L 7 AS 655/22 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 2430/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 655/22 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 08.04.2022 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und der Zurückweisung der Sache an das Sozialgericht zur erneuten Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe in entsprechender Anwendung von § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG begründet (zur Anwendbarkeit von § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG für PKH-Beschwerden: Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl., § 159 Rn. 1a mwN). Denn das Sozialgericht durfte die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch der Kläger nicht treffen, ohne über die hinreichende Erfolgsaussicht unter Würdigung des klägerischen Sachvortrags zu entscheiden. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe der Kläger mit der Begründung abgelehnt, dass die Klage vom 16.08.2021, für deren Durchführung Prozesskostenhilfe beantragt wurde, „trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts nicht begründet worden“ und ein konkretes Klagebegehren nicht erkennbar sei. Die Kläger haben aber glaubhaft gemacht, dass sie auf die Betreibensaufforderung des Sozialgerichts vom 16.02.2022 die Klage bereits am 08.03.2022 über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) begründet hatten. Einen entsprechenden beA-Zustellungsnachweis haben die Kläger im Beschwerdeverfahren vorgelegt. Dass dieser Schriftsatz der Kammervorsitzenden des Sozialgerichts ggf. nicht vorgelegt worden ist, ist unerheblich. Die Gerichtsakten dürften insoweit jedoch unvollständig sein, denn der Beklagte hat auf die Klagebegründung bereits mit Schriftsatz vom 22.04.2022 erwidert, mithin vor Eingang der gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe gerichteten Beschwerde, der die Klagebegründung vom 08.03.2022 beigefügt gewesen ist. Damit spricht viel dafür, dass der Klagebegründungsschriftsatz vom Sozialgericht bereits zuvor an den Beklagten weitergeleitet worden ist.

Der Senat verweist den Rechtsstreit in Ausübung des ihm in § 159 Abs. 1 SGG eingeräumten Ermessens an das Sozialgericht zurück. Der Senat verkennt dabei nicht, dass sich eine Zurückverweisung im PKH-Beschwerdeverfahren an der Verfahrensökonomie auszurichten hat und eine Zurückverweisung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Andererseits ist in die Abwägung einzubeziehen, dass den Beteiligten nach dem Willen des Gesetzgebers auch im PKH-Verfahren die Inanspruchnahme von zwei Tatsacheninstanzen offensteht. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist ausnahmsweise eine Zurückverweisung gerechtfertigt, wenn sich das Sozialgericht – wie vorliegend – zur Erfolgsaussicht der Hauptsache nicht geäußert hat, da dem Kläger anderenfalls eine volle Tatsacheninstanz genommen würde (vgl. zu diesem Gesichtspunkt bereits Beschluss des Senats vom 13.06.2019 – L 7 AS 841/19 B ER; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 03.12.2008 – L 6 B 218/08 AS PKH –, Rn. 14, juris) und einer sachinhaltlichen PKH-Entscheidung des Sozialgerichts nicht vorgegriffen werden sollte (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 02.05.2008 – L 7 B44/08 AS). Der letztgenannte Gesichtspunkt ist gerade im vorliegenden Verfahren relevant, weil der den Klägern gemachte Vorwurf mangelnder Klagesubstantiierung auf ein Übersehen des klägerischen Klagebegründungsschriftsatzes vom 08.03.2022 zurückführen ist. Die hierin liegende Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.11.1989 – 2 BvR 684/88) stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der den Klägern nicht zum Nachteil gereichen kann. Dieses in § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG angelegte Teilkriterium für eine Zurückverweisung hat der Senat daher bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt, auch wenn im PKH-Prüfungsverfahren keine „aufwändige Beweisaufnahme“ iS dieser Vorschrift durchzuführen ist (im Ergebnis ebenso: Beschluss des Senats vom 02.05.2008 – L 7 B 44/08 AS).

Dass die Kläger bis zur Verfahrensbeendigung –mangels Rechtskrafterstreckung einer ablehnenden PKH-Entscheidung – einen neuen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen können (vgl. Beschluss des Senats vom 02.05.2008 – L 7 B 44/08 AS), steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Da Prozesskostenhilfe für jede Instanz erst ab (neuer) Antragstellung bewilligt werden kann, droht den Klägern andernfalls der Verlust der Erstattung bereits entstandener Gebühren und Auslagen oder deren Reduzierung.

Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
Saved