Der Kostenersatzanspruch des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Sozialhilfeempfänger setzt nur die Unkenntnis des vorrangig verpflichteten Rentenversicherungsträgers von der Sozialhilfeleistung zum Zeitpunkt der Renten(nach)zahlung voraus.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Februar 2019 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I
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Zwischen den Beteiligten ist die Pflicht des Klägers zum Kostenersatz für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach § 105 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ‑ Sozialhilfe ‑ (SGB XII) im Streit.
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Der 1947 geborene Kläger bezog von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bayern Süd seit 1997 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Daneben erhielt er von dem Beklagten seit 2008 ergänzend laufende Grundsicherungsleistungen in Höhe eines monatlichen Zahlbetrags von mindestens 479,05 Euro. Lediglich im Juli 2009 wurden keine Leistungen gewährt. Am 2.4.2012 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er mit einer Rentennachzahlung zu rechnen habe.
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Nach Erreichen der Regelaltersgrenze bewilligte die DRV dem Kläger ab 1.4.2012 Regelaltersrente. Den Rentenbescheid übersandte der Kläger dem Beklagten Anfang Mai 2012, der daraufhin die laufende Bewilligung für Leistungen der Grundsicherung mit Wirkung ab 1.4.2012 änderte und die entstandene Überzahlung von insgesamt zwölf Euro mit der laufenden Zahlung für den Monat Juni 2012 verrechnete (Bescheid vom 9.5.2012).
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Am 13.6.2012 unterrichtete der Kläger den Beklagten über eine Rentennachzahlung iHv 4594,68 Euro für den Zeitraum vom 1.1.2008 bis 31.3.2012 und schlug vor, dass er nach Abzug eines Schonvermögens von 2000 Euro davon Schulden zurückzahlen sowie Gebrauchsgegenstände, Medikamente und Lebensmittel kaufen werde. Am 18.6.2012 meldete der Beklagte gegenüber der DRV einen Erstattungsanspruch an. Am selben Tag forderte er vom Kläger Kostenersatz iHv 4594,68 Euro auf Grundlage des § 105 SGB XII (Bescheid vom 18.6.2012; Widerspruchsbescheid vom 10.12.2012). Am 26.6.2012 übersandte die DRV dem Beklagten den Bescheid vom 4.6.2012 über die erfolgte Rentennachzahlung und teilte diesem mit, dass die Nachzahlung bereits an den Kläger ausgezahlt worden sei.
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Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den Bescheid des Beklagten vom 18.6.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom "20.11.2012" aufgehoben (Urteil vom 11.8.2017). Die Vorschrift des § 105 SGB XII sei einschränkend dahin auszulegen, dass ein Kostenersatz gegen den Leistungsberechtigten nur in Betracht komme, wenn dieser den Träger der Sozialhilfe von einem möglichen, aber noch nicht durchgesetzten vorrangigen Anspruch nicht in Kenntnis gesetzt habe und deshalb einen Erstattungsanspruch vereitele. Der Beklagte habe hier aber Kenntnis davon gehabt, dass ein Verwaltungsverfahren auf Überprüfung anhängig gewesen sei und der Kläger mit einer Nachzahlung gerechnet habe.
