Versicherte, die in Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Krankengeld haben, weil sie nicht in der GKV oder in der GKV nicht mit Anspruch auf Krankengeld versichert waren, können in dieser Zeit keine Anrechnungszeiten erwerben (§ 58 Abs 3 SGB VI). Diese Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sind auch keine Verlängerungstatbestände gemäß § 43 Abs 4 Nr 3 SGB VI.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.02.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger macht einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente ab Mai 2017 geltend.
Der 1961 geborene Kläger erlernte von 1982 bis 1985 den Beruf des Industriekaufmanns und absolvierte von 1988 bis 1990 eine Weiterbildung zum Betriebswirt. Den ersten Pflichtbeitrag (berufliche Ausbildung) zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtete er am 01.07.1982. Er war zuletzt bei verschiedenen Firmen als Betriebswirt im Export versicherungspflichtig beschäftigt. Sein letztes Anstellungsverhältnis wurde seitens der Arbeitgeberin aus betriebsbedingten Gründen zum 30.06.2016 gekündigt. Seitdem war der Kläger nicht mehr erwerbstätig. Nach dem 01.07.2016 war er auch nicht wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit oder einem zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch als Arbeitsuchender gemeldet. Der Kläger ist privat krankenversichert. Von seiner privaten Versicherung erhielt er zunächst Krankentagegeld; seit Januar 2017 betrachtet ihn die private Versicherung als berufsunfähig, weil er im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig sei (Schreiben der B Versicherungen vom 06.02.2017). In der Zeit von 31.05.2012 bis zum 30.05.2017 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) entrichtet; insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden.
Vom 18.10.2016 bis zum 13.12.2016 befand sich der Kläger in stationärer psychosomatischer Behandlung in der Akutklinik U, einer Privatklinik für Psychosomatik und Psychotherapie in W. Im Bericht der Klinik über diesen stationären Aufenthalt vom 16.12.2016 werden folgende Diagnosen genannt:
Mittelgradige depressive Episode (F32.1)
Neurasthenie (F48.0)
Abhängigkeits-Syndrom von Nikotin (F17.2)
Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung (Z73)
Chronisches LWS-Syndrom (M47.09).
Der Kläger wurde als weiterhin arbeitsunfähig betrachtet; ihm wurde zu einer ambulanten Psychotherapie sowie zu einer Intervalltherapie mit stationärer Wiedervorstellung im Frühjahr zur vertieften Bearbeitung geraten, wenn sich sein Zustand verschlechtere auch schon früher.
Am 31.05.2017 beantragte der Kläger die streitgegenständliche Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung machte er Burnout, Müdigkeit, Schlafstörungen, Depression und Rückenschmerzen geltend. Die Beklagte holte im Verwaltungsverfahren das Gutachten des M, T, vom 14.11.2017 ein, welches auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 14.11.2017 beruht. Der Gutachter diagnostizierte beim Kläger eine Anpassungsstörung (ICD F43.2) und vertrat die Auffassung, dass keine relevanten sozialmedizinischen Einschränkungen zu erkennen seien. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 08.01.2018 und Widerspruchsbescheid vom 03.07.2018 ab.
Am 11.07.2018 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung der Klage hat er ua ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten des Arztes für R vom 24.08.2018/15.09.2018 vorgelegt. Darin geht R ua von einer psychoneurotischen Depression aus. Ferner heißt es in dem Gutachten, der Kläger habe seit Jahren eine Neigung zu Alkohol und rauche zu viel. Mehrfache Enttäuschungen im Arbeitsbereich habe er nicht kompensieren können. Er neige zu passiven Reaktionen mit Rückzug, Vermeidungsverhalten und Selbstmitleid. Eine 4 bis 6-stündige Tätigkeit im Bürobereich halte er noch für zumutbar. Längerfristig erscheine die Prognose nach dem bisherigen Verlauf eher ungünstig.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Herr W1, hat mitgeteilt, beim Kläger liege eine mittelgradige Depression vor. Er sei in der Lage, noch leichte Tätigkeiten drei bis sechs Stunden täglich zu verrichten (Schreiben vom 06.10.2018). D, hat die an den Behandlungstagen gestellten Diagnosen aufgelistet (Schreiben vom 17.10.2018).
