1. Die Bewilligung vorläufiger Leistungen nach § 8 Abs 3 BEEG ist ein eigenständiger Verwaltungsakt, der mit Widerspruch und Klage angefochten werden kann. Mit der Klage gegen eine vorläufige Bewilligungsentscheidung kann geltend gemacht werden, dass die Voraussetzungen für eine lediglich vorläufige Bewilligung nicht vorliegen und stattdessen eine endgültige Bewilligung hätte erfolgen müssen.
2. Nach § 2b Abs 2 Satz 1 BEEG sind für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2d BEEG vor der Geburt die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde liegen. Die Regelung verpflichtet die Elterngeldbehörde, bei der Berechnung des Elterngeldes als Bemessungszeitraum den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legen. Steuerlicher Veranlagungszeitraum ist das Kalenderjahr (vgl §§ 2 Abs 7, 25 Abs 1 EStG). Davon zu unterscheiden ist der steuerliche Gewinnermittlungszeitraum, der vom Veranlagungszeitraum abweichen kann.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.01.2022 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die endgültige anstatt einer vorläufigen Gewährung von Elterngeld sowie der dabei zugrunde zu legende Bemessungszeitraum streitig.
Die 1984 geborene, verheiratete Klägerin ist Mutter der am 26.08.2008 und 17.11.2011 geborenen Söhne sowie der am 23.02.2021 geborenen Tochter J (J). Die Klägerin wohnte zunächst gemeinsam mit ihrem Ehemann sowie J in einem Haushalt, nach ihrer Trennung von ihrem Ehemann mit J allein. Sie betreut und erzieht ihre Kinder. Die Klägerin war im Rahmen der Familienversicherung bei der LKrankenkasse versichert und erhielt kein Mutterschaftsgeld (Bescheid der LKrankenkasse vom 27.01.2021, Bl 87 der Verwaltungsakten).
Zwischen den Eheleuten bestand zum Zweck der gemeinsamen Bewirtschaftung sowie der Erhaltung und Verbesserung der Existenzfähigkeit ihres landwirtschaftlichen Betriebes in D eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) aufgrund des Gesellschaftsvertrages vom 01.01.2017 in der Fassung des Ergänzungsvertrages vom 01.01.2018. Danach wurden Gewinn und Verlust aus dem landwirtschaftlichen Betrieb zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann im Verhältnis 30% zu 70% aufgeteilt. Weiterhin war ua vereinbart, dass für den Fall, dass ein Gesellschafter von dem Recht Gebrauch macht, Elterngeld zu beziehen, für diesen Zeitraum er keinen Gewinnanteil erhält. Das Geschäftsjahr der Gesellschaft entsprach dem landwirtschaftlichen Wirtschaftsjahr (01.07. bis 30.06.).
Am 19.04.2021 beantragte die Klägerin anlässlich der Geburt von J die Bewilligung von Basiselterngeld für den 01. bis 09. sowie den 12. bis 14. Lebensmonat der J. Ihr Ehemann beantragte zunächst Basiselterngeld für den 10. und 11. Lebensmonat, nahm diesen Antrag aber später zurück. Die Eheleute gaben an, dass sie Einkommen aus selbstständiger Arbeit aus einem landwirtschaftlichen Milchviehbetrieb vom 01.07.2013 bis 22.02.2021 erzielt hätten. Im Zeitraum, für den sie - die Klägerin - Elterngeld beantragt habe, habe sie voraussichtlich kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit bzw weder Einnahmen noch Ausgaben aus selbstständiger Tätigkeit. Außerdem habe sie Einkommensersatzleistungen in Form einer Berufsunfähigkeitsrente bis zum 22.02.2021 erhalten. Der Umfang reduziere sich durch sonstige Maßnahmen. Der Steuerbescheid für das Jahr 2019 sei noch nicht vorhanden. Die Klägerin legte dem Antrag die Berechnung für die Einkommensteuer 2019 sowie den Einkommensteuerbescheid 2018 bei. In dem Bescheid des Finanzamtes T vom 20.11.2020 für 2018 über Einkommensteuer sind Einkünfte der Klägerin aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 18.700,00 € sowie Leibrenten aus privaten Rentenversicherungen in Höhe von 44.791,00 € dokumentiert. In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 wurden für die Klägerin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 18.546,00 € sowie sonstige Einkünfte nach § 22 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 2.901,00 € ausgewiesen. Sie beantragte die Verschiebung des Bemessungszeitraums auf den vorangegangenen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum, weil das Wirtschaftsjahr der Landwirtschaft vom 01.07. bis zum 30.06. des Folgejahres laufe und kein Kalenderjahr umfasse. In dem Zeitraum, für den sie Elterngeld beantrage, habe sie kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit bzw weder Einnahmen noch Ausgaben aus selbstständiger Tätigkeit. Sie erhalte Einkommensersatzleistungen aus einer Berufsunfähigkeitsrente fortlaufend für die Zeit ab 23.02.2021.