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Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte die streitigen Bescheide aufhoben, soweit sie einen Kostenersatz iHv 90,52 Euro für Juli 2009 betrafen. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat das Urteil des SG vom 11.8.2017 geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.2.2019). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ua ausgeführt, vor Erlass des Bescheids vom 18.6.2012 hätte zwar eine Anhörung durchgeführt werden müssen, jedoch sei durch das Widerspruchsverfahren ein etwaiger Anhörungsmangel geheilt worden. Der Anspruch gegen den Kläger folge aus § 105 Abs 1 SGB XII. Für die Zeiträume vom 1.1.2008 bis zum 30.6.2009 und vom 1.8.2009 bis zum 31.3.2012 habe mit der DRV ein gegenüber dem Beklagten vorrangig verpflichteter Leistungsträger an den Kläger als grundsicherungsleistungsberechtigte Person geleistet. Die DRV habe auch in Unkenntnis der Leistung des Beklagten gezahlt. Hierfür reiche bloßes Kennenmüssen nicht aus; erforderlich sei die positive Kenntnis zur Leistungsart, ‑zeit und -höhe. Weitere Voraussetzungen seien § 105 Abs 1 SGB XII nicht zu entnehmen, insbesondere sei der Anspruch auf Kostenersatz von keinem vorwerfbaren Verhalten abhängig.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 105 SGB XII. Die Norm betreffe allein den Fall, dass die leistungsberechtigte Person den Träger der Sozialhilfe von einem möglichen oder aber noch nicht durchgesetzten vorrangigen Anspruch nicht in Kenntnis setze und deshalb die Anmeldung eines Erstattungsanspruchs nach § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) vereitele. Vorliegend sei dem Sozialhilfeträger aber die mögliche Nachzahlung bekannt gewesen. Eine andere Auslegung des § 105 SGB XII führe zu einem Wahlrecht des Sozialleistungsträgers, ob er seinen Anspruch gegenüber dem Empfänger oder gegenüber dem erstattungspflichtigen Träger geltend machen wolle, das nach dem Gesetzeszusammenhang aber nicht bestehe.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Februar 2019 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. August 2017 zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
II
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Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Ob der Kläger verpflichtet ist, die noch im Streit stehenden 4504,16 Euro zurückzuzahlen, kann der Senat anhand der vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) nicht abschließend entscheiden.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 18.6.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2012 (vom SG irrtümlich mit "20.11.2012" bezeichnet), mit welchem der Beklagte einen Kostenersatz iHv zunächst 4594,86 Euro fordert und gegen den sich der Kläger zutreffend mit der (isolierten) Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) wendet. Nach dem angenommenen Teilanerkenntnis im Berufungsverfahren steht noch die Erstattungsforderung iHv 4504,16 Euro im Streit.
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Die Zuständigkeit des Beklagten für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs ergibt sich ‑ ohne besonders geregelt sein zu müssen und mangels anderweitiger Regelung ‑ aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass der Erstattungsanspruch als actus contrarius die Kehrseite des Leistungsanspruchs darstellt (Bundessozialgericht <BSG> vom 11.9.2020 ‑ B 8 SO 3/19 R - SozR 4-3500 § 102 Nr 4 RdNr 13; BSG vom 27.2.2019 ‑ B 8 SO 15/17 R - SozR 4-3500 § 102 Nr 3 RdNr 10; BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 2/09 R - SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 10; BSG vom 23.8.2013 ‑ B 8 SO 7/12 R - SozR 4-5910 § 92c Nr 2 RdNr 14).
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Zwar ist der Kläger vor Erlass des Bescheids vom 18.6.2012 nicht gemäß § 24 Abs 1 SGB X angehört worden. Mit der Herausgabeforderung des Beklagten ist zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit und damit das Grundrecht des Klägers aus Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) betroffen, womit ein anhörungspflichtiger "Eingriff" iS des § 24 Abs 1 SGB X vorlag (BSG vom 23.1.2018 ‑ B 2 U 4/16 R ‑ BSGE 125, 120 = SozR 4-2700 § 123 Nr 3, RdNr 16; vgl BSG vom 25.1.1979 ‑ 3 RK 35/77 ‑ SozR 1200 § 34 Nr 7; Mutschler in Kasseler Komm, § 24 SGB X RdNr 7, Stand Juni 2019; Siefert in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 24 RdNr 8). Dieser Mangel wurde jedoch gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X geheilt, wobei dahinstehen kann, ob dies durch das Widerspruchsverfahren oder durch die im Rahmen seiner vor dem SG angestrengten Verfahren auf Aufhebung der sofortigen Vollziehung geschehen ist, in denen der Kläger jeweils ausreichend Gelegenheit hatte, sich zu den Haupttatsachen, auf die die belastende Entscheidung gestützt wurde, zu äußern (vgl nur BSG vom 23.1.2018 ‑ B 2 U 4/16 R ‑ BSGE 125, 120 = SozR 4‑2700 § 123 Nr 3, RdNr 17; BSG vom 26.7.2016 ‑ B 4 AS 47/15 R ‑ BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2).
