutzinteresses der klagenden Mitglieder der nicht mehr bestehenden Gemeinschaftspraxis (vgl auch dazu BSG aaO).

B. Die Klage ist auch teilweise begründet. Die Kläger haben Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten der anwaltlichen Vertretung der Gemeinschaftspraxis im Widerspruchs­verfahren gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 20. November 2007 iHv 322,01 Euro.

I. Dabei steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass der Beklagte dem Grunde nach zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen verpflichtet ist, die der Gemein­schafts­praxis durch ihre anwalt­liche Vertretung in dem Widerspruchs­verfahren entstan­de­n sind. Der Beklagte hat dies in seinem Beschluss vom 19. April 2016 anerkannt und dabei auch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erklärt; diese Entscheidung ist bestandskräftig geworden und damit für die Beteiligten und den Senat bindend (§ 77 SGG).

Rechtsgrundlage hierfür ist die Regelung in § 63 Abs 1 S 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), die auf Verfahren der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung Anwendung findet (vgl BSG, Urteil vom 31. Mai 2006 - B 6 KA 78/04 R, SozR 4-1300 § 63 Nr 4, Rn 11 mwN). Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem­jenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechts­verfol­gung not­wen­digen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Hinzu­ziehung eines Bevollmächtigten notwendig war (§ 63 Abs 2 SGB X).

II. In welcher Höhe die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts für seine Tätigkeit in einem Vorverfahren erstattungsfähig sind, ergibt sich aus den Bestimmungen des anwaltlichen Gebührenrechts (vgl hierzu BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004 - B 6 KA 15/04 R, SozR 4-1930 § 6 Nr 1; Urteil vom 27. September 2011 aaO). Seit dem 1. Juli 2004 sind hierfür das RVG und dessen Bestimmungen maßgeblich. Dabei werden im vorliegenden Fall die Gebühren gemäß § 3 Abs 1 S 2 RVG nach dem Gegenstandswert berechnet, weil die Gemeinschaftspraxis als Auftraggeberin (vgl dazu nachfolgend unter 4.) nicht zu den in § 183 SGG genannten kosten­privilegierten Personen gehört.

Für die Höhe der Vergütung ist nach § 2 Abs 2 RVG das VV der Anl 1 zu dem Gesetz maßgeblich.

1. Dabei ist nach der Übergangsvorschrift in § 60 Abs 1 S 1 RVG für die Vergütung das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist.

Nachdem der unbedingte Auftrag zur Einlegung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 20. November 2007 im Zeitraum zwischen der Bekanntgabe dieses Bescheides (am 21. November 2007) und der Einlegung des Widerspruchs (am 4. Dezember 2007) erteilt worden sein muss und in dieser Zeit keine Änderungen des RVG in Kraft getreten sind, bedarf es keiner näheren Feststellung des Zeitpunkts der unbedingten Auftragserteilung. Der Senat legt insoweit die in diesem Zeitraum geltende Rechtslage zugrunde, mithin die Anl 1 RVG idFd Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26. März 2007 (BGBl I S 370). Die Maßgeblichkeit dieser Rechtslage steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.

2. Ebenso zutreffend gehen die Beteiligten von einem Gegenstandswert iHv 38.380,28 Euro aus, der der Höhe des vom Prüfungsausschuss festgesetzten Regresses entspricht (§ 23 Abs 1 S 1 und 3 RVG iVm § 52 Abs 3 S 1 Gerichtskostengesetz <GKG>).

3. Anders als in den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung dargelegt ist für den Ansatz der Geschäftsgebühr nicht allein die Nr 2300 VV RVG, sondern - wie von den Beteiligten im gerichtlichen Verfahren überein­stim­mend angenommen - zusätzlich die Nr 2301 VV RVG (in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung des KostRMoG) maßgebend. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Zugrundelegung der Höchstgebühr von 1,3 aber nicht unbillig und damit auch für ihn bindend.

a) Die Geschäftsgebühr nach Nr 2300 VV RVG umfasst die außergerichtlichen Tätigkeiten eines Rechts­­anwalts einschließlich der Vertretung im Verwaltungsverfahren und sieht dafür einen Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 der Gebühr nach § 13 RVG vor. Ist eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren voraus­gegangen, findet Nr 2301 VV RVG Anwendung: Danach beträgt die Gebühr 2300 für das weitere, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende Verwaltungs­verfahren 0,5 bis 1,3 der Gebühr nach § 13 RVG. Nach Anm Abs 1 ist bei der Bemessung dieser Gebühr nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren geringer ist. Ferner kann eine Gebühr von mehr als 0,7 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (Anm Abs 2).