Anschließend hat das SG beim G von Amts wegen ein Gutachten eingeholt. In dem Gutachten vom 29.04.2019 stellt der Sachverständige auf seinem Fachgebiet folgende Diagnose:
1. Rezidivierende depressive Störung - derzeit etwa mittelgradige Ausprägung
2. Schädlicher Gebrauch von Nikotin - Nikotin-Abhängigkeit
3. Hinweise für schädlichen Alkoholgebrauch - Verdacht auf Alkoholabhängigkeit
Psychopathologisch sei allenfalls ein mäßig bis mittelgradiges Depressionsgeschehen feststellbar, wobei allerdings keine Hinweise bestünden für etwaige psychomotorische Hemmungen oder Blockaden. Differentialdiagnostisch könne noch an eine sog Neurasthenie gedacht werden. Diese sei von einer Depressionserkrankung schwer abgrenzbar. Gegen eine Neurasthenie spreche, dass der Kläger jahrelang als Exportleiter gearbeitet habe und erst durch arbeitsplatzbedingte und partnerschaftliche Enttäuschungen in einen Depressionszustand geraten sei. Unter Beachtung und Würdigung der Depressionssymptome müssten leichtere Bürotätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden möglich sein.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ferner noch N, R1, gutachtlich gehört. In seinem Gutachten vom 28.08.2019 hat dieser ausgeführt, die diagnostische Einschätzung des G im Sinne einer mittelgradigen depressiven Episode decke sich nicht nur mit den Einschätzungen der behandelnden Ärzte, sondern auch mit seinen Feststellungen. Der Kläger könne seiner Auffassung nach aber nur noch leichte Bürotätigkeiten zwischen drei und unter sechs Stunden täglich durchführen. Eine vollschichtige Tätigkeit komme aufgrund der depressiven Symptomatik (rasche Erschöpfbarkeit, Antriebstörung) nicht in Betracht. Aufgrund des inzwischen chronifizierten Verlaufs rechne er nicht mit einer kurzfristigen Besserung.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21.02.2020, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 27.02.2020, abgewiesen. Das SG hat sich der Leistungseinschätzung durch G angeschlossen.
Am 02.03.2020 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und diese mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 23.09.2020 begründet. Entgegen der Einschätzung des SG sei das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers in renten-relevantem Maß eingeschränkt. Dies ergebe sich aus der Einschätzung des (gerichtlichen) Sachverständigen N, des R und des sachverständigen Zeugen W1. Die Einschätzung des von Amts wegen gehörten Sachverständigen G im Gutachten vom 29.04.2019 überzeuge vor dem Hintergrund der entgegenstehenden Befunderhebungen von Herrn W1 in der sachverständigen Zeugenauskunft vom 06.10.2018 (Affektivität: Stimmung zum depressiven Pol hin verschoben, leichte Angstsymptomatik, Antrieb und Psychomotorik: leicht vermindert, Inhalt des Denkens: auf die Beschwerden bzw auf die depressive Symptomatik konzentriert, leichter sozialer Rückzug) und N im Gutachten vom 28.08.2019 (anamnestische Hinweise auf eine Beeinträchtigung des Konzentrationsvermögens, deutliche Antriebsstörung, psychomotorisch verlangsamt, stimmungsmäßig gedrückt, affektiv kaum schwingungsfähig, erhebliche Selbstentwertungstendenzen, verarmte Mimik mit ernstem, starrem Gesichtsausdruck, leise, verlangsamte Sprache, Klagen über Unfähigkeit, sich freuen zu können, ausgeprägte soziale Rückzugstendenzen, anamnestisch Beeinträchtigung des Nachtschlafs, vor allem mit morgendlichem Früherwarten) nicht. G schreibe zum Befund, der Kläger wirke moros-dysphorisch, etwa mittelgradig depressiv in der Stimmungslage herabgesenkt, in affektiver Hinsicht imponiere eine mäßiggradige Anspannung und etwa mittelgradige Reduzierung der affektiven Schwingungsfähigkeit, der Kläger lasse sich kaum erheitern, es bestehe subjektiv