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Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren des Beklagten ist § 105 Abs 1 SGB XII, hier in der im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), auf die bei einer Anfechtungsklage abzustellen ist. Danach ist, wenn ein vorrangig verpflichteter Leistungsträger in Unkenntnis der Leistung des Trägers der Sozialhilfe an die leistungsberechtigte Person geleistet hat, diese zur Herausgabe des Erlangten an den Träger der Sozialhilfe verpflichtet. Die Befugnis, den normierten Anspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen, ergibt sich auch ohne ausdrückliche Ermächtigung aus der Systematik als spezialgesetzliche Regelung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (vgl Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 31 RdNr 12; Simon in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl 2020, § 105 RdNr 23, Stand 1.2.2020).
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§ 105 Abs 1 SGB XII setzt einerseits die zur Sozialhilfe zeitlich kongruente Zahlung einer vorrangigen Leistung und andererseits die Unkenntnis des vorrangig verpflichteten Trägers zum Zeitpunkt der Zahlung voraus, also ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis iS von § 104 SGB X (Bieback in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl 2020, § 105 RdNr 5). Der Beklagte, der Sozialhilfe geleistet hat, ist der nachrangig verpflichtete Träger im Verhältnis zum Träger der gesetzlichen Rentenversicherung DRV (vgl § 104 Abs 1 Satz 2 SGB X), weil bei rechtzeitiger (monatlicher) Zahlung der höheren Rente in der Zeit vom 1.1.2008 bis zum 30.6.2009 und vom 1.8.2009 bis zum 31.3.2012 diese als Einkommen zum (teilweisen) Wegfall der Bedürftigkeit geführt hätte (vgl §§ 82 ff SGB XII).
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Der Senat kann allerdings nicht abschließend entscheiden, ob der Rentenversicherungsträger im Zeitpunkt seiner Leistung keine Kenntnis von der Sozialhilfeleistung hatte. Rechtserhebliche Kenntnis besteht, wenn der vorrangige und nach § 104 SGB X erstattungspflichtige Leistungsträger aufgrund der ihm mitgeteilten Tatsachen rechtlich in der Lage ist, dem Leistungsanspruch des (vermeintlich) Sozialleistungsberechtigten die Erfüllungswirkung des § 107 Abs 1 SGB X entgegenzuhalten, sodass der erstattungspflichtige Leistungsträger die Leistung gegenüber dem Leistungsberechtigten verweigern und anstelle dessen den Erstattungsanspruch des erstattungsberechtigten Trägers befriedigen kann (BSG vom 22.6.2010 ‑ B 1 KR 21/09 R ‑ BSGE 106, 206 = SozR 4-1300 § 103 Nr 3, RdNr 23; Simon in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl 2020, § 105 RdNr 13, Stand 1.2.2020). Bloßes Kennenmüssen reicht nicht aus; erforderlich ist die positive Kenntnis von Leistungsart, -zeit und -höhe. Nur dann wäre der Rentenversicherungsträger in der Lage gewesen, ohne weitere Nachforschungen zu entscheiden, welche Leistungsbestandteile zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs einzubehalten und welche weiterhin an den Beigeladenen auszubezahlen waren (BSG vom 25.1.1994 ‑ 7 RAr 42/93 ‑ BSGE 74, 36, 43 = SozR 3-1300 § 104 Nr 8 S 23 = juris RdNr 36; BSG vom 19.3.1992 ‑ 7 RAr 26/91 ‑ BSGE 70, 186, 196 = SozR 3‑1200 § 53 Nr 4 S 26 = juris RdNr 41).
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Diese erforderliche Kenntnis der DRV wird spätestens mit der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs dort am 18.6.2012 vorgelegen haben. Das LSG hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, wann konkret die Leistung der DRV erfolgt ist; es hat lediglich festgestellt, dass diese telefonisch angegeben habe, die Zahlung bereits veranlasst zu haben, sodass diese Ende Juni 2012 auf dem Konto des Klägers gewesen sei. Zudem sei nach dem Anschreiben der DRV vom 26.6.2012 die Nachzahlung zu diesem Zeitpunkt bereits ausgezahlt gewesen. Diese Feststellungen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die DRV in Unkenntnis der Zahlung von Grundsicherung im Alter in der Vergangenheit an den Kläger geleistet hat. Festzustellen ist vielmehr zunächst der konkrete Zeitpunkt der Leistung (arg. e. § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X) und damit derjenige der Leistungshandlung, mit der die Zahlung in Gang gesetzt wurde (vgl Bundesgerichtshof <BGH> vom 27.10.1988 ‑ IX ZR 27/88 ‑ BGHZ 105, 358, 360 = juris RdNr 8 zu § 407 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) und ausgehend von diesem Zeitpunkt die Unkenntnis des Rentenversicherungsträgers über den zeitgleich erfolgten nachrangigen Leistungsbezug. Soweit das LSG weiter ausführt, "nach Lage […] der Akten" sei nicht erkennbar, dass die DRV zu irgendeinem Zeitpunkt, für den sie dem Kläger eine Nachzahlung gewährt hat, überhaupt von dessen Sozialhilfebezug Kenntnis hatte, reicht dies für die Feststellung der Unkenntnis des Rentenversicherungsträgers nicht aus. Welche Umstände außer den zeitlich erst nach Anmeldung des Erstattungsanspruchs erfolgten Äußerungen es auf Grundlage der Akten feststellen konnte, die für seine Schlussfolgerung sprechen könnten, bleibt offen.
