L 11 KR 26/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KR 994/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 26/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.11.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Kostenerstattung einer am 21. Februar 2019 durchgeführten prophylaktischen Mastektomie der linken Brust in Höhe von 1.896,41 €.

Die 00.00.1966 geborene Klägerin ist bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Am 6. September 2018 ließ sie eine vorsorgliche – jährliche – Mammographie durchführen. Laut Anamnese der Praxis R im Bericht vom 18. September 2019 bestanden keine Besonderheiten der Mammae, auch keine familiäre Mammakarzinomvorbelastung. Im Rahmen des regelmäßigen Screenings wurde im Unterschied zum Vorjahr rechts im subkutanen Anteil des Mammaparenchyms eine Gruppierung von Mikroverkalkungen auf einer Strecke von 30 mm Länge gefunden (Breast Imaging – Reporting And Data System [BI-RADS] 4b rechts, BI-RADS 2 links). Nach weiterer Abklärungsdiagnostik am 17. September 2018 wurde bei der Klägerin am 2. Oktober 2018 eine Vakuumsaugbiopsie durchgeführt. Bei dem biopsierten Befund handelte es sich nach pathologischer Untersuchung um ein high-grade DCIS (duktale carcinoma in situ). Die Klägerin stellte sich daraufhin am 18. Oktober 2018 im Brustzentrum des Krankenhauses L (nachfolgend: Brustzentrum) vor, welches einen interdisziplinären Ansatz verfolgt, welcher u.a. auch eine psychoonkologische Betreuung beinhaltet. Auf die diesbezüglich beigezogenen Unterlagen wird Bezug genommen.

Es folgte vom 14. bis zum 19. November 2018 ein erster stationärer Aufenthalt der Klägerin im Brustzentrum. Am 14. November 2018 wurde bei ihr ausweislich des OP-Berichts eine nippelsparende Mastektomie rechts, mit Schnellschnitt zur Mamille und der epipektoralen Einlage einer Prothese durchgeführt. Die Indikation für die Mastektomie folgte damals auf Grund des ungünstigen Sitzes und des ebensolchen Brust-Tumor-Verhältnisses. Aus dem OP-Bericht folgt zudem, dass die Klägerin ca. 150-200 ml mehr an Volumen wünschte und eine Angleichung auf der linken Seite im Intervall plante. Dem Eingriff folgten drei pathologisch-anatomische Begutachtungen des Instituts für Pathologie der Kliniken L –Dr.  N. Die histologische Untersuchung der Wächterlymphknoten ergab unter dem 19. November 2018 keinen Anhalt für Malignität. Die am 20. November 2018 durchgeführte histologische Untersuchung der Mammanachresektate rechts (Wundränder) ergab gleichfalls keinen Anhalt für einen invasives, bösartiges Wachstum. Allerdings fand sich in einem der Nachresektate ein noch sichtbarer Anteil eines DCIS in einem 0,1 cm großen Bezirk. Aus der letzten histologischen Untersuchung des subkutanen Mastektomiepräparates rechts am 21. November 2018 folgte, dass die rekonstruierte Größe des DCIS in medio-lateraler Ausdehnung 6 cm betragen habe. Da auch dort das DCIS stellenweise unmittelbar in den ventralen Resektionsrand hineinreichte und der minimale Sicherheitsabstand nach ventral in mehreren Lamellen weniger als 0,05 cm betrug, wurde die Klägerin im Rahmen ihrer erneuten Vorstellung im Brustzentrum zur postoperativen Wundkontrolle am 27. November 2018 über die Möglichkeit einer Nachresektion informiert. Sie äußerte dabei erneut den Wunsch nach einer prophylaktischen Mastektomie links, insbesondere nunmehr auch deshalb, da der Befund rechts größer als primär vermutet gewesen sei. Die behandelnden Ärzte im Brustzentrum, Chefarzt Dr. M und Leitende Oberärztin Dr. S, unterstützten diesen Wunsch, da auch auf der linken Seite sehr mastopathisches zystisches Gewebe vorhanden sei (Entlassungsbericht vom 6. Dezember 2018).

Die Klägerin stellte daraufhin mit Schreiben vom 28. November 2018 (eingegangen am 4. Dezember 2018) bei der Beklagten einen Antrag auf Versorgung mit einer prophylaktischen hautsparenden Mastektomie links und fügte diesem eine Stellungnahme der behandelnden Ärzte im Brustzentrum, Dr. M und Dr. S, vom 28. November 2018 bei, in der ausgeführt wurde, dass ein ausgedehntes DCIS der rechten Mamma diagnostiziert worden sei, welches nach endgültiger histologischer Aufarbeitung doppelt so groß gewesen sei, wie zuvor vermutet. Es bestehe der „Wunsch nach prophylaktischer hautsparender Mastektomie links“. Bei der Klägerin zeige sich auch auf der linken Seite ein sehr schwer beurteilbares Brustdrüsengewebe mit multiplen Zysten. „Die Patientin wünscht nach reiflicher Überlegung, die prophylaktische Brustdrüsenentfernung auch auf der linken Seite, da das Gewebe schwer beurteilbar ist und die Patientin, trotz regelmäßiger Vorsorge, jetzt noch einen ausgedehnten Befund auf der rechten Seite hat.“ Die prophylaktische Mastektomie links sei medizinisch sinnvoll und werde unterstützt.

Die Beklagte teilte der Klägerin die Weiterleitung der Unterlagen an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([MDK] Schreiben vom 10. Dezember 2018) mit. Die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, medikamentöse Tumortherapie und Sozialmedizin Dr. K sowie der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie sowie Sozialmedizin Dr. E erläuterten im Rahmen ihres MDK-Gutachtens vom 19. Dezember 2018, dass gemäß der S3-Leitlinie zur Behandlung eines Mammakarzinoms keine grundsätzliche Empfehlung für die Durchführung einer kontralateralen prophylaktischen Mastektomie (CPM) bei Mammakarzinom gegeben werde. Die Datenlage bezüglich eines Zeitgewinns in Lebenszeit durch eine zusätzliche CPM sei weiterhin offen und kontrovers. Nur in bestimmten Fallkonstellationen könne diese ggf. eine Option sein, wobei die Belastungen und Folgekomplikationen zu bedenken wären. Anhand der vorliegenden Angaben sei eine Mastektomie links als prophylaktischer Eingriff medizinisch nicht begründet nachvollziehbar. Da die Mastektomie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nach § 137c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht gänzlich ausgeschlossen werde, bestehe allerdings im Vorfeld kein Anlass eine fallabschließende und sozialmedizinische Vorabbegutachtung durchzuführen.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 20. Dezember 2018 den Antrag der Klägerin ab. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Dagegen legte die Klägerin am 18. Januar 2019 Widerspruch ein. Trotz regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen sei bei ihr im September 2018 ein ca. 30 mm großes DCIS in ihrer rechten, sehr kleinen Brust festgestellt worden. Seit Jahren sei das zystische Gewebe mit sehr großen, teils schmerzhaften Zysten bekannt. Im Rahmen der Stanzbiopsie sei die schlechte Lage des Befundes auf 5 bis 6 Uhr erwähnt worden; die Probenentnahme habe sich als schwierig gestaltet. Es folgten Untersuchungen in den Kliniken L. Auf Grund der Größe der Brust und des DCIS sei eine brusterhaltende OP nicht möglich gewesen. Der kosmetische Aspekt sei ihr nicht wichtig, sondern allein, dass das krankhafte Gewebe weiträumig entfernt werde. Insofern sei die Möglichkeit einer kompletten Entfernung des Drüsengewebes besprochen und durchgeführt worden. Im Rahmen der Nachuntersuchung habe sich ergeben, dass die Lymphe frei, aber das DCIS doppelt so groß wie vorher angenommen gewesen sei. Eine weitere OP wurde erforderlich. In diesem Zusammenhang seien bei ihr große Krebsängste entstanden, die sie in Bezug auf ihre linke Brust geäußert und dazu bewegt habe, auch ihre linke Brust entfernen zu lassen. Ihre Mutter sei mit 53 (vermutlich) an Lungenkrebs gestorben; ihre Tante sei mit 57 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben und ihr Großvater mit 53 Jahren an Kehlkopfkrebs. Sie habe insofern große Ängste gehabt, dass sich auf der linken Seite gleichfalls eine Veränderung bilden könnte, die auf Grund des schlecht beurteilbaren Gewebes zu spät erkannt werde. Da auf jeden Fall eine weitere OP erforderlich gewesen sei, habe der Eingriff an der linken Brust zeitgleich durchgeführt werden können. Sie sei seit der ersten OP in psychoonkologischer Behandlung, da das Thema Krebs sie sehr belastet habe.