Unter dem 12.05.2021 gab die Klägerin ergänzend an, dass der landwirtschaftliche Betrieb während der Elternzeit fortgeführt werde. Während des Bezugszeitraums von Elterngeld sei sie jedoch persönlich nicht tätig. Sie werde nicht arbeiten und erhalte für diesen Zeitraum auch keinen Gewinnanteil. Die gemeinsame Verantwortung des Unternehmens liege bei ihrem Ehemann. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 könne nach ihrer Ansicht nicht als Berechnungsgrundlage für das Elterngeld verwendet werden, da sich der Bemessungszeitraum und der Leistungszeitraum über mehrere Monate überschneiden würden. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 setze sich zu 50% aus den Gewinnen der Wirtschaftsjahre 01.07.2019 bis 30.06.2020 und 01.07.2020 bis 30.06.2021 zusammen. Die Geburt von J sei bereits am 23.02.2021 erfolgt. Somit sei vom 23.02.2021 bis 30.06.2021 der Bezugszeitraum Elterngeld zu 50% als Gewinn im Einkommensteuerbescheid 2020 zugrunde gelegt. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 berücksichtige damit auch Gewinnanteile nach der Geburt des Kindes. Sie reduziere ihr Einkommen ab der Geburt auf 0,00 €, da sie in diesem Zeitraum nicht arbeite und Elternzeit nehme. Somit würde die Berechnungsgrundlage aufgrund des Einkommensteuerbescheides 2020 die Elterngeldleistung deutlich reduzieren. Der Zeitraum der Berechnungsgrundlage und des Bezugszeitraums Elterngeld dürften sich nicht überschneiden.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 04.06.2021 (Bl 55 der Verwaltungsakten) für den 1. bis 9. Lebensmonat (23.02.2021 bis 22.11.2021) sowie vom 12. bis 14. Lebensmonat (23.01.2022 bis 22.04.2022) Basiselterngeld in Höhe von monatlich 943,80 €. Die Bewilligung des Elterngeldes erfolgte vorläufig, der Steuerbescheid für das Jahr 2020 liege noch nicht vor. Daher könne mit diesem Bescheid Elterngeld nur vorläufig zugesagt werden. Zur endgültigen Festsetzung des Elterngeldanspruchs bat die Beklagte um Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2020 nach dessen Erhalt. Ergebe sich aufgrund der endgültigen Nachweise ein geringerer Elterngeldanspruch, müsse die Differenz zurückgezahlt werden. Die Beklagte legte Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 18.546,00 € (monatlicher Durchschnitt 1.545,50 €) abzüglich Steuern in Höhe von 93,50 € (= 1.452,00 €) zugrunde. Der Berechnung des Elterngeldes werde das durchschnittliche monatliche Erwerbseinkommen zugrunde gelegt, das die Klägerin in der Zeit vom 01.01.2020 bis 31.12.2020 (Bemessungszeitraum) habe. Der Bemessungszeitraum umfasse 12 Kalendermonate. Als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit (Land-/Forstwirtschaft) werde der Gewinn, der im maßgeblichen Zeitraum erzielt worden sei, zugrunde gelegt. Der Anspruchsfaktor betrage 65%.
Dagegen legte die Klägerin am 22.06.2021 Widerspruch ein und wandte sich gegen die Ermittlung des Elterngeldanspruchs aus einem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020. Für den Bemessungszeitraum sei das Einkommen vor Geburt relevant. Daher dürfe der Einkommensteuerbescheid 2020 nicht zur Bemessung des Elterngeldes herangezogen werden. Sie legte den Bescheid des Finanzamtes T vom 14.06.2021 für 2019 über Einkommensteuer (Bl 44 der Verwaltungsakten) vor, in dem Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft der Klägerin in Höhe von 18.546,00 € sowie eine Leibrente aus privater Rentenversicherung in Höhe von 15.808,00 € ausgewiesen sind. Weiterhin legte sie ein Schreiben der Steuerabteilung des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes e.V. vom 15.06.2021 vor, wonach sich die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Kalenderjahr 2020 aus dem Wirtschaftsjahr 2019/2020 (Zeitraum 01.07.2019 bis 30.06.2020) und dem Wirtschaftsjahr 2020/2021 (Zeitraum 01.07.2020 bis 30.06.2021) zusammensetzten.
Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 04.06.2021 mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2021 als unbegründet zurück. Für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2d Bundeselterngeld- und -elternzeitgesetz (BEEG) vor der Geburt seien die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde lägen. Hätten in einem Gewinnermittlungszeitraum die Voraussetzungen des § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG vorgelegen, seien auf Antrag die Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich, die dem diesen Ereignissen vorangegangenen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum zugrunde lägen (§ 2b Abs 2 BEEG). Ein Verschiebetatbestand im Sinne des § 2b Abs 1 BEEG liege nicht vor. Der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum sei das Kalenderjahr 2020. Der Bemessungszeitraum für die Ermittlung des vor der Geburt des Kindes erzielten Einkommens aus Land- und Forstwirtschaft sei daher das Kalenderjahr 2020. Liege noch kein Einkommensteuerbescheid vor, würden die Gewinneinkünfte anhand vorläufiger Nachweise ermittelt. Bei der Einkommensteuer handele es sich um eine Jahressteuer, deren Grundlagen für die Festsetzung jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln seien (§ 2 Abs 7 EStG). Nach § 25 EStG werde die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen habe. Gemäß § 4a Abs 1 EStG sei aber bei Land- und Forstwirten der Gewinn nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln, wobei ein Wirtschaftsjahr den Zeitraum vom 01.07. bis zum 30.06. umfasse. Durch Rechtsverordnung könne für einzelne Gruppen von Land- und Forstwirten ein anderer Zeitraum bestimmt werden, wenn das aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich sei. Laut Gesellschaftsvertrag der Eheleute entspreche der Veranlagungszeitraum dem landwirtschaftlichen Wirtschaftsjahr. Dieser Zeitraum weiche vom Kalenderjahr ab. § 4a Abs 2 Nr 1 EStG regele für diesen Fall Folgendes: „Bei Land- und Forstwirten ist der Gewinn des Wirtschaftsjahres auch das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr beginnt, und auch das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr endet, entsprechend dem zeitlichen Anteil aufzuteilen.“ Hiernach sei vorliegend die Hälfte des Gewinns aus dem Wirtschaftsjahr vom 01.07.2019 bis 30.06.2020 zuzüglich der Hälfte des Gewinns aus dem Wirtschaftsjahr vom 01.07.2020 bis 30.06.2021 als Grundlage für die Festsetzung der Einkommensteuer im Veranlagungszeitraum 2020 zu berücksichtigen. Laut Richtlinien zum BEEG, Ziff. 2b.2.1 sei die Überschneidung mit dem Geburtstermin als Folge der steuerlichen Regelung nicht zu korrigieren. Sofern die Klägerin vortrage, dass sich im zugrunde gelegten Zeitraum auch Zeiten nach der Geburt des Kindes befänden, in denen sie nicht erwerbstätig sei und kein Einkommen habe, rechtfertige dies keine andere rechtliche Beurteilung. Eine Berücksichtigung des tatsächlich im Zeitraum vom 01.01.2020 bis 31.12.2020 erzielten Gewinns sei demnach nicht möglich. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 liege nicht vor. Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft habe die Beklagte daher der Anlage zur Berechnung der Einkommensteuer 2019 entnommen. Danach habe die Klägerin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 18.456,00 € erzielt, das seien im Monat durchschnittlich 1.545,00 €. Das Elterngeld sei nur vorläufig festgesetzt worden. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 sei zu gegebener Zeit nachzureichen. Gegebenenfalls erfolge eine Korrektur.
Dagegen hat die Klägerin am 10.08.2021 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und sich in der Sache gegen die vorläufige Bewilligung auf Grundlage des steuerlichen Veranlagungszeitraums 2020 gewandt. Sie hat ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Im ersten Moment sehe die Auszahlungssumme im Bescheid schön aus, doch nach den Ausführungen sowie Regelungen des aktuellen Bewilligungsbescheides der Beklagten würde hiervon eine sehr große Summe wieder zurückgefordert werden, weil in die Berechnung mehr als vier Monate zu 50% ein Verdienst von 0,00 € herangezogen werden würde. Erschwerend komme hinzu, dass durch Corona im landwirtschaftlichen Betriebswirtschaftsjahr 2019/2020 ein geringerer Verdienst vorhanden sei, der ebenfalls mit der Steuererklärung 2020 zu Rückzahlungen führen werde.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Einkünfte der Klägerin und ihres Ehemannes aus Land- und Forstwirtschaft im Kalenderjahr 2020, somit dem Kalenderjahr vor Geburt des Kindes, setzten sich aus dem Wirtschaftsjahr 2019/2020 (01.07.2019 bis 30.06.2020) und dem Wirtschaftsjahr 2020/2021 (Zeitraum 01.07.2020 bis 30.06.2021) zusammen. Maßgeblich sei allein die steuerliche Beurteilung. Die Beklagte müsse aufgrund der steuerrechtlichen Regelung in § 4a EStG und der Steuerrechtsakzessorietät des Elterngeldes die auch zum Bezugszeitraum des Elterngeldes gehörenden Monate Februar bis Juni 2021 dem Bemessungszeitraum zuordnen. Dies widerspreche nicht § 9 Abs 2 des zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann bestehenden Gesellschaftsvertrages. Diese Bestimmung solle lediglich verhindern, dass Gewinnanteile während der Elternzeit das Elterngeld im Bezugszeitraum minderten. Eine solche Minderung durch Einkommensanrechnung sei von der Beklagten in den Bezugsmonaten Februar bis Juni 2021 gerade nicht vorgenommen worden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Verschiebung des Bemessungszeitraumes wegen eines coronabedingten geringeren Gewinns und geringeren Einkommens. Einkommensminderungen zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.12.2020 habe sie nicht im Sinne des § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG glaubhaft gemacht. Vielmehr belege der Bescheid vom 04.06. 2020 über die Ablehnung des Antrages auf die Soforthilfen des Bundes und des Landes für die Gewährung von Überbrückungshilfen gerade, dass keine unmittelbar infolge der Corona-Pandemie entstandene existenzbedrohliche Wirtschaftslage bzw kein ausreichender Liquiditätsengpass habe erkannt werden können.