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Bei den noch erforderlichen Feststellungen wird das LSG zu beachten haben, dass die objektive Beweislast für eine Unkenntnis des Rentenversicherungsträgers den Beklagten trifft, der sich auf das Bestehen des Ersatzanspruchs nach § 105 SGB XII beruft. Dieser Grundsatz hat im Anwendungsbereich des § 105 SGB XII besondere Bedeutung deshalb, weil kein Wahlrecht des Trägers der Sozialhilfe zwischen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X und dem Ersatzanspruch gegen den Leistungsberechtigten besteht. Insbesondere wenn Schwierigkeiten bestehen, die im Anwendungsbereich des § 104 SGB X notwendigen Voraussetzungen nachzuweisen, ist es nicht möglich, ein entsprechendes Risiko auf den Leistungsberechtigten zu verlagern. Der Erstattungsanspruch nach §104 SGB X muss vielmehr objektiv ausgeschlossen sein, damit ein Ersatzanspruch nach § 105 SGB X entsteht. Dies gilt umso mehr, als im Anwendungsbereich des § 104 SGB X die Beweislast der vorrangig verpflichtete Träger (hier die DRV Bayern Süd) trägt.
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Weitere Tatbestandsvoraussetzungen hat der Ersatzanspruch bei Doppelleistung nicht. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Anspruch des Sozialhilfeträgers nach § 105 SGB XII über seinen ausdrücklichen Wortlaut hinaus weder zusätzlich davon abhängig, dass die Unkenntnis des vorrangig verpflichteten Trägers von den gezahlten Sozialhilfeleistungen auf der Unkenntnis des Sozialhilfeträgers von einer vorrangigen Leistung beruht, noch davon, dass der Sozialhilfeempfänger den Sozialhilfeträger nicht von dem vorrangigen Anspruch in Kenntnis gesetzt und dadurch eine rechtzeitige Anmeldung des Erstattungsanspruchs vereitelt hat.
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Weder die Entstehungsgeschichte des § 105 SGB XII noch dessen Sinn und Zweck noch die systematische Stellung der Norm vermögen die seitens der Revision vertretene einschränkende Auslegung des § 105 SGB XII zu rechtfertigen. Nach der Begründung des Gesetzgebers (BT‑Drucks 15/1514 S 68 zu § 100 des Entwurfs) soll die mit dem SGB XII eingeführte Vorschrift eine Regelungslücke zur Verhinderung des Doppelbezugs von Sozialleistungen schließen, die durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) entstanden sei. Nach dieser Rechtsprechung des BVerwG fehlte es für einen Rückgriff auf den Leistungsberechtigten in den Fällen, in denen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ein Erstattungsanspruch gegen den vorrangig zur Leistung verpflichteten Träger ausschied, an einer Rechtsgrundlage. Die §§ 44 ff SGB X bildeten danach ein geschlossenes System der Aufhebung von Verwaltungsakten und der Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen (vgl BVerwG vom 10.9.1992 ‑ 5 C 71.88 ‑ BVerwGE 91, 13, 16 = juris RdNr 12; BVerwG vom 17.8.1995 ‑ 5 C 26.93 ‑ BVerwGE 99, 114, 119 = juris RdNr 20; vgl auch BSG vom 26.9.1991 ‑ 4 RK 5/91 ‑ BSGE 69, 255, 258 f = SozR 3‑1300 § 48 Nr 13 S 20 f). Insbesondere besteht kein Wahlrecht des erstattungsberechtigten Trägers, auf einen Erstattungsanspruch nach den §§ 102 ff SGB X und damit auf die Erfüllungsfiktion zu verzichten und sich stattdessen nach den §§ 45, 48, 50 SGB X an den Empfänger der Leistung zu halten (BSG vom 29.4.1997 ‑ 8 RKn 29/95 ‑ SozR 3-1300 § 107 Nr 10).
