Ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI bedingt die Erfüllung der medizinischen Voraussetzungen zu einem Zeitpunkt, zu dem auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben waren; die materielle Beweislast für das zeitzeitliche Zusammentreffen der medizinischen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen trägt die versicherte Person.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Bis 1997 war die 1964 geborene Klägerin in ihrem gelernten Beruf der Bankkauffrau sozialversicherungspflichtig tätig. Es folgten Mutterschutz, Kindererziehungszeiten und (auch geringfügige) Tätigkeiten von September 2003 bis Juni 2006, Oktober 2010 bis Februar 2011 und September bis Oktober 2011. Anfang 2013 versuchte die Klägerin, wieder als Bankkauffrau zu arbeiten. Dies gelang nicht. Die Tätigkeit wurde während der Probezeit beendet. Ab Mai 2013 übte die Klägerin unterschiedliche geringfügige Tätigkeiten aus wie Telefonmarketing, Mitarbeiterin in einem Blumengeschäft, danach in einem Brautmodengeschäft und anschließend Mitarbeiterin an einer Rezeption eines Hotels, dies zeitweise überschneidend mit dem Telefonmarketing, mit der Folge, dass im Juli 2016 die gearbeiteten Monate mit Pflichtbeiträgen an die Rentenversicherung (wieder) eine Anzahl von 36 Monaten innerhalb der letzten fünf Jahre erreichten. Im weiteren Verlauf sind für die Klägerin im Versicherungsverlauf der Beklagten vom 11.03.2020 (Bl. 85f. GA) vom 01.07.2016 bis 31.05.2019 Pflichtbeitragszeiten für die Klägerin u. a. für Pflegetätigkeiten erfasst.
Vom 17.09.2013 bis 16.10.2013 befand sich die Klägerin in einer stationären psychiatrischen Behandlung im Klinikum I.. Laut Entlassungsbrief vom 12.02.2014 habe sich die Klägerin notfallmäßig mit depressiven Symptomen vorgestellt. Ihre Antriebslosigkeit sei so stark gewesen, dass sie tagelang nur im Bett geblieben sei und sich nicht habe versorgen können. Psychopathologisch habe sich eine wache, bewusstseinsklare und zu allen Qualitäten adäquat orientierte Patientin im gepflegten äußeren Erscheinungsbild vorgestellt. Diese sei im Kontaktverhalten anfangs gereizt und verdeckend gewesen. Es hätten leichte Konzentrationsstörungen vorgelegen, aber weitere höhergradige kognitive Defizite seien nicht objektivierbar gewesen. Im Anschluss an die stationäre Behandlung wurde die Klägerin von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J. ambulant behandelt. Die Krankenkasse bewilligte der Klägerin von Oktober 2013 bis Februar 2014 zehn Einheiten pro Woche ambulante psychiatrische Krankenpflege.
Die Ärztin für Arbeitsmedizin Dr. K. von der Bundesagentur für Arbeit stellte am 18.07.2014 fest, dass die allgemeine Belastbarkeit der Klägerin deutlich reduziert sei. Es liege aber eine Arbeitsfähigkeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vor.
Am 30.11.2017 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Sie habe u. a. seit akut zwei Jahren keinen Antrieb, aus dem Bett zu kommen, Leere im Kopf, könne sich nichts mehr merken, habe eine Konzentrationsschwäche, Angst „rauszugehen“, Aufgaben anzunehmen, Zahnschmerzen, Schlafstörungen, Haarausfall und Schwermut in heftigen Schüben. In der beigefügten Beschäftigungsübersicht (Bl. 52 VV) gab die Klägerin selbst an, dass die Tätigkeiten als Bankkauffrau im Januar und Februar 2013, als Mitarbeiterin im Telefonmarketing von Mai 2013 bis Oktober 2014, als Mitarbeiterin in der Straußbinderei im Januar und Februar 2015, als Mitarbeiterin im Brautmodengeschäft von März bis Juni 2015 aus gesundheitlichen Gründen gekündigt bzw. beendet worden seien.
Die Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. L. vom 18.02.2018 ein und veranlasste ein Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. M. vom 09.03.2018, nach welchem angesichts der Schwere und der Ausprägung der bipolaren Störung ein aufgehobenes Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich bei der Klägerin vorliege. Die Exploration habe sich schwierig gestaltet, da die Klägerin oft schlecht im Redefluss zu bremsen gewesen sei. Sie habe gereizt gewirkt und teilweise „daneben“ geantwortet. Die von Anfang an vorhandenen Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen hätten im Lauf der ca. 45-minütigen Untersuchung immer mehr zugenommen, sodass die Exploration deshalb vorzeitig habe abgebrochen werden müssen. Der Zeitpunkt der Leistungsminderung lasse sich aus nervenärztlicher Sicht sehr schwer eruieren. Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten kam zu der Schlussfolgerung, dass dieser Zustand seit der psychiatrischen Behandlung am 17.09.2013 bestehe. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 23.04.2018 ab, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen am 17.09.2013 nicht erfüllt gewesen seien. Im Zeitraum vom 01.08.2002 bis 16.09.2013 seien nur 33 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt.
Die Klägerin erhob hiergegen am 16.05.2018 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2019 zurückwies.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 24.06.2019 Klage beim Sozialgericht Braunschweig erhoben und geltend gemacht, dass ihre verschiedenen Tätigkeiten ab 2013 ihre Arbeitsfähigkeit in diesem Zeitraum dokumentierten. Auch das Gutachten der Agentur für Arbeit bestätige dies. Jedenfalls bis 2016 habe noch ein wirtschaftlich verwertbares Leistungsvermögen bestanden.
