L 28 BA 23/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
28.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 KR 1600/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 BA 23/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Scheinselbständigkeit eines Kurierfahrers, der auf der Grundlage eines Rahmenvertrages unter Nutzung eines vorgegebenen Funksystems und seines eigenen Pkw nach entsprechender Vermittlung Pakete und Sachgüter transportierte und hierfür Bruttoentgelte auf der Grundlage der zuvor ermittelten Transportkilometer erhielt.

Zur notwendigen Streitgenossenschaft der Kläger im Statusfeststellungsverfahren, wenn nur einer von diesen ein Rechtsmittel einlegt.

hat der 28. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2022 durch den Vizepräsidenten des Landessozialgerichts Kuhnke, die Richterinnen am Landessozialgericht Dauns und Schaefer sowie die ehrenamtliche Richterin von Prondzinski und den ehrenamtlichen Richter Stäker für Recht erkannt:

 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst zu tragen haben.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1. (nachfolgend nur Kläger) wegen seiner Tätigkeit als Kurierfahrer für die Klägerin zu 2. (nachfolgend nur Klägerin) in der Zeit vom 17. Februar 2016 bis zum 31. Mai 2017.

 

Die Klägerin, die G  GmbH, betrieb und betreibt als Franchiseunternehmen eine GmbH mit Sitz in B mit dem Ziel der Vermittlung von Kurier- und Transportdienstleistungen. Nach der Präambel des im Streitzeitraum mit Kurierfahrern wie auch mit dem Kläger geschlossenen Anschlussvertrags betätigte sie sich als Vermittlungszentrale für Kurierfahrten. Sie habe unter der Marke „G“ ein Dienstleistungssystem für Botenfahrten und Kleintransporte entwickelt und betreibe zu diesem Zweck eine Vermittlungszentrale. Das hierfür entwickelte System sei Gegenstand dieses Vertrages mit dem Ziel, Boten- und Kurierfahrten sowie Kleintransporte als standarisierte Serviceleistung auf dem Bereich des KEP-Markts (Kurier-, Express- und Paketdienste) anzubieten. Sie übermittelte im Streitzeitraum über eine App im Rahmen des Funksystems „T“ Aufträge an Kurierfahrer bzw. Kurierfahrerinnen, die sich in der App über einen zugeteilten Code anmeldeten. Der- oder diejenige, der sich zuerst meldete, erhielt den Auftrag.

 

Für die Klägerin waren im gegenständlichen Zeitraum ca. 90 Kurierfahrer tätig, die sie sämtlich als selbständig ansah und denen sie jeweils bei Abschluss des Anschlussvertrages als „Vermittlungszentrale“ ein „Handbuch“ als „Nachschlagewerk“ u.a. mit „organisatorischen Tipps, Arbeitsanleitungen“ zur Verfügung stellte. Dieses werde durch regelmäßige Kurierinformationen (Kurier-Ticker) vervollständigt und erweitert. Mitgeteilt wurden in dem Handbuch zunächst als wichtig erachtete Telefonnummern der Klägerin, die Vermittlungszeiten, Hinweise zur Verfügbarkeit der Kurierunternehmer, wonach die regelmäßige Teilnahme am Funkverkehr einen überdurchschnittlichen Umsatz sichere und bei unerwartet vielen Ausfällen mit der Bereitschaft des Kurierunternehmers gerechnet werde, private Angelegenheiten zu verschieben und am Funkverkehr teilzunehmen. Die von der Klägerin verwendete Funkordnung („T“) sei verbindlich, Privat- und Quergespräche unter Kurierfahrern seien untersagt, Verstöße würden zur Vermittlungssperre und Rücksprache mit der Geschäftsleitung führen. Die Funkordnung solle das größtmögliche Maß an Übereinstimmung und Abstimmung auf die Anforderung der Funkzentrale und der Funkteilnehmer ermöglichen. Jeder Funkordnungsteilnehmer habe sich täglich nach seinem letzten Auftrag über darüber bei der Zentrale abzumelden. Die Auftragsvergabe erfolge als erstes an einen am zuständigen Halteplatz – solche waren näher bezeichnet – freistehenden Kurier. Befinde sich kein Kurier am Halteplatz, werde der Auftrag frei ausgerufen. Eine Meldung könne erfolgen, wenn sicherzustellen sei, dass binnen fünf bis fünfzehn Minuten die Abholadresse erreicht werden könne. Meldungen der Kuriere müssten mit der jeweiligen Kuriernummer erfolgen. Der Kurier habe sich mit seiner Funknummer und der voraussichtlichen Abholzeit zu melden und müsse sich den Auftrag in Stichworten notieren bzw. auf ein Bandgerät aufzeichnen. Alle Aufträge würden mit Nennung des Fahrpreises vermittelt. Eine Entscheidung über die Vergabe eines Auftrags obliege ausschließlich der Zentrale; nur der von der Zentrale beauftragte Kurier sei zur Ausführung dieses Auftrages berechtigt. Hierbei müsse er sich bei Schwierigkeiten oder Rückfragen telefonisch in der Zentrale melden, die Nutzung des Funksystems hierfür sei untersagt. Bei Direktauslieferungen an eine bestimmte Person sei die Lieferung persönlich abzugeben. In jedem Bezirk gebe es verkehrsgünstig gelegene Halteplätze, von wo aus sich jeder freie Kurier melden könne. Verbindlich über das Funksystem mitgeteilte Fahrpreise hätten Bestand. Für die Unterstützung beim Be- oder Entladen würden pauschal Gebühren berechnet. Fahrschecks, bestehend aus dem Original und zwei Durchschlägen, dienten zur schriftlichen Dokumentation des Transportauftrags. Die Originale seien jeden Freitag unter Angabe der näher bezeichneten Punkte (Kundennummer, Kuriernummer, Datum usw.) in der Zentrale abzugeben. Die Abrechnung erfolge aus den per EDV erfassten und vermittelten Aufträgen. Gefahrguttransporte würden nur durch geschulte Kuriere durchgeführt. An entsprechenden Schulungen könnte regelmäßig teilgenommen werden. Submissionsaufträge (öffentlich ausgeschriebene Aufträge) würden pauschal abgerechnet. Für Overnightaufträge bestehe ein gesonderter Leitfaden.

 

Der 1962 geborene Kläger meldete am 19. November 2015 unter seinem Wohnsitz die in Aussicht genommene Tätigkeit „Kurierdienst“ als Gewerbe an.

 

Am 11. Februar 2016 schlossen die Kläger einen als „Anschlussvertrag“ bezeichneten Vertrag. Der Kläger erhielt von der Klägerin die Anschlussnummer „510“ und die Unternehmernummer 81510 zugewiesen, Vertragsbeginn sei der 17. Februar 2016. Laut Präambel des Anschlussvertrages (Ziffer 1) würden die Transporte von dem als Auftragnehmer bzw. Unternehmer bezeichneten Kläger im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und auf eigene Gefahr ausgeführt.