reduzierte Hedonie, das formale Denken erscheine eingeengt auf psychische und somatische Beschwerden. Angaben zum Antrieb fehlten. Da die Leistungseinschätzung von N mit der raschen Erschöpfbarkeit und Antriebsstörung begründet werde, überzeuge die Leistungseinschätzungen von G mangels vollständiger Befunderhebung nicht. N weise auf Seite 17 seines Gutachtens darauf hin, dass er im Gegensatz zu G nicht den Eindruck gehabt habe, dass der Kläger in der Lage sei, regelmäßig Freizeitunternehmungen nachzugehen, längere Strecken Auto zu fahren und Urlaubsaufenthalte zu absolvieren. Er sei bei der Führung seines Haushaltes zwar nicht ständig auf fremde Hilfe angewiesen, nehme aber durchaus die Unterstützung des ihn regelmäßig besuchenden Bruders in Anspruch. Diesbezüglich sei darauf hinzuweisen, dass die Angaben des Klägers zur Tagesgestaltung im Gutachten von G auf Seite 18 bei weitem nicht so differenziert wiedergegeben würden wie die Angaben zum Tagesablauf im Gutachten von N auf Seite 10. Dort sei zu lesen, dass der Kläger seine Wohnung kaum verlasse, wenn er sehe, dass sich die Nachbarn auf dem Balkon aufhielten, er in der Wohnung bleibe, um nicht etwa in ein Gespräch verwickelt zu werden. Zwei bis dreimal in der Woche komme der in der Nähe lebende Bruder vorbei und unterstütze ihn manchmal bei der Hausarbeit, die der Kläger ansonsten alleine, „zeitlupenmäßig", erledige. Der Kläger lebe von Dosennahrung und von Fertigpizza, koche sich kein Essen. Vielleicht einmal in der Woche esse er auswärts. Der Kläger habe keine Hobbys, treibe keinen Sport, früher habe er Fußball gespielt. Es werde im Übrigen darauf hingewiesen, dass der Kläger unmittelbar nach der Behandlung in der Akutklinik U bei seiner privaten Krankenversicherung eine stationäre psychiatrische Behandlung bzw Rehabilitation beantragt habe. Eine solche sei ihm allerdings nicht gewährt worden. Im Nachgang habe er sich sodann bei M1 und anschließend bei Herrn W1 vorgestellt. Ihm könne somit nicht vorgeworfen werden, keine ausreichende Behandlung durchgeführt zu haben. Von R sei der Kläger im Übrigen bei der Untersuchung am 23.01.2017 für berufsunfähig erklärt worden. Ihm sei sodann eine private Berufsunfähigkeitsrente gewährt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.02.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.05.2017 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Auskunft des Arztes W1 vom 04.01.2021 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, er habe den Kläger vom 01.07.2016 bis 03.06.2020 behandelt. Seit dem 01.07.2020 habe er aus Altersgründen seine Praxis geschlossen. Die Behandlungsfrequenz habe sich seit dem 01.10.2018 verändert. In der Zeit vom 21.08.2019 bis 03.06.2020 habe er den Kläger einmal in Monat gesehen und behandelt [Anm.: vorher 14-tätgig, siehe Gutachten G Bl 95 SG-Akte]. Der Kläger leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode ICD-10 F 33.1. Der Kläger habe ein Antidepressivum bzw Venlafaxin, 150 mg Retard 1x1 Tablette erhalten und es seien psychiatrische Gespräche geführt worden. Es seien keine wesentlichen Veränderungen eingetreten. Der Kläger sei soweit stabil gewesen, dass eine stationäre Behandlung nicht notwendig gewesen sei.
Seit dem 02.03.2021 befindet sich der Kläger in Behandlung bei der S1. Diese hat dem Senat auf Nachfrage mitgeteilt (Schreiben vom 14.04.2021), dass zunächst probatorische Sitzungen durchgeführt worden seien. Sie hat außerdem geschildert, welche Ziele bei der Behandlung angestrebt werden. Auf eine spätere Anfrage des Senats hat sie ergänzend ausgeführt (Schreiben vom 06.09.2021), es sei eine Langzeittherapie von 60 Sitzungen bewilligt worden. Die Behandlungen fänden 2-wöchentlich à 50 Minuten statt.