Die Klägerin fügte ihrer Widerspruchsbegründung eine psychologische Stellungnahme der Psych. und Psychoonkologin B, damals in der psychoonkologischen Betreuung des Brustzentrums tätig, bei. Unter auszugsweiser Bezugnahme auf die Stellungnahme des Brustzentrums vom 28. November 2018 teilte Frau Psych. B mit, dass sich die Klägerin seit dem 18. Oktober 2018 in ihrer Behandlung befinde. Es gehe ihr psychisch sehr schlecht. Sie sei kaum belastbar und es sei zu befürchten, dass eine weitere längere Phase des seelischen Stresses ihre Arbeitsfähigkeit einschränken könne. Sie habe geäußert, dass sie große Krebsangst habe. „Sie wünscht deshalb eine prophylaktische Mastektomie der linken Brust.“ Die Klägerin berichte über Stimmungsschwankungen, Schlaf- und Angststörungen und ein ständiges Gefühl der Überforderung. Sie berichte, dass sie sich zunehmend aus sozialen Kontakten zurückziehe und die Sorge von einer möglichen Neuerkrankung der linken Brust immer mehr Raum einnehme. In diesem Zusammenhang berichte sie über Verzweiflungsgefühle und eine depressive Stimmungslage. Sie sei ruhelos, leide unter Konzentrationsstörungen und starker Antriebslosigkeit. Es liege eine ausgeprägte Karzinophobie vor, wegen der sie in psychologischer Behandlung sei. Aus psychoonkologischer Perspektive empfehle sich die prophylaktische Mastektomie der linken Brust.

Am 14. Februar 2019 schloss die Klägerin einen (erneuten) Aufnahmevertrag mit dem Brustzentrum im Krankenhaus L, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Es folgte vom 21. bis zum 27. Februar 2019 ein zweiter stationärer Aufenthalt der Klägerin dort. Am 21. Februar 2019 wurde ein operativer Prothesenwechsel rechts sowie eine Nachresektion im Medial und die Mastektomie links mit heterologer Sofortrekonstruktion durch ein epipectoral eingelegtes Implantat durchgeführt. In der histologischen Untersuchung zeigten alle Nachresektate rechts keine Anhalte des vordiagnostizierten DCIS oder für eine Malignität. Die Resektate links waren gleichfalls ohne Anhalt auf Malignität oder Karzinomfiltrate bzw. einer lobulären/duktalen intraepithelialen Neoplasie (Entlassungsbericht vom 20. März 2019).

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bemühte die Beklagte erneut den MDK, welcher im Rahmen eines zweiten Gutachtens vom 5. März 2019 durch die Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie und Sozialmedizin Dr. A ausführte, dass zwar die Sorge der Klägerin verständlich, aber nicht abschließend erkennbar sei, ob eine ausreichende psychotherapeutische Behandlungsmaßnahme – erfolgslos – eingeleitet worden sei. Im Übrigen werde auf eine nachträgliche Krankenhausvergütungsprüfung verwiesen.

Die durch das Brustzentrum am 20. März 2019 bei der Beklagten eingereichte Rechnung für den zweiten stationären Aufenthalt wies die Beklagte mit Hinweis auf die beiden eingeholten Gutachten des MDK teilweise, soweit sie auf die prophylaktische Mastektomie links entfiel, zurück. Daraufhin reichte das Krankenhaus eine entsprechend angepasste Abrechnung unter dem 27. März 2019 ein und forderte mit Rechnung vom 26. März 2019 gegenüber der Klägerin eine „Kostenpauschalenabrechnung kosmetische Behandlungen“ in Höhe von 1.896,41 €. Die Rechnung beglich die Klägerin am 23. April 2019.

In der Folge wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2019 als unbegründet zurück. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Dagegen hat sich die Klägerin am 28. Juni 2019 mit ihrer Klage zum Sozialgericht (SG) Köln gewandt. Zur Begründung hat sie ihren bisherigen Vortrag aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertiefend darauf verwiesen, dass die Behandlung aus medizinischer Sicht notwendig gewesen sei. Dies folge bereits aus dem vorgelegten Entlassungsbericht vom 6. Dezember 2018. Hervorzuheben sei, dass die Psych. B aus psychoonkologischer Sicht die prophylaktische Behandlung befürwortet habe. Zudem habe Grund für die Annahme bestanden, dass sich ein „verstecktes“ DCIS auch in der linken Brust verberge. Es sei ihr auch nicht zuzumuten gewesen, dass Ende des Widerspruchsverfahrens abzuwarten, da dies weitere erhebliche gesundheitliche Risiken mit sich gebracht hätte. Hinsichtlich des Widerspruchsbescheides werde dessen formale Rechtswidrigkeit gerügt. Der Widerspruch sei nicht ordnungsgemäß zurückgewiesen worden. Die Beklagte habe die Kostenübernahme lediglich „derzeit“ abgelehnt. Es sei überhaupt nicht endgültig über den Anspruch entschieden worden. Sie – die Klägerin – sei über die eigene Kostentragung auch nicht aufgeklärt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2019 zu verpflichten, ihr die Kosten der Krankenbehandlung für die prophylaktische Mastektomie der linken Brust in Höhe von 1.896,41 € zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihre Bescheide Bezug genommen. Dem durch das SG eingeholten Befundbericht von Dr. M bzw. Dr. S sei eindeutig zu entnehmen, dass in der linken Brust keine Gesundheitsstörungen vorgelegen hätten. Der Wunsch nach einer prophylaktischen Operation stelle keine medizinische Indikation dar. Den Unterlagen sei zudem zu entnehmen, dass die mangelnde medizinische Indikation sowie die Eigenfinanzierung der Kosten mit der Klägerin besprochen worden seien. Zudem sei klarzustellen, dass sie – die Beklagte – bereits vor der durchgeführten OP den Antrag auf Kostenübernahme abgelehnt habe.

Das SG hat zunächst Befund- und Behandlungsberichte beigezogen, nämlich von der die Klägerin behandelnden Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. O (Befundbericht vom 10. Oktober 2019) sowie von Dr. M und Dr. S, Brustzentrum (Befundbericht vom 11. November 2019), auf deren Inhalt jeweils Bezug genommen wird.