 

Unter „Leistungen der Vermittlungszentrale“ (Ziffer 2) hieß es im Anschlussvertrag, die G (nachfolgend nur Klägerin) berechtige den Unternehmer, das Kuriersystem zur Förderung seiner gewerblichen Leistung als Frachtführer und sämtliche Auftragsvermittlungseinrichtungen zu nutzen. Die Vermittlung geschehe über Funk. Sie führe zur Förderung der gewerblichen Kurierunternehmer in verschiedenen Bereichen Schulungen durch und stelle dem Unternehmer Werbematerial, Prospekte, Preislisten, Fahrbelege, Aufkleber, Fahrzeugbeschriftung etc. zur Verfügung. Sie übernehme die Rechnungsstellung im Namen des Kurierunternehmers und erstelle die Abrechnung für den Unternehmer. Eine Rahmenpolice für die Transportversicherung werde unterhalten.

 

Zu „Leistungen des Unternehmers“ (Ziffer 3) war weiter geregelt, der Unternehmer betreibe die gewerbsmäßige Transportbeförderung und führe die Aufträge als selbständiger Gewerbetreibender aus. Der Nachweis der erfolgten Gewerbeanmeldung und ein polizeiliches Führungszeugnis seien vorzulegen. Der Unternehmer bestimme seine Arbeitszeit und seine Funkteilnahme – ebenso wie die der Arbeitnehmer oder sonstiger Erfüllungsgehilfen seines Gewerbebetriebes – selbst. Ihm sei es freigestellt, die ihm angedienten Transportaufträge anzunehmen. Er verpflichte sich, angenommene Transportaufträge durchzuführen. Sofern er Angestellte oder sonstige Erfüllungsgehilfe einsetze, seien diese zuvor in den Funk/Datenfunk durch sie, die Klägerin, einzuweisen. Er sei bei der Durchführung von Transportaufträgen nur an die Weisungen des Auftraggebers/Versenders gebunden. Für die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten habe er bei Einsatz von Fahrzeugen mit einer zulässigen Höchstmasse zu sorgen.

 

Unter „Abrechnung“ (Ziffer 4) wurde im Anschlussvertrag ausgeführt, die Klägerin oder eine von ihr beauftragte Firma übernehme als Dienstleistung gegenüber dem Unternehmer die Rechnungstellung gegenüber dem Kunden, weil die Transporte verschiedener Unternehmer periodisch gegenüber dem Kunden abgerechnet würden. Die eingereichten Fahrschecks dienten als Nachweis. Sie, die Klägerin, ermittle die Transportkilometer über ein Entfernungsprogramm, womit der Kurierunternehmer sein Einverständnis erkläre. Der Unternehmer sei gehalten, in dem Umfang an der Auftragsvermittlung teilzunehmen, dass über die dadurch erzielten Umsätze die monatlichen Gebühren aus diesem Vertrag gedeckt seien. Andernfalls sei er, der Kurierunternehmer, verpflichtet, diese auszugleichen und die Klägerin sei berechtigt, die fristlose Kündigung auszusprechen. Die Klägerin ermittle den monatlichen Gesamtumsatz der einzelnen Unternehmer und erstelle eine monatliche Abrechnung für jeden Unternehmer zum Letzten des Folgemonats. Die von den Kunden geleisteten Entgelte leite sie unter Abzug der vereinbarten Vermittlungsgebühren, Auslagen und erhobenen Entgelte an den Unternehmer weiter. Ließen sich Forderungen des Unternehmers gegen Kunden außergerichtlich nicht beitreiben oder stelle sich deren Zahlungsunfähigkeit heraus, würden diese im Voraus vergüteten Forderungen zurückbelastet. Der Unternehmer bevollmächtige die Klägerin für die Verhandlung der Auftragsbedingungen mit den Kunden. Dies schließe die im System verwendeten Preislisten ein. Erhalte ein Kunde Sonderkonditionen als nachträgliche prozentuale Rückvergütung auf seinen Monatsumsatz, werde die entsprechende Summe auf alle dem System angeschlossenen Unternehmer in Abhängigkeit der erzielten Umsätze aufgeteilt.

 

Zu „Betriebsfunk und Funkgerät“ (Ziffer 5) hieß es, jedes Funkgerät dürfe ausschließlich mit der Klägerin genutzt werden. Diese statte jeden Unternehmer mit der erforderlichen Funklizenz aus. Sie veranlasse ggf. eine Störungsmeldung.

 

Unter „Wettbewerb“ (Ziffer 6) wurde geregelt, die Vertragsparteien verpflichteten sich wechselseitig, für die Dauer von sechs Monaten nach Vertragsbeendigung für die Kunden keine Transportdienstleistungen oder ähnliches zu erbringen oder zu vermitteln. Andernfalls schulde der „Verletzer“ eine selbständige Vertragsstrafe in Höhe von mindestens 1.278,23 €; die Höhe bestimme die Klägerin.

 

Zu „Kündigung und sonstige Beendigung“ (Ziffer 7) war schließlich geregelt, der Vertrag laufe auf unbestimmte Zeit; eine Kündigung sei mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende zulässig durch eingeschriebenen Brief. Eine fristlose Kündigung durch die Klägerin sei zulässig, wenn der Unternehmer den Bestimmungen dieses Vertrages in schwerwiegender Weise oder trotz Abmahnung zuwiderhandle oder wenn er sich sonst geschäftsschädigend verhalte. Weitergehende Kündigungsrechte der Klägerin aus wichtigem Grund blieben hiervon unberührt.

 

Ergänzend wurden dem Kläger Informationen zur Steuererklärung (nach § 13 UStG Anlage 2) erteilt sowie zum Mindestlohn (Anlage 4). Danach verpflichte sich der Kläger, etwaige von ihm eingesetzte Arbeitnehmer stets unter Einhaltung der gesetzlichen Mindestlohnanforderungen zu entlohnen. Er habe den Auftraggeber auch im Übrigen von jeglichem Schaden freizuhalten, der diesem aufgrund von Verstößen des Auftragnehmers oder von Subunternehmern in der Vertragskette gegen die Vorschriften des Mindestlohngesetzes entstehe.

 

Auf der Grundlage des vorstehenden Vertrages war der Kläger in der Zeit vom 17. Februar 2016 bis 31. Mai 2017 für die Klägerin als Kurierfahrer tätig. Er erhielt von ihr einen Kurierausweis, um sich insbesondere Kunden gegenüber ausweisen zu können. Eigene Arbeitnehmer oder sonstige Mitarbeitende hatte der Kläger nicht.