Anschließend hat der Senat von Amts wegen beim S das auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers beruhende nervenärztliche Gutachten vom 07.10.2021 eingeholt. Der Sachverständige hat in seiner sozial-medizinischen Beurteilung dargelegt, allgemein körperlich und neurologisch bestünden keine leistungsrelevanten Erkrankungen. Psychiatrisch sei seit 2016 von einer depressiven Erkrankung ohne durchgreifende oder längere Besserungsphasen auszugehen. Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten einer Depression seien beim Kläger sicher nicht ausgeschöpft. Aller-dings stelle sich bei der mehrjährigen Erkrankungsdauer und ohne dokumentierte Remissions-phasen die Frage, ob durch eine erneute stationäre psychiatrische Krankenhausbehandlung so-wie durch eine adäquate leitliniengerechte Medikation (bspw Höherdosierung von Venlafaxin auf 225 oder 300 mg, Zugabe von Lithium zur Augmentation) in einem überschaubaren Zeitraum eine durchgreifende Besserung und Stabilisierung zu erwarten wäre, so dass eine regelmäßige, mindestens sechsstündige Tätigkeit ohne Gefahr für die Gesundheit möglich wäre. Aufgrund der beim Kläger vorliegenden ungünstigen Faktoren rechne er nicht mehr damit, dass die bei der jetzigen Begutachtung feststellbaren deutlichen psychischen Funktionsstörungen, die sich auf alle für eine Leistungserbringung relevanten Funktionsbereiche bezögen (Stimmung, Antrieb, Denken, Konzentration, soziale Aktivitäts- und Interaktionsfähigkeit), in einem Zeitraum von sechs Monaten so zu bessern und zu stabilisieren seien, dass eine regelmäßige, mindestens sechsstündige Tätigkeit ohne Gefahr für die Gesundheit wieder möglich wäre. Den Beginn des Eintritts der quantitativen Leistungsminderung sehe er nicht ab Antragstellung 05/2017, da zu diesem Zeitpunkt das Störungsbild rein von der Zeitdauer der dokumentierten Störung ab 2016 her noch nicht als chronifiziert einzustufen gewesen sei (davon gehe er erst ab einer Zeitdauer von über zwei Jahren aus) und da zu diesem Zeitpunkt durchaus noch habe gehofft werden können, dass es durch eine Intensivierung der Behandlung innerhalb von sechs Monaten zu einer weiteren Besserung komme. Bei der Begutachtung durch den Nervenarzt G 2019 sei es bei damals bereits anzunehmender Chronifizierung etwas euphemistisch gewesen, wenn er davon ausgehe, dass durch eine Behandlung in einem überschaubaren Zeitraum eine deutliche Besserung zu erreichen sei, spätestens sei dies nach seiner Einschätzung dann nicht mehr zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Nervenarzt N 2019 zu erwarten gewesen, als dieser unverändert eine mittelgradige depressive Episode beschrieben habe. Spätestens ab diesem Zeitpunkt gehe er von einer quantitativen Leistungsminderung aus, wie sie auch N in seinem Gutachten feststelle. Sozialmedizinisch entscheidend sei, dass nicht nur eine Besserung einer Störung eintreten müsse, sondern es müsse nach mehrjähriger Erkrankungsdauer auch eine solche Stabilität erreicht werden, dass eine Tätigkeit wieder ohne Gefahr für die Gesundheit möglich sei, dh, dass es nicht sofort wieder zu einer erneuten Verschlechterung hin zu einer mittelgradigen oder schweren depressiven Episode komme.