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Die Gesetzesbegründung des vor diesem Hintergrund in der Folgezeit eingeführten § 105 SGB XII erwähnt als intendierte ungeschriebene Normvoraussetzung ein unverschuldetes Verhalten wie etwa Gutgläubigkeit des Sozialhilfeträgers nicht. Es war erkennbar eine umfassende Lückenschließung beabsichtigt, die im Übrigen auch bei einem weiten Anwendungsbereich der Norm die Anwendung der Erstattungsregeln der §§ 102 ff SGB X nicht obsolet machen würde. Es besteht (wie ausgeführt) nach wie vor kein Wahlrecht des Sozialhilfeträgers zwischen den Ansprüchen nach § 104 SGB X und dem Anspruch nach § 105 SGB XII, sodass die Einführung von § 105 SGB XII den Anwendungsbereich des § 104 SGB X unberührt lässt.
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§ 105 SGB XII soll als sozialhilferechtliche Sonderregelung weitgehend den Nachranggrundsatz der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) verwirklichen und zur Rückgabe bezogener Doppelleistungen verpflichten (Adolph in Adolph, Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende <SGB II>, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz <AsylblG>, 68. UPD Januar 2021, § 105 SGB XII, II. Einzelheiten, RdNr 13). Der Anspruch setzt keine Rücknahme oder Aufhebung bzw Widerruf der die Sozialhilfe bewilligenden Bescheide voraus. Die Voraussetzungen hierfür sind in den Fällen des § 105 SGB XII gerade nicht erfüllt, weil die jeweiligen Bescheide zum Zeitpunkt des Erlasses rechtmäßig waren. Es handelt sich um die sozialpolitische Entscheidung des Gesetzgebers, wonach der Leistungsempfänger trotz der rechtmäßigen Bewilligung der nachrangigen Leistung kein schützenswertes Recht zum Behaltendürfen einer doppelt erlangten Leistung hat, sondern zu dessen Herausgabe verpflichtet wird. Damit schließt § 105 SGB XII an die Regelung über die Erfüllungsfiktion in § 107 Abs 1 SGB X (idF des Gesetzes zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften <4. Euro-Einführungsgesetz> vom 21.12.2000, BGBl I 1983) an, der ebenfalls Doppelleistungen verhindern soll (BSG vom 22.6.2010 ‑ B 1 KR 21/09 R - BSGE 106, 206 = SozR 4‑1300 § 103 Nr 3, RdNr 26), und der unabhängig davon eintritt, ob der Erstattungsanspruch nach den §§ 102 ff SGB X vom berechtigten Träger geltend gemacht wird (vgl BSG vom 7.8.1986 ‑ 4a RJ 33/85) oder etwa wegen Unterschreitens der Bagatellgrenze (§ 110 Satz 2 SGB X) nicht geltend gemacht werden kann (vgl BSG vom 6.2.1992 ‑ 12 RK 14/90 - BSGE 70, 93 = SozR 3‑2400 § 26 Nr 5).
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Daher kommt es auch nicht darauf an, dass vorliegend die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Nr 2 SGB X in Form einer schuldhaft unterlassenen Mitteilung von der Nachzahlung nicht vorliegen sowie auch die Rentennachzahlung gerade nicht zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs auf die abschnittsweise Zahlung der Sozialhilfe geführt hat, weil nur tatsächlich erhaltene oder erhältliche Mittel von dritter Seite als "bereite Mittel" der Selbsthilfe iS des § 2 Abs 1 SGB XII entgegenstehen (vgl BSG vom 23.3.2021 - B 8 SO 2/20 R - SozR 4-3500 § 2 Nr 3 RdNr 13).