 

Nach Beantragung eines Gründungszuschusses forderte das Jobcenter den Kläger auf, bei der Beklagten einen Statusfeststellungsantrag zu stellen. Mit dem am 12. Juli 2016 eingegangenen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status beantragte er bei der Beklagten die Feststellung, dass eine Beschäftigung in seiner Tätigkeit für die Klägerin als Kurierfahrer nicht vorliege. Sein monatliches Arbeitsentgelt aus der zu beurteilenden Tätigkeit übersteige regelmäßig 450 €. Er übe diese selbständig mit seinem Fahrzeug aus und sei nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Er liefere Pakete aus, wofür er Aufträge über Funk erhalte, die er annehme, wenn er möchte. Wenn er den Auftrag annehme, erhalte er eine Nachricht mit der genauen Beschreibung (Lieferzeit, Adresse). Er arbeite alleine ohne Hilfskräfte und verwende das Familienauto, habe aber einen Darlehensantrag für ein eigenes Auto gestellt. Er könne Werbung für die Klägerin machen, tue dies aber nicht. Abrechnungen erfolgten ihm gegenüber monatlich am Monatsende unter Verrechnung der Kurierforderungen an den Kunden, einer Vermittlungsgebühr/Pauschale, Provisionen und Rabattumlage in Höhe von Auszahlungsbeträgen zwischen 753,57 € (Februar 2016) und 2.357,08 € (Juni 2016). Die Klägerin übersandte im Verfahren aufforderungsgemäß von ihr ihren Kunden gestellten Rechnungen, aus denen sich die jeweiligen Kuriere – neben anderen auch der Kläger mit der Nr. 510, ergaben, sowie Auftragslisten, die ebenfalls teilweise die Kuriernummer 510 enthielten sowie die jeweils bedienten Kunden mit Datum des Kurierdienstes und Abholungs- und Auslieferungsadresse.

 

Auf die Anhörung der Kläger (Schreiben der Beklagten vom 24. Januar 2017) äußerte sich die Klägerin dahingehend, dass nach dem Gesamtbild der Tätigkeit ihres Erachtens bei dem Kläger die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit überwögen. Dieser übernehme bei der Auslieferung von Systemsendungen ein unternehmerisches Risiko, Weisungen unterliege er nicht und er sei nicht in ihre Arbeitsorganisation eingegliedert. Er könne Aufträge ablehnen, eine Kontrolle seiner Tätigkeit finde nicht statt, ein Wettbewerbsverbot sei nicht vereinbart worden.

 

Mit jeweils an die Kläger gerichtetem Bescheid vom 5. April 2017 stellte die Beklagte fest, dass in der Tätigkeit des Klägers für die Klägerin Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung seit dem 17. Februar 2016 bestehe. Die Prüfung des versicherungsrechtlichen Status habe ergeben, dass die Tätigkeit des Klägers als Kurier- und Transportfahrer bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Hierfür spreche, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen worden sei, die Modalitäten der Leistungserbringung zwischen dem Kunden und dem Auftraggeber vereinbart und an den Auftragnehmer weitergegeben würden, die zu zahlende Vergütung anhand von Preislisten vorgegeben sei, die Leistung persönlich erbracht werde, der Auftragnehmer verpflichtet sei, die Serviceanforderungen des Auftraggebers sicherzustellen ausweislich der sehr detaillierten Vorgaben im Handbuch und die näher bezeichnete Funkordnung verbindlich sei. Der Auftragnehmer unterliege umfangreichen Berichts- und Dokumentationspflichten. Der Auftraggeber ermittle den monatlichen Gesamtumsatz und erstelle eine monatliche Abrechnung für den Auftragnehmer. Für eine selbständige Tätigkeit spreche zwar die Nutzung eines eigenen Fahrzeugs, die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, die fehlende Bereitstellung von Arbeitsmitteln durch den Auftraggeber und die Vereinbarung, dass der Auftrag mit der Übergabe der Sendung an den Empfänger als erledigt gelte. Nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände würden die Merkmale der für die Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen. Abhängig Beschäftigte unterlägen der Versicherungspflicht nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige in der Sozialversicherung. Die Versicherungspflicht beginne mit dem Tag der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses. Die Voraussetzungen für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht seien nicht erfüllt.

 

Gegen den Bescheid erhoben die Kläger jeweils Widerspruch mit der Begründung, der Kläger sei selbständig tätig. Bei der Erteilung der einzelnen Aufträge an ihn handle es sich um bloße Zielvorgaben, nicht in Bezug auf Art und Weise der Ausführung der Transportdienstleistung. Der Einsatz der Mittel sei freigestellt. Ein Kontrolle finde nicht statt, eine Eingliederung in die Betriebsorganisation erfolge nicht, der Kläger könne über den Einsatz seiner Arbeitskraft selbst verfügen, ihn träfen weder Präsenz- noch Rufbereitschaftspflichten. Ihm stehe es frei, für andere Auftraggeber tätig zu werden und es sei keine persönlichen Leistungserbringung geschuldet. Der Kläger trage auch das unternehmerische Risiko für seine Tätigkeit, weil er die Aufträge mit seinem eigenen Auto ausführe. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall werde nicht gewährt.

 

Mit Schreiben vom 1. Juni 2017 kündigte der Kläger „das Kurierverhältnis 510“ gegenüber der Klägerin zum selben Tag.

 

Die Beklagte wies mit jeweils an die Kläger bzw. deren Verfahrensbevollmächtigten zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 2. August 2017 die Widersprüche zurück. Die Nutzung eines eigenen Pkw könne nicht zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit führen, zumal es sich nicht um das eigene Fahrzeug des Klägers handle. Fehlende Regelungen zum Urlaubsanspruch und zum Anspruch auf Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall hätten keine Indizwirkung. Aus der Möglichkeit, frei über die Annahme oder Ablehnung von Aufträgen entscheiden zu können, könne regelmäßig nicht auf selbständige Tätigkeit geschlossen werden, da ein konkretes Auftragsverhältnis erst durch die Annahme eines Einzelauftrags zustande komme. Nehme der Betroffene das Angebot an, übe er die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb aus.