Die Kläger stellen zu Recht nicht mehr infrage, dass vorliegend Nr 2301 VV RVG Anwendung findet. Dies folgt aus dem Umstand, dass ihre Prozessbevollmächtigten bereits im voraus­gegangen Verwaltungsverfahren beim Prüfungsausschuss tätig waren. Insoweit reicht für das Entstehen der Geschäftsgebühr (für die außergerichtliche Vertretung im Verwaltungs­verfahren) bereits die erste Tätigkeit des Rechtsanwalts nach Erhalt des Auftrags, also in aller Regel die Entgegennahme der Information aus (vgl Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl 2021, VV 2300 Rn 17). Eine solche erste Tätigkeit ergibt sich hier jedenfalls ohne weiteres daraus, dass die Bevollmächtigten mit Schreiben vom 2. August 2007 die Vertretung der Praxis im Verfahren der Richtgrößenprüfung gegenüber der Geschäftsstelle der Prüfungs­einrichtungen Nieder­sach­sen angezeigt haben.

b) Der nach der Beschränkung des Kostenerstattungsanspruchs maßgebende Ansatz der 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr 2301 VV RVG in der Berechnung vom 22. November 2016 ist nicht zu beanstanden.

Welche Gebühren innerhalb des Rahmens von 0,5 bis 1,3 angemessen ist, bestimmt sich nach den Regelungen des § 14 RVG. Nach Abs 1 S 1 dieser Vorschrift bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Ein­kommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Zusätzlich ist der in Nr 2301 VV RVG vorgesehene sog Schwellenwert zu berücksichtigen, wonach eine Gebühr von mehr als 0,7 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Ist die Gebühr wie hier von einem Dritten zu ersetzen, ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs 1 S 4 RVG).

Bei Zugrundelegung dieser Vorgaben ist die Bestimmung der Höhe der Geschäftsgebühr nicht unbillig und demzufolge verbindlich.

Dabei hat der Beklagte zu Recht nicht in Abrede gestellt, dass die anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren sowohl umfangreich als auch schwierig war. Davon ist im Ergebnis auch das SG ausgegangen, sodass der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit auf die zutreffen­de Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung verweist und insoweit gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht. Ergänzend ist dazu auszuführen, dass auch die Dauer des Wider­spruchs­verfahrens (von hier neun Jahren) nach­voll­ziehbar zu einem erhöhten anwaltlichen Bearbeitungsaufwand geführt hat. Denn nachdem der Widerspruch bereits mit Schreiben 16. August 2011 - wenn auch nur knapp - begründet worden war, hat der Beklagte mit Schreiben vom 22. April 2015 Hinweise zu seiner geänderten Verwaltungspraxis zur Anerkennung von Praxis­besonderheiten erteilt und einen neuen Daten­träger mit den Einzel­verordnungsdaten für das Prüfjahr 2005 übersandt. Vor diesem Hinter­grund versteht sich von selbst, dass eine erneute Einarbeitung des Anwalts notwendig war, die letztlich auch zu einer deutlich umfangreicheren Widerspruchsbegründung (vom 19. Januar 2016) geführt hat.

Liegen damit die Voraussetzungen einer die Schwellengebühr der Anm Abs 2 zu Nr 2301 VV RVG übersteigenden Geschäftsgebühr vor, so ist die Ausschöpfung des Gebührenrahmens bis zur Höchstgebühr von 1,3 nicht zu beanstanden. Für eine Gebühr im oberen Bereich des sich danach bietenden Gebührenrahmens von 0,8 bis 1,3 spricht dabei bereits der Umstand, dass die Tätigkeit sowohl umfang­reich als auch schwierig war, während eine Gebühr von mehr als 0,7 bereits gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

