L 8 R 974/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 61 R 1571/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 974/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 R 14/22 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.9.2017 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10 jeweils mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.642,50 Euro festgesetzt.

 

Gründe

 

I.

Streitig sind im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens gem. § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit als Kraftfahrer für die Klägerin sowie die hierauf beruhende Beitragsnachforderung.

Die Klägerin betreibt ein Transport- und Logistikunternehmen. Zur Durchführung der Transporte setzte sie eigene Lastkraftwagen (LKW) und angestellte Mitarbeiter ein. Soweit die bei ihr angestellten Fahrer aufgrund von Personalengpässen nicht ausreichten, um sämtliche Aufträge ausführen zu können, griff sie auf den Beigeladenen zu 1) zurück.

Der Beigeladene zu 1) war zunächst bis 2006 abhängig beschäftigt als LKW-Fahrer für andere Unternehmen tätig. Am 30.11.2011 schloss er mit der Klägerin eine als „Unternehmervertrag“ bezeichnete, auf unbestimmte Zeit geschlossene Vereinbarung über die „Zusammenarbeit als selbstständige Unternehmer im Rahmen des Güterverkehrs“ (im Folgenden: Vertrag). Nach der Präambel des Vertrags beauftragte der Spediteur (hier die Klägerin) den Unternehmer (hier den Beigeladenen zu 1) momentan jeweils mit einem täglichen Tourauftrag. Als Vertragsgegenstand sah § 1 des Vertrags die Bewirkung der Zustellung und Abholung von Speditionsgütern gegen Quittung durch den Beigeladenen zu 1) vor, der alle für seinen selbstständigen Gewerbebetrieb bestehenden Pflichten eigenverantwortlich zu erfüllen habe. Insbesondere müsse er jederzeit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der ihm erteilten Aufträge gewährleisten. Nach § 2 habe er die ihm nach dem Vertrag obliegende Werkleistung gewissenhaft und mit der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers zu erfüllen und dabei auch die berechtigten Interessen des Spediteurs als Vertragspartner einer reibungslosen Güterverteilung zu wahren. Für die zu bewirkenden Aufgaben werde ihm ein Kraftfahrzeug mit Wechselbrückenaufbau und einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 Tonnen zur Verfügung gestellt. Bei grob fahrlässig selbstverschuldeten Unfällen trage er die gesamten Kosten bzw. im Falle eines Vollkaskoschadens den Selbstbehalt in Höhe von 1250 Euro zur Hälfte. Er werde das Kraftfahrzeug stets in einem ordentlichen äußeren Erscheinungsbild halten, regelmäßig anfallende Reparaturen und Wartungen dem Spediteur melden und nach dessen Angaben ausführen. Weiter verpflichtete sich der Beigeladene zu 1), auch für andere Auftraggeber tätig zu sein und der Klägerin Schadensersatz zu leisten, sofern es wegen Nichterfüllung zu Nachforderungen an diese komme (§ 3 des Vertrags). Die Vergütung wurde gemäß § 4 des Vertrags mit 150 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer pro Einsatztag vereinbart. § 5 des Vertrags sah vor, dass die Klägerin bei Ausfall eines Fahrzeugs für Ersatz sorgen werde.

Im Zeitraum von Dezember 2011 bis Oktober 2013 führte der Beigeladene zu 1) eine Vielzahl von Fahrten für die Klägerin aus, die ihm zunächst mit 150 Euro und später mit 160 Euro zzgl. Mehrwertsteuer pro Einsatztag vergütet wurden.

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung und Anhörung der Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung am 5.12.2013 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19.12.2013 eine Beitragsnachforderung in Höhe von 42.252,85 Euro einschließlich Säumniszuschlägen fest, wobei neben den Beiträgen für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) weitere Nachforderungen enthalten waren. Der Beigeladene zu 1) unterliege im Zeitraum vom 1.12.2011 bis 31.10.2013 grundsätzlich der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung, da er in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden habe. Die Ausübung eines selbstständigen Gewerbes könne bei LKW-Fahrern bzw. Frachtführern nur dann angenommen werden, wenn sie beim Transport ein eigenes Fahrzeug einsetzten und für die Durchführung ihres Gewerbes eine Erlaubnis gemäß § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes oder die Gemeinschaftslizenz nach Art. 3 der Verordnung (EWG) 881/92 besäßen. Dies sei beim Beigeladenen zu 1) nicht der Fall gewesen.