 

Mit der vor dem Sozialgericht Berlin am 8. August 2017 erhobenen Klage zum Aktenzeichen S 76 KR 1600/17 hat der Kläger sein, mit der am 29. August 2017 zum Aktenzeichen S 182 KR 1755/17 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat die Klagen mit Beschluss vom 21. November 2017 zum erstgenannten, führenden Aktenzeichen verbunden. Die Kläger haben geltend gemacht, der Kläger sei in der gegenständlichen Tätigkeit selbständiger Kurierfahrer. Er übe seine Tätigkeit als Frachtführer im Rahmen der handelsrechtlichen Bestimmungen aus. Die ihn damit treffenden gesetzlichen Bestimmungen könnten ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht begründen. Die Rechtsbeziehung zwischen einem Spediteur und einem Frachtführer führten allein selbst dann nicht zur Arbeitnehmereigenschaft, wenn sie in einem entsprechenden Rahmenvertrag auf Dauer angelegt sei. Im Transportgewerbe könne eine abhängige Beschäftigung nur dann vorliegen, wenn eine Weisungsgebundenheit bestehe, die über die üblichen Verpflichtungen eines Frachtführers hinausgingen. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Er habe lediglich für eine termingerechte Lieferung der Transportgüter Sorge zu tragen und unterliege in der Disposition keinerlei Einschränkungen. Eine Eingliederung in die Betriebsorganisation habe nicht stattgefunden. Ein eigenes unternehmerisches Risiko bestehe. Er erhalte kein Honorar auf Stundenbasis. Das genutzte Fahrzeug sei auf ihn zugelassen. Der wirtschaftliche Aufwand für Erwerb und Betrieb eines Fahrzeugs sei im Verhältnis zu seinem geringen Verdienst wesentlich. Die Beschäftigung von Hilfskräften bzw. Beauftragung von Subunternehmern sei erlaubt. Es bestehe auch kein Verbot sonstiger Erwerbstätigkeit mit Ausnahme des üblichen Konkurrenzverbots gegenüber Kunden. Er hafte für die ordnungsgemäße Durchführung der Transportdienstleistungen; bei Ordnungswidrigkeiten sei eine Vertragsstrafe bis 50.000 € vorgesehen.

 

Der Kläger hat sämtliche von der Klägerin erstellten Abrechnungen („Gutschrift“) in der Zeit von September 2016 bis Mai 2017 zu den Akten gereicht und mitgeteilt, die Zusammenarbeit mit dieser sei zum 1. Juni 2017 beendet worden. Wegen des Inhalts der Abrechnungen wird auf Blatt 80 bis 104 der Gerichtsakten verwiesen. Er, der Kläger, habe in den 15 Monaten seiner Tätigkeit für die Klägerin insgesamt 25.062,05 € ausgezahlt erhalten, monatlich im Durchschnitt mithin 2.088,50 €.

 

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2019 den Kläger und den Bereichsleiter „City and Region“ der Klägerin, Herrn G, gehört. Auf das Sitzungsprotokoll Blatt 107 bis 109 der Gerichtsakten wird wegen des Inhalts Bezug genommen. Mit Urteil vom selben Tag hat es die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der Prüfung, ob eine bestimmte Tätigkeit der Versicherungspflicht unterliege, sei stets jeweils nur auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung beständen. Auf die Möglichkeit der Ablehnung einzelner Aufträge komme es nicht maßgeblich an. Die Kammer verkenne nicht, dass die Kläger selbst kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis hätten begründen wollen. Diesem Willen komme nur dann indizielle Bedeutung zu, wenn er den festgestellten, sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspreche und durch weitere Aspekte gestützt werde bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine Beschäftigung sprächen. Es schwäche zugleich die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden könne, dass alle Vertragspartner in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bezüglich der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen. Die übrigen Umstände sprächen eher für eine Beschäftigung. Der Kläger habe einem Weisungsrecht hinsichtlich der Art und Weise der Arbeitsleistung unterlegen. Weisungen hätten sich aus dem Anschlussvertrag und den sehr detaillierten Vorgaben in dem ausgehändigten Handbuch ergeben. Darüber hinausgehende Weisungen seien nicht erforderlich gewesen, weil es sich bei Kurierfahrten um sehr einfache Arbeiten handle. Dem Kläger seien nur scheinbar Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des vorgegebenen Rahmens eingeräumt worden; die Tätigkeit habe ihr Gepräge vielmehr durch eine strenge Reglementierung erhalten. Maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten seien dem Kläger nicht verblieben. Er sei auch in die Betriebsorganisation der Klägerin eingebunden gewesen. Nach außen hin sei er als Mitarbeiter der Klägerin aufgetreten. Soweit er die vereinbarten Kurierleistungen mit seinem eigenen Fahrzeug erbracht habe, könne hierin kein besonderes Unternehmerrisiko gesehen werden. Ihm habe es insgesamt an einer risikobehafteten Unternehmensstruktur gefehlt. Abgesehen von Benzingeld und von Aufwendungen für Reparaturen habe er keine Investitionen getätigt. Er habe keine eigene Betriebsstätte vorgehalten und keine Mitarbeiter gehabt, sondern im Wesentlichen nur seine Arbeitskraft eingesetzt. Er habe einen unbedingten Anspruch auf Vergütung der von ihm erbrachten Dienstleistung gehabt. Am wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin sei er nicht eigenständig beteiligt gewesen. Ein relevantes unternehmerisches Risiko sei auch nicht daraus abzuleiten, dass der Kläger nicht über die für einen Arbeitnehmer typische soziale Absicherung verfügt habe. Dies lasse ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zu. Schließlich stehe die Befugnis, die Arbeit durch andere erledigen zu lassen, nicht zwingend der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses entgegen, zumal der Kläger keine bei ihm abhängig beschäftigten Mitarbeiter gehabt habe. Dass er für andere Auftraggeber hätte arbeiten dürfen, sei unerheblich, da rechtlich zulässig mehrere Beschäftigung bei verschiedenen Arbeitgebern ausgeübt werden könnten.

 