Die Beteiligten haben sodann auf Nachfrage des SG jeweils ihr uneingeschränktes Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt. Das SG hat daraufhin mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 25. November 2020 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 18. Dezember 2020 zugestellte Urteil hat sich die Klägerin mit ihrer am 11. Januar 2021 eingelegten Berufung gewandt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend trägt sie vor, dass das SG die zur Verfügung stehenden Beweismittel nicht ausgeschöpft habe. Sie – die Klägerin – habe einen Sachverständigenbeweis zu der Frage der medizinischen Notwendigkeit und der Frage des nicht zumutbaren Abwartens angeboten, den das SG nicht erhoben habe. Ihr sei auch erst zu einem Zeitpunkt zu der prophylaktischen OP geraten worden, als die Erforderlichkeit der zweiten OP (Nachresektion) bereits festgestanden habe. Es könne ihr auch nicht angelastet werden, dass keine Untersuchung des genetisch erhöhten Brustkrebsrisikos durchgeführt worden sei. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei der Vergütungsanspruch auch entstanden. Die Klinik sei nicht zu einer GOÄ-konformen Rechnung verpflichtet gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25. November 2020 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2019 zu verurteilen, ihr die Kosten für die am 21. Februar 2019 durchgeführte prophylaktische Mastektomie der linken Brust i.H.v. 1.896,41 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Zudem verweist sie darauf, dass weder der Beschaffungsweg eingehalten worden noch ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch entstanden sei. Eine GOÄ-konforme Abrechnung liege in der Pauschalabrechnung gerade nicht vor.

Der Senat hat zunächst am 6. August 2021 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt. Dort hat die Klägerin erläutert, dass sie von Oktober 2018 bis Frühjahr 2019 in psychologischer Betreuung bei Frau Psych. B gewesen sei. Es habe sich um ein Angebot seitens der Klinik gehandelt, das sie wahrgenommen habe. Es habe Treffen nach Bedarf gegeben, ca. in einem Zwei- bis Vierwochenrhythmus. Eine humangenetische Untersuchung habe nicht stattgefunden. Sie habe danach gefragt. Man habe aber auf Grund nicht nachweisbarer Brustkrebserkrankungen innerhalb der Familie davon Abstand genommen. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Sodann hat der Senat gleichfalls Befund- und Behandlungsberichte beigezogen. Im Hinblick auf den angeforderten Befundbericht der Psych. und Psychoonkologin B ist durch die Leitende Psychoonkologin des Brustzentrums Dr. T mitgeteilt worden, dass Frau B nicht mehr in der Klinik tätig und – auch telefonisch – nicht mehr erreichbar sei. Die Leitende Oberärztin Dr. S des Brustzentrums hat im Befundbericht vom 10. November 2021 ausgeführt, dass die Klägerin erstmalig am 18. Oktober 2018 und letztmalig am 24. September 2019 vorstellig geworden sei. Sie habe keine Beschwerden hinsichtlich der linken Brust, sondern lediglich Angst vor einer Brustkrebserkrankung geäußert. Die Beurteilung im Rahmen der Mammographie 2018 sei hinsichtlich der linken Brust mit BI-RADS II erfolgt, das heiße, dass keine weiteren Maßnahmen empfohlen würden. Am 14. Oktober 2018 sei eine Brustultraschalluntersuchung beidseits durchgeführt worden. Hierbei sei eine Zyste von bis zu 4 cm Durchmesser auf der linken Seite dargestellt worden. Es sei auch eine Palpation des Brustdrüsengewebes erfolgt. Dabei habe sich eine eingeschränkte Beurteilbarkeit bei sehr dichtem und festem Gewebe, in dem Herdbefunde nur schwierig zu tasten seien, gezeigt. Hinsichtlich der linken Brust seien folgende Diagnosen zu stellen: fibrozystisches Brustdrüsengewebe und Zyste Mamma links oben/innen bis 4 cm max. Durchmesser US-BIRADS II. Aus medizinischen Gründen sei eine Mastektomie an der linken Brust nicht indiziert gewesen. Es sei „lediglich nachvollziehbar und medizinisch sinnvoll, aber nicht explizit medizinisch indiziert. Dies wurde der Patientin auch so kommuniziert.“ Als Früherkennungs- und Kontrollmaßnahmen habe der Klägerin das Mammographie-Screening zur Verfügung gestanden. Mittels diesem sei auch das DCIS auf der rechten Seite erkannt worden. Allerdings sei der Befund nach histologischer Untersuchung doppelt so groß gewesen, wie zuvor beschrieben, sodass die Patientin nach eigenen Angaben das Vertrauen in diese Untersuchung verloren habe. Zusätzlich stehe noch der Brustultraschall zur Verfügung, welcher sich nicht stets als Kassenleistung darstelle oder auch die MRT-Untersuchung der Brust, die keine Kassenleistung sei. Bei sehr dichtem Brustdrüsengewebe wie bei der Klägerin sei die Diagnosestellung manchmal schwierig. Das DCIS auf der rechten Seite sei bei der Screening-Mammographie schon so groß gewesen, dass eine Brusterhaltung rechts nicht mehr sinnhaft gewesen sei. Allerdings habe es sich immer noch um eine Vorstufe und keinen invasiven Brustkrebs gehandelt, sodass die Prognose für die Patientin exzellent sei. Das frühere Erkennen der DCIS habe die Brusterhaltung möglich gemacht. Es würden nur Patienten, die in einem dafür vorgesehenen Fragebogen Score 3 erreichten, auf eine Genmutation untersucht. Die Klägerin habe Score 1 gehabt, sodass eine entsprechende Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, da eine Genmutation sehr unwahrscheinlich wäre. Die Mastektomie sei am 21. Februar 2019 durchgeführt worden, da die Klägerin den Termin gewünscht habe. Die ebenfalls durchgeführte Nachresektion sollte nicht weiter hinausgezögert werden. Es hätte zu diesem Zeitpunkt auf die Maßnahmen an der linken Brust verzichtet werden können. Diese hätten auch später oder gar nicht durchgeführt werden können. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Befundberichtes Bezug genommen.

Im Hinblick auf die durchgeführten Ermittlungen hat die Klägerin schriftlich ausgeführt, dass es nicht zu ihren Lasten gehen könne, dass die Psych. B nicht mehr erreichbar sei. Es habe eine psychische Erkrankung – im Sinne von extremen Angstzuständen – im Zeitpunkt der Mastektomie vorgelegen, die den Eingriff medizinisch notwendig habe werden lassen. Es müsse festgestellt werden, dass ihre Angst vor einer Krebserkrankung für sich alleine bereits eine Krankheit darstelle, die die medizinische Notwendigkeit der Mastektomie begründet habe. Bei einer unterbliebenen Mastektomie hätte die permanente große Angst für sie zu weiteren psychischen Erkrankungen geführt. Dies sei durch ein Sachverständigengutachten zu klären. Aus körperlichen Gründen möge die Mastektomie nicht medizinisch indiziert gewesen sein, jedoch aus psychischen Gründen sei sie nachvollziehbar gewesen. Wegen ihrer erheblichen Angst, die aus den gehäuften Krebserkrankungen in der Familie resultiere, ergebe sich die medizinische Notwendigkeit des Eingriffs. Auch dieses sei durch ein Sachverständigengutachten zu beleuchten. Das schwer untersuchbare Brustgewebe und die vorhandenen Zysten von 4 cm Durchmesser auf der linken Seite habe ihre enorme Angst noch erhöht. Die Ausgangssituation sei vergleichbar mit der auf der rechten Seite gewesen. Ohne eine Mastektomie hätte sie permanent mit ihrer Angst leben müssen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu extremen psychischen Krankheiten geführt hätte, was ebenfalls ein Sachverständiger belegen werde.