Die Beklagte hat zu diesem Gutachten mit Schriftsatz vom 01.12.2021 ausgeführt, nach Rücksprache mit dem beratungsärztlichen Dienst werde Folgendes festgestellt: Es werde ein Leistungsfall seit dem 27.08.2019 anerkannt. Zu diesem Leistungsfall seien jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Ein Anspruch auf teilweise bzw volle Erwerbsminderungsrente bestehe daher weiterhin nicht.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hat der Kläger hierauf erwidert, entgegen der Ansicht der Beklagten sei er der Auffassung, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente wegen Erwerbsminderung auch bei einem Leistungsfall im August 2019 noch erfüllt seien. Der Kläger sei seit 17.05.2016 durchgehend arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei gemäß § 43 Abs 4 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu berücksichtigen. Es lägen Pflichtbeiträge von Juli 2013 bis Juni 2016 (36 Monate) und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis laufend vor. Selbst wenn Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen lediglich bis Mai 2019 berücksichtigt werden sollten, lägen die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch bis Juni 2021 vor.
Parallel zu dem vorliegenden Berufungsverfahren hat der Kläger bei der Beklagten die Vormerkung von Anrechnungszeiten für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 30.06.2021 beantragt. Dies hat die Beklagte mit Bescheid vom 25.02.2022 abgelehnt mit der Begründung, eine Vormerkung als Anrechnungszeit sei nicht möglich, weil die Versicherungspflicht nicht innerhalb von 3 Monaten beantragt worden sei, nachdem eine Sozialleistung begonnen hatte.
Auf Nachfrage des Klägers hat der Senatsvorsitzende mit Schreiben vom 16.03.2022 darauf hingewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 25.02.2022 nicht gemäß §§ 153 Abs 1, 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei. Die darin verfügte Ablehnung von Anrechnungszeiten ändere weder den angefochtenen Bescheid (Rentenablehnung), noch betreffe die Regelung dieses Bescheides den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens. Die im Bescheid vom 25.02.2022 getroffene Regelung sei allerdings für die Entscheidung des Berufungsverfahrens vorgreiflich, weil eine Anerkennung der geltend gemachten Zeiten zu einem Anspruch auf Erwerbsminderungsrente führen dürfte. Stünde umgekehrt fest, dass der Bescheid vom 22.05.2022 rechtmäßig ist, dürfte die Gewährung der Erwerbsminderungsrente ausscheiden, weil in diesem Fall die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nicht nur deshalb keine Anrechnungszeiten seien, weil durch sie eine versicherte Tätigkeit nicht unterbrochen wurde (§ 43 Abs 4 Nr 3 SGB VI), sondern auch aus anderen Gründen. Nach § 58 Abs 3 SGB VI könnten Versicherte, die in Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Krankengeld haben, weil sie nicht in der GKV oder in der GKV nicht mit Anspruch auf Krankengeld versichert waren, in dieser Zeit auch keine Anrechnungszeiten erwerben. Diese Versicherten könnten nach § 4 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag versicherungspflichtig werden. Damit komme (wegen Vorgreiflichkeit eines anhängigen Verwaltungsverfahrens) eine Aussetzung des Berufungsverfahrens gemäß § 114 Abs 2 Satz 1 SGG in Betracht. Es werde deshalb um Mitteilung gebeten, ob das Verfahren auf Anerkennung von Anrechnungszeiten vom Kläger fortgeführt werde (in diesem Fall würde eine Aussetzung des Berufungsverfahrens erfolgen) und, falls nicht, ob der Kläger mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28.03.2022 erwidert, der Widerspruch gegen den Vormerkungsbescheid vom 25.02.2022 sei mit gleicher Post zurückgenommen worden. Er bitte um zeitnahe Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe nicht. Es werde daran festgehalten, dass die Erwerbsminderung zu einem Zeitpunkt eingetreten sei, zu dem die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch vorgelegen hätten. S schreibe, dass es im April 2019 zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch G bei damals bereits anzunehmender Chronifizierung etwas euphemistisch gewesen sei, wenn dieser davon ausgegangen sei, dass durch eine Behandlung in einem überschaubaren Zeitraum eine deutliche Besserung zu erreichen sei. Dies sei spätestens zum Zeitpunkt der Begutachtung durch N im August 2019 der Fall gewesen. Hierbei lasse S die Einschätzung des W1 in der sachverständigen Zeugenauskunft vom 06.10.2018 