Mit ihrer Berufung vom 11. März 2019 gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 18. Februar 2019 zugestellte Urteil verfolgt allein die Klägerin ihr Anfechtungs- und Feststellungsbegehren weiter. Sie bezieht sich zur Begründung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: Eine Verpflichtung zur Annahme eines Auftrags habe ebenso wenig bestanden wie ein Weisungsrecht. Der Kläger sei für die Kunden offensichtlich als Subunternehmer der Klägerin erkennbar gewesen. Er habe ein Gewerbe angemeldet und sei unternehmerisch aufgetreten. Für die Transportfahrten habe er sein eigenes Fahrzeug verwendet. Sie, die Klägerin, sei ausschließlich als Vermittlungszentrale tätig geworden. Bei dem Anschlussvertrag handle es sich um einen Maklervertrag mit Elementen des Franchisevertrages. Wesentliche Elemente des Vermittlungsvertrages seien die Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung und die fehlende Verpflichtung des Vertragspartners zum Tätigwerden. In diesem Rahmen sei der Kläger weisungsfrei tätig und nicht in die betriebliche Organisation der Klägerin eingebunden gewesen. Stets gebe der Kunde vor, wo die Sendung abzuholen und ggf. wann sie zuzustellen sei. Diese Information gebe die Klägerin lediglich an den Kläger weiter. Er sei in kein festes Zeitschema – anders als in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall mit Urteil vom 11. März 2009 – B 12 KR 21/07 R – eingebunden gewesen. Weisungen seien auch in Bezug auf die Einzelaufträge nicht erteilt worden. Der Kläger habe mit dem Kunden Einzelheiten der Zustellung ausmachen können. Die Fahrschecks hätten allein der Abrechnung der Transportaufträge gedient. Die Praxis der Abrechnung liege im Interesse des Transportunternehmers, der von Verwaltungsarbeiten entlastet würde, und entbinde die Kunden davon, mit dem einzelnen Unternehmer abrechnen zu müssen. Sie sei den wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst und spreche nicht für eine abhängige Beschäftigung. Der Kläger habe auch ein unternehmerisches Risiko getragen. Seine Leistung sei nur vergütet worden, wenn er diese erfolgreich zu Ende gebracht habe. Er habe in jedem Fall eine pauschale Grundgebühr an die Klägerin in Höhe von 350 € zuzüglich Umsatzsteuer monatlich zu zahlen gehabt. Sein Fahrzeug habe der Abnutzung unterlegen mit entsprechenden Reparaturkosten. Er habe selbst über die Zahl der Annahme von Kundenaufträgen entscheiden und den Verlauf der Tour selbst bestimmen können. Dadurch habe er durch eigenes Geschick die Möglichkeit gehabt, Zeit und Arbeitskraft einzusparen. Der Kläger habe abweichende Preisvereinbarungen mit Kunden treffen können und sei nicht an die Preisliste gebunden gewesen. Für ihn habe weder ein fester Tourenplan noch ein Einsatzplan bestanden. Nach der bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung sei ein Frachtführer, der seine Aufträge über eine Vermittlungszentrale generiere, selbständig tätig. Auf die zutreffende Entscheidung hinsichtlich der Statusfeststellung eines Fahrradkuriers, der selbständig tätig sei, des Landessozialgerichts Hessen vom 27. August 2020 – L 8 BA 4/20 – sei hinzuweisen. Der Kläger habe in der Zeit vom 17. Februar 2016 bis 31. Mai 2017 insgesamt 21.897 km für die Kurieraufträge mit seinem eigenen Fahrzeug zurückgelegt. Nicht enthalten seien hierin die An- und Abfahrtswege zu und von den Kunden. Das vom Kläger genutzte Fahrzeug habe danach einer erheblichen Beanspruchung unterlegen, welches wiederum zu erhöhten Unterhaltungskosten geführt habe.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2019 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 5. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2017 festzustellen, dass für die Tätigkeit des Klägers in der Zeit vom 17. Februar 2016 bis zum 31. Mai 2017 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Darstellung der vertraglichen Beziehung als Maklervertrag mit Elementen des Franchisevertrages sei verfehlt. Das Rechtsverhältnis sei als Dienstvertrag im Sinne eines Beschäftigungsverhältnisses einzuordnen.

 

Der Kläger, der selbst keine Berufung eingelegt hat, sowie die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren weder zur Sache geäußert noch Anträge gestellt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Die Gerichtsakte des Sozialgerichts Berlin – S 71 BA 230/20 – wegen der Tätigkeit eines anderen bei der Klägerin in der Zeit von Oktober 2006 bis Dezember 2014 tätigen Kurierfahrers lag vor.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

 

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung – allein – der Klägerin (vgl. § 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist wertunabhängig nach § 143 SGG statthaft. Das Urteil des Sozialgerichts ist bezogen auf den Kläger, der selbst nicht Berufungsführer ist, gleichwohl nicht rechtskräftig geworden, weil zwischen ihm und der Klägerin nur einheitlich über den sozialversicherungsrechtlichen Status entschieden werden kann. Er behält seine frühere Beteiligtenrolle nach § 69 SGG bei, ohne seinerseits Rechtsmittelführer zu werden (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juli 1971 – 2 RU 241/68 – juris Rn. 16, 18). Es handelt sich bei den Klägerin um notwendige Streitgenossen im Sinne von § 74 SGG i.V.m. § 62 Abs. 1 1. Alt. ZPO. Eine gespaltene Rechtskraftwirkung kommt nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 20/07 R – juris Rn. 21; B. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 74 Rn. 6).

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts der Bescheid der Beklagten vom 5. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2017. Das Sozialgericht hat die Klage, eine statthafte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl. §§ 54 Abs. 1, 56 SGG), zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten.

 

Der Kläger war als Kurierfahrer für die Klägerin während der Ausübung der jeweiligen Einzelaufträge in der Zeit vom 17. Februar 2016 bis 31. Mai 2017 in sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung auf der Grundlage des geschlossenen Rahmendienstvertrages versicherungspflichtig, weil er insofern gegen Entgelt bei dieser abhängig beschäftigt war.

 

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften – (SGB IV in der bis 31. März 2022 geltenden Fassung des Gesetzes vom 29. März 2017 [BGBl. I S. 626] – a.F.), wonach die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen von Versicherungspflicht in einer Tätigkeit zu entscheiden hat, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Letzteres war vorliegend nicht der Fall.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte keine materiell unzulässige, isoliert ausnahmsweise anfechtbare Elementenfeststellung getroffen. Vielmehr hat sie das Bestehen von Versicherungspflicht im Hinblick darauf festgestellt, dass nach ihrer Prüfung die Tätigkeit des Klägers für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde. Insofern wurde das Vorliegen von Beschäftigung als ein Tatbestandsmerkmal der Versicherungspflicht genannt, die nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung alleiniger Gegenstand einer Statusfeststellung nach § 7a SGB IV a.F. ist (vgl. die Neufassung des § 7a SGB IV durch Gesetz vom 16. Juli 2021 [BGBl. I S. 2970]). Dies kann im Grundsatz nicht isoliert angefochten werden (vgl. BSG, Urteile vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 – juris Rn. 12 m.w.N. [nicht zur Steuerberatung berechtigter freier Mitarbeiter] und vom 26. Februar 2019 – B 12 R 8/18 – a.a.O. Rn. 16 f. <Bereitschaftsarzt>). Das Vorliegen einer Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ist – neben der Entgeltlichkeit – lediglich eine von mehreren Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III), § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) sowie § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) und § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI).