Das SG hat mit Urteil vom 26.01.2022 die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 04.06.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.07.2021 verurteilt, der Klägerin Elterngeld unter Zugrundelegung des Einkommensteuerbescheids 2019 endgültig zu bewilligen. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Zu Unrecht habe die Beklagte das Elterngeld nur vorläufig festgesetzt. Unstreitig sei zwischen den Beteiligten, dass die Voraussetzungen für einen Elterngeldanspruch gegeben seien. Streitig sei allein, ob die Beklagte das Elterngeld habe vorläufig feststellen dürfen oder ob eine endgültige Festsetzung möglich sei. Rechtsgrundlage für die vorläufige Festsetzung sei § 8 Abs 3 Satz 1 Nr 1 BEEG. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 19.04.2021 habe der Steuerbescheid für das Jahr 2019 noch nicht vorgelegen, sodass zunächst eine vorläufige Festsetzung möglich gewesen sei. Die Klägerin habe aber im Widerspruchsverfahren diesen Bescheid vorgelegt. Ab diesem Zeitpunkt sei eine vorläufige Feststellung nicht mehr in Betracht gekommen. Entscheidend für die Bemessung des Elterngeldes sei der Steuerbescheid für das Jahr 2019 und nicht - wie die Beklagte meine - für das Jahr 2020. Die Berechnung des Einkommens aus Land- und Forstwirtschaft richte sich nach § 2b BEEG. Die monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit (Gewinneinkünfte), vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach dem § 2e und f BEEG, ergebe das Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit. Bei der Ermittlung der im Bemessungszeitraum zu berücksichtigenden Gewinneinkünfte seien die entsprechenden im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Gewinne einzusetzen. Für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von § 2d BEEG vor der Geburt seien die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt zugrunde lägen (§ 2b Abs 2 Satz 1 BEEG). Der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt der J sei der Veranlagungszeitraum, der dem Steuerbescheid 2019 zugrunde liege, nämlich das Wirtschaftsjahr 2019. Dieses umfasse den Zeitraum vom 01.07.2018 bis zum 30.06.2019 und vom 01.07.2019 bis zum 30.06.2020. Dies ergebe sich aus § 4a EStG. Das Bundessozialgericht (BSG) habe klargestellt, dass für eine Abweichung von den Regelungen des § 2b Abs 3 BEEG kein Raum vorhanden sei (BSG 10.09.2021, B 10 EG 3/21 B; BSG 16.11.2020, B 10 EG 7/20 B; BSG 27.10.2016, B 10 EG 4/15; BSG 21.06.2016, B 10 EG 8/15 R). Selbst bei einer im Falle des § 2b Abs 3 Satz 2b BEEG beantragten Verschiebung des Bemessungszeitraums sei keine Verschiebung auf den Zwölfmonatszeitraum vor dem Monat der Geburt des Kindes möglich, sondern lediglich auf den vorangegangenen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum (BSG 10.09.2021, B 10 EG 3/21 B). Diese Rechtsprechung sei auf § 2b Abs 2b BEEG zu übertragen. Es müsse der letzte abgeschlossene Veranlagungszeitraum vor der Geburt zugrunde gelegt werden. Der Veranlagungszeitraum müsse vor Geburt des Kindes abgeschossen sein, daher könne der Bemessungszeitraum nicht in die Zeit nach der Geburt hineinreichen (Hinweis auf BSG 16.11.2020, B 10 EG 7/20 B). Der Steuerbescheid für das Jahr 2020 umfasse das Wirtschaftsjahr vom 01.07.2019 bis 30.06.2020 sowie vom 01.07.2020 bis zum 30.06.2021. Die Tochter sei am 23.02.2021 geboren. Der Veranlagungszeitraum für 2020 sei daher nicht vor der Geburt abgeschlossen gewesen. Der Bemessung sei daher der Steuerbescheid für das Jahr 2019 zugrunde zu legen.
