S 28 BA 126/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
28.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 BA 126/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Einordnung der Tätigkeit eines Softwareingenieurs als selbstständige Tätigkeit

GSW

Sozialgericht Berlin

 

 

S 28 BA 126/20

Bild entfernt.

verkündet am
22. Juni 2022

 

 

 

 

…, Justizbeschäftigte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

         … GmbH,
vertreten durch den Geschäftsführer 

 

,
 

in Sachen: …

- Klägerin -

Proz.-Bev.:

gegen

         Deutsche Rentenversicherung Bund,  

Ruhrstr. 2, 10709 Berlin,
 

- Beklagte -

1.      …,
 

2.      Bundesagentur für Arbeit,
vertr. d.d. Agentur für Arbeit Ahrensburg 

Bogenstr. 28-28, 22926 Ahrensburg,
 

3.      Techniker Krankenkasse,
- Hauptverwaltung - 

Bramfelder Str. 140, 22305 Hamburg,
 

4.      Techniker Krankenkasse Pflegekasse,  

Bramfelder Str. 140, 22305 Hamburg,
 

- Beigeladene -

 

 

hat die 28. Kammer des Sozialgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung am 22. Juni 2022 durch die Richterin am Sozialgericht … sowie den ehrenamtlichen Richter Herrn … und die ehrenamtliche Richterin Frau … für Recht erkannt:

Der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2020 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1 wegen der Tätigkeit bei der Klägerin vom 2. September 2019 bis 30. April 2020 nicht aufgrund einer Beschäftigung versicherungspflichtig war.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1 während seiner Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 2. September 2019 bis 30. April 2020.

Die Klägerin stellt Audiometer her. Der Beigeladene zu 1 schloss als Softwareentwickler mit der Klägerin am 2. September 2019 einen „Rahmenvertrag über freiberufliche Tätigkeit“.

Unter 1. (2) wurde folgendes Leistungsverzeichnis geregelt:

  1. Designen und Programmieren mit Qt 5 / QML / C++ für Windows Embedded Compact und Desktopsysteme
  2. Warten, Optimieren und Pflegen bestehender Komponenten
  3. Mitarbeit an Softwarearchitektur und Erstellen von Prozessdokumentationen
  4. Durchführen qualitätssichernder Maßnahmen, wie Code Reviews, Tests und Anwenden von Design Patterns
  5. Vorbereitung von und proaktives Mitwirken an Scrum-Meetings

Im Weiteren wurde unter anderem geregelt, dass der Beigeladene zu 1 keinerlei Weisung durch die Klägerin bezüglich Zeit, Ort und Art der Durchführung unterliegt und es wurde ein Stundenlohn in Höhe von 55,- Euro für Remotearbeiten und 75,- Euro für Arbeiten in den Räumen des Auftraggebers vereinbart. Wegen des weiteren Inhaltes des Vertrages wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entsprechend der Vereinbarung im Vertrag stellte die Klägerin einen Statusfeststellungsantrag bei der Beklagten in Bezug auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1.

Nach Befragung des Beigeladenen zu 1 und der Klägerin (wegen der Antworten wird auf die Gerichtsakte verwiesen) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2020 fest, dass in dem Auftragsverhältnis des Beigeladenen zu 1 mit der Klägerin ab 2. September 2019 Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung und Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie keine Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung besteht. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass der Beigeladene zu 1 dem Weisungsrecht der Klägerin im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess unterworfen sei. Er sei bei seiner Tätigkeit in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Dass Arbeitszeit und Arbeitsort freigestellt seien, sei Ausfluss des Umstandes, dass es sich um eine Tätigkeit höherer Art handele. Auch bestehe auf Seiten des Beigeladenen zu 1 kein Unternehmerrisiko, da er kein Kapital mit der Möglichkeit des Verlustes einsetze.