 

§ 2 SGB IV legt den von der Sozialversicherung umfassten Personenkreis fest. Kraft Gesetzes versichert sind nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV allgemein Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Diese Voraussetzungen sind hier nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens gegeben.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, setzt das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung – wie vom Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt worden ist – voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der oder die Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann, und zwar vor allem bei Diensten höherer Art, die hier nicht gegenständlich sind, eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 18/18 R – juris Rn. 14 [GmbH-Geschäftsführer]). Ob jemand beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl. BSG, Urteil vom 19. Juli 2019 – B 12 R 2/18 R – a.a.O. Rn. 13 m.w.N. [Bereitschaftsarzt[; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 7). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (stRspr; vgl. BSG, Urteile vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 14 [Honorarärztin], vom 23. Mai 2017 – B 12 KR 9/16 R – juris Rn. 24 [Taxifahrer]).

 

Auszugehen ist bei der Statusbeurteilung, wenn wie vorliegend zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben fehlen, regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen. Abweichende gesetzliche Rahmenvorgaben folgen vorliegend nicht aus §§ 407 ff. Handelsgesetzbuch (HGB in der seit dem 1. Juli 1998 geltenden Fassung [BGBl. I S. 1588]), da hiermit keine gesetzliche Vorgabe zum sozialversicherungsrechtlichen Status von Kurierfahrern getroffen worden ist (vgl. evtl. abweichend LSG Hessen, Urteil vom 27. August 2020 – L 8 BA 4/20 – juris Rn. 46). Gemäß § 407 Abs. 1 HGB wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu Beförderung und dort an den Empfänger abzuliefern. Der Absender wird nach Absatz 2 der Vorschrift verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen. Der Frachtführer wird in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig auch dann als selbständiger Gewerbetreibender angesehen, wenn die Zusammenarbeit mit einem Auftraggeber auf einem auf Dauer angelegten Rahmenvertrag beruht, obwohl er Kraft Gesetzes weitreichenden Weisungsrechten unterliegt (vgl. § 418 HGB). Im Einzelfall kann ein Arbeitsverhältnis aus arbeitsrechtlicher Sicht zu bejahen sein, wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert werden, die zur Folge haben, dass der betroffene Fahrer in der Ausübung seiner Tätigkeit weniger frei ist als der Frachtführer im Sinne des Handelsgesetzbuchs (vgl. BAG, Urteil vom 27. Juni 2001 – 5 AZR 561/99 – juris Rn. 18 m.w.N.). Abgesehen davon, dass vorliegend kein Rahmenvertrag zwischen dem Kläger mit den Kunden geschlossen wurde bzw. gegenständlich ist, sondern der mit der Klägerin als „Vermittlerin“ geschlossene Anschlussvertrag, die ihrerseits in vertraglichen Beziehungen mit den Kunden stand, existiert bereits kein vollständiger Gleichklang zwischen dem arbeitsrechtlichen Arbeitnehmer- und dem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigtenbegriff nach § 7 Abs. 1 SGB IV. Eine Beschäftigung liegt danach grundsätzlich im Falle eines Arbeitsverhältnisses vor. Sie kann aber auch dann sozialversicherungsrechtlich gegeben sein, wenn solches nicht der Fall ist, weil das Vorliegen von Beschäftigung nicht mit dem vertraglichen Arbeitsverhältnis gleichzusetzen ist. Denn Grundlage der arbeitsrechtlichen Vereinbarung ist regelmäßig die Privatautonomie, während das Sozialversicherungsrecht, das neben der sozialen Absicherung des Einzelnen auch dem Schutz der Mitglieder der Pflichtversicherungssysteme, die in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen sind, dient, auch die Träger der Sozialversicherung als Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Blick hat. Insofern kann der privatautonomen Vertragsgestaltung nicht das allein ausschlaggebende Gewicht beigemessen werden. Hierauf hat der Senat die Klägerin angesichts des Vortrags ihrer Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, ihre Kuriere würden stets Selbständigkeit anstreben, nicht dagegen ein Arbeitsverhältnis, hingewiesen. Maßgebend sind zusammenfassend stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts, hinsichtlich derer eine Gesamtwürdigung vorzunehmen ist (stRspr; vgl. zu Vorstehendem insgesamt BSG, Urteile vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 16-19 m.w.N. [Honorarärztin]; vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 32 m.w.N. [Rackjobbing II]; vom 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R – juris Rn. 30 [Hauswirtschaftliche Pflegerin] sowie BSG, Beschluss vom 25. Juli 2011 – B 12 KR 114/10 B – juris Rn. 10 [Arzt als pharmazeutisch-wissenschaftlicher Fachreferent]). Die vorliegend in Bezug auf die konkrete Tätigkeit des Klägers als Kurierfahrer erkennbaren Umstände streiten zur vollen Überzeugung des Senats nach entsprechender Gewichtung weit überwiegend für eine abhängige Beschäftigung des Klägers.

 

Liegen, wie hier, schriftliche Vereinbarungen vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 15 m.w.N. [Honorarärztin]). Keine entscheidende Rolle spielt dagegen, welcher rechtliche Typus von der Verkehrsanschauung gemeinhin für bestimmte Tätigkeitsbilder angenommen wird. Darauf, ob gemeinhin Kurierfahrer oder Kurierfahrerinnen als Selbständige angesehen werden, kommt es nicht an. Vielmehr ist es möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen und ihrer gelebten Praxis – entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird.

 

Das Sozialgericht hat für die Beurteilung der gegenständlichen Tätigkeit zu Recht auf die jeweiligen Einzeleinsätze des Klägers für die Klägerin auf der Grundlage des geschlossenen Vertragswerks abgestellt. Eine rechtliche Transportverpflichtung ist für ihn erst mit der Annahme der jeweiligen Transportaufträge bzw. dem Zuschlag seitens der Zentrale der Klägerin über das zu nutzende Funksystem entstanden und nicht bereits auf der Grundlage des unbefristet geschlossenen Anschlussvertrages vom 11. Februar 2016 als Rahmendienstvertrag, wenngleich er bereits aufgrund dieses Vertrages „gehalten“ war, an der Auftragsvermittlung teilzunehmen mit dem Ziel, zumindest die monatlichen Vertragsgebühren zu decken. Erst mit Vergabe angedienter Einzelaufträge an ihn war der Kläger auf der Grundlage dieses Vertrages sowie des ihm zur Verfügung gestellten Handbuchs zu deren Durchführung verpflichtet. Bei solcherart Vertragsgestaltungen kommt es für die Frage der Versicherungspflicht grundsätzlich jeweils auf die Verhältnisse während der Ausführung der Einzelaufträge an (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 21 m.w.N. [Honorarärztin]), die vorliegend indes stets auf der Grundlage des geschlossenen Anschlussvertrages sowie des Handbuchs monatlich hinsichtlich ihrer zu bewertenden Indizien gleichförmig stattfanden und entsprechend zu würdigen waren. Die jeweiligen Einzelaufträge waren mit der zu erbringenden Kurierdienstleistung beendet. Insofern kann dahinstehen, dass die Klägerin – zuletzt durch ihre Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – betont hat, dass es dem Kläger wie den anderen von ihr als selbständig angesehenen Kurieren frei gestanden habe, Transportaufträge anzunehmen oder abzulehnen. Dies ist bei der Betrachtung des jeweiligen Einzelauftrags ebenso wenig entscheidend wie die Frage, ob arbeitsrechtlich unter einem Anschlussvertrag stets ein Arbeitsvertrag verstanden wird (vgl. etwa BAG, Urteil vom 15. Mai 2013 – 7 AZR 665/11 juris Rn. 25). Im Übrigen bestand ein solcher vorgeblicher Freiraum nur eingeschränkt, wenn es im Vertrag hieß (Ziffer 4.5.), der Unternehmer sei gehalten, in dem Umfang an der Auftragsvermittlung teilzunehmen, dass über die dadurch erzielten Umsätze die monatlichen Gebühren aus diesem Vertrag gedeckt sind, die Klägerin andernfalls berechtigt sei, die fristlose Kündigung auszusprechen.