Das Sozialgericht Braunschweig hat Befundberichte der Psychiaterinnen Dr. J. und Dr. N. sowie der Hausärzte O. und Dr. L. eingeholt und die Klage mit Urteil vom 07.12.2020 abgewiesen. Die Klägerin sei aufgrund der Auswirkungen der bipolaren affektiven Störung nicht mehr in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei Stunden und mehr zu arbeiten. Dieser Leistungsfall sei ausweislich der medizinischen Unterlagen am 17.09.2013 eingetreten. Herr O. habe zunächst ausgeführt, die Reduzierung des Leistungsvermögens sei ab November 2015 eingetreten, um es dann später wegen eines angeblichen Schreibfehlers auf Juli 2016 - zufälligerweise der Beginn des Wiedervorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - zu datieren. Er könne aber keine entgegenstehende Aussage tätigen, weil er die Klägerin erst seit November 2015 behandele. Die von der Klägerin ausgeübten Erwerbstätigkeiten stünden der Einschätzung der Kammer nicht entgegen, weil es sich hierbei um keine einzige vollschichtige Tätigkeit handele, die zudem mindestens sechs Monate am Stück ausgeübt worden sei. Das Urteil ist der Klägerin am 11.01.2021 zugestellt worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 20.01.2021 Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass sie in der Zeit von 2010 bis Ende Juni 2016 ein deutlich höheres Leistungsvermögen gehabt habe. Sie habe trotz nachweislich vorliegender Bewerbungsanschreiben keinen entsprechenden Arbeitsplatz gefunden. Die Leistungsfähigkeit ergebe sich aus den medizinischen Unterlagen sowie ihren Zeugnissen. Diesbezüglich hat die Klägerin den Entlassungsbrief der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums I. vom 12.02.2014, den Arbeitsvertrag für das Telefonmarketing ab dem 01.08.2015 über 60 Stunden im Monat, das hierzu erstellte Arbeitszeugnis vom 12.01.2016, den Konsiliarbericht der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J. vom 19.11.2014 und weitere Unterlagen mit Schriftsatz vom 22.03.2021 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 07.12.2020 und den Bescheid der Beklagten vom 23.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2019 aufzuheben, und
- die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab März 2018 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die angefochtenen Entscheidungen rechtmäßig seien. Der Leistungsfall sei am 17.09.2013 eingetreten.
Der Senat hat das nervenärztliche Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. P. vom 30.12.2021 nebst ergänzender Stellungnahme vom 07.02.2022 eingeholt. Hiernach ist die Klägerin seit 2017 nicht mehr in der Lage, drei oder mehr Stunden pro Tag zu arbeiten. Für den Zeitraum 2013 bis 2017 lägen keine eigenen Untersuchungsbefunde vor. Bei der Klägerin habe ein Residualsyndrom festgestellt werden können. Dieses sei nicht nach den ersten depressiven Phasen vorhanden gewesen, sondern habe sich mit zunehmendem Verlauf der Erkrankung und wiederholten Rückfällen in Depression im Sinne einer Persönlichkeitsänderung entwickelt. Es sei deshalb davon auszugehen, dass sich bei der Klägerin eine zunehmende Persönlichkeitsänderung im Rahmen ihres manisch-depressiven Leidens eingestellt habe, welches etwa Ende 2017 eine derartige Quantität erreicht habe, dass eine für alle Seiten akzeptable berufliche Tätigkeit nicht mehr möglich gewesen sei. In diesem Zusammenhang müsse man auch unterstreichen, dass die Fatiguesymptomatik (erhöhte Erschöpfbarkeit) seit jener Zeit zugenommen habe. Als eigenes Symptom sei dies bis dahin von keinem der behandelnden Haus- und Nervenärzte erwähnt worden. Die Begründung könne mangels eigener Untersuchung nicht empirisch sein. Sie sei stattdessen rational: Eine Extrapolation des Krankheitsverlaufs sei durchaus möglich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die jeweils Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Braunschweig hat die Klage mit Urteil vom 07.12.2020 zu Recht abgewiesen, weil die Klage zwar zulässig, aber unbegründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 23.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Der Senat konnte nicht feststellen, dass zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorlagen.
1.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt nach § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI voraus, dass der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert im Sinne einer vollen oder teilweisen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 bzw. 2 SGB VI ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Voraussetzung für einen solchen Rentenanspruch ist nach den genannten gesetzlichen Vorgaben des Weiteren, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hatte. Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich nach § 43 Abs. 4 SGB VI um Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Berücksichtigungszeiten, Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach § 43 Abs. 4 Nummer 1 oder 2 liegt, und Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Die vorstehend genannten Zeiten sind nur zu berücksichtigen, soweit sie nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind.
Abweichend von den erläuterten versicherungsrechtlichen Vorgaben ist allerdings nach der Ausnahmeregelung in § 43 Abs. 5 SGB VI eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den entsprechend den Vorgaben des § 53 SGB VI die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.
Nach der weiteren Ausnahmevorschrift des § 241 Abs. 2 SGB VI sind des Weiteren Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§ 240) mit (Nr. 1) Beitragszeiten, (Nr. 2) beitragsfreien Zeiten, (Nr. 3) Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag, eine beitragsfreie Zeit oder eine Zeit nach Nummer 4, 5 oder 6 liegt, (Nr. 4) Berücksichtigungszeiten, (Nr. 5) Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder (Nr. 6) Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 (Anwartschaftserhaltungszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, ist eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich.
a) In medizinischer Hinsicht erfüllt die Klägerin inzwischen die erläuterten tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderung. Der Sachverständige Prof. Dr. P. hat einleuchtend dargelegt, dass die Klägerin unter Berücksichtigung insbesondere einer bipolaren affektiven Störung in Kombination mit einer depressiven Erkrankung in Form einer gegenwärtig mittelgradigen depressiven Episode nicht einmal mehr arbeitstäglich dreistündig am Erwerbsleben teilnehmen kann. Aufgrund der mit der Erkrankung einhergehenden erhöhten Ermüdbarkeit und nachhaltig reduzierten geistigen Flexibilität und des eingeschränkten Antriebes können von der Klägerin keine darüber hinausgehenden Arbeitsleistungen abverlangt werden. In Übereinstimmung mit dieser Einschätzung hat auch die Neurologin und Psychiaterin Dr. M. bereits in ihrem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten vom 09.03.2018 überzeugend dargelegt, dass bei der Klägerin am Tag der damaligen Untersuchung am 09.03.2018 ein aufgehobenes Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich wegen der Schwere und der Ausprägung der bipolaren Störung vorgelegen hat.
b) Die dargelegten gesetzlichen Vorgaben sehen aber darüber hinaus auch eine Erfüllung der erläuterten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung vor. Diesen weiteren Bedingungen für einen Erwerbsminderungsrentenanspruch vermag die Klägerin jedoch auch nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens nicht zu genügen.