und den dieser sachverständigen Zeugenauskunft beigefügten Arztbrief vom 13.07.2018 außer Acht. Arzt W1 teile einen auffälligen psychischen Befund mit zum depressiven Pol verschobener Stimmung, leichter Angstsymptomatik, leicht vermindertem Antrieb und leicht verminderter Psychomotorik, auf die Beschwerden bzw auf die depressive Symptomatik konzentriertem Denken und leichtem sozialen Rückzug mit. Außerdem lasse S das nervenärztliche Privatgutachten des Arztes für R vom 24.08.2018 außer Acht, in welchem dieser einen auffälligen psychopathologischen Befund (affektlabil, Grübelneigung, starke innere Unruhe, Zukunftsängste, Vermeidungsverhalten, Rückzugstendenz, Konzentrationsfähigkeit mäßig reduziert wirkend) beschreibe und im Rahmen der Zusammenfassung und Beurteilung ausführe, der Kläger neige zu passiven Reaktionen mit Rückzug, Vermeidungsverhalten und Selbstmitleid. Die lange Alkoholanamnese beeinflusse den Verlauf ungünstig, das Problembewusstsein sei ungenügend, das soziale Umfeld sei ausgedünnt und es fehlten Bezugspunkte sowie Interessen. Längerfristig erscheine die Prognose nach dem bisherigen Verlauf eher ungünstig. Es sei somit entgegen der Einschätzung von S spätestens seit Juli 2018 von Erwerbsminderung auszugehen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da der Kläger wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG).
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 01.05.2017 (Monat der Rentenantragstellung), den die Beklagte mit Bescheid vom 08.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2018 (§ 95 SGG) abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG). Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit macht der nach dem 01.01.1961 geborene Kläger - zu Recht - nicht geltend, da er von vornherein nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten dieser Rente gehört (§ 240 SGB VI).
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 08.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI (in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung gemäß Gesetz vom 20.04.2007, BGBl I, S 554) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze An-spruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs 2 Satz 3 SGB VI).
Versicherte haben nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn neben den oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der stRspr des BSG auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann und er damit nach dem Wortlaut des § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage an sich nur teilweise erwerbsgemindert ist (sog abstrakte Betrachtungsweise), ihm aber der Teilzeitarbeitsmarkt tatsächlich verschlossen ist (sog konkrete Betrachtungsweise). Wurde für die Prüfung, ob der Arbeitsmarkt verschlossen ist, zunächst noch gefordert, dass Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung oder des Rentenversicherungsträgers innerhalb eines Jahres ab Stellung des Rentenantrags erfolglos blieben (vgl BSG 10.05.1977, 11 RA 8/76, juris), ist nunmehr zur Feststellung der Erwerbsminderung eines drei bis unter sechsstündig einsatzfähigen Versicherten bei rückwirkender Prüfung der Arbeitsmarktlage der Nachweis solcher konkreter Vermittlungsbemühungen nicht mehr erforderlich (vgl zum früheren Recht BSG 08.09.2005, B 13 RJ 10/04 R, BSGE 95, 112). Die nach dem früheren, dh bis 31.12.2000 geltenden Recht maßgebliche konkrete Betrachtungsweise hat der Gesetzgeber beibehalten, wie sich auch aus einem Umkehrschluss aus § 43 Abs 2 SGB VI ergibt (BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5; Urteil des Senats vom 03.11.2020, L 11 R 2105/19, nv; Beschluss des Senats vom 01.03.2016, L 11 R 339/16, nv; zum Ganzen siehe auch ausführlich LSG Baden-Württemberg 10.10.2014, L 4 R 5172/13, juris).
Nach dem Ergebnis der vom Senat und vom SG durchgeführten Beweisaufnahmen sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren durchgeführten Ermittlungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger frühestens seit dem 27.04.2019 (Tag der Untersuchung bei G) nicht mehr in der Lage ist, leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Ein früherer Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls ist zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. In der Zeit von der Stellung des Rentenantrags im Mai 2017 bis jedenfalls zum 26.04.2019 - möglicherweise auch noch darüber hinaus - konnte der Kläger noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten.