 

Sobald ein Einzelauftrag erteilt wurde, können in Bezug auf die sodann verpflichtende Durchführung des Transports dem geltenden Vertragswerk Umstände, die für Selbständigkeit sprechen könnten, maßgeblich nur insofern entnommen werden, als die Vertragsparteien hiermit eine Vertragsbeziehung im Sinne einer selbständigen Kuriertätigkeit offensichtlich dokumentieren wollten. So heißt es ausdrücklich, der Unternehmer führe die Transporte auf eigene Rechnung und auf eigene Gefahr durch (Präambel des Anschlussvertrages) und der Unternehmer führe die Aufträge als selbständiger Gewerbetreibender aus (Ziffer 3.1.). Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, das mit dem Vertragsschluss ausgereichte und verbindliche Handbuch habe lediglich dem Ziel gedient, ihre Qualitätsstandards einheitlich zu gewährleisten, kann dies dahinstehen. Denn die Nichtbeachtung hätte sie jedenfalls zur Kündigung des unbefristeten Rahmenvertrages aus wichtigem Grund berechtigt, mit der Folge, dass dessen Inhalte ebenfalls als vereinbarter Vertragsbestandteil anzusehen sind.

 

Wesentliche Freiräume des Klägers auf der Grundlage des Anschlussvertrages in Verbindung mit den sich aus dem Handbuch ergebenden Vorgaben sind, wie vom Sozialgericht zu Recht ausgeführt worden ist, angesichts der hiermit beschriebenen Art und Weise der verbindlichen Auftragsvergabe durch die Zentrale der Klägerin auf der Grundlage der zwingend vorgegebenen Funkordnung, der nicht verhandelbaren Fahrpreisnennung auf der Grundlage der ermittelten Transportkilometer unter Nutzung eines Entfernungsprogramms, der verpflichtenden Auftragsdurchführung und Abrechnung nach Vorlage vorgegebener Transportschecks bei monatlicher Bezahlung des Klägers sowie des vorfestgelegten Ausschlusses bestimmter Güter von der Transportversicherung, anders als von der Klägerin geltend gemacht worden ist, nicht ersichtlich. Der Kläger war im Rahmen dieser engen und nicht vertraglich abdingbaren Vertragsvorgaben mit der Annahme eines Einzelauftrags bzw. der Auftragsvergabe an ihn (vgl. Handbuch Nr. 9 unter „Auftragsvergabe und Meldung für Aufträge“, wonach eine Entscheidung über die Vergabe eines Auftrags ausschließlich der Zentrale obliege und nur der von der Zentrale beauftragte Kurier zur Ausführung dieses Auftrags berechtigt sei) fremdbestimmt in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden. Darauf, dass er deren Büroräume nicht nutzte, wie in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist, kommt es dagegen angesichts der Art der Tätigkeit – Abholung und Auslieferung von Transportgütern – nicht an. Wesentliche Freiräume im Rahmen des jeweiligen Transportauftrags folgen aus den schriftlichen Vereinbarungen nicht. Hiervon Abweichendes haben die Vertragsbeteiligten auch weder schriftlich noch mündlich vereinbart.

 

Erkennbare und eher für eine Selbständigkeit des Klägers sprechenden Anhaltspunkte, wie etwa die Nutzung eines eigenen Fahrzeugs bzw. seines „Familienautos“ und die vertraglich eröffnete, indes nicht praktizierte Möglichkeit, Hilfskräfte einzusetzen – bei vertraglicher Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns – waren nicht so erheblich, dass sie für den sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit ausschlaggebend wären. Insbesondere die praktische Relevanz der Vertragsklausel, wonach es dem Unternehmer freigestellt gewesen sei, angediente Transportaufträge durch Erfüllungsgehilfen durchführen zu lassen, konnte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht überzeugend dargelegt werden. Weder in Bezug auf den Kläger noch andere Kurierfahrer („Unternehmer“) konnte plausibel dargelegt werden, dass hiermit ein konkreter Unternehmerfreiraum eröffnet werden sollte bzw. diese Klausel konkret Anwendung gefunden hat. Für die fehlende ernstliche Relevanz dieser Regelung spricht bereits, dass etwaige Erfüllungsgehilfen zunächst in das das Funksystem der Klägerin durch sie einzuweisen gewesen wären (Ziffer 3.2. des Anschlussvertrages). Ihnen war sodann vom jeweiligen Kurierfahrer der Mindestlohn zu zahlen  (Anlage 4 zum Anschlussvertrag vom 11. Februar 2016). Dass dem Kläger solches realistischerweise möglich gewesen wäre, unterliegt schon angesichts der geringen Verdienstmöglichkeiten (vgl. hierzu auch die Anlage 1 zum Anschlussvertrag vom 11. Februar 2016 „Konditionen“ sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. September 2007 – L 5 R 5/06 – juris Rn. 18) – das dem Kläger, der über keine weiteren Auftraggeber oder Beschäftigungen verfügte, monatlich durchschnittlich ausgezahlte Bruttoentgelt betrug 2.088,50 € – erheblichen Zweifeln. Unter Zugrundelegung der ersichtlich schwachen Verhandlungsposition des Klägers, die für den Senat daraus offenbar geworden ist, dass mit potentiellen Kurierfahrern nach dem eigenen Vortrag der Klägerin und ausweislich der beigezogenen Gerichtsakte stets identische Anschlussverträge geschlossen wurden, ohne dass der sozialversicherungsrechtliche Status der Kuriere verhandelbar gewesen wäre, hat der Senat die Überzeugung erlangt, dass diese Regelung ohne die erforderliche Ernsthaftigkeit allein dem Ziel der Klägerin geschuldet war, eine vermeintliche Selbständigkeit auf der Grundlage der hierfür nach der herrschenden Rechtsprechung wesentlichen Kriterien zu dokumentieren bzw. eine tatsächlich abhängige Beschäftigung zu verschleiern. Indes schwächt es – wie vom Sozialgericht ebenfalls ausgeführt worden ist – die potentielle Bedeutung des im Vertrag dokumentierten Parteiwillens ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl. der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 36 m.w.N. [Honorarärztin]). Allein der insofern in der mündlichen Verhandlung getätigte Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, sämtliche Kuriere würden selbst stets ihre Selbständigkeit einfordern und Beschäftigungen zum Erhalt ihres vermeintlichen Freiraums dagegen ablehnen, überzeugt jedenfalls im Falle der Kuriertätigkeit des Klägers nicht. Dass die Vertragsparteien davon ausgingen, sozialversicherungsrechtlich keine Beschäftigung begründet zu haben, fällt angesichts dessen und der weiteren, überwiegend für Beschäftigung streitenden Umstände nicht maßgeblich ins Gewicht. Hierzu wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteil des Sozialgerichts gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