Mit ihrem gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch vom 15.1.2014 machte die Klägerin geltend, dass von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen sei, auch wenn der Beigeladene zu 1) nicht über ein eigenes Fahrzeug verfügt habe. Die Statusfeststellung müsse nach einer Vielzahl von Kriterien vorgenommen werden. Hier spreche für eine selbstständige Tätigkeit, dass der Beigeladene zu 1) in Deutschland und Russland Touren auch für andere Auftraggeber übernommen habe, wie sich aus von ihr übersandten Rechnungen ergebe. Von ihm sei zudem ein Bekannter als Mitarbeiter beschäftigt worden, der stellvertretend für ihn die Tour übernommen habe, wenn er nicht habe persönlich fahren können. Im Übrigen sei er weder weisungsgebunden gewesen noch habe der Auftraggeber ein Direktionsrecht gehabt. Vorgaben bezüglich der Arbeitszeit und den arbeitsbegleitenden Verhaltensregeln hätten nicht bestanden. Einzelne Aufträge habe er ablehnen können. Die vertraglichen Vereinbarungen ließen ganz klar eine Selbstständigkeit erkennen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Beigeladene zu 1) nicht nach Stunden sondern mit einer Tagespauschale vergütet worden sei. Er habe Umsatzsteuer gezahlt und ein Gewerbe angemeldet. Auch sei er selbstständiges Mitglied der Berufsgenossenschaft Verkehr gewesen. Eine Entgeltfortzahlung bei Urlaub oder im Krankheitsfall habe er nicht erhalten.

Der Beigeladene zu 1) teilte mit, am Tag 8 – 10 Stunden bzw. in der Woche 40 – 50 Stunden mit Fahrzeugen der Klägerin gefahren zu sein. Er habe die Arbeitszeiten selbst bestimmt. Vorgaben habe es von der Klägerin und den Kunden gegeben. Seit 2008 beschäftige er keine Arbeitnehmer. Unterlagen für einen im Jahr 2006 erhaltenen Gründungszuschuss seien nicht mehr vorhanden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.8.2014 zurück. Für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) seien mit dem streitigen Bescheid Beiträge in Höhe von 30.642,05 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 3.248,50 Euro festgesetzt worden. Dieser habe einen von der Klägerin gestellten LKW gelenkt und sei in einem Umfang tätig geworden wie jeder andere vollzeitbeschäftigte Kraftfahrer auch. Er habe den Weisungen der Betriebsinhaber unterlegen und sei in die Arbeitsorganisation des Betriebes eingegliedert gewesen. So habe er die Touren im Namen der Klägerin durchgeführt, die Zustellungsfristen und Geschäftszeiten der Kunden einhalten müssen und Liefertermine nicht eigenmächtig ändern können. Für die Kunden sei objektiv kein Unterschied zwischen ihm und den angestellten Fahrern feststellbar gewesen. Für die Leistungen habe er eine feste Vergütung erhalten. Schließlich habe er kein Unternehmerrisiko getragen, denn er habe kein eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt und auch Betriebskosten nicht in relevantem Umfang getragen. Die Tätigkeit auch für andere Auftraggeber spreche nicht gegen eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin während der jeweiligen Arbeitseinsätze. Auch eine Gewerbeanmeldung genüge zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht. Dass er möglicherweise Ersatzkräfte gestellt habe, spreche gleichfalls nicht gegen seine Eigenschaft als abhängig Beschäftigter, da von ihm keine Beiträge für Arbeitnehmer abgeführt worden seien.

Mit der am 25.9.2014 beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Sie hat erneut darauf hingewiesen, dass die Vergütung nicht nach Stunden erfolgt, sondern von den jeweiligen Touren des Beigeladenen zu 1) abhängig gewesen sei. Letzterer habe zudem ein unternehmerisches Risiko getragen, da er im Falle von Krankheit keine Entgeltfortzahlung habe erwarten können.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.8.2014 aufzuheben.