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Soweit die gegenteilige Ansicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 105 SGB XII eine Unkenntnis des nachrangigen Sozialhilfeträgers von einer vorrangigen Leistung unter Hinweis auf die Systematik des § 104 SGB X verlangt (Bieback in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl 2020, § 105 RdNr 7), verkennt sie, dass § 105 SGB XII seinem Wortlaut nach einen Anspruch auf die "Herausgabe des Erlangten" verleiht. Diese Formulierung lässt trotz der missverständlichen Überschrift zu § 105 SGB XII und der insoweit ebenso missverständlichen Überschrift zum 1. Abschnitt des 13. Kapitels des SGB XII ("Kostenersatz") nicht die Schlussfolgerung zu, dass es sich bei dem Anspruch um einen echten Ersatzanspruch handelt; vielmehr regelt § 105 Abs 1 SGB XII einen Anspruch, der auf Herausgabe der vom vorrangig verpflichteten Träger erbrachten Leistungen in dem Umfang gerichtet ist, in dem der nachrangig verpflichtete Träger einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X hätte geltend machen können (Simon in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl 2020, § 105 RdNr 17, Stand 1.2.2020; Klinge in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 105 RdNr 5, Stand Oktober 2020). Damit ist die Vorschrift erkennbar dem zivilrechtlichen Anspruch aus § 816 Abs 2 BGB nachgebildet, der ebenfalls einen Anspruch des Berechtigten gegen einen Nichtberechtigten, an den eine Leistung bewirkt wird, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, begründet (so auch Conradis in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 12. Aufl 2020, § 105 RdNr 3; H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Schneider/Legros, SGB XII, 20. Aufl 2020, § 105 RdNr 8; Baur in Jahn, SGB XII, § 105 SGB XII RdNr 9, Stand 31.3.2012). Auch dieser Fall der Eingriffskondiktion ist nicht vom Fehlen eines schuldhaften Verhaltens abhängig (Sprau in Grüneberg, BGB, 81. Aufl 2022 § 816 RdNr 17; Oberlandesgericht <OLG> Stuttgart vom 12.9.1997 ‑ 2 U 264/96 ‑ juris RdNr 50).
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Letztlich handelt es sich bei § 105 SGB XII somit um eine ‑ von den §§ 102 ff SGB X unabhängige ‑ spezialgesetzliche Regelung des im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung seit langem zumindest gewohnheitsrechtlich anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (zu solchen Ansprüchen nur BSG vom 30.1.1962 ‑ 2 RU 219/59 ‑ BSGE 16, 151, 156 = SozR Nr 1 zu § 28 Bundesversorgungsgesetz <BVG> mwN zur älteren Rspr und Literatur; BVerwG vom 12.3.1985 ‑ 7 C 48.82 ‑ BVerwGE 71, 85 f), der sich aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ableitet. Er setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind und verschafft in weitgehender Analogie zu den §§ 812 ff BGB ein Recht auf Herausgabe des Erlangten (vgl zur Erstattung von Sozialhilfeleistungen BSG vom 28.10.2008 ‑ B 8 SO 23/07 R ‑ BSGE 102, 10 = SozR 4‑2500 § 264 Nr 2, RdNr 27 sowie BSG vom 27.4.2010 ‑ B 8 SO 2/10 R - SozR 4-1300 § 116 Nr 1 RdNr 12; vgl BSG vom 3.4.2014 ‑ B 2 U 21/12 R ‑ BSGE 115, 247 = SozR 4‑7610 § 812 Nr 7, RdNr 22; BSG vom 8.11.2011 ‑ B 1 KR 8/11 R ‑ BSGE 109, 236 = SozR 4‑5560 § 17b Nr 2, RdNr 11; BSG vom 27.8.2011 ‑ B 4 AS 1/10 R ‑ BSGE 109, 70 = SozR 4-4200 § 16 Nr 9, RdNr 24). Der Gesetzgeber hat mit § 105 SGB XII eine die zivilrechtlichen Regelungen des Bereicherungsrechts ersetzende Norm geschaffen. Die normierte Rechtsfolge der Herausgabe des Erlangten ist gerade der Inhalt dieses Erstattungsanspruchs (Schütze in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 50 RdNr 29; siehe bereits BSG vom 9.12.1964 ‑ 2 RU 147/61 - BSGE 22, 136, 138 = SozR Nr 3 zu § 620 RVO aF = juris RdNr 20; zur Abgrenzung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zum öffentlich-rechtlichen Bereicherungsanspruch BSG vom 30.1.1962 ‑ 2 RU 219/59 - BSGE 16, 151, 157 = juris RdNr 23 sowie Schütze in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 50 RdNr 2).