 

Allein im Hinblick auf den zuletzt in der mündlichen Verhandlung getätigten ausführlichen Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, wonach den Kläger ein durchaus erhebliches Erfolgs- und Zahlungsrisiko getroffen habe, er ca. 23.000 km für die Transportaufträge gefahren sei, er sein jeweiliges Transportmittel hätte frei wählen können, die Grundgebühr von 350 €, die auch die Transportversicherung umfasst habe, in jedem Fall vom Kurier zu zahlen gewesen wäre, der Kläger keinen Arbeitsplatz bei ihr gehabt habe und dem selbständigen Kurier die Abrechnung als zu bezahlende Leistung erbracht worden sei, ist zu ergänzen, dass diese auch schriftsätzlich vorgetragenen Gesichtspunkte vom Senat gewürdigt worden sind, ohne dass sie hinsichtlich des Gesamteindrucks der Tätigkeit wesentlich ins Gewicht fielen. Insbesondere die Wahlfreiheit bezüglich des Transportfahrzeugs und des Transportweges war zur Überzeugung des Senats eine nur scheinbare. Denn weder verfügte der Kläger über ein anderes Transportmittel noch drängte sich die Wahl einer abweichenden Route für den Kurier auf, solange der Fahrpreis auf der Grundlage der durch ein entsprechendes Programm seitens der Klägerin ermittelten – kürzesten – Transportkilometer bestimmt wurde. Dass der Kläger Kunden gegenüber höhere Entgelte hätte abrechnen können, kann dahinstehen, da solches nicht konkret praktiziert wurde. Hinsichtlich der vom Kurier, „erkauften“ Dienstleistung der Abrechnung der Transportdienstleistungen durch die Klägerin, welches dem Unternehmer entgegen komme, fehlte dem Kläger indes jeglicher Entscheidungsspielraum, dies eigenständig zu tun, weil solches ihrem nicht verhandelbaren Geschäftskonzept der Vermittlung von Aufträgen ihrer Dauer- und Großkunden (wie Bundesligavereine) entsprach. Die fehlende Vereinbarung von Urlaubs- und Krankheitsleistungen entspricht zwar der Behandlung des Klägers als Soloselbständigem. Der Umstand aber, dass jemand von seinem Vertragspartner keinen für Beschäftigte typischen sozialen Schutz zur Verfügung gestellt erhält, führt indes nicht ohne Weiteres zur Annahme eines unternehmerischen Risikos. Einem solchen Risiko müssen vielmehr – um sozialversicherungsrechtliche Folgen auslösen zu können – auch erkennbare größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R – juris Rn. 21 m.w.N.). Solche sind hier, wie ausgeführt nicht in erheblichem Umfang ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die Nutzung des eigenen Pkw, die Voraussetzung war, entsprechende Transportaufträge überhaupt seitens der Klägerin zu erhalten. Auch insofern mag die Stellung erforderlicher Arbeitsmittel umgekehrt regelmäßig für Beschäftigung sprechen. Dass Entsprechendes durch einen Auftraggeber nicht zur Verfügung gestellt, sondern das Vorhandensein hier eines Transportmittels vorausgesetzt wird, führt jedoch nicht zwingend zur Selbständigkeit. Dahinstehen kann, ob allgemein Personen, die über kein eigenes Fahrzeug oder Transportmittel verfügten, die entsprechende Tätigkeit durch die Klägerin nicht ermöglicht worden wäre. Denn allein daraus, dass maßgebliche Kosten für die Unterhaltung eines Fahrzeugs, für den Schutz vor Krankheit und die Vorsorge im Alter sowie Versicherungen auf den Kläger als Kurierfahrer abgewälzt werden, ohne diesem auf der anderen Seite reelle Verhandlungs- und Verdienstchancen durch entsprechende Freiräume zu gewähren, erfüllt nicht die von der Klägerin isoliert als für Selbständigkeit gegeben erachteten Einzelkriterien. Wesentlich ist vielmehr, dass sich der Kläger als Kurierfahrer der Klägerin mit einem entsprechenden Ausweis den Kunden gegenüber ausgewiesen hat, ohne selbst als Unternehmer – etwa bei im Rahmen der Rechnungstellung oder Eigenwerbung – aufzutreten, dass die vertragsgemäße Teilnahme des Klägers am Funkverkehr seitens der Klägerin überwacht wurde und schließlich deren Missachtung wie auch die Nichtteilnahme am System zu arbeitsrechtlich vergleichbaren Reaktionen der Klägerin geführt hätte, weil sie zur Abmahnung oder sogar zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen war. Einheitliche Verhaltensregelungen waren insofern ebenfalls durch das Handbuch festgelegt, deren Einhaltung durch Androhung von Sanktionen Weisungen vergleichbar hätte durchgesetzt werden können.

 

Der Kläger war nach der Gesamtschau der Einzelumstände seiner Kuriertätigkeit in die betriebliche Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden und abhängig bei dieser beschäftigt. Er unterlag infolge dessen der Versicherungspflicht in sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung. Diese begann mit dem 17. Februar 2016, weil der Antrag auf Statusfeststellung erst am 12. Juli 2016 gestellt wurde und damit nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses (vgl. § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV).

 

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin beruht allein auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), weil weder diese noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen zählt. Der Kläger war nicht Rechtsmittelführer und lediglich in seiner früheren Rolle passiv beteiligt. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht aus Gründen der Billigkeit der Klägerin aufzuerlegen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO), nachdem sie sich nicht zum Verfahren geäußert haben.

 

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (vgl. § 160 Abs. 2 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
Saved