Die Beklagte, die die angefochtenen Bescheide für zutreffend angesehen hat, hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene zu 1) hat die Auffassung vertreten, als selbstständiger Unternehmer für die Klägerin gefahren zu sein. Im streitigen Zeitraum sei er häufig auch in Russland gewesen, um dort ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Er habe dann bei der Klägerin angerufen, seine freien Zeiten in Deutschland mitgeteilt und entsprechende Touren vereinbart. Diese Fahrten habe er in der Regel selbst durchgeführt. Bei Zeitmangel sei sein Mitarbeiter tätig geworden. Ab und zu habe er auch Touren abgelehnt, wenn weder er noch der Mitarbeiter Zeit gehabt hätten. Die Klägerin habe die Übernahme bestimmter Touren nicht verlangen können. Vielmehr sei gegen Ende der jeweiligen Arbeitswoche kurz abgesprochen worden, welche Touren für die nächste Woche anfallen würden. Weder er noch sein Mitarbeiter seien den Weisungen der Klägerin unterworfen gewesen. Zwar habe die Klägerin vorgegeben, welche Fahrtroute er zu nehmen habe. Gemäß dem Auftrag habe er die Sache innerhalb einer bestimmten Frist bei dem Kunden abliefern müssen. Er sei aber in keiner Weise von der Klägerin abhängig gewesen. Vielmehr habe er sich seine Zeit und seine Touren frei einteilen können. Über einen eigenen LKW verfüge er nicht und habe auch in Deutschland keine spezielle Werbung betrieben. Er sei als Selbstständiger privat versichert gewesen und habe sein Transportgewerbe in Deutschland ordnungsgemäß angemeldet.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Befragung des Beigeladenen zu 1) im Termin vom 27.3.2017 mit Urteil vom 15.9.2017 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig, da der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum bei der Klägerin eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe. Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Fahrertätigkeiten komme es entscheidend darauf an, ob der Fahrer ein eigenes Fahrzeug für die Transporte einsetze. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne die Benutzung eines eigenen LKW und die damit einhergehende Lastentragung in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Werde dagegen kein eigenes Fahrzeug benutzt, spreche dies entscheidend für eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers. Berufskraftfahrer ohne eigenes Fahrzeug seien deshalb regelmäßig abhängig beschäftigt. So liege der Fall auch hier, da der Beigeladene zu 1) ausschließlich Fahrzeuge der Klägerin eingesetzt habe. Er sei bei der Durchführung der Touren nicht völlig frei gewesen, sondern habe sich – ohne eigene Einflussmöglichkeiten – nach den Aufträgen der Klägerin richten müssen. Ohne die betriebliche Struktur der Klägerin sei seine Tätigkeit nicht möglich gewesen. Nur durch die Auftragsakquise der Klägerin und die von ihr allein vorgehaltenen notwendigen Betriebsmittel habe der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit ausüben können. Er sei lediglich im Rahmen der von der Klägerin geplanten Touren auf den von ihr vorgehaltenen Fahrzeugen und damit eingegliedert in einen fremden und nicht in einem eigenen Betrieb tätig geworden. Ein unternehmerisches Risiko sei hingegen kaum zu erkennen. Der Beigeladene zu 1) habe keine eigene Betriebsstätte unterhalten. Für ein Unternehmerrisiko spreche auch nicht das Risiko, nicht regelmäßig und durchgehend arbeiten zu können, da dies jeden treffe, der nur Zeitverträge bekomme, auf Abruf arbeite, nach Stunden bezahlt werde oder unstetig Beschäftigter sei. Der Umstand, dass er Rechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer gestellt und sich auch steuerrechtlich als Gewerbebetrieb aufgeführt habe, stelle ebenfalls kein wesentliches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit bei der Klägerin dar, sondern sei Ausfluss der nicht gewünschten „Festanstellung“. Auch die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, führe zu keinem anderen Ergebnis. Derartige Vertragsgestaltungen seien auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse nicht unüblich. Nehme er das Angebot jedoch an, übe er die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus. Auch das Fehlen eines vertraglichen Urlaubsanspruches, eines vertraglichen Anspruches auf Entgeltfortzahlung und das Bestehen einer freiwilligen Krankenversicherung seien als typische Folge der Vertragsgestaltung bei beidseits gewünschter freier Mitarbeit kein Indiz für ein Unternehmerrisiko. Auf die Gewerbeanmeldung komme es nicht entscheidend an, da die Gewerbeaufsicht das Vorliegen einer Beschäftigung nicht überprüfe. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche auch nicht relevant, dass der Beigeladene zu 1) für andere Auftraggeber tätig geworden sei. Abhängig Beschäftigte könnten ebenfalls für mehrere Arbeitgeber tätig werden. Es komme hinzu, dass der Beigeladene zu 1) in der Regel wochenweise für die Klägerin gefahren sei, so dass er über keine Zeit mehr für andere Auftraggeber verfügt habe. Er habe daher nur nacheinander für andere Auftraggeber arbeiten können. Soweit der Beigeladene zu 1) zeitweise einen Bekannten eingesetzt habe, könne die Kammer eine unternehmerische Betätigung mangels regelmäßigen Umfangs und mangels Anmeldung des Bekannten zur Sozialversicherung nicht erkennen. Unabhängig davon stehe die Befugnis, Arbeiten an Andere zu delegieren, nicht zwingend der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses entgegen. Der Einsatz Dritter habe die Tätigkeit für die Klägerin jedenfalls nicht wesentlich geprägt. Nach alledem überwögen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung. Die Berechnung der Beiträge durch die Beklagte sei nicht zu beanstanden.