Nach vorheriger Anhörung hat der Senat den Beteiligten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen (Beschluss vom 8. Januar 2022). Die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigte haben von dieser Gestattung Gebrauch gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe:

A. Die Anträge im Berufungsverfahren sind wirksam im Rahmen der mündlichen Verhandlung gestellt. Soweit die Beteiligten nicht persönlich im Gerichtssaal vertreten gewesen sind, sondern vom Kanzleisitz aus per Video- und Tonübertragung an der Verhandlung teilgenommen haben, war dies gemäß § 110a Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 8. Januar 2022 zulässig.

B. Streitgegenständlich ist die Kostenerstattung für die am 21. Februar 2019 durchgeführte stationäre prophylaktische Mastektomie der linken Brust in Höhe von 1.896,41 €.

C. Die am 11. Januar 2021 schriftlich eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am 18. Dezember 2020 zugestellte Urteil des SG Köln vom 25. November 2020 ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG ohne gerichtliche Zulassung statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3; § 64 Abs. 1, Abs. 2; § 63 SGG).

D. Die Berufung der Klägerin ist indes unbegründet, denn zum einen erweist sich die zugrundeliegende Klage als zulässig, aber unbegründet (dazu unter I. und II.), und zum anderen kommt eine Zurückverweisung i.S.d. § 159 SGG nicht in Betracht (dazu unter III.)

I. Für das auf Kostenerstattung für die selbstbeschaffte stationäre prophylaktische Mastektomie der linken Brust wegen rechtswidriger Ablehnung des Versorgungsanspruchs gerichtete Begehren ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 10/17 R; BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 – B 1 KR 3/20 RBSGE 131, 94). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht am 28. Juni 2019 binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2019 erhoben worden (§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; § 90; § 78 Abs. 1 Satz 1; § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG).

1. Soweit die Klägerin den Widerspruchsbescheid bereits deshalb für rechtswidrig erachtet, da mangels erkennbaren Verfügungssatzes das Widerspruchsverfahren nicht ordnungsgemäß abgeschlossen worden sei, ist dies nicht zutreffend. Die Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont aus führt dazu, dass über den Widerspruch der Klägerin im Rahmen des genannten Bescheides abschließend entschieden worden ist. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass sich an der Stelle, an der sich üblicherweise der Verfügungssatz des Widerspruchsbescheids verorten lässt, keine förmliche Zurückweisung des Widerspruchs findet. Allerdings hat sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Widerspruchsbescheides der Widerspruchsausschuss der Beklagten in diesem mit dem Widerspruch der Klägerin vom 17. Januar 2019 gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2018 befasst („Wir, der Widerspruchsausschuss der AOK Rheinland/Hamburg […], haben uns mit Ihrem Anliegen am 06.06.2019 befasst und sind zu folgendem Ergebnis gekommen: Die Kostenübernahme/Kostenerstattung einer prophylaktischen Mastektomie ist nicht möglich.“). Unter Wiederholung seines anfänglich bereits verlautbarten Prüfergebnisses wird dann auf Seite 5f des Widerspruchsbescheides wörtlich mitgeteilt:

„Die Kostenübernahme/Kostenerstattung der durchgeführten Mastektomie ist daher nicht möglich. Dem Widerspruch kann somit nicht abgeholfen werden. Kosten des Widerspruchsverfahrens dürfen Ihnen nach § 63 SGB X nicht erstattet werden.“

Dass die anwaltlich vertretene Klägerin den Bescheid auch als Widerspruchsbescheid erkannt sowie seinen Verfügungssatz gefunden und richtig interpretiert hat, zeigt sich im Übrigen deutlich in der Klageschrift.

2. Die Leistungsklage wurde zudem beziffert und der Anspruch mittels vorgelegter Rechnung substantiiert (BSG, Urteil vom 28. Januar 1999 – B 3 KR 4/98 RSozR 3-2500 § 37 Nr. 1; BSG, Urteil vom 20. April 2010 – B 1/3 KR 22/08 R – juris, Rn. 27; Helbig in: jurisPK-SGB V, 4. Auflage, § 13 Rn. 199). Es handelt sich ferner nicht um einen Freistellungs-, sondern einen Kostenerstattungsanspruch, da die Klägerin – wie der vorgelegte Überweisungsbeleg zeigt – die für die prophylaktische Mastektomie gestellte Rechnung bereits beglichen hat.

3. Unerheblich ist ferner, dass die Klägerin zunächst einen Sachleistungsantrag gestellt und im Rahmen des Widerspruchsverfahren sich ein etwaig dahingehender Anspruch durch Inanspruchnahme der Leistung und Begleichung der Rechnung am 23. April 2019 in einen Kostenerstattungsanspruch umgewandelt hat. Prozessual ist die Umstellung vom Sachleistungsantrag zum Kostenerstattungsantrag nicht als Klageänderung anzusehen und zulässig (Helbig a.a.O. Rn. 194 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 22. April 2015 – B 3 KR 3/14 R – juris, Rn. 9). Insofern spricht auch nichts gegen die Änderung des Begehrens im Widerspruchsverfahren.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die selbstbeschaffte stationäre prophylaktische Mastektomie der linken Brust zu. Ein Kostenerstattungsanspruch folgt zunächst nicht aus einer Zusicherung der Beklagten im Rahmen ihres Bescheids vom 20. Dezember 2018 (dazu unter 1.). Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V (dazu unter 2.). Die Klägerin kann sich ferner nicht auf § 13 Abs. 3 SGB V stützen (dazu unter 3.).

1. Zunächst ist dem Bescheid vom 20. Dezember 2018 und dem nachfolgenden Schriftverkehr im Widerspruchsverfahren keine Zusicherung i.S.d. § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu entnehmen.

Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form, § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Unter einer Zusage wird dabei eine einseitige Verpflichtung der Behörde zu einem späteren Tun oder Unterlassen gegenüber einem bestimmten Erklärungsempfänger verstanden. Die Zusicherung stellt dabei eine Selbstverpflichtung der Behörde zu einem späteren Tun oder Unterlassen in Form eines Verwaltungsaktes dar (Kepert in: jurisPK-SGB X, 2. Auflage, § 34 Rn. 7f. m.w.N.).

a) Zwar deutet die Beklagte an, dass ein grundsätzlicher Anspruch nach § 39 SGB V bestehe, wenn die Voraussetzungen vorlägen und der Arzt diese für erforderlich halte. So hat sie sowohl im Rahmen des Ausgangsbescheides als auch in den Schreiben vom 2. April 2019 und 9. Mai 2019 darauf verwiesen, dass die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 39 SGB V habe, wenn die Prüfung nach Aufnahme durch das Krankenhaus erforderlich sei, weil das Behandlungsziel nicht durch andere Maßnahmen als durch stationäre Aufnahme erreichbar wäre. Bei Erfüllung u.a. der Vorgaben der § 39 Abs. 1 SGB V könne die beantragte Leistung zu Lasten der GKV erbracht werden. Dafür benötige die Klägerin eine Krankenhauseinweisung des Arztes. Die Verantwortung für die Prüfung der medizinischen Notwendigkeit einer prophylaktischen Mastektomie liege in diesem Fall bei dem einweisenden Arzt. Das könnte grundsätzlich vom objektiven Empfängerhorizont aus so verstanden werden, als dass allein die Einweisung und Aufnahme durch den Krankenhausarzt zu einem berechtigten Anspruch der Klägerin führen würde.

b) Darin kann jedoch keine Zusage der Beklagten gesehen werden, später einen bestimmten Verwaltungsakt – auf Kostenübernahme der prophylaktischen Mastektomie gerichtet –zu erlassen. Denn die Beklagte erklärt weiter, dass die „Kostenübernahme durch die AOK Rheinland/Hamburg […] derzeit nicht möglich [ist]“ und schließt örtlich daran unmittelbar eine Rechtsmittelbelehrung an. Diese ablehnende Entscheidung hat die Klägerin als solche auch richtig erfasst als sie Widerspruch erhob (Schreiben vom 17. Januar 2019), diesen eingehend begründete sowie erneut um Zustimmung zu dem Eingriff bat (Schreiben vom 3. Februar 2019). In den Schreiben vom 2. April 2019 und 9. Mai 2019 ging die Beklagte zudem zur weiteren Begründung ihrer ablehnenden Haltung auf den Beschaffungsweg ein, da zu diesem Zeitpunkt die Operation bereits durchgeführt war und sie sich dadurch ihrer Einflussnahmemöglichkeit beraubt sah, und wies den Widerspruch schließlich als unbegründet zurück.