Die beim Kläger seit April 2019 bestehende Erwerbsminderung resultiert aus einer depressiven Erkrankung. Dies folgt aus den Gutachten des S vom 07.10.2021, des N vom 28.08.2019 und des G vom 29.04.2019. Die gerichtlichen Sachverständigen stimmen darin überein, dass der Kläger in erster Linie durch eine rezidivierende depressive Störung (mittelgradige Episode) in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt ist. Zum Zeitpunkt der Begutachtung durch S bestand eine Depression vom Ausmaß einer mittelgradigen depressiven Episode. Der Sachverständige, dem sich der Senat anschließt, stützt diese Diagnose auf die bei der Begutachtung feststellbare deprimierte und hoffnungslose Stimmung, auf eine deutliche Antriebsstörung sowie auch auf einen Verlust von Interesse und Freude an Aktivitäten. Es waren zwar alle drei Grundkriterien einer Depression erfüllt, jedoch nicht in dem Schweregrad und Ausmaß, dass dies automatisch zur Diagnose einer schweren depressiven Episode geführt hätte. Die Diagnose stützt sich nach dem Gutachten weiter auf die deutlichen Störungen des Selbstwertgefühls, Störungen des Denkens und der Konzentration, eine beobachtbare leichte psychomotorische Hemmung, berichtete Schlafstörungen, eher Appetitstörungen und ein aufgehobenes affektives Schwingungsvermögen. Daraus ergibt sich nachvollziehbar eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit auf weniger als sechs Stunden täglich.
Auch in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem die Erwerbsfähigkeit des Klägers auf ein nur noch unter sechsstündiges Leistungsvermögen abgesunken ist, schließt sich der Senat in erster Linie dem Gutachten des S an. Dieser hat ausführlich und nachvollziehbar begründet, dass und weshalb eine dauerhafte Einschränkung der Erwerbsfähigkeit durch die depressive Erkrankung spätestens zum Zeitpunkt der Begutachtung bei N (August 2019) eingetreten ist. Da S jedoch ausgeführt hat, dass es bereits bei der Begutachtung durch den Nervenarzt G bei damals bereits anzunehmender Chronifizierung etwas euphemistisch gewesen sei, wenn dieser davon ausgegangen sei, dass durch eine Behandlung in einem überschaubaren Zeitraum eine deutliche Besserung zu erreichen sei, ist der Senat der Auffassung, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung schon für den Zeitpunkt der Untersuchung des Klägers durch G im April 2019 als nachgewiesen betrachtet werden kann.
Zu diesem Zeitpunkt lagen aber die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die hier streitige Rente wegen Erwerbsminderung (3 Jahre Pflichtbeitragszeiten innerhalb der letzten 5 Jahre vor Eintritt des Leistungsfalls) nicht mehr vor. Der letzte Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung wurde für Juni 2016 entrichtet. Im Versicherungsverlauf des Klägers vom 17.07.2020 (Bl 27 ff der LSG-Akte) sind ua folgende Zeiten gespeichert:
01.04.2016 - 30.06.2016 |
16.794,00 € |
Beitragszeit mit Pflichtbeiträgen |
01.07.2016 - 27.09.2016 |
537,98 € |
Geringfügige Beschäftigung |
28.09.2016 - 31.12.2016 |
1.395,00 € |
Beitragszeit mit freiwilligen Beiträgen |
01.01.2017 - 30.09.2017 |
4.050,00 € |
Beitragszeit mit freiwilligen Beiträgen |
In der Zeit von 27.04.2014 bis zum 26.04.2019 wurden vom Kläger lediglich 27 Monate (2014: 9 Monate; 2015: 12 Monate; 2016: 6 Monate) Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI entrichtet.
Eine Verlängerung des Fünf-Jahres-Zeitraums scheidet aus. Nach § 43 Abs 4 SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:
1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2. Berücksichtigungszeiten,
3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.