Gegen das ihr am 27.10.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.11.2017 Berufung eingelegt und ihr bisheriges Vorbringen vertiefend wiederholt. Gegen eine persönliche Abhängigkeit spreche insbesondere bereits, dass der Beigeladene zu 1) die LKW-Fahrten nicht habe persönlich durchführen müssen. Wenn es an der Verpflichtung eines Beschäftigten zur persönlichen Arbeitsleistung fehle, seien eine Eingliederung in den Betrieb und eine Weisungsabhängigkeit nicht gegeben. Ferner müsse die Möglichkeit des Beigeladenen zu 1), einzelne Aufträge abzulehnen, im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden. Hiervon habe dieser auch regelmäßig Gebrauch gemacht. Ein abhängig Beschäftigter hingegen sei nicht berechtigt, die vom Arbeitgeber vorgegebenen Touren abzulehnen. Vielmehr unterliege letzterer einem strikten Direktionsrecht und müsse die Vorgaben des Arbeitgebers zu bestimmten Touren erfüllen. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Beigeladene zu 1) und die Klägerin jeweils zum Ende einer Woche die Touren für die nächste Woche auf Augenhöhe abgesprochen hätten. Der Beigeladene zu 1) sei in diesem Zusammenhang frei gewesen, sich die einzelnen Touren auszusuchen und gegebenenfalls für andere Auftraggeber zu fahren. Die aufgeführten Kriterien überwögen im Rahmen der Gesamtabwägung, so dass die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) nicht über ein eigenes Fahrzeug verfügt habe, dahinter zurücktreten müsse.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.9.2017 und den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 21.8.2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Vertiefung ihres Vorbringens und unter Bezugnahme auf das angefochtene Urteil macht sie ergänzend geltend, dass die gesamte Organisation der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) durch die Klägerin erfolgt sei. Diese habe sich um Aufträge bemüht, die Fahrzeuge unterhalten, die Aufgaben verteilt und den Ablauf organisiert. Der Beigeladene zu 1) habe nicht entschieden, welche Touren in welcher Reihenfolge bearbeitet werden sollten. Eine individuelle Arbeitsleistung mit Gestaltungsspielraum habe nicht vorgelegen. Bei einer solchen einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtung ohne wesentliche, eigene Gestaltungsspielräume spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis.

Der Senat hat die Geschäftsführerin der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) in den Erörterungsterminen vom 28.11.2018 und vom 14.4.2021 befragt.