Gegen das ihr am 19.02.2022 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 22.02.2022 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit der sie Klageabweisung begehrt. Das SG unterstelle fälschlicherweise, dass die vorläufige Bewilligung des Elterngeldes streitgegenständlich sei. Der maßgebliche Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2020 liege bis heute nicht vor. Gemäß § 2d Abs 2 BEEG seien bei der Ermittlung der im Bemessungszeitraum zu berücksichtigenden Gewinneinkünfte ausdrücklich die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Gewinne einzusetzen. Demgemäß sei das Einkommen im Kalenderjahr 2020 zugrunde zu legen. Gemäß § 2b Abs 2 Satz 1 BEEG seien für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2d BEEG vor der Geburt die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde lägen. Da bei der Klägerin keine der Verschiebe- oder Antragstatbestände vorlägen und diese abschließend seien, sei die von der Klägerin geforderte Verschiebung des Bemessungszeitraums auf den vorangegangenen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum (Kalenderjahr 2019) gesetzlich ausgeschlossen. Der letzte steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt sei das Kalenderjahr 2020.Die Einkommensteuererklärung selbst werde auch bei abweichendem Wirtschaftsjahr immer für das Kalenderjahr erstellt. Bei der Ermittlung der im Bemessungszeitraum zu berücksichtigenden Gewinneinkünfte habe die Beklagte gemäß § 2d Abs 2 BEEG die entsprechend dem Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Gewinne anzusetzen. Maßgeblich hierfür bleibe der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020. Die Ausführungen des SG zu den Entscheidungen des BSG gingen an der Sache vorbei. Denn die Anwendung des § 2b Abs 3 BEEG sei auf die Fälle beschränkt, in denen die elterngeldberechtigte Person vor Geburt des Kindes sowohl über Einkünfte aus nicht selbstständiger als auch aus selbstständiger Tätigkeit verfügt habe (Mischeinkünfte). Bei ausschließlich aus selbstständiger Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften finde § 2b Abs 2 BEEG Anwendung. Danach seien zwingend die steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde lägen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.01.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verweist auf ihre Ausführungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren und verteidigt das angefochtene Urteil. Der Steuerbescheid für das Jahr 2020 liege bis heute nicht vor.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG), hat Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Elterngeld unter Zugrundelegung des Bescheids über Einkommensteuer für das Jahr 2019 endgültig zu gewähren.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 04.06.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.07.2021 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), mit dem die Beklagte der Klägerin für den 1. bis 9. Lebensmonat (23.02.2021 bis 22.11.2021) sowie vom 12. bis 14. Lebensmonat (23.01.2022 bis 22.04.2022) Basiselterngeld in Höhe von monatlich 943,80 € vorläufig bewilligt und dabei den Bemessungszeitraum 2020 zugrunde gelegt hat. Dagegen hat sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG) gewandt und die endgültige Bewilligung von Elterngeld unter Berücksichtigung des Steuerjahres 2019 begehrt. Das SG hat die Beklagte im Wege eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG) unter Abänderung des Bescheids vom 04.06.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.07.2021 verurteilt, der Klägerin Elterngeld unter Zugrundelegung des Bescheids über Einkommensteuer für das Jahr 2019 endgültig zu gewähren. Dagegen wendet sich allein die Beklagte mit ihrer Berufung und begehrt die Abweisung der Klage.
Der Zulässigkeit der Klage der Klägerin steht nicht entgegen, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid eine vorläufige Entscheidung getroffen und diese noch nicht durch eine endgültige Bewilligung ersetzt hat. Die Bewilligung vorläufiger Leistungen nach § 8 Abs 3 BEEG ist ein eigenständiger Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), der gesondert mit Widerspruch und Klage angefochten werden kann (BSG 13.12.2018, B 10 EG 5/17 R, BSGE 127, 162; BSG 04.09.2013, B 10 EG 18/12 R, SozR 4-7837 § 2 Nr 23; BSG 05.04.2012, B 10 EG 6/11 R, SozR 4-7837 § 2 Nr 15). Die Klägerin hat auch statthaft die endgültige Gewährung anstatt der vorläufig bewilligten Leistungen begehrt. Mit der Klage gegen eine vorläufige Bewilligungsentscheidung kann geltend gemacht werden, dass die spezifischen Voraussetzungen für eine lediglich vorläufige Bewilligung nicht vorliegen und stattdessen eine endgültige Bewilligung hätte erfolgen müssen (vgl BSG 19.08.2015, B 14 AS 13/14 R, BSGE 119, 265; BSG 10.05.2011, B 4 AS 139/10 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 38).