2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Kostenerstattung aufgrund fingierter Genehmigung nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V sind ebenfalls nicht erfüllt.

Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistung zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu informieren (Satz 2). Kann die Beklagte Fristen u.a. nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).

Die Bescheidungsfrist begann an dem Tag nach wirksamer Antragstellung bei der Beklagten (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Vorliegend datiert der Antrag auf den 28. November 2018, den die Beklagte am 4. Dezember 2018 nach ihren unwidersprochenen Angaben erhalten hat. Die demnach – aufgrund der Einbeziehung des MDK und der Mitteilung derselben an die Klägerin mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 (Montag) – am 8. Januar 2019 ablaufende Fünf-Wochen-Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 Fall 2 SGB V (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB) war im Zeitpunkt der Bescheidung des Antrags – dem Tag der Bekanntgabe des Bescheides vom 20. Dezember 2018 und unter Berücksichtigung der Drei-Tages-Fiktion damit dem 23. Dezember 2018 – noch nicht verstrichen. Dafür, dass der Bescheid der Klägerin erst nach Ablauf dieser Frist zuging, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Entsprechendes macht die Klägerin auch selbst nicht geltend.

Ungeachtet dessen ist dann selbst die Drei-Wochen-Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 Fall 1 SGB V gewahrt, da der Bescheid nach der Drei-Tages-Fiktion am 23. Dezember 2018 als bekanntgegeben galt und die Frist erst am 25. Dezember 2018 respektive am 27. Dezember 2018 endete. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob die Weiterleitung an den MDK durch die Beklagte unverzüglich gewesen ist.

3. Die Klägerin kann auch keine Erstattung der bezifferten Aufwendungen nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V beanspruchen. Nach dieser Vorschrift hat eine Krankenkasse, die eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die dadurch entstandenen Kosten für die selbstbeschaffte Leistung, soweit die Leistung notwendig war, zu erstatten.

In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die Klägerin – wovon die Beklagte nicht ausgeht – den Beschaffungsweg eingehalten hat. Ebenfalls kann offen bleiben, ob die Leistung unaufschiebbar i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Variante 1 SGB V gewesen ist, denn es fehlt jedenfalls an einem für beide Alternativen erforderlichen Sachleistungsanspruch (vgl. Helbig a.a.O. Rn. 52). Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 30/16 RBSGE 124, 1; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2019 – B 1 KR 18/19 R – juris, Rn. 8). Ein solcher Anspruch folgt weder aus § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V [dazu unter a)], noch aus § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB V [dazu unter b)] oder § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V [dazu unter c)].

a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

Bei der Klägerin fehlt es an einer behandlungsbedürftigen Erkrankung im Sinne des Gesetzes. Eine Krankheit liegt hier weder in einer körperlichen, behandlungsbedürftigen Fehlfunktion noch in einer Entstellung [dazu unter aa)]. Auch ein Krankheitsrisiko, welches gleichzustellen wäre, ist nicht anzunehmen [dazu unter bb)]. Zugunsten der Klägerin hat der Senat zwar eine psychische Beeinträchtigung unterstellt, diese war indes nicht durch einen chirurgischen Eingriff behandlungsbedürftig [dazu unter cc)]. Es bedurfte auch keiner weiteren Ermittlungen von Amts wegen durch den Senat [dazu unter dd)].

Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit ärztlicher Heilbehandlung oder – zugleich oder allein – Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 – B 1 KR 1/02 R – juris; Fahlbusch in: jurisPK-SGB V, 4. Auflage, § 27 Rn. 22). Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht (BSG, Urteil vom 28. September 2010 – B 1 KR 5/10 R – juris). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist dabei, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird und diese Funktionsbeeinträchtigung durch die notwendige Krankenbehandlung erkannt, geheilt, gelindert oder ihre Verschlimmerung verhütet wird (BSG, Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 69/12 R – juris, Rn 9 m.w.N.; BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 35/15 R – jeweils juris) oder dass er an einer Abweichung leidet, die entstellend wirkt (Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 4. September 2019 – L 16 KR 73/19 – juris, Rn. 25; BayLSG, Urteil vom 4. Juni 2020 – L 20 KR 419/19 – juris, Rn. 36).

aa) Es liegt, da die Klägerin rechts prothesenversorgt wurde, zunächst keine Entstellung vor. Entsprechendes hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Es ist allerdings auch nicht von einer körperlichen Fehlfunktion auszugehen.

(1) Ausweislich der Aktenlage hat es sich bei der vorgenommenen Maßnahme um eine Prophylaxe gehandelt, die – wie durch die behandelnden Ärzte des Brustzentrums durchgängig wiederholt wird – auf Wunsch der Klägerin erfolgt und nach dem Inhalt des ersten OP-Berichts vom 14. November 2018 damals bereits anvisiert worden ist. In beiden Befundberichten hat die behandelnde Ärztin Dr. S mitgeteilt, dass dieser Wunsch zwar medizinisch verständlich gewesen sei, aber keine medizinische Indikation vorgelegen habe. Das diagnostizierte fibrozystische Brustdrüsengewebe sowie die Zyste Mamma links oben/innen bis 4 cm max. Durchmesser US-BIRADS II hat die Klägerin demgegenüber nicht in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt. Sie hatte – so Dr. S weiter – dadurch keine Beschwerden. Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem Befundbericht der behandelnden Gynäkologin Dr. O, die insofern missverständlich mitteilt, dass die Prophylaxe auf Anraten des Brustzentrums durchgeführt worden sei.

(2) Soweit die Klägerin darauf verweist, dass ihr schwer untersuchbares Brustgewebe und die links vorhandenen Zysten von 4 cm Durchmesser einen regelwidrigen und behandlungsbedürftigen Zustand darstellten, folgt der Senat dem nicht. Zunächst wurden durch Dr. S weitere Maßnahmen in Bezug darauf gerade nicht empfohlen. Stattdessen standen der Klägerin die in objektiver Hinsicht erforderlichen Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen zur Verfügung, namentlich ausweislich des Befundberichtes von Dr. S Mammographie-Screening, ggf. Brust-Ultraschall und MRT sowie klinische Untersuchung. Das jährliche Mammographie-Screening als Früherkennungsmaßnahme hat mit klinischer Untersuchung und Sonographie bereits dazu geführt, dass bei der Klägerin das DCIS auf der rechten Seite entdeckt worden ist. Im Anschluss wurde bei der Klägerin u.a. eine Biopsie durchgeführt, wodurch das DCIS bereits bei der Erstvorstellung in der Klinik am 18. Oktober 2018 als gesichert galt. Dass der Befund rechts letztlich doppelt so groß gewesen ist, wie durch diese Untersuchungen absehbar, führt nach Ansicht der behandelnden Ärztin im Befundbericht ebenfalls nicht zu weiteren medizinisch indizierten Maßnahmen.

bb) Auch ein i.S.d § 27 Abs. 1 SGB V berücksichtigungsfähiges – physisches – Krankheitsrisiko lag bei der Klägerin nicht vor.