Im vorliegenden Fall liegen keine Anhaltspunkte für einen die vorzeitige Erfüllung der Wartezeit im Sinne des § 53 SGB VI bewirkenden Tatbestand wie etwa eine Herbeiführung der Erwerbsminderung durch einen Arbeitsunfall vor; die erst 1964 geborene Klägerin hatte auch nicht im Sinne der Ausnahmevorschrift des § 241 Abs. 2 SGB VI bereits vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt.
Damit kommt ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI entsprechend den erläuterten Vorgaben des Abs. 1 und 2 dieser Vorschrift nur dann in Betracht, wenn die Klägerin in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hatte, wobei der Zeitraum von fünf um die gesetzlich in § 43 Abs. 4 SGB VI normierten Anwartschaftserhaltungstatbestände verlängert werden kann (sog. Drei-Fünftel-Belegung).
Die Beklagte hat den Versicherungsverlauf vom 11. März 2020 (Bl. 85 ff. GA) vorgelegt. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der dort ausgewiesenen rentenrechtlichen Zeiten sind nicht ersichtlich und werden auch nicht von Seiten der Klägerin aufgezeigt. Ausgehend von diesen Daten hat die Klägerin bis März 2010 Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung und im April und Mai 2010 Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Beitragszahlungen zurückgelegt. Von Oktober 2010 bis Februar 2011, von Januar bis Februar und Mai bis Oktober 2013, von Dezember 2013 bis Oktober 2014, von Januar 2015 bis April 2016 und von Juli 2016 bis Mai 2019 hat sie Pflichtbeitragszeiten aufgrund der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und daneben von Juni 2018 bis Juni 2019 Pflichtbeitragszeiten aufgrund der Verrichtung von Pflegetätigkeiten zurückgelegt. Ansonsten hat die Klägerin (abgesehen von ca. sechs Wochen der Ausübung einer nicht versicherungspflichtigen geringfügigen Beschäftigung im September und Oktober 2011) seit 2010 keine weiteren rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt (vgl. wegen der weiteren Einzelheiten den o.g. Versicherungsverlauf).
Angesichts der aufgezeigten Lückenzeiträume von Juni bis September 2010 (4 Monate) und von März 2011 bis Dezember 2012 (22 Monate) vermochte die Klägerin für mögliche Leistungsfälle im Zeitraum Dezember 2012 bis Juni 2016 nicht das Erfordernis der sog. Drei-Fünftel-Belegung zu erfüllen. Erst die Wiederaufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Januar 2013 (welche nachfolgend im Zeitraum bis Mai 2019 nur in den Monaten März, April und November 2013, November und Dezember 2014 sowie Mai und Juni 2016 unterbrochen war, führte zur Wiederbegründung der Drei-Fünftel-Belegung in dem vom Gesetz geforderten Fünfjahreszeitraum ab dem 2. Juli 2016. Die Klägerin hatte nach der angesprochenen 22-monatigen Lücke von März 2011 bis Dezember 2012 im Jahr 2013 neun Monate mit Pflichtbeitragszeiten aufgrund der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, 10 solcher Monate im Jahr 2014 und 12 im Jahr 2015, in der Summe in diesen drei Jahren 31 Monate. Im Jahr 2016 hat sie zunächst vier Monate mit Pflichtbeitragszeiten von Januar bis April 2016 zurückgelegt, so dass sich bis Ende April unter Einschluss der in den Jahren 2013 bis 2015 zurückgelegten Zeiten insgesamt 35 Monate mit Pflichtbeitragszeiten ergaben. Angesichts der nachfolgenden Lücke im Versicherungsverlauf in den Monaten Mai und Juni 2016 hat die Klägerin (bezogen auf die Zeit ab Ende 2012) erstmals wieder im Juli 2016 den für die 3/5-Belegung erforderlichen 36. Beitragsmonat zurückgelegt. Da gemäß § 122 Abs. 2 S. 2 SGB VI auch ein im Kalendermonat des Eintritts der Erwerbsminderung gezahlter Pflichtbeitrag zu berücksichtigen ist, es sei denn, diese Minderung ist am Ersten des Kalendermonats eingetreten (Gürtner in Kasseler Kommentar, Stand: 117. EL Dezember 2021, SGB VI § 43 Rn. 14), waren im Ergebnis die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zunächst ab dem 2. Juli 2016 wieder erfüllt.
Nachdem die Klägerin nach Mai 2019 keine weiteren (Pflicht-)Beitragszeiten zurückgelegt hatte, sind diese dann ab Juli 2021 erneut entfallen.