Am 25. Juni 2020 hat die Klägerin Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als selbständige Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht unterfalle. Der Beigeladene zu 1 sei für weitere Auftraggeber tätig. Vertraglich seien keine konkreten Vorgaben zur Arbeitszeit geregelt gewesen und der Beigeladene sei überwiegend im heimischen Umfeld tätig gewesen. Der Beigeladene zu 1 erfülle seine Aufgaben nach dem feststehenden vertraglichen Leistungskatalog und schulde keine Arbeitsleistung. Es sei die Herstellung eines konkret vereinbarten Leistungsziels vertraglich geregelt worden. Das Leistungsverzeichnis sei werkvertragsähnlich. Der Beigeladene zu 1 stelle Sprachtest-Tabellen und Sprachtest-Diagramme für die Benutzeroberfläche von Audiometern her. Er liefere sozusagen Fertigteile, die die Klägerin in ihre Software einbauen musste. Die vertraglichen Vereinbarungen seien entscheidend, da die tatsächlichen Verhältnisse diesen nicht widersprächen. Bezüglich der funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozesse seien weitere Kriterien heranzuziehen, weil ansonsten in dem Beruf des Beigeladenen zwangsläufig ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestehen würde. Es sei zu beachten, dass es neue Formen der Selbständigkeit im Dienstleistungssektor gebe, die ohne den Einsatz von Produktionsmitteln mit einem unternehmerischen Risiko einhergehe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2020 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei der von dem Beigeladenen zu 1 in der von ihm bei der Klägerin vom 2. September 2019 bis zu dem 30. April 2020 ausgeübten Tätigkeit um eine insgesamt versicherungsfreie, nicht beitragspflichtige selbständige Tätigkeit im Sinne der Sozialversicherung handelt.

 

 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich im Wesentlichen auf die Begründung der angegriffenen Bescheide.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer den Beigeladenen zu 1 befragt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte über die Sache entscheiden, obwohl zur mündlichen Verhandlung seitens der Beigeladenen zu 2-3 niemand entschieden ist, weil diese ordnungsgemäß über den Termin benachrichtigt und in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurden (vgl. §§ 110 Abs. 1 S.2, 126 SGG).

Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässige Klage ist begründet.

Der angegriffene Bescheid vom 19. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.Mai 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin vom 2. September 2019 bis 30. April 2020 aufgrund einer Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Vorliegend richtet sich die Statusfeststellung noch nach § 7a SGB IV in der bis 31. März 2022 geltenden Fassung (a.F.). Die zum 1. April 2022 in Kraft getretene Neufassung des § 7a SGB IV findet auf das vorliegende Verfahren, in dem die angefochtenen Bescheide vor dem 1. April 2022 erlassen wurden und der zu beurteilende Sachverhalt ebenfalls vor dem 1. April 2022 endet, noch keine Anwendung (vgl. LSG BW, Urteil vom 20. Mai 2022, L 4 BA 3707/20 Rn 44 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 14. Dezember 2021, B 14 AS 21/20 R Rn 1). Damit ist Gegenstand der zu treffenden Statusfeststellung allein das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Versicherungspflicht (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 27. April 2021, B 12 KR 27/19 Rn 12).

Rechtsgrundlage für die erfolgte Feststellung der Beklagten ist § 7a SGB IV a.F.. Nach § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV a.F. können die Beteiligten schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet; die Beklagte entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles (§ 7a Abs. 1 Satz 3, § 7a Abs. 2 a.F. SGB IV). Gemessen daran war die Feststellung der Versicherungspflicht nach dem Recht Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung rechtswidrig, denn insoweit lagen die inhaltlichen Voraussetzungen nicht vor.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 V; § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI; § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI; § 25 Abs. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019, B 12 R 2/18 R Rn 13 m.w.N.) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem  Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Die für eine abhängige Beschäftigung maßgebende Weisungsgebundenheit kann - insbesondere bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (std. RSpr. BSG, vgl. Urteil zu den Honorarärzten vom 4. Juni 2019, B 12 R 11/18 R Rn 14). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. BSG, Urteil 4. Juni 2019, B 12 R 2/18 R).

Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Ausgangspunkt der Prüfung, ob jemand im Rahmen einer Beschäftigung oder als Selbständiger tätig wurde beziehungsweise ist, sind die für die Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen. Dabei kommt den tatsächlichen Verhältnissen, welche sich aus dem Inhalt der vertraglich begründeten Rechtsbeziehungen sowie den Umständen der Tätigkeit ergeben, besondere Bedeutung zu, weil die Versicherungspflicht kraft Gesetzes entsteht und deswegen nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen sein kann. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist somit die Ausgestaltung der Tätigkeit, welcher gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen des Beschäftigungsstatus zukommen kann (vgl. u.a. Urteil des BSG vom 28. Mai 2008, B 12 KR 13/07 R, Rn 17; Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, Rn 17). Dabei werden die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich durch die den Beteiligten jeweils zukommende Rechtsmacht geprägt. Vertraglich begründete Rechtspositionen bleiben deswegen solange beachtlich, wie sie nicht rechtswirksam wieder abbedungen worden sind (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. September 2017, L 1 KR 311/15, Rn. 18). Dem Willen der Beteiligten kommt nur dann indizielle Bedeutung zu, wenn er den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt beziehungsweise die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015, B 12 KR 16/13 R Rn 26).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kammer nach Abwägung aller Einzelfallumstände zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zu 1 seine Tätigkeit als Softwareingenieur bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat.