(1) Das BSG hat in eng begrenzten weiteren Konstellationen, namentlich im Falle eines bloßen Krankheitsverdachts oder Krankheitsrisikos, das Vorliegen einer Krankheit im Rechtsinn auch ohne Funktionsbeeinträchtigung bejaht (BayLSG, Urteil vom 4. Juni 2020 – a.a.O. – Rn. 36 mit Verweis auf Hauck, NJW 2016, 2695). Der Krankheitsbegriff ist nicht statisch, sondern dynamisch (Bundestags-Drucksache [BT-Drs.] 11/2237, S. 170, BayLSG, Urteil vom 4. Juni 2020 – a.a.O., Rn. 37ff.). Dies betrifft maßgeblich Fallgestaltungen, in denen bei einer bestehenden Grunderkrankung Behandlungsbedürftigkeit in Bezug auf das Risiko einer Verschlimmerung oder weiteren Folgeerkrankungen anzunehmen ist (vgl. BSG, Urteile vom 18. November 1969 – 3 RK 75/66BSGE 30, 151; BSG, Urteil vom 20. Oktober 1972 – 3 RK 93/71BSGE 35, 10; BSG, Urteil vom 16. November 1999 – B 1 KR 9/97 RBSGE 85, 132; BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 – B 1 KR 1/02 RBSGE 90, 289; BSG, Urteil vom 17. Februar 2010 – B 1 KR 10/09 R – SozR 4-2500 § 27 Nr. 18, Rn. 16).

Dies liegt nicht vor. Ausweislich der Befundberichte der Frau Dr. S resultierten aus dem DCIS auf der rechten Seite der klägerischen Brust keine Folgemaßnahmen auf der linken Seite. Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen waren – wie bereits ausgeführt – ausreichend.

(2) Zudem wird vertreten, dass bei wertender Betrachtung eine Krankheit – unabhängig davon, ob bereits akute Funktionsbeeinträchtigungen zu verzeichnen sind – vorliegen kann, wenn, basierend auf Fakten, künftig eine schwerwiegende Erkrankung mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, wobei die jeweiligen Chancen bei frühzeitiger Behandlung gut sind, der zu erwartende Schaden bei nicht frühzeitig, also nicht präventiv behandeltem Krankheitsverlauf dagegen dauerhaft und schwer ist (vgl. Hauck, a.a.O., 2698; BayLSG, Urteil vom 4. Juni 2020 – a.a.O., Rn. 36). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat für den Fall des (genetisch bedingten) erhöhten Brustkrebsrisikos aus der Rechtsprechung des BSG abgeleitet, dass ein regelwidriger Körperzustand nicht allein aus dem Umstand des Bestehens einer Genmutation resultiere, sondern aus einem signifikant erhöhten Risiko folge, an Brustkrebs zu erkranken. Dem Erkrankungsrisiko komme Krankheitswert zu, wenn der betreffenden Person im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung nicht zuzumuten sei, dem Geschehen seinen Lauf zu lassen und sich auf die Inanspruchnahme von Früherkennungsmaßnahmen zu beschränken. In die Risikobewertung einzubeziehen sei einerseits das individuelle Risiko, innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu erkranken, andererseits auch, ob Früherkennungsmaßnahmen vorhanden seien, die hinreichend sensitiv seien, um bei einer festgestellten Brustkrebserkrankung gute Heilungschancen zu bieten (BVerwG, Urteil vom 28. September 2017 – 5 C 10/16BVerwGE 160, 71, Rn. 15; sich dem anschließend: BayLSG, Urteil vom 4. Juni 2020 – a.a.O., Rn. 46).

Ob dem zu folgen ist, kann offen bleiben, denn bei der hier relevanten Maßnahme handelt es sich um einen schwerwiegenden invasiven Eingriff in ein gesundes Organsystem. Eine operative Leistung kommt insofern nur als Ultima Ratio in Betracht. Es darf demnach keine Alternative bestehen. Dies ist grundsätzlich unter Beachtung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse zu prüfen. Im vorliegenden Fall kann dafür die Interdisziplinäre S3-Leitlinie für Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms (Hier: Langversion 4.1 – September 2018 AWMF-Registernummer: 032-045OL [S3-Leitlinie]) herangezogen werden. Es handelt sich hierbei um eine systematisch entwickelte Hilfe für Ärzte, die zwar für Verwaltung und Gerichte nicht rechtlich bindend ist, aber auch für diese eine wichtige Entscheidungshilfe darstellt (so BayLSG, Urteil vom 4. Juni 2020 – a.a.O., Rn. 49ff., 53f. mit Verweis auf Hessisches LSG, Urteil vom 5. Juli 2016 – L 1 KR 116/15 und BayLSG, Urteil vom 4. Dezember 2018 – L 20 KR 191/16; Hanten, jurisPR-MedizinR 11/2020 Anm. 2).

(a) Ausweislich der S3-Leitlinie wird eine risiko-reduzierende Operation (prophylaktische Mastektomie) bei gesunden BRCA1/2-Mutationsträgerinnen im Rahmen eines starken Konsenses (level of evidence 2a) empfohlen (S3 Leitlinie Ziff. 3.19; S. 60 [so auch in der Langversion 4.3, Februar 2020, S. 62f.]) und ausgeführt:

  • „Gesunde Frauen mit einer BRCA1 oder BRCA2-Mutation haben ein lebenszeitlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Mammakarzinoms.
  • Bei gesunden Frauen mit einer pathogenen BRCA1- oder BRCA2-Genmutation führt die beidseitige prophylaktische Mastektomie zu einer Reduktion der Brustkrebsinzidenz. Eine Reduktion der Brustkrebsspezifischen Mortalität bzw. der Gesamtmortalität durch die beidseitige prophylaktische Mastektomie ist nicht ausreichend gesichert.
  • Daher setzt eine Einzelfallentscheidung für oder gegen eine bilaterale prophylaktische Mastektomie stets fallbezogen eine umfassende Aufklärung und ausführliche multidisziplinäre Beratung über potentielle Vor- und Nachteile eines solchen Eingriffs mit Berücksichtigung der möglichen Alternativen voraus.“

 

Hinsichtlich Frauen aus BRCA1/2 negativ getesteten Risikofamilien wird demgegenüber erläutert (S3-Leitlinie, S. 61):

„Für gesunde Frauen oder bereits an einem Mammakarzinom erkrankte Frauen aus BRCA1/2 negativ getesteten Risikofamilien ist der Nutzen prophylaktischer Operationen nicht belegt [149]. Die Indikationen sollten daher sehr streng gestellt werden. Dies gilt ebenfalls für Frauen mit Nachweis einer Mutation in einem Nicht-BRCA1/2-Risikogen.“

Ferner heißt es unter Ziff. 3.22 (S3-Leitlinie, S. 63) im Rahmen eines starken Konsenses (level of evidence 2a) bezüglich der risiko-reduzierenden Operation bei Risikopersonen ohne nachgewiesene pathogene (IARC class 4/5) BRCA1/2-Mutation:

„Bei Frauen ohne nachgewiesene BRCA1- oder BRCA2-Genmutation ist der Nutzen einer prophylaktischen oder sekundär prophylaktischen kontralateralen Mastektomie nicht nachgewiesen.“

Die beidseitige prophylaktische Mastektomie (BPM) senkt dabei das Risiko für eine Brustkrebserkrankung um über 95%. Ein Effekt der BPM auf die Reduktion der brustkrebsspezifischen Mortalität ist nicht abschließend gesichert. Ob die BPM einen Einfluss auf das Gesamtüberleben hat, ist bisher nicht ausreichend belegt (S3-Leitlinie, S. 63).