Ein Erfolg des Berufungsbegehrens hätte demnach zur Voraussetzung, dass der Leistungsfall einer Erwerbsminderung im Sinne von § 43 SGB VI entweder bereits vor Dezember 2012 oder ab dem 2. Juli 2016 eingetreten ist. Bei einem Leistungsfall im Zwischenzeitraum von November 2012 bis Juni 2016 erfüllt die Klägerin jedoch nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen in Form der dargelegten versicherungsrechtlichen Erfordernisse.
c) Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist der Senat jedoch weder zur Feststellung eines bereits vor Dezember 2012 eingetretenen Leistungsfalls noch zu einer Feststellung in der Lage, dass der maßgebliche Leistungsfall erst ab dem 2. Juli 2016 eingetreten ist. Vielmehr ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens auch unter Auswertung der weiteren Ermittlungsbemühungen im Berufungsverfahren weiterhin ernsthaft die Möglichkeit eines Leistungsfalls gerade in dem Zwischenzeitraum von Dezember 2012 bis Juni 2016 in Betracht zu ziehen, während dessen die Klägerin nicht die erläuterten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hat. Dies geht zu ihren Lasten, da sie die sog. materielle Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt und keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten mehr ersichtlich sind, aufgrund derer sich die Möglichkeit eines Leistungsfalls in diesem Zwischenzeitraum ausschließen lassen könnten.
Der vollständige Beweis (Nachweis) für das Vorliegen einer Rentenberechtigung ist erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten rentenerheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 28. November 1957, 4 RJ 186/56 = BSGE 6, 142 ff.; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. März 2017 – L 2 R 415/14 –, Rn. 65, juris).
Bedauerlicherweise fehlen aussagekräftige Gutachten oder anderweitige hinreichend intensive Befunderhebungen insbesondere aus der Zeit vor September 2013 und u.a. aus dem Zeitraum Dezember 2014 bis Juni 2016. Die rückblickend erforderliche Beurteilung der maßgeblichen Frage, ob sich rechtlich im Sinne des erforderlichen Vollbeweises mit der erforderlichen Verlässlichkeit der Eintritt des Leistungsfalls einer Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI entweder vor Dezember 2012 oder ab dem 2. Juli 2016 feststellen, ob also die Möglichkeit eines entsprechenden Eintritts gerade im Zwischenzeitraum November 2012 bis Juni (genau: bis 1. Juli) 2016 mit hinreichender Verlässlichkeit ausgeschlossen werden kann, ist mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die im Verwaltungsverfahren gehörte erfahrene Gutachterin Dr. M. hat die Ausgangslage zutreffend damit umschrieben, dass sich rückblickend im vorliegenden Fall der Zeitpunkt der Erwerbsminderung nur „sehr schwer eruieren“ lasse.
Bezeichnenderweise hat die Klägerin auch in dem o.g. Selbsteinschätzungsbogen von (heftigen) „Schüben“ des Schwermuts gesprochen, wobei ein schubweise verlaufendes Krankheitsbild rückblickend hinsichtlich seiner rentenrechtlichen Relevanz noch schwieriger als ein kontinuierlich beeinträchtigtes Leistungsvermögen zu beurteilen ist. Dies gilt in besonderem Maße beim Krankheitsbild einer bipolaren affektiven Störung, bei der sich auf depressiven Phasen auch Phasen guter Stimmung (vgl. auch S. 42 des Gutachtens Dr. P.) anschließen können. Dabei kann eine solche als gut empfundene Stimmung natürlich auch Ausdruck der krankheitsbedingten manischen Komponente sein und muss nicht mit einem tatsächlich damit korrespondierenden Leistungsvermögen einhergehen. Letzteres ist vielmehr eine Frage im Rahmen einer hinreichend verlässlichen psychiatrischen Beurteilung, welche bedauerlicherweise im Zeitraum Dezember 2014 bis Juni 2016 nicht erfolgt ist.
In der gebotenen Gesamtbetrachtung sieht sich der Senat nicht in der Lage, mit der erforderlichen Verlässlichkeit einen Leistungsfall bezogen auf einen Zeitpunkt festzustellen, zu dem die Klägerin die erläuterten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hat. Vielmehr sprechen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, dass der maßgebliche Leistungsfall im September 2013, d.h. im zeitlichen Zusammenhang mit der damaligen stationären Aufnahme der Klägerin, oder aber (dann unter der Annahme einer der im Herbst 2013 eingeleiteten Behandlung nachfolgenden zwischenzeitlichen Besserung des Leistungsvermögens) aufgrund einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Zeitraum Dezember 2015 bis Juni 2016 eingetreten ist. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hatte die Klägerin weder im Herbst 2013 noch im Zeitraum Dezember 2015 bis Juni 2016 erfüllt.
(a) Der Sachverständige Prof. Dr. P. hat sich im Ergebnis darauf bezogen, dass die Klägerin seit 2017 nicht mehr habe arbeiten können (wobei der Versicherungsverlauf die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, wenngleich mit nur geringen Einkünften, bis Dezember 2018 ausweist). Deshalb gehe er davon aus, dass „die Einschränkungen des Leistungsvermögens in der jetzigen Ausprägung“ seit 2017 vorliegen würden (vgl. S. 48 seines Gutachtens). Für die Beurteilung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen kommt es aber nach den rechtlichen Vorgaben nicht darauf an, seit wann das Krankheitsbild in seiner „jetzigen Ausprägung“ festzustellen, maßgeblich ist vielmehr nach § 43 SGB VI der Leistungsfall, wie ihn der Gesetzgeber der Formulierung „Eintritt der Erwerbsminderung“ beschrieben hat. Unter Berücksichtigung der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes (vgl. etwa BSG, Urteil v. 8. September 2005 - B 13 RJ 10/04 R - SozR 4-2600 § 101 Nr 2) und der gesetzlichen Vorgaben des § 43 Abs. 3 SGB VI begründet bereits ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen einen Anspruch auf eine Rente wegen voller (vorbehaltlich der Ausübung einer drei- oder mehrstündigen Teilzeittätigkeit) und erst recht wegen teilweiser Erwerbsminderung. Ausschlaggebend ist mithin im vorliegenden Zusammenhang für die Feststellung des Leistungsfalls in der gebotenen Rückschau die Frage, seit wann die Klägerin bezogen auf den ersten Arbeitsmarkt dauerhaft (also zumindest über sechs Monate hinweg, vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1977 – 4 RJ 49/76 –, SozR 2200 § 1247 Nr 16) ein nur noch unter sechsstündiges Leistungsvermögen aufgewiesen hat.