Unabhängig hiervon ist der Ansatz der Höchstgebühr aber schon aus dem Grunde gerecht­fertigt, dass die anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren einen Umfang hatte, der dem Umfang einer ausschließlichen Tätigkeit im Widerspruchsverfahren entsprach. Nach der dem geminderten Gebührenrahmen der Nr 2301 VV RVG zugrunde liegenden Vorstellung des Gesetz­gebers ist typischerweise von einem geringeren Umfang der Tätigkeit im Nachprüfungs­verfahren auszugehen, wenn der Anwalt bereits im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren tätig war. Tritt diese Vermutung im Einzelfall allerdings nicht ein, recht­fertigt das ein Über­schreiten der Schwellengebühr (vgl Madert in: Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl 2012, Nr 2300, 2301 VV Rn 36 mwN). In Anbetracht des redu­zierten Gebührenrahmens ist ferner nach einer in Recht­sprechung und Literatur vertre­tenen Auffassung, der sich der Senat anschließt, der Ansatz der 1,3-Geschäftsgebühr grundsätzlich in sol­chen Fällen gerechtfertigt, in denen die Tätigkeit im Nach­prüfungs­verfahren hinsichtlich ihres Umfangs die Tätigkeit im Verwal­tungs­verfahren so wesentlich überwiegt, dass sie nahezu einer ausschließlichen Tätigkeit im Nach­prüfungs­verfahren ent­spricht (vgl Madert aaO mwN; Finanz­gericht <FG> Köln, Beschluss vom 10. September 2013 - 10 Ko 3987/12, juris Rn 27; Oberverwaltungsgericht <OVG> Magdeburg, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 O 140/10, juris Rn 5; Ober­landesgericht <OLG> Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. März 2010 - 1 Verg 7/10, juris Rn 20).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Eine inhaltliche Bearbeitung der Angelegenheit bereits im Verwal­tungs­ver­fahren vor dem Prüfungsausschuss durch die Bevollmächtigten ist nicht ersichtlich. Ihre Tätig­keit in diesem Verfahrensstadium beschränkte sich vielmehr auf die Entgegennahme des Auftrags und die mit einem Fristverlängerungsantrag verbundene Vertretungsanzeige. Eine inhaltliche Stellungnahme zu dem Anhörungs­schreiben des Prüfungsausschusses ist anschlie­ßend wiederum durch die Gemeinschafts­praxis selbst erfolgt. Demgegenüber haben die Bevoll­mächtigten sich inhaltlich erstmals im Widerspruchsverfahren geäußert und - nach mehr­jähriger Dauer des Verfahrens und den bereits dargelegten Hinweisen des Be­klag­ten auf die geänderte Verwaltungspraxis zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten - nochmals umfang­reich zur Sache vorgetragen, was schon für sich genommen zu dem Schluss führt, dass der Umfang ihrer Tätigkeit im Widerspruchsverfahren den Umfang der Tätigkeit im voraus­gegangenen Verwaltungsverfahren so wesentlich überwiegt, dass er dem Umfang einer aus­schließlichen Tätigkeit im Widerspruchsverfahren ent­spricht. Das rechtfertigt auch gegenüber dem Beklagten als erstattungspflichtigen Dritten den Ansatz der Höchstgebühr des deutlich reduzierten Ge­bührenrahmens der Nr 2301 VV RVG.

4. Demgegenüber sind die Entscheidungen des SG und des Beklagten nicht zu beanstanden, soweit die Berücksichtigung einer Gebührenerhöhung nach Nr 1008 VV RVG verneint worden ist.

Gemäß Nr 1008 VV RVG erhöht sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person um 0,3, soweit Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind. Die Vorschrift ist aber jedenfalls dann nicht anzuwenden, wenn der Rechtsanwalt eine vertrags­ärztliche Gemeinschaftspraxis in vertragsarztrechtlichen Streitigkeiten vertritt und die Kosten von Dritten zu erstatten sind (vgl BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004 aaO, Rn 17 zur Vorgänger­regelung in § 6 Abs 1 S 2 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte <BRAGO>). Angesichts der typisierenden und generalisierenden Regelung in Nr 1008 VV RVG kommt es entscheidend darauf an, ob an der betreffenden Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt tätig wird, mehrere rechtsfähige oder doch im Rechtsverkehr so behandelte natürliche oder juristische Personen beteiligt sind. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts für eine Gemeinschaftspraxis gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung oder den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung erfolgt in diesem Sinne nur für einen und nicht für mehrere Auftraggeber (vgl BSG aaO mwN). Dabei ist eine Erstattungs­forderung nach § 63 Abs 1 und 2 SGB X - etwa gegenüber dem Beschwerde­ausschuss - selbst dann ohne Erhöhung nach Nr 1008 VV RVG zu berechnen, wenn die in einer Gemeinschafts­praxis verbundenen Ärzte den Rechtsanwalt ausdrücklich ohne Hinweis auf ihre Tätigkeit in einer vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis zur Führung des Wider­spruchs­verfahrens beauf­tragt haben (vgl BSG aaO, Rn 18).

Unabhängig von dem danach ohnehin bestehenden Ausschluss einer Erstattungsfähigkeit der Gebührenerhöhung ist aber auch der Tatbestand der Nr 1008 VV RVG nicht erfüllt, weil es nur einen Auftraggeber gab. Schon im Verfahren vor dem Prüfungs­ausschuss waren nicht die Kläger als natürliche Per­sonen, sondern allein die Gemeinschaftspraxis Beteiligte des Verwal­tungs­verfahrens. Das folgt bereits daraus, dass das verfahrenseinleitende Schreiben vom 4. Juni 2007 eindeutig an die Praxis gerichtet war. Das haben die Kläger auch selbst von Anfang an so verstanden und nicht individuell, sondern stets in ihrer gesellschaftsrechtlichen Ver­bun­den­heit als Gemeinschafts­praxis Stellung genommen (Frist­verlängerungsantrag vom 6. Juni 2007; Darlegung der Praxis­besonderheiten vom 13. September, 1. und 21. August 2007). Hiervon sind auch die von ihnen bereits im Verwaltungsverfahren vor dem Prüfungs­ausschuss bevollmächtigten Anwälte erkennbar nicht abgewichen, als sie in dem Verfahren die Vertretung der „Dres. med. W.“ angezeigt haben.