Solche Zeiten liegen beim Kläger in den nicht mit Pflichtbeiträgen belegten Zeiträumen nicht vor. Die vom Kläger beantragte Anerkennung von Anrechnungszeiten wegen einer ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit vom 01.07.2016 bis zum 30.06.2021 hat die Beklagte mit Bescheid vom 25.02.2022 abgelehnt. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch hat der Kläger wieder zurückgenommen. Die vom Kläger nachgewiesenen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ab dem 01.07.2016 sind auch nicht nur deshalb keine Anrechnungszeiten, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, sondern (auch) aus anderen Gründen. Nach § 58 Abs 3 SGB VI können Versicherte, die in Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Krankengeld haben, weil sie nicht in der GKV oder in der GKV nicht mit Anspruch auf Krankengeld versichert waren, in dieser Zeit auch keine Anrechnungszeiten erwerben. Diese Versicherten könnten nach § 4 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag versicherungspflichtig werden. Einen solchen Antrag hat der Kläger jedenfalls bis zum 30.06.2021 nicht gestellt.
Der Leistungsfall der Erwerbsminderung hätte spätestens am 31.07.2018 vorliegen müssen. Im Zeitraum vom 31.07.2013 bis zum 30.07.2018 liegen 36 Kalendermonate (2013: 6 Monate; 2014: 12 Monate; 2015: 12 Monate; 2016: 6 Monate) mit Pflichtbeiträgen vor. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger zur Überzeugung des Senats jedoch noch in der Lage, mindestens sechs Stunden arbeitstäglich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Dies schließt der Senat aus den Befunden, die der W1 in seinem Arztbrief vom 13.07.2018 (Bl 18 f und 42 f der SG-Akte) festgehalten hat. Am 18.05.2018 erhob Herr W1 beim Kläger folgenden Befund: Äußeres Erscheinungsbild: unauffällig. Verhalten, Bewusstsein, Orientierung, Auffassung, Merkfähigkeit und Gedächtnis: unauffällig. Affektivität: Die Stimmung ist zum depressiven Pol hin verschoben. Keine Angstsymptomatik. Keine Zwänge. Antrieb und Psychomotorik: leicht vermindert. Mimik, Gestik, formales Denken: unauffällig. Inhalt des Denkens: Auf die Fragen und die Beschwerden konzentriert. Keine Wahrnehmungsstörungen. Keine Ich-Störungen. Keine akute Tendenz zur Suizidalität. Keine Tendenz zur Autoaggressivität: Kein sozialer Rückzug. Suchtverhalten: unauffällig. Essverhalten: nicht gestört. Krankheitseinsicht: vorhanden. Keine Tendenz zur Somatisierung. Selbstsichere Persönlichkeitszüge. Bei der zweiten Vorstellung am 12.07.2018 notierte Herr W1: keine Veränderung zum Vorbefund vom 18.05.2018. Aus diesen Befunden, die einen deutlich besseren Gesundheitszustand belegen als diejenigen Befunde, die S bei seiner Untersuchung drei Jahre später erhoben hat, kann unschwer der Schluss gezogen werden, dass noch im Juli 2018 die Erwerbsfähigkeit des Klägers für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht nennenswert eingeschränkt war. Es mag zwar sein, dass der Kläger - wie dies R in seinem nervenärztlichen Privatgutachten vom 24.08.2018 (Bl 75 ff der SG-Akte) dargelegt hat - aufgrund der von ihm am 23.01.2017 erhobenen Befunde als berufsunfähig iSd der privaten Versicherung anzusehen ist. Darauf kommt es hier aber nicht an, da in der gesetzlichen Rentenversicherung andere Maßstäbe gelten. Mit den von R erhobenen Befunden (ua affektlabil, starke innere Unruhe, Zukunftsängste, Rückzugstendenz) lässt sich eine wesentliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit ebenfalls nicht begründen. Denn sein Gutachten ist für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung nicht bzw allenfalls sehr eingeschränkt verwertbar. Eine kritische Prüfung der vom Kläger vorgebrachten Beschwerden (Konsistenzprüfung) fehlt, obwohl sich bei einem orientierenden Psychotest ein Simulationsverdacht ergab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Grund hierfür (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) nicht vorliegt.