Der Zeitpunkt der Unterschreitung eines sechsstündigen Leistungsvermögens bildet den maßgeblichen Prüfungstatbestand. Vage Ansatzpunkte wie etwa der von Prof. Dr. P. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. Februar 2022 angesprochene Gesichtspunkt einer „für alle Seiten akzeptablen beruflichen Tätigkeit“ führen dabei auch schon mangels Objektivierbarkeit nicht richtungweisend weiter.
Für den Eintritt eines Leistungsfalls in der Vergangenheit gilt, dass der Beweiswert einer rückschauenden Leistungsbeurteilung umso größer ist, je genauer seitens des Sachverständigen differenziert wird zwischen den anlässlich der (eigenen) Untersuchung getroffenen aktuellen Feststellungen und der daraus bezogen auf diesen Zeitpunkt abgeleiteten Beurteilung einerseits sowie der hiervon ausgehend - unter Zuhilfenahme von geeigneten Anknüpfungspunkten im medizinischen Berichtswesen - entwickelten Einschätzung hinsichtlich der Vergangenheit andererseits (vgl. hierzu und im Folgenden: Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 07. Mai 2021 – L 5 R 206/18 –, Rn. 86, juris). Je lückenloser die Kette der sogenannten Brückensymptome in die Vergangenheit zurückreicht und je eingehender die Aussagekraft von Untersuchungsberichten aus früherer Zeit im Gutachten erläutert wird, umso nachvollziehbarer, einleuchtender und schließlich auch überzeugender kann eine rückschauende Leistungsbeurteilung sein mit der Folge eines dann nachvollziehbar auch in der Vergangenheit eingetretenen Leistungsfalles. Prof. Dr. P. hat zwar mit Ende 2017 einen ungefähren Zeitpunkt genannt, aber auch ausgeführt, dass die Begründung mangels eigener Untersuchung nicht empirisch sein könne. Sie sei stattdessen rational: Eine Extrapolation des Krankheitsverlaufs sei durchaus möglich. Für den Zeitraum 2013 bis 2017 lägen keine eigenen Untersuchungsbefunde vor. Diese aufgezeigte Möglichkeit genügt nicht dem hier erforderlichen Vollbeweis auch unter Berücksichtigung der erschwerten Bedingungen für die Feststellung in der Vergangenheit. Eigene Untersuchungsergebnisse konnte der Sachverständige nicht zu Grunde legen. Ebenso fehlt es vorliegend an geeigneten Anknüpfungspunkten. Der Sachverständige konnte hier nicht auf ausreichend aussagekräftige Untersuchungsberichte in der Vergangenheit zurückgreifen. Auf S. 2 der ergänzenden Stellungnahme vom 07.02.2022 führt der Sachverständige insofern auch aus, dass die ärztlichen Berichte aus der Zeit vor 2017 nicht übereinstimmend bzw. gleichsinnig gewesen seien. Die vom Sachverständigen aufgezeigte Möglichkeit durch Extrapolation ist nicht geeignet, die zuvor aufgezeigten Zweifel auszuschließen. Der Sachverständige hat insofern auf S. 5 der ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, dass die derzeit vorliegende Literatur zu kognitiven und mentalen Beeinträchtigungen bei länger bestehenden affektiven Störungen (manische Episoden, depressive Phasen) nicht sehr umfangreich sei. Die wissenschaftliche Grundlage für eine Rückrechnung ist insofern bereits sehr gering. Zudem können vom Sachverständigen keine nachvollziehbaren Berechnungsparameter für die von ihm vorgenommene Extrapolation aufgezeigt werden. Es fehlt insofern an den zuvor als erforderlich aufgezeigten Anknüpfungspunkten für eine rückwirkende Feststellung eines Krankheitsverlaufes.
Im Ergebnis vermochte der Sachverständige mithin den Zeitpunkt des maßgeblichen Leistungsfalls nicht nachvollziehbar zu konkretisieren.
(b) Auch, wenn für den Eintritt der Erwerbsminderung bei Aufnahme in das Klinikum I. am 17.09.2013 nicht die Voraussetzungen für einen Vollbeweis vorliegen, so sprechen doch gewichtige Umstände für diese Annahme. Zunächst hatte sich die Klägerin notfallmäßig selbst in das Krankenhaus begeben. Laut Entlassungsbrief vom 12.02.2014 sei die Antriebslosigkeit der Klägerin so stark gewesen, dass sie tagelang nur im Bett geblieben sei und sich nicht habe versorgen können. Die Klägerin sei im Kontaktverhalten anfangs gereizt und verdeckend gewesen. Bereits zum Aufnahmezeitpunkt war die bipolare affektive Störung festgestellt worden, die maßgebliche Ursache für die Bewertung der verminderten Leistungsfähigkeit durch Dr. M. am 09.03.2018 war. Sodann erfolgte im Anschluss eine ambulante psychiatrische und psychologische Behandlung nebst einer ambulanten psychiatrischen Pflege. Auch nach der gutachterlichen Äußerung der Ärztin für Arbeitsmedizin Dr. K. (Bun-desagentur für Arbeit) vom 18.07.2014 (Bl. 26 der Verwaltungsakte) war die allgemeine Belastbarkeit der Klägerin deutlich reduziert, auch wenn die Leistungsfähigkeit hier noch auf mindestens 15 Stunden pro Woche eingeschätzt worden war.
Jedenfalls bietet der Sachverhalt keine tragfähige Grundlage, um einen Leistungsfall bereits vor September 2013 wie etwa schon im Oktober 2012 (als die Klägerin noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hatte) feststellen zu können. Psychiatrische Befunderhebungen und noch weniger Begutachtungen aus dem damaligen Zeitraum liegen nicht vor; hinreichend verlässliche Einschätzungen des damaligen Erwerbsvermögens der Klägerin sind nicht möglich.