(b) Unter Berücksichtigung dessen war der prophylaktische Eingriff zum Zeitpunkt seiner Durchführung unter Beachtung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse bereits nicht medizinisch indiziert und insofern auch nicht die einzige objektiv medizinisch erfolgversprechende Handlungsoption.

Anhaltspunkte für eine familiäre Prädisposition an Brustkrebs zu erkranken, sind bei der Klägerin nicht festzustellen. Bereits aus ihrem Vortrag ergeben sich keine familiären Brustkrebserkrankungen. Auch bestand – nach entsprechender Erläuterung durch Dr. S in ihrem Befundbericht – keine Veranlassung, die Klägerin auf eine Mutation des BRCA1- oder BRCA2-Gens zu testen, denn das Vorliegen einer Genmutation sei bei der Klägerin „sehr unwahrscheinlich“. Die Klägerin ist bisher auch nicht an invasivem Brustkrebs erkrankt. Bei dem DCIS handele es sich um eine Vorstufe davon, wobei die Prognose „exzellent“ sei, worauf Frau Dr. S in ihrem Befundbericht hinweist. Bei Frauen – wie der Klägerin – ohne nachgewiesene BRCA1- oder BRCA2-Genmutation ist nach der S3-Leitlinie der Nutzen einer prophylaktischen oder sekundär prophylaktischen kontralateralen Mastektomie jedoch gerade nicht nachgewiesen. Stattdessen wurde bereits ausgeführt, dass der Klägerin Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen zur Verfügung standen.

cc) Eine psychische Indikation kann die vorbeugende Mastektomie vorliegend ebenfalls nicht rechtfertigen.

(1) Dabei kann der Senat zunächst eine psychische Erkrankung zugunsten der Klägerin in Form der durch die Psych. B festgestellten Karzinophobie als wahr unterstellen. Die Beklagte hat dies nicht bestritten. Die Karzinophobie (F 45.2) gehört nach dem ICD-10-Code zu den hypochondrischen Störungen und wird in die somatoforme Störung eingeordnet (Dt. Ärzteblatt 2010, 556). Es handelt sich nach der Psych. B um eine krankhaft übersteigerte Angst vor einer eigenen Krebserkrankung.

(2) Der durchgeführte chirurgische Eingriff war indes nicht notwendig i.S.d. § 27 Abs. 1 SGB V, um diese psychische Erkrankung zu heilen oder zu lindern.

Neben dem regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand ist zusätzlich die Behandlungsbedürftigkeit als zweites Definitionsmerkmal des Krankheitsbegriffs erforderlich. Krankenbehandlung ist notwendig, wenn der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand die körperlichen oder geistigen Funktionen in so erheblichem Maße beeinträchtigt, dass ihre vollständige oder teilweise Wiederherstellung der ärztlichen Behandlung bedarf. Die Notwendigkeit einer Krankenbehandlung besteht nur dann, wenn die Krankheit überhaupt einer Behandlung zugänglich, also behandlungsfähig ist. D.h. es müssen therapeutische Methoden zur Behandlung der Krankheit zur Verfügung stehen (Fahlbusch a.a.O. § 27 Rn. 35, 39).

(a) Dabei muss die Krankenkasse den Versicherten grundsätzlich jedoch nicht mit jeglichem Mittel versorgen, das seiner Gesundheit förderlich ist oder für sich in Anspruch nimmt, auf die Krankheit einzuwirken; vielmehr mutet das Gesetz dem Versicherten zu, teilweise selbst für seine Gesundheit zu sorgen (§ 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – a.a.O.). Die höchstrichterliche Rechtsprechung verneint mithin im Grundsatz eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen – wie hier – nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R – juris, Rn. 16f.). In Bezug auf Operationen am – krankenversicherungsrechtlich betrachtet – gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich damit grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (BSGE 100, 119, Rn. 18 m.w.N., BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 20, Rn. 13 ff.). Psychische Erkrankungen – außerhalb des Transsexualismus (BSG, Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 69/12 RNZS 2014, 457) – begründen demnach nur einen Anspruch auf Behandlungsmaßnahmen mit den Mitteln der Psychiatrie oder Psychotherapie (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 RNZS 2009, 95; BSG, Urteil vom 28. September 2010 – B 1 KR 5/10 R – SozR 4-2500 § 27 Nr. 20; Prange, NZS 2019, 870). Vordergründig betrachtet mögen sich die Auslöser von Ängsten kurzfristig chirurgisch entfernen lassen. Eine nachhaltige, kausale Therapie ist jedoch allein auf psychotherapeutischem Wege möglich (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 4. September 2019 – a.a.O., Rn. 28). Dementsprechend besteht für eine Operation am gesunden Körper zur Behebung der psychischen Störung selbst dann keine Leistungspflicht der Krankenkasse, wenn der Versicherte eine psychiatrische Behandlung ablehnt (Knispel in: BeckOK-SGB V, Stand: Juni 2020, § 27 Rn. 11).

Allein das subjektive Empfinden eines (psychisch erkrankten) Versicherten, dass eine regelwidrige physische Fehlfunktion vorliegt, die aber objektiv keinen solchen Krankheitswert begründet, vermag insofern die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – a.a.O.). Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse und – bei der Frage, ob eine Entstellung besteht – der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSG, Urteil vom 11. September 2012 – a.a.O., Rn. 17). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt.

Die insofern zusätzlich zu fordernde Rechtfertigung für einen operativen Eingriff am gesunden Körper zur Behebung von psychischen Störungen hat das BSG vor allem wegen der Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose in ständiger Rechtsprechung verneint (z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – a.a.O.; vgl. zur Rechtfertigungsabstufung mittelbarer Behandlungen: Fahlbusch a.a.O. § 27 Rn. 47, 48). Der damit aufgestellte Grundsatz ist nur dann zu überprüfen, wenn sich die wissenschaftliche Bewertung der generellen psychotherapeutischen Eignung chirurgischer Eingriffe wesentlich geändert hätte (BSG, Urteil vom 28. September 2010 – a.a.O., Rn. 14 m.w.N.). Als Maßstab ist dabei ausdrücklich nicht der jeweilige Einzelfall heranzuziehen, sondern generelle medizinische Erkenntnisse (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – a.a.O.). Dies gilt jedenfalls so lange, wie medizinische Kenntnisse zumindest Zweifel an der Erfolgsaussicht von Operationen zur Überwindung einer psychischen Krankheit begründen (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – a.a.O.).

(b) Eingedenk dieser Grundsätze, der durchgeführten medizinischen Ermittlungen und des Vortrages der Beteiligten bestehen zur Überzeugung des Senats keine Anhaltspunkte für eine Abweichung von dem Grundsatz, wonach die wissenschaftliche Bewertung nicht von einer generellen psychotherapeutischen Eignung chirurgischer Eingriffe ausgeht. Insbesondere ist für den Senat nicht ersichtlich und kann auch der Stellungnahme der Psych. B so nicht entnommen werden, dass nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse im Falle einer psychischen Erkrankung – hier einer Karzinophobie – generell und zweifellos ein chirurgischer Eingriff als medizinisch indiziert angesehen wird (vgl. zu anderen psych. Erkrankungen und operativen Eingriffen: BSG, Urteil vom 28. September 2010 – a.a.O., Rn. 14; BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – a.a.O., Rn. 18). Auch das zweite MDK-Gutachten geht stattdessen im Wesentlichen von der psychologischen Behandlungsfähigkeit der Karzinophobie aus. Mithin bestanden psychotherapeutische und auch medikamentöse Therapiemöglichkeiten für die aufgetretene psychische Belastung der Klägerin (ebenso bei der vorsorglichen Entfernung des Brustdrüsengewebes bei ausgedehnter Fibroadenome und daraus resultierender Krebsangst: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 4. September 2019 – a.a.O., Rn 28f.).