Der Bescheid der Beklagten vom 04.06.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.07.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht das Elterngeld vorläufig bewilligt und dabei auf den steuerrechtlichen Veranlagungszeitraum 2020 abgestellt.
Die Vorschriften des BEEG finden in der bis zum 31.08.2021 geltenden Fassung Anwendung, da J am 23.02.2021 und damit vor dem 01.09.2021 geboren wurde (§ 28 Abs 1 BEEG). Nach § 1 Abs 1 Satz 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 1 BEEG für einen Anspruch sind dem Grunde nach erfüllt. Die Klägerin hat ihren Wohnsitz in Deutschland, sie lebt mit J in einem Haushalt, betreute und erzog das Kind und übte im Bezugszeitraum keine Erwerbstätigkeit aus (vgl § 1 Abs 6 BEEG). Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Sie beantragte das Elterngeld schriftlich am 19.04.2021 und damit innerhalb von drei Monaten nach der Geburt von J (§ 7 Abs 1 BEEG).
Gemäß § 2 Abs 1, Abs 2 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 100 bis 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 € monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4 EStG sowie Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 EStG, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs 3 BEEG erzielt hat (§ 2 Abs 1 Satz 3 BEEG). Elterngeld wird mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt (§ 2 Abs 4 BEEG).
Nachdem die Klägerin allein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit hatte, findet zwingend die Regelung des § 2b Abs 2 BEEG Anwendung (zB BSG 28.03.2019, B 10 EG 6/18 R, SozR 4-7837 § 2b Nr 5). Danach sind für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2d BEEG vor der Geburt die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde liegen (Satz 1). Haben in einem Gewinnermittlungszeitraum die Voraussetzungen des § 2b Abs 1 Satz 2 oder 3 BEEG vorgelegen, sind auf Antrag die Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich, die dem diesen Ereignissen vorangegangenen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum zugrunde liegen. § 2b Abs 2 Satz 1 BEEG verpflichtet die Elterngeldbehörde in gebundener Entscheidung bei der Berechnung des Elterngelds als Bemessungszeitraum den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legen, wenn der Elterngeldberechtigte allein Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt hat; als einzige Ausnahme von dieser Regel ermöglicht § 2b Abs 2 Satz 2 BEEG, den Bemessungszeitraum auf Antrag noch weiter in die Vergangenheit auf den vorangegangenen steuerlichen Veranlagungszeitraum zu verschieben (BSG 28.03.2019, B 10 EG 6/18 R, SozR 4-7837 § 2b Nr 5). Der Bezug von Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit soll zwingend zu einem Rückgriff auf einen steuerlichen Veranlagungszeitraum, der für die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich ist, sowie auf den entsprechenden Einkommensteuerbescheid führen. Die von dem Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs (Art 1 Nr 3 des Gesetzes vom 10.09.2012, BGBl I 1878) neu geschaffene Vorschrift des § 2b Abs 2 BEEG zielt ausdrücklich auf eine grundlegende Verwaltungsvereinfachung ab (vgl BT-Drucks 17/1221 S 1) und sorgt dafür, dass der Nachweis des Bemessungseinkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit möglichst allein anhand des Einkommensteuerbescheids erfolgt (BSG 28.03.2019, B 10 EG 6/18 R, SozR 4-7837 § 2b Nr 5).
Nach § 2d BEEG in der seit dem 29.05.2020 geltenden Fassung (Gesetz vom 20.05.2020, BGBl I 1061) ergibt die monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit (Gewinneinkünfte), vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f BEEG, das Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit (Abs 1). Bei der Ermittlung der im Bemessungszeitraum zu berücksichtigenden Gewinneinkünfte sind die entsprechenden im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Gewinne anzusetzen (Abs 2 Satz 1). Ist kein Einkommensteuerbescheid zu erstellen, werden die Gewinneinkünfte in entsprechender Anwendung des § 2d Abs 3 BEEG ermittelt. Danach ist Grundlage der Ermittlung der in den Bezugsmonaten zu berücksichtigenden Gewinneinkünfte eine Gewinnermittlung, die mindestens den Anforderungen des § 4 Abs 3 EStG entspricht. Als Betriebsausgaben sind 25 Prozent der zugrunde gelegten Einnahmen oder auf Antrag die damit zusammenhängenden tatsächlichen Betriebsausgaben anzusetzen (§ 2d Abs 3 Satz 2 BEEG). Soweit nicht in § 2c Abs 3 BEEG etwas anderes bestimmt ist, sind bei der Ermittlung der nach § 2e BEEG erforderlichen Abzugsmerkmale für Steuern die Angaben im Einkommensteuerbescheid maßgeblich (§ 2d Abs 4 BEEG). Die zeitliche Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben erfolgt nach den einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen (§ 2d Abs 5 BEEG).