(c) Im November 2014 hat die seinerzeit behandelnde Psychiaterin Dr. J. in einem Konsiliarbericht (Bl. M 75 VV) die Einschätzung eines seinerzeit nur „leicht geminderten“ Antriebs vertreten. Ausweislich dieses Berichts bemühte sich die Klägerin damals, ihr Leben „in den Griff zu bekommen“ und insbesondere sowohl Arbeit zu behalten als auch (im Rahmen ihrer Möglichkeiten) sich um ihre beiden Söhne zu bemühen. Diese Angaben sprechen für eine gewisse Besserung des Gesundheitszustandes im Vergleich zur Situation im Herbst 2013. Es wird jedoch schon nicht hinreichend deutlich, ob damit auch die Wiedererlangung eines sechsstündigen Leistungsvermögens verbunden war. Ohnehin vermag der genannte Bericht schon im Ausgangspunkt keine Erkenntnisse zu der Frage zu vermitteln, ob ein eventuell seinerzeit wiedererlangtes sechsstündiges Leistungsvermögen erst nach Anfang Juli 2016 (und damit nach Wiedererlangung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen) weggefallen war.
(d) Soweit nach der Rechtsprechung des BSG die Tatsache der Ausübung einer zumutbaren Arbeit in der Regel sogar einen stärkeren Beweiswert als scheinbar dies ausschließende medizinische Befunde aufweist (BSG, Urteil v. 26. August 1980 - 5 RJ 66/79), setzt eine entsprechende Beweisrelevanz natürlich eine entsprechende intensive Ausübung einer beruflichen Tätigkeit voraus. Unmittelbare Rückschlüsse auf ein sechs- und mehrstündiges Leistungsvermögen lassen im Regelfall nur berufliche Tätigkeiten zu, die ihrerseits ebenfalls (annähernd) in diesem zeitlichen Umfang ausgeübt worden sind (vgl. auch zur fehlenden bzw. nur eingeschränkten Berücksichtigung in diesem Zusammenhang von besonders günstigen vom Regelfall abweichende Arbeitsgelegenheiten, welche nur aus diesem Grunde von dem Versicherten vollwertig wahrgenommen werden konnten: BSG, Urteil vom 26. September 1975 – 12 RJ 208/74 –, SozR 2200 § 1247 Nr 12, Rn. 14, mwN).
Umgekehrt lässt die Ausübung einer unter sechsstündigen Tätigkeit für sich allein keinen Rückschluss auf ein aus gesundheitlichen Gründen entsprechend gemindertes berufliches Leistungsvermögen zu, solange – wie im Regelfall – die Möglichkeit in Betracht zu ziehen ist, dass anderweitige Gründe zur Wahl eines entsprechenden Teilzeitarbeitsplatzes geführt haben können. In Betracht zu ziehen sind etwa die fehlende Verfügbarkeit eines Arbeitsplatzes mit längeren Arbeitszeiten, die Inanspruchnahme durch familiäre Verpflichtungen etwa im Rahmen der Kindererziehung oder auch eine individuelle Gewichtung, wonach ein größerer zeitlicher Freiraum für persönliche Bedürfnisse wichtiger als ein höheres Erwerbseinkommen sei.
Soweit die Klägerin in ihrer von ihrem Bevollmächtigten vorgelegten Email vom 24. April 2022 vorgetragen hat, dass sie von August 2015 bis Januar 2016 „zwei Arbeitsstellen“ mit (insgesamt) wöchentlich fünf Arbeitstagen innegehabt habe, ist festzuhalten, dass ausweislich des Versicherungsverlaufs sie bei den beiden im Versicherungsverlauf für die Monate August bis Dezember 2015 ausgewiesenen Arbeitsstellen monatlich nur ein Gehalt von jeweils etwa 400 bis 450 € erzielt hat. Selbst wenn die Klägerin seinerzeit nur mit dem damaligen gesetzlichen Mindeststundenlohn von 8,50 € entlohnt worden sein sollte, hätten auch in der Gesamtbetrachtung beide Arbeitsplätze zusammen nur eine monatliche Arbeitszeit von ca. 100 Stunden entsprechend in etwa 23 Wochenstunden aufgewiesen (vgl. auch den den Mindestlohn garantierenden Arbeitsvertrag vom 01.08.2015 mit einer monatlichen Arbeitszeit von 60 Stunden, Bl. 141, 142 GA). Ohnehin lässt sich dem Versicherungsverlauf nicht entnehmen, inwieweit es Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit bei Lohnfortzahlung insbesondere zum Schluss des genannten Zeitraums gegeben haben mag.
Für die Monate Januar bis April 2016 weist der Versicherungsverlauf überdies nur noch eine deutlich geringere Teilnahme am Erwerbsleben mit einem Lohneinkommen im Durchschnitt dieser ersten vier Monate des Jahres 2016 von lediglich ca. 248 € aus.
Soweit ungeachtet der aufgezeigten Bedenken überhaupt noch Rückschlüsse von der angesprochenen Erwerbstätigkeit im Zeitraum August bis Dezember 2015 auf ein seinerzeit (jedenfalls zunächst) noch sechsstündiges Leistungsvermögen in Betracht kommen sollten, vermag sich eine eventuelle Indizwirkung jedenfalls nicht bis hin zum Zeitraum ab dem 2. Juli 2016 zu erstrecken, in dem die Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wieder erfüllt hat.
Vielmehr spricht im Ausgangspunkt die Annahme einerseits auch noch einer zweiten Arbeitsstelle in den Monaten ab August 2015 für die Annahme eines seinerzeit relativ guten Leistungsvermögens und andererseits die Ausübung einer nur sehr geringfügigen Erwerbstätigkeit in den Monaten Januar bis April 2016 und die Nichtausübung einer beruflichen Tätigkeit in den Monaten Mai und Juni 2016 tendenziell eher für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes in etwa zum Jahreswechsel 2015/2016.