Aufgrund der Angaben des Beigeladenen zu 1 kommt die Kammer zur Überzeugung, dass dieser im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin nicht in den Betrieb der Klägerin im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess eingegliedert war. Eine Eingliederung im Sinne der dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess kommt insbesondere bei hochqualifizierten und spezialisierten Tätigkeiten in Betracht, bei denen das Weisungsrecht in der Regel stark eingeschränkt ist. Bei diesen Tätigkeiten ist die für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung maßgebliche Fremdbestimmtheit anzunehmen, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält und somit eine Weisungsgebundenheit im Sinne einer funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation anzunehmen ist (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019, B 12 R 11/18 R Rn 28 f.).

Eine solche dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb der Arbeitsorganisation der Klägerin lag in der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 nicht vor. Denn der Beigeladene hat klar abgrenzbare Teile der Software der Klägerin entwickelt. Schon aus der Leistungsbeschreibung im Vertrag zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1 ergibt sich, dass dieser, abgegrenzte Aufgabenbereiche hatte, die gerade nicht von der Ordnung des Betriebes der Klägerin geprägt waren. Der Beigeladene zu 1 hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass er im Wesentlichen die Oberflächenschicht der Software der von der Klägerin hergestellten Audiometriegeräte programmierte und entwickelte. Dabei verwandte er die Programmiersprachen Qt, QML und C++. Die Pflege und weitere Wartung dieser Komponenten wurde in der Praxis nicht durch ihn, sondern durch die angestellten Beschäftigten der Klägerin vorgenommen.

Zwar gab es regelmäßige so genannte Scrum-Meetings alle zwei Wochen, an denen der Beigeladene zu 1 und die bei der Klägerin angestellten Softwareentwickler teilnahmen. Auf diesen Treffen konnte der Beigeladene zu 1 jedoch die Projekte wählen, die er übernehmen wollte und hat die Projekte übernommen, die die grafische Oberfläche betrafen. Die Kammer ist nach Anhörung des Beigeladenen zu 1 der Überzeugung, dass Scrum-Meetings Bestandteil moderner Softwareentwicklung sind. Bei dieser werden jeweils kleinere Komponenten einer Software entwickelt und vor der Entwicklung weiterer Komponenten evaluiert. Es handelt sich insoweit um eine Arbeitstechnik im Rahmen der Softwareentwicklung, die nicht allein dazu führt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 in die Betriebsorganisation der Klägerin eingegliedert war.

Die vom Beigeladenen zu 1 entwickelten Softwarekomponenten wurden von medizinischen Mitarbeitern und Mitarbeitern, die nicht Programmierer waren, ausprobiert und es wurde mitgeteilt, ob die Bedienung der Komponenten gefällt oder nicht. Auch daraus ergibt sich zur Überzeugung der Kammer keine Eingliederung in den Arbeitsprozess der Klägerin. Es handelt sich vielmehr um die Rücksprache mit dem Auftraggeber und gegebenenfalls Anpassung des Auftrages, wie sie auch in anderen Bereichen vorkommt. Im Bereich der Softwareentwicklung ist die Bewertung einer fertiggestellten Komponente allein durch Testung möglich. Dies führt nicht dazu, dass jegliche Softwareentwicklung abgrenzbarer Komponenten zu einer Eingliederung in den Arbeitsprozess führt. Ebenso führen die Treffen mit anderen Programmierern, bei denen der Beigeladene zu 1 die von ihm entwickelten Komponenten erklärte, nicht zur Eingliederung in den Betrieb der Klägerin. Denn diese Treffen dienten dazu, die Anwendung der bereits fertigen Komponenten durch die Klägerin als Auftraggeberin zu ermöglichen.