Mit Verwaltungsakt vom 4.1.2019 hat die Beklagte den angegriffenen Bescheid bezüglich der Säumniszuschläge aufgehoben und die Klägerin sodann mit Schreiben vom 20.2.2019 das Verfahren diesbezüglich für erledigt erklärt.

Der Senat hat die Klägerin mit Schreiben vom 14.02.2022 u.a. auf das Urteil des erkennenden Senats vom 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 zu einem ähnlichen Sachverhalt sowie darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe. Mit weiterem Schreiben vom 14.03.2022 ist den Beteiligten mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, die Berufung gem. § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zurückzuweisen. Dem hat die Klägerin zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird vollumfänglich auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist.

 

 

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin wird durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG zurückgewiesen.

Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 S. 1 SGG, die Berufung zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Diese Voraussetzungen liegen vor.

Im Klageverfahren hat das SG nach mündlicher Verhandlung entschieden. Die Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nicht für erforderlich. Der Sachverhalt ist umfassend ermittelt, eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht mehr erforderlich. Die anwaltlich vertretene Klägerin ist mit gerichtlichem Schreiben vom 14.2.2022 u.a. unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 zu einem gleichgelagerten Sachverhalt auf die fehlenden Erfolgsaussichten ihres Rechtsmittels hingewiesen worden. Ohne hierauf sachlich einzugehen hat die Klägerin eine Entscheidung gewünscht. Das erstmalige Vorbringen noch nicht vorgetragener Tatsachen oder rechtlicher Gesichtspunkte ist nicht zu erwarten und weiteres Vorbringen von der Klägerin auch nicht angekündigt worden. Andere Aspekte, die nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig erscheinen lassen könnten, sind nicht erkennbar.

Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 14.3.2022 zu einer Entscheidung durch Beschluss angehört worden (§ 153 Abs. 4 S. 2 SGG). Einwendungen haben die Beteiligten nicht vorgebracht, die Klägerin sich hiermit vielmehr einverstanden erklärt.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zutreffend festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer für die Klägerin im Zeitraum vom 1.12.2011 bis 31.10.2013 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Ebenfalls zu Recht ist eine hierauf beruhende Beitragsnachforderung in Höhe von 27.393,55 Euro festgesetzt worden. Diese Bescheide beschweren die Klägerin nicht gem. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil sie in dem (noch) streitigen Umfang rechtmäßig sind.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 19.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 21.8.2014 und des Bescheides vom 4.1.2019. Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist die Erhebung von Säumniszuschlägen, nachdem die Beklagte den Verwaltungsakt im Berufungsverfahren mit Bescheid vom 4.1.2019 insoweit aufgehoben und die Klägerin den Rechtsstreit diesbezüglich für erledigt erklärt hat. Im Übrigen beschränkte sich das Widerspruchs- und Klageverfahren, mithin auch das Berufungsverfahren, auf die Feststellung der Versicherungspflicht und Beitragserhebung für den Beigeladenen zu 1). Nachforderungen im Hinblick auf die Tätigkeit anderer Personen sind schon mit dem Widerspruch nicht streitig gestellt worden.

Ermächtigungsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV. Nach dieser Vorschrift erlassen die Träger der Rentenversicherung gegenüber den Arbeitgebern die erforderlichen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI], § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]). Das Vorliegen einer Beschäftigung beurteilt sich nach § 7 Abs. 1 SGB IV, wenn – wie hier – in Bindungswirkung erwachsene (§ 77 SGG) Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status fehlen.

Im streitigen Zeitraum war der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV abhängig beschäftigt und unterlag – wie von der Beklagten festgestellt – der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung. Der Senat nimmt zur Begründung gemäß § 153 Abs. 2 SGG nach eigener Überprüfung und zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend ist die Klägerin bereits – wie dargelegt – auf die Ausführungen im Senatsurteil vom 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 hingewiesen worden. Ein Vortrag hierzu ist nicht erfolgt. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine (weitergehenden) Gesichtspunkte, die eine andere Sichtweise rechtfertigen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 161, 155 Abs. 1 S. 1,  162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 Halbs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt die Aufhebung der Säumniszuschläge durch die Beklagte.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 S. 1 Gerichtskostengesetz.

 

 

Rechtskraft
Aus
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