Nach § 8 Abs 3 Satz 1 BEEG wird das Elterngeld bis zum Nachweis der jeweils erforderlichen Angaben vorläufig unter Berücksichtigung der glaubhaft gemachten Angaben gezahlt, wenn
1. zum Zeitpunkt der Antragstellung der Steuerbescheid für den letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes nicht vorliegt und noch nicht angegeben werden kann, ob die Beträge nach § 1 Abs 8 BEEG oder nach § 4a Abs 1 Nr 1 BEEG iVm § 1 Abs 8 BEEG überschritten werden,
2. das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt nicht ermittelt werden kann,
3. die berechtigte Person nach den Angaben im Antrag auf Elterngeld im Bezugszeitraum voraussichtlich Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat oder
4. die berechtigte Person weitere Monatsbeträge Elterngeld Plus nach § 4 Abs 4 Satz 3 BEEG oder nach § 4 Abs 6 Satz 2 BEEG beantragt.
In Anwendung dieser gesetzlichen Regelungen hat die Beklagte zutreffend über die Gewährung von Elterngeld vorläufig entschieden. Denn zum Zeitpunkt der Antragstellung des Elterngeldes - und im Übrigen auch bis zur Entscheidung des Senats über die Berufung - lag der Steuerbescheid für den letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes, nämlich für das Jahr 2020, nicht vor. Die Regelungen der § 2b Abs 2 Satz 1 und § 2d Abs 2 Satz 1 und Abs 5 BEEG stellen maßgeblich auf den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ab. Steuerlicher Veranlagungszeitraum ist das Kalenderjahr. Nach § 2 Abs 7 EStG sind die Grundlagen für die Festsetzung der Einkommensteuer jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln (Jahressteuerprinzip). Daran anknüpfend bestimmt § 25 Abs 1 EStG, dass der Steuerpflichtige nach dem Einkommen veranlagt wird, welches er im Kalenderjahr, dh im Veranlagungszeitraum, bezogen hat. Danach war der letzte vor der Geburt der J im Februar 2021 abgeschlossene Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr 2020. Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass das Wirtschaftsjahr bei dem landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin abweichend vom Veranlagungszeitraum/Kalenderjahr geregelt ist.
In § 4a Abs 1 Satz 1 EStG wird abweichend vom Grundsatz der §§ 2 Abs 7, 25 Abs 1 EStG für Land- und Forstwirte sowie für Gewerbetreibende vorgeschrieben, dass sie ihren Gewinn nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln haben. Der Gewinnermittlungszeitraum für die Einkünfte aus Land- und Fortwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit kann mit dem Kalenderjahr identisch sein, kann aber auch davon abweichen. So bestimmt § 4a Abs 1 Satz 2 Nr 1 EStG für Land- und Forstwirte, dass das Normalwirtschaftsjahr den Zeitraum vom 01.07. des einen Jahres bis zum 30.06. des Folgejahres umfasst. Dies bezweckt eine optimale Abstimmung der Gewinnzeiträume auf die sich jährlich wiederholenden Produktionsabläufe in der Land- und Forstwirtschaft, sodass beim Ackerbau Aussaat und Ernte in einem Wirtschaftsjahr erfasst werden (vgl Düsing/Martinez/Stephany, Agrarrecht, 2. Auflage 2022, § 4a EStG Rn 1). Die Klägerin und ihr Ehemann haben für ihren landwirtschaftlichen Betrieb in Einklang mit der Regelung des § 4a Abs 1 Satz 2 Nr 1 EStG das Wirtschaftsjahr vom 01.07. bis zum 30.06. ausdrücklich festgelegt; ein Ausnahmefall iSd § 4a Abs 1 Satz 2 Nr 1 Satz 2 EStG liegt nicht vor. Nach dem Vorbringen der Klägerin sowie der Bestätigung der Steuerabteilung des B Landwirtschaftlichen Hauptverbandes e.V. vom 15.06.2021 wurde und wird dies auch durch das Finanzamt steuerrechtlich so umgesetzt.