Gegenteiliges hat die Klägerin auch nicht vorgetragen, sondern stattdessen ausgeführt, dass konkret in ihrem Fall eine medizinische Indikation vorgelegen habe. Entgegen ihres Ansatzes kommt es vorliegend allerdings nicht auf eine Beurteilung im Einzelfall an.

(aa) Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Ansicht der Klägerin auch die behandelnde Ärztin Dr. Moers widersprochen hat, als sie die Notwendigkeit der prophylaktischen Mastektomie verneinte. Ihre Einschätzung kann dabei als maßgeblich unterstellt werden. Sowohl nach dem Vortrag der Klägerin („Wahrnehmung der psychoonkologischen Betreuung als Angebot der Klinik“) als auch nach dem Verständnis der Psych. B, die ihre psychologische Stellungnahme unter Bezugnahme auf die Stellungnahme von Dr. S auf dem Briefbogen des Brustzentrums abgegeben hat, den vorliegenden Protokollen der Tumorkonferenz, die eine psychoonkologische Betreuung im Rahmen der Behandlung vorsehen, den beigezogenen Auszügen aus der Internetpräsenz des Brustzentrums sowie der Broschüre („Brustzentrum L: Meilensteine-Menschen-Motivation-Mut“) gehört die psychoonkologische Betreuung der dortigen Patientinnen zu dem im Brustzentrum verfolgten interdisziplinären Therapiekonzept. Eine entsprechende Konzeption entspricht dem medizinischen Standard, wie aus der S3-Leitlinie (S. 36, 64) folgt, die ebenfalls von einer interdisziplinären Versorgungsstruktur ausgeht, welche auch psychoonkologische Angebote beinhaltet. Angesichts dessen kann der Senat nur davon ausgehen, dass im Rahmen des ganzheitlichen und individuellen Konzeptes der Klinik (vgl. z.B. Broschüre S. 3) die psychoonkologischen Erkenntnisse der Frau B, die auch Einflüsse auf das somatische Therapiekonzept haben können, in die Behandlungsentscheidung der behandelnden Ärzte miteingeflossen sind. Insofern verweist Dr. S auch schlüssig darauf, dass die Klägerin keine Beschwerden in der linken Brust, sondern „lediglich Angst vor einer Krebserkrankung“ geäußert habe (Befundbericht vom 10. November 2021). Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage erkennbar.

(bb) Ebenfalls ergänzend bleibt anzumerken, dass es auch an einem wissenschaftlich fundierten Nachweis fehlt (grundlegend: BSG, Urteil vom 5. Juli 1995 – 1 RK 6/95 – BSGE 76, 194), worauf die lediglich konkludente und insofern auch nicht substantiierte Annahme der Klägerin beruht, dass es bei ihr nicht zu einer sog. Symptomverschiebung kommen könnte (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – a.a.O.). Dabei wäre zu beachten gewesen, dass maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt im Rahmen der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V spätestens die durchgeführte Behandlung ist (Helbig a.a.O. § 13 Rn. 55). Es kommt also nicht darauf an, ob die Maßnahme – wie die Klägerin vorträgt – ex post erfolgreich gewesen ist. Diesbezüglich bedurfte es auch keiner weiteren Beweiserhebung durch den Senat, denn zum einen kam es nach den Vorstehenden auf diesen Aspekt letztlich nicht mehr an und zum anderen ist der Senat nicht zur Erhebung von Ausforschungsbeweisen verpflichtet (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 33/11 R – juris, Rn. 26; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Oktober 2019 – a.a.O., Rn. 55 m.w.N.; nachgehend dazu: BSG, Beschluss vom 17. Dezember 2020 – B 1 KR 89/19 B - juris; Mushoff in: jurisPK-SGG, Stand: 12/2021, § 103 Rn. 79).

dd) Aus den obigen Ausführungen folgt darüber hinaus, dass sich der Senat nicht zu einer weiteren Beweiserhebung von Amts wegen gedrängt sehen musste. Er war auch nicht veranlasst über etwaige Beweisanträge der anwaltlich vertretenen Klägerin zu entscheiden, denn die noch mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2021 angekündigten Beweisanträge wurden weder im Termin der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Protokoll gestellt noch dort zumindest hilfsweise aufrechterhalten (BSG, Beschluss vom 14. Oktober 2016 – B 1 KR 59/16 B – juris, Rn. 5), so dass sie als erledigt gelten (BSG, Beschluss vom 31. August 2015 – B 9 V 26/15 B – juris, BSG, Beschluss vom 27. August 2020 – B 9 SB 4/20 B – juris, Rn. 10; BSG, Beschluss vom 14. Oktober 2016 – B 1 KR 59/16 B, juris; Mushoff a.a.O. § 103 Rn. 83; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 106 Rn. 5d; Bieresborn in: Plagemann, Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, 5. Auflage 2018, § 47 Rn. 38). Auf ihre Zulässigkeit kommt es indes nicht mehr an.

b) Es lässt sich auch aus § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB V kein primärrechtlicher Sachleistungsanspruch herleiten.

Danach haben Versicherte Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- , Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese notwendig sind, um Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden. Eine (vorbeugende) Brustamputation kann lege artis nur als stationäre Krankenhausbehandlung durchgeführt werden, wie sie Teil des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V ist. Dagegen umfasst der Anspruch auf stationäre medizinische Vorsorgeleistungen lediglich Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer zugelassenen Vorsorgeeinrichtung (vgl. § 23 Abs. 4 SGB V), wo eine Mastektomie nicht vorgenommen werden kann (BayLSG, Urteil vom 4. Juni 2020 – a.a.O., Rn. 77).

c) Ein solcher primärrechtlicher Sachleistungsanspruch folgt letztlich auch nicht aus § 27 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V.

Auch ein grundrechtsorientierter Leistungsanspruch unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V kommt für die Klägerin nicht in Betracht. Die Klägerin ist keine "Versicherte mit einer lebendbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung" im Sinne von § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V. Denn nach den obigen Ausführungen stellt weder das (abstrakte) Erkrankungsrisiko der Klägerin eine Erkrankung im Rechtssinne dar (so auch BayLSG, Urteil vom 4. Juni 2020 – a.a.O., Rn. 79) noch handelt es sich bei der Karzinophobie um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder um eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung.

III. Die Berufung ist auch nicht im Sinne einer Zurückverweisung an das SG begründet. Das Landessozialgericht kann nach § 159 Abs. 1 SGG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (Nr. 1) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. (Nr. 2). Der seitens der Klägerin gerügte wesentliche Verfahrensmangel liegt nicht vor. Zwar hat die anwaltlich vertretene Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren schriftsätzlich Beweisanträge gestellt, deren Zulässigkeit jedoch offen bleiben kann, denn anschließend hat sie durch Schriftsatz vom 7. August 2020 vorbehaltlos ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt, wodurch sich diese Anträge gleichfalls erledigt haben (BSG, Beschluss vom 1. September 1999 – B 9 V 42/99 BSozR 3-1500 § 103 Nr. 16; Mushoff a.a.O., Rn. 83; für den Fall des § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG: BSG, Beschluss vom 3. April 2020 – B 9 SB 71/19 B – juris, Rn. 11).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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