Auch der Inhalt des Bescheides des Prüfungsausschusses vom 20. November 2007 ändert nichts an der fehlenden Beteiligung der Kläger an dem Verwaltungsverfahren. Zwar ist der Begründung des Bescheides tatsächlich wenig dafür zu entnehmen, dass der Regress gegen­über der Gemeinschaftspraxis festgesetzt werden sollte. Schon die Bezeichnung der Beteiligten auf Seiten der Ärzte im Rubrum des dem Bescheid zugrunde liegenden Beschlusses lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass dieser Verwaltungsakt gegenüber der Gemeinschaftspraxis ergangen ist. Denn zusätzlich zu den Namen der Ärzte - die zugleich Bestandteil der Bezei­ch­nung der Gemeinschaftspraxis sind - und dem (teilweise von den Wohnorten der Kläger abwei­chen­den) Praxisstandort ist dort ausdrücklich nur die Abrechnungsnummer der Gemein­schafts­praxis (und nicht etwa die individuellen lebenslangen Arztnummern <LANR> der Ärzte) an­gegeben worden. Dies konnte aus der Sicht eines verständigen Empfängers nur so ver­standen werden, dass sich der Bescheid - wie es bereits der wechselseitige Schriftverkehr im voran­gegangenen Verwaltungsverfahren nahelegte - an die Gemeinschaftspraxis richtete. Auf bloße Mutmaßungen der Kläger, wem gegenüber ggf eine Vollstreckung beabsichtigt und aussichts­reicher gewesen wäre, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Dass dies klägerseits auch tatsächlich so verstanden worden ist, folgt ohne weiteres daraus, dass die Kläger persönlich gar keinen Widerspruch gegen diesen Bescheid eingelegt haben. Viel­mehr ergibt die Auslegung des Widerspruchsschreibens vom 3. Dezember 2007 unter Berück­sichtigung der nachfolgend vorgelegten Vollmacht, dass (auch) das Wider­spruchs­ver­fahren allein von der Gemeinschaftspraxis geführt worden ist. Nach dem Inhalt der Vollmacht (vom 3. August 2008) hat die Gemeinschaftspraxis als solche den Anwälten Voll­macht „in Sachen Richtgrössenprüfung 2003 und 2005“ erteilt. Denn wenn darauf der Praxisstempel angebracht worden ist, konnte das ersichtlich nur den Sinn haben, die Gemeinschaftspraxis als Vollmachtgeberin zu bezeichnen. Richtigerweise hat der Beklagte daher auch allein über den Widerspruch der Gemeinschafts­praxis entschieden, was sich aus den unmissverständlichen Formulierungen in seinem Bescheid vom 19. April 2016 ergibt und auch von den Klägern nicht infrage gestellt wird. Folgerichtig beschränkt sich auch die Kosten­entscheidung in diesem Bescheid auf die Erstattung der zur zweck­ent­sprechenden Rechtsverfolgung not­wendigen Aufwendungen der Gemeinschafts­praxis.

5. Nach alledem belaufen sich die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen iSv § 63 Abs 1 SGB X auf 1.419,19 Euro:

1,3 Geschäftsgebühr, Nr 2301 VV RVG                               1.172,60 Euro

Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr 7002 VV RVG         20,00 Euro

Zwischensumme netto                                                           1.192,60 Euro

19% Umsatzsteuer                                                                   226,59 Euro

Gesamtbetrag                                                                        1.419,19 Euro

 

Nach Abzug der bereits erstatteten 1.097,18 Euro verbleibt ein Anspruch auf Erstattung eines weiteren Betrages iHv 322,01 Euro.

6. Die weitergehende Klage erweist sich demgegenüber als unbegründet.

Das gilt auch im Hinblick auf den geltend gemachten Zinsanspruch. Mangels entsprechender Anspruchsgrundlage ist der Erstattungsanspruch für die Kosten des Verfahrens nach § 63 Abs 1 SGB X generell nicht zu verzinsen (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 42/00 R, juris Rn 17 mwN). Auch sonst haben Vertragsärzte gegenüber den vertrags­arzt­rechtlichen Institutionen keinen Anspruch auf Prozesszinsen (vgl BSG, Beschluss vom 27. Juni 2012 - B 6 KA 65/11 B, juris Rn 8 mwN).

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 155 Abs 1 S 1, 154 Abs 3, 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ergibt sich aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 3 S 1 GKG.

Rechtskraft
Aus
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