Die Besonderheit der Regelung des § 4a EStG liegt darin, dass der Gewinn in bestimmten Fällen - wie vorliegend der Land- und Forstwirtschaft - zunächst in einem ersten Schritt nach den Verhältnissen im Wirtschaftsjahr und nicht im Kalenderjahr ermittelt (§ 4a Abs 1 EStG) und dann in einem zweiten Schritt auf einen Jahresgewinn für den Verlangungszeitraum (Kalenderjahr) umgerechnet wird (§ 4a Abs 2 Nr 1 EStG; ferner Düsing/Martinez/Stephany, Agrarrecht, 2. Auflage 2022, § 4a EStG Rn 4; Schmidt/Heinicke, EStG, 41. Auflage 2022, § 4a Rn 1). Nach § 4 a Abs 2 EStG muss der ermittelte Gewinn des vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr als steuerlicher Bemessungs- und Veranlagungszeitraum iSd § 25 EStG umgerechnet werden. Das Kalenderjahr als Veranlagungszeitraum bleibt aber ua für die Festsetzung der Einkommensteuer maßgebend (Brandis/Heuermann/Nacke, EStG, Stand März 2022, § 4a Rn 3; Schmidt/Heinicke, EStG, 41. Auflage 2022, § 4a Rn 20). Dies hat für den vorliegenden Fall zur Folge, dass der letzte abgeschlossene Veranlagungszeitraum vor der Geburt der J das Kalenderjahr 2020 ist. Bei der Ermittlung des Gewinns, der der Berechnung der Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum (Kalender- und Steuerjahr 2020) zugrunde gelegt wird, ist gemäß § 4a Abs 2 Nr 1 EStG der Gewinn des Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr beginnt, und auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr endet, entsprechend dem zeitlichen Anteil aufzuteilen, dh 6/12 des Gewinns aus dem Wirtschaftsjahr 01.07.2019 bis 30.06.2020 sowie 6/12 des Wirtschaftsjahr 01.07.2020 bis 30.06.2021 bilden den Gewinn für den Veranlagungszeitraum 2020. Die Klägerin verwechselt die steuerrechtlichen Begriffe Veranlagungs- und Gewinnermittlungszeitraum, auf die die elterngeldrechtlichen Regelungen zurückgreifen. Wie bereits dargelegt, stellt § 2b Abs 2 Satz 1 BEEG ausdrücklich auf den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ab. Dies ist das Kalenderjahr 2020. Die vom SG angefügten Entscheidungen des BSG stützen seine Rechtsauffassung gerade nicht. So hat das BSG zB in dem Beschluss vom 16.11.2020 (B 10 EG 7/20 B) dargelegt, dass § 2b Abs 2 Satz 1 BEEG die Elterngeldbehörde verpflichtet, in gebundener Entscheidung bei der Berechnung des Elterngelds als Bemessungszeitraum den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde zu legen, wenn der Elterngeldberechtigte vor der Geburt des Kindes - wie hier - allein Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt hat.
Ein Ausnahmefall des § 2b Abs 2 Satz 2 BEEG liegt nicht vor. Ein Verschiebetatbestand iSd § 2b Abs 2 Satz 2 und Abs 1 Satz 2 und 3 BEEG ist nicht gegeben, sodass keine Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich sind, die einem vorangegangenen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum (Steuerjahre 2018 oder 2019) zugrunde liegen. Die Voraussetzungen einer der Verschiebetatbestände des § 2b Abs 1 Satz 2 Nr 1 bis 4 BEEG liegen nicht vor (vgl zB LSG Baden-Württemberg 05.12.2017, L 11 EG 1883/17 bzgl § 2b Abs 1 Satz 2 Nr 2 BEEG bei Selbstständigen; LSG Baden-Württemberg 25.01.2022, L 11 EG 730/20 zu § 2b Abs 1 Satz 2 Nr 3 BEEG). Schließlich hat die Klägerin auch nicht den Verschiebetatbestand des § 2b Abs 2 Satz 3 BEEG glaubhaft gemacht, da nicht ersichtlich ist, dass sie in dem dem Veranlagungszeitraum 2020 zugrundeliegenden Gewinnermittlungszeitraum (01.07.2019 bis 30.06.2020 sowie 01.07.2020 bis 30.06.2021) in der Zeit vom 01.03.2020 bis zum 30.06.2021 aufgrund der COVID-19-Pandemie ein geringeres Einkommen aus ihrer Erwerbstätigkeit hatte. Die Klägerin hat Einkommensverluste lediglich pauschal behauptet, jedoch nicht ansatzweise dargelegt. Der von ihr vorgelegte Bescheid vom 04.06.2020 über die Ablehnung ihres Antrages auf Soforthilfen des Bundes und des Landes für die Gewährung von Überbrückungshilfen spricht vielmehr dagegen, dass sie gerade infolge der Corona-Pandemie eine relevante Einkommensminderung hatte. Schließlich spricht auch der im Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2019 (Gewinnermittlungszeitraum 01.07.2018 bis 30.06.2019 sowie 01.07.2019 bis 30.06.2020) ausgewiesene Gewinn (18,546,00 €), der dem Gewinn für den Veranlagungszeitraum 2018 entspricht (18.700,00 €), gegen eine Einkommensminderung aufgrund der Covid-19-Pandemie in der ersten Jahreshälfte 2020.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.