Bezeichnenderweise hat die Klägerin in dem von ihr am 22. Dezember 2017 ausgefüllten Selbsteinschätzungsbogen (Bl. 28 f. VV) dargelegt, dass sich das Antriebsvermögen etwa zwei Jahre zuvor (mithin ca. im Dezember 2015) deutlich verschlechtert habe (vgl. ihre damalige Angabe auf die Frage nach ihren gesundheitlichen Problemen: keinen Antrieb aus dem Bett zu kommen, akut seit 2 Jahren…“).
Bei der Begutachtung durch Dr. M. hat die Klägerin davon berichtet, dass sie von März bis Juni 2016 „mal sehr depressiv“ gewesen sein. Dabei bieten ihre Angaben keine Grundlage, um noch von einer monatsmäßig exakten Erfassung entsprechender Beschwerden in der im Zuge der erst 2018 erfolgten Begutachten vorgenommenen Rückschau ausgehen zu können. Auch diese nur ihrer Grundstruktur nach heranziehbare Einschätzung spricht immerhin im Ausgangspunkt zunächst gegen die Annahme eines bereits seit der stationären Behandlung im Herbst 2013 kontinuierlich gleichbleibend schlecht gebliebenen Gesundheitszustandes, sondern eher für die Annahme einer nachfolgenden zwischenzeitlichen Verbesserung, welche dann jedoch in eine erneute Verschlechterung gemündet ist.
Die Klägerin hat zwar auf einen seinerzeit schwierigen Arbeitsmarkt und auf einen Auftragseinbruch bei ihrem damaligen Arbeitgeber in etwa in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 hingewiesen. Wie schon dargelegt, lässt der tatsächliche Umfang der ausgeübten Arbeitszeiten ohnehin keine unmittelbaren Rückschlüsse auf das gesundheitliche Leistungsvermögen zu.
Die bloße Möglichkeit, dass andere als gesundheitliche Gründe zu der damaligen Reduzierung der Erwerbstätigkeit geführt haben, ist aber nicht geeignet, den materiell-rechtlich erforderlichen Nachweis eines jedenfalls bis Anfang Juli 2016 fortbestehenden sechsstündigen Leistungsvermögens zu begründen. Jedenfalls ab dem Jahreswechsel 2015/2016 lässt das tatsächliche Ausmaß der Erwerbstätigkeit auch im Rahmen der gebotenen lebensnahen Gesamtbetrachtung keine Rückschlüsse zugunsten der Klägerin im Sinne insbesondere eines jedenfalls bis Anfang Juli 2016 fortbestehenden sechsstündigen Leistungsvermögens zu.
Die deutliche Reduzierung des Umfanges der beruflichen Tätigkeit ab Dezember 2015/Januar 2016 lässt tendenziell eher die Annahme eines gesundheitlichen Rückschlages im damaligen Zeitraum als naheliegend erscheinen. Dies gilt umso mehr, als die von der Klägerin bezogen auf den damaligen Zeitraum geschilderten Bewerbungsbemühungen ungeachtet ihrer, soweit dies nach Aktenlage beurteilt werden kann, finanziell sehr eingeschränkten Lage relativ bescheiden waren. Auch die Klägerin verweist nur darauf, dass sie sich Ende 2015 und in den ersten Monaten des Jahres 2016 bei „mehreren Hotelchefs“ als Rezeptionskraft (ohne spezifische berufliche Ausbildung) beworben habe. Um anderweitige berufliche Betätigungen hat sie sich seinerzeit offenbar gar nicht ernsthaft und noch weniger nachdrücklich bemüht.
(e) Der Hausarzt O. hat in seinem Bericht vom 12. September 2018 (Bl. 167 VV) explizit festgehalten, dass die Klägerin jedenfalls bis etwa November 2015 noch ein sechsstündiges Leistungsvermögen aufgewiesen hat. Soweit er in diesem Bericht dessen Wegfall (im Sinne eines dann aus seiner Sicht nur unter dreistündigen Leistungsvermögens) auf Juli 2016 veranschlagt hat, fehlt eine nähere und erst eine überzeugende Begründung für die Angabe dieses Zeitpunkts. Insbesondere werden keine konkreten Befundveränderungen mitgeteilt, welche den Rückschluss auf einen Leistungsfall gerade im Juli 2016 zulassen könnten. Es ist schon nichts dafür erkennbar, dass der Hausarzt in diesem Zusammenhang seinerzeit überhaupt entsprechende belastbare Befunde erhoben hat. Die Einschätzung ist auch vor dem Hintergrund mit Zweifeln behaftet, als Herr O. im Attest vom 13.08.2018 noch eine Leistungsminderung seit November 2015 (Behandlungsbeginn) angegeben hatte. Auch wenn die Änderung mit einem Schreibfehler begründet worden ist, fehlen für beide Einschätzungen entsprechend nachvollziehbare belastbare Befunde. Damit bieten auch die Ausführungen des Hausarztes keine verlässliche Grundlage, um selbst unter der Annahme eines zwischenzeitlich wiedererlangten sechsstündigen Leistungsvermögens dessen Wegfall aufgrund Verschlechterung im Zeitraum Dezember 2015 bis Februar 2016 ausschließen zu können.
c) Weitere Möglichkeiten zur Gewinnung verlässlicher Erkenntnisse über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin im Zeitraum insbesondere bis Februar 2016 sind nicht ersichtlich und werden insbesondere auch von den Beteiligten nicht aufgezeigt.
d) Die vorstehend aufgezeigte jedenfalls ernsthaft in Betracht zu ziehende Möglichkeit eines Leistungsfalls entweder im Herbst 2013 oder im Zeitraum Dezember 2015 bis Juni 2016, also zu Zeiten, während derer die Klägerin die maßgeblichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt hatte, geht nach den gesetzlichen Vorgaben zu ihren Lasten. Kann der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalles nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Amtsermittlung durch das Gericht nicht objektiv und frei von vernünftigen Zweifeln festgestellt werden, trifft die Versicherten hierfür die objektive Beweislast (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 – 10 RV 945/55 –, BSGE 6, 70-74, Rn. 19; BSG SozR 2-2200 § 1247 Nr 8; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. Januar 2013 – L 19 R 855/11 –, Rn. 57, juris).