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Gegen diesen Vergleich der in § 105 SGB XII geregelten Situation mit der der ungerechtfertigten Bereicherung spricht nicht, dass beide Leistungen ‑ sowohl die Sozialhilfe als auch die Rentennachzahlung ‑ zum Zeitpunkt ihrer Auszahlung auf einer Rechtsgrundlage beruhten (so aber Bieback in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl 2020, § 105 RdNr 11). Zum einen bedeutet "ohne Rechtsgrund" ‑ ein Merkmal, das im Tatbestand des § 816 Abs 2 BGB aus dem Begriff des "Nichtberechtigten" abzuleiten ist ‑ dass keine Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen besteht ("unrechtmäßiges Haben", vgl Lorenz in Staudinger, BGB, § 812 RdNr 79, Stand April 1999; Martinek/Heine in jurisPK-BGB, 9. Aufl 2020, § 816 RdNr 1, Stand 1.2.2020). Die Anordnung zur Herausgabe des Erlangten bei erhaltenen Doppelleistungen führt hier zur Rechtsgrundlosigkeit für deren Behaltendürfen, wie es auch § 812 Abs 1 Satz 2 1. Alt BGB (condictio ob causam finitam) zugrundeliegt (vgl Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl 2021, § 25 RdNr 1248). § 104 SGB X einerseits und § 105 SGB XII andererseits ähneln insoweit in ihrer Konstruktion den §§ 407, 412 BGB, wonach sowohl "der neue Gläubiger" eine Leistung des Schuldners vor Kenntniserlangung von einer Abtretung an den alten Gläubiger als auch letzterer die Eingriffskondiktion des § 816 Abs 2 BGB gegen sich gelten lassen muss. Auch hier sollen von der Rechtsordnung nicht gewollte Vermögensverschiebungen durch Doppelleistung rückgängig gemacht werden, so wie § 105 SGB XII unabhängig von der Nichtkenntnis des vorrangigen Leistungsträgers den Nachrang der Sozialhilfe wiederherstellen soll (vgl BT-Drucks 15/1514 S 28, 64 zu § 100 des Entwurfs; BVerwG vom 17.8.1995 ‑ 5 C 26.93 ‑ BVerwGE 99, 114).
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Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus § 34b SGB II, der durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung ‑ sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht - vom 26.7.2016 (BGBl I 1824) eingeführt worden und gemäß Art 4 Abs 1 dieses Gesetzes am 1.8.2016 in Kraft getreten ist. Auch diese Norm enthält ihrem Wortlaut nach keinerlei Hinweis darauf, dass Voraussetzung für den dort geregelten "Erstattungsanspruch" eine Gutgläubigkeit des nachrangigen Sozialhilfeträgers und Erstattungsgläubigers ist. Vorausgesetzt wird lediglich, dass der vorrangig verpflichtete Sozialleistungsträger gutgläubig in Unkenntnis der nachrangigen Grundsicherungsleistung geleistet hat (Böttiger in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl 2021, § 34b RdNr 17). Die Schaffung einer ansonsten im Wesentlichen mit § 105 Abs 1 SGB XII identischen Regelung spricht gerade dafür, dass der Gesetzgeber die beiden Sozialgesetzbücher in einem weiteren Punkt einander angleichen wollte (BT‑Drucks 18/8041 S 46; Grote-Seifert in jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 34b RdNr 4, Stand 1.3.2020). Der exemplarische Hinweis in der Gesetzesbegründung auf ein Scheitern des Erstattungsanspruchs gegenüber dem vorrangig leistungspflichtigen Träger bei nicht rechtzeitiger Information des Jobcenters durch den Empfänger über etwaige Ansprüche ändert nichts daran, dass auch hier der Gesetzeswortlaut gerade nicht auf die Unkenntnis des Grundsicherungsträgers, sondern diejenige des vorrangig Verpflichteten abstellt.