Entscheidend ist, dass der Beigeladene zu 1 bei seiner Tätigkeit selbst nicht an regulatorische Rahmenbedingungen der Klägerin gebunden war. Er erstellte die jeweiligen einzelnen Komponenten der Software eigenständig. Allein bei der Bestimmung, welche Komponenten erstellt werden sollten und bei der Einpassung der Komponenten nach Fertigstellung war eine Rücksprache im Rahmen der genannten Treffen und Testungen notwendig. Diese waren auch der einzige Kontakt zu den Mitarbeitern der Klägerin. Eine Zusammenarbeit fand darüber hinaus nicht statt (vgl. zur Einbindung in regulatorische Rahmenbedingungen von Ärzten BSG, Urteil vom 4. Juni 2019, B 12 R 11/18 R Rn 26).

Daneben war der Beigeladene zu 1 frei in der Wahl der zu übernehmenden Projekte. Er wählte die Projekte, die seinem Fachgebiet entsprachen. Es gab weiterhin keine Festlegung der Zeit, in der die Projekte fertig werden sollten. Der Beigeladene schätzte vor Projektvergabe ab, wie viel Zeit das Projekt in Anspruch nehmen könnte und teilte diese mit. Es gab keine von der Klägerin vorgegebenen Zeitvorgaben.

Der Beigeladene zu 1 war überwiegend zu Hause und nicht im Büro der Klägerin tätig. Die Klägerin stellte als Arbeitsmittel einen Laptop. Dieser war notwendig, um den Zugang zu den Source-Codes der Klägerin zu erhalten, die der Beigeladene zu 1 benötigte, um seine Komponenten zu programmieren. Bei der Programmierung stützte er sich jedoch auf die universellen Programmiersprachen, in denen er spezialisiert ist und benötigte kein spezielles Betriebssystem der Klägerin. Die übrigen Betriebsmittel (Monitor, Drucker etc.) stellte er selbst. Die Arbeitszeiten des Beigeladenen zu 1 waren nicht festgelegt und bestimmten sich allein durch die übernommenen Projekte. Soweit der Beigeladene zu 1 im Verwaltungsverfahren angegeben hat, ungefähr 20 Stunden in der Woche zu arbeiten, folgt dies nicht aus Vorgaben der Klägerin, sondern entspricht seinem eigenen Verständnis der Tätigkeit.

Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 wurde zwar mit einem Stundenlohn entlohnt. Dieser wurde jedoch zur Überzeugung der Kammer durch den Beigeladenen zu 1 bestimmt. Der Stundenlohn entsprach dem Satz, den der Beigeladene zu 1 für seine Tätigkeit verlangt und entspricht in etwa dem Stundenlohn, den er ausweislich seiner Internetaufträge auch aktuell aufruft. Der Beigeladene zu 1 trat nicht nach außen im Namen der Klägerin auf und vertrat diese nicht gegenüber Dritten oder war für diese über die Klägerin erreichbar.

Die Kammer ist letztlich auch der Überzeugung, dass der Beigeladene zu 1 ein Unternehmerrisiko trug. Er betrieb und betreibt eigene Werbung und Aquise und legte seine Stundenlöhne selbst fest. Dabei kalkulierte er auch einen höheren Stundenlohn für die Tätigkeit am Betriebsort der Klägerin. Allein die Tatsache, dass er bei seiner überwiegend geistigen Tätigkeit kein Risiko des Verlustes von Kapital haben kann, lässt das unternehmerische Risiko nicht entfallen.

Der Beigeladene zu 1 unterfällt letztlich der Versicherungspflicht nicht bereits nach § 12 Abs. 2 SGB IV, weil die Tätigkeit für die Klägerin nicht auf Dauer angelegt war und der Beigeladene zu 1 nicht wirtschaftlich abhängig von der Klägerin war (vgl. LSG Hessen, L 8 BA 36/19, Werner, Fausel, Bitsch, Selbstständige IT-Entwickler als Heimarbeiter, NZA 14/2021 991/992f.).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a SGG, 154 VwGO und folgt der Entscheidung in der Sache. Da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt haben, entspricht es der Billigkeit, dass ihre außergerichtlichen Kosten nicht zu tragen sind, § 162 Abs. 3 VwGO.

 

Rechtskraft
Aus
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