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Einem Ersatzanspruch nach § 105 SGB XII steht auch nicht entgegen, dass die Nachzahlung im Zeitpunkt ihres Zuflusses als zu berücksichtigendes Einkommen zu beurteilen war. Eine dem § 34b Abs 2 SGB II (idF des Gesetzes vom 26.7.2016) entsprechende Norm fehlt im SGB XII. Ein entsprechender Ausschluss des Erstattungsanspruchs ist vom Gesetzgeber im SGB XII ausdrücklich nicht angeordnet, auch wenn die Berücksichtigung als Einkommen (oder Vermögen) von nachgezahlten Einnahmen auch im SGB XII vorgesehen ist und den laufenden Bedarf mindert bzw entfallen lässt (sog modifizierte Zuflusstheorie, stRspr seit BVerwG vom 18.2.1999 - 5 C 35.97 - BVerwGE 108, 296; abweichend zuvor noch Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 13.10.1998 ‑ 2 BvR 1275/96 - BVerfGE 99, 100, 114; vgl jetzt die ausdrückliche Verteilregelung in § 82 Abs 4 SGB XII idF des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften vom 21.12.2015 <BGBl I 2557>, seit dem 1.1.2020 § 82 Abs 7 SGB XII idF des Gesetzes zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften vom 30.11.2019 <BGBl I 1948>). Ein systematischer Vorrang der §§ 82 ff SGB XII gegenüber dem Erstattungsanspruch nach § 105 SGB XII besteht nicht, schon weil die Berücksichtigung von Einkommen (und Vermögen) nur zum Tragen kommen könnte, wenn und soweit Bedürftigkeit im Zeitpunkt der Nachzahlung als Zufluss noch besteht. Lediglich die Höhe des Erstattungsanspruchs ist zu mindern, soweit der Zufluss tatsächlich im laufenden Bezug als Einkommen berücksichtigt wird.
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Sofern der Rentenversicherungsträger in Unkenntnis die Auszahlung vorgenommen hat, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 105 SGB XII vor. Für eine Pflicht, Ermessen auszuüben, enthält der Wortlaut des § 105 SGB XII keine Anhaltspunkte (aA Simon in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl 2020, § 105 RdNr 18, Stand 1.2.2020). Eine dem Wortlaut nach gebundene Norm kann nicht in eine Vorschrift uminterpretiert werden, deren Anwendbarkeit im Ermessen des Trägers steht.
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Als Rechtsfolge ordnet § 105 Abs 1 SGB XII die "Herausgabe des Erlangten" an. Mangels Verweisung auf die zivilrechtlichen Bereicherungsvorschriften ist trotz der Ähnlichkeit zu § 816 BGB sowohl der Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs 3 BGB (BVerwG vom 12.3.1985 ‑ 7 C 48.82 ‑ BVerwGE 71, 85, 90; vgl auch BSG vom 6.10.1977 ‑ 7 RAr 55/76 ‑ BSGE 45, 38, 46 f = SozR 4100 § 40 Nr 17 S 54) als auch der Einwand der positiven Kenntnis von der Nichtschuld nach § 814 BGB ausgeschlossen (BSG vom 3.4.2014 ‑ B 2 U 21/12 R ‑ BSGE 115, 247 = SozR 4‑7610 § 812 Nr 7, RdNr 27; Hessischer Verwaltungsgerichtshof <VGH> vom 17.7.1990 ‑ 11 UE 1487/89 ‑ NJW 1991, 510, 512). Dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entsprechend ist im Anwendungsbereich eines öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs die erfasste Vermögensverschiebung zu beseitigen. Ob trotz der Überlagerung des zivilrechtlichen Bereicherungsrechts durch die Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Kontexts unter Umständen auf Rechtsfolgenseite Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (Simon in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl 2020, § 105 RdNr 18, Stand 1.2.2020; Klinge in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 105 RdNr 10, Stand Oktober 2020; Schütze in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 50 RdNr 29; LSG Berlin-Brandenburg vom 24.11.2015 ‑ L 14 AS 3260/14 ‑ RdNr 41), kann hier offenbleiben. Bislang sind auf Grundlage der Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte für einen solchen Sachverhalt erkennbar. Denkbar sind solche Umstände wohl nur bei Zufluss einer Nachzahlung nach Beendigung des Leistungsbezugs; in den übrigen Fällen sind insbesondere Rentennachzahlungen ohnehin im Zeitpunkt des Zuflusses als Einkommen (und Vermögen) zu berücksichtigen (vgl nunmehr § 82 Abs 7 SGB XII).
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.