Mangels der Möglichkeit weiterer Sachaufklärung für den Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung greift die objektive Beweislastverteilung. Diese trägt in Bezug auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI die die Rente begehrende Versicherte. Dies erstreckt sich auch auf das Erfordernis des Eintritts des Leistungsfalls zu einem Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. Januar 2013 – L 19 R 855/11 –, Rn. 57, Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 05. Juli 2018 – L 1 R 116/15 –, Rn. 44 mwN, juris; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 04. September 2019 – L 6 R 264/17 –, Rn. 86, juris; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 07. Mai 2021 – L 5 R 206/18 –, Rn. 100, juris; Kamprad, in: Hauck/Noftz, SGB VI, Erg.-Lief. 1/22, Stand: 3/22, K § 43, Rn. 28).
Soweit dabei abweichend in der Rechtsprechung (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 2019 – L 2 R 2276/18 –, Rn. 42, juris; vgl. hierzu auch Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 43 SGB VI – Stand: 01.04.2021 – Rn. 323) der Vortrag eines Rentenversicherungsträgers zu einem Eintritt der Erwerbsminderung zu einem Zeitpunkt der Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen als Einführung einer „rechtsvernichtenden Tatsache“ eingestuft und daran anknüpfend die dafür maßgebliche objektive Beweislast dem Versicherungsträger zugewiesen wird, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Ein solcher Ansatz lässt sich mit dem Wortlaut und der Regelungsstruktur des § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI nicht vereinbaren.
Die Nichterweislichkeit einer Tatsache belastet im Zweifel denjenigen Beteiligten, der aus ihr eine günstige Rechtsfolge herleiten will (BSG, Urteil vom 21. Oktober 2021 – B 5 R 1/21 R –, SozR 4 (vorgesehen), Rn. 25). Mithin trägt derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, im Zweifel die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen (Tatsachen, die den geltend gemachten Anspruch begründen, so z. B.: BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 19 mwN; BSGE 108, 251 = SozR 4-2500 § 137g Nr 1, RdNr 24 mwN; vgl. BSG, Beschluss vom 17. Juli 2019 – B 5 R 111/19 B –, Rn. 12, juris). Auch in Bezug auf negativ ausformulierte rechtsbegründende tatbestandliche Voraussetzungen tragen die Antragsteller die materielle Beweislast (BSG, Urt. v. 28.08.1991, Az: 13/5 RJ 47/90 = SozR 3 – 2200 § 1247 Nr. 8 mwN).
Welche Tatsachen rechtsbegründend sind, ist regelmäßig den Normen des materiellen Rechts zu entnehmen. Nur wenn sich aus ihnen (anders als im vorliegenden normativen Zusammenhang) die Beweislastverteilung nicht klar ergibt, ist sie hilfsweise nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Heranziehung von Kriterien wie z. B. der Zumutbarkeit der Belastung mit dem Beweisnachteil, der Verantwortungssphäre oder auch des Kriteriums von Regel und Ausnahme zu bestimmen (BSG, Urteil vom 21. Oktober 2021 – B 5 R 1/21 R –, SozR 4 (vorgesehen), Rn. 25 unter Verweis auf: BSG Urteil vom 26.11.1992 - 7 RAr 38/92 - BSGE 71, 256, 260 = SozR 3-4100 § 119 Nr 7 S 32; BSG Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 27/13 R - BSGE 117, 82 = SozR 4-2500 § 109 Nr 40, RdNr 18; BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 11 AL 3/18 R - juris RdNr 24).
Wer ein Recht geltend macht, hat die tatsächlichen Voraussetzungen der rechtsbegründenden und rechtserhaltenden Tatbestandsmerkmale zu beweisen. Wer demgegenüber das Bestehen eines Rechts leugnet, trägt die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der rechtshindernden, rechtshemmenden und rechtsvernichtenden Tatbestandsmerkmale (BGH, Urteil vom 20. März 1986 – IX ZR 42/85 –, Rn. 24, juris). Auf der ersten Ebene ist demnach der Antragsteller für die rechtserzeugenden Tatsachen seines Anspruchs beweispflichtig. Auf einer zweiten Ebene trägt derjenige, welcher sich auf Nichteintritt, Hemmung oder Untergang des an sich bestehenden Anspruchs beruft, die Beweislast für die rechtshindernden, rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsachen. (BGH, Urteil vom 13. November 1998 – V ZR 386/97 –, NJW 1999, 352, Rn. 13, juris mwN, vgl. dort auch zu Tatsachen, die ihrerseits den rechtsvernichtenden Tatsachen vernichtungshindernd, also im Ergebnis rechtserhaltend, gegenübertreten können, was wiederum zu einer auf der Gegenseite liegenden Beweislast führt).
Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, welcher Beteiligte die Beweislast trägt, sind mithin diejenigen Normen, deren Anwendung zu Gunsten eines Beteiligten in Betracht kommt. Sie können nicht etwa der Verfahrensordnung schlechthin entnommen werden. Die Stellung des Beteiligten im Verfahren als Kläger oder Beklagter hat hingegen auf die Verteilung der objektiven Beweislast keinen Einfluss; auch sein Status als Einzelperson (Versicherter, Versorgungsberechtigter) oder als Körperschaft (Versicherungsträger, Kostenträger der Kriegsopferversorgung) ist hierfür unerheblich (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 – 10 RV 945/55 –, BSGE 6, 70-74, Rn. 19).
Ausgehend von diesen Grundsätzen trägt der Versicherte – hier die Klägerin – die objektive Beweislast dafür, dass zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen (Im Ergebnis so auch für die Beweislastverteilung beim Arbeitsunfall gem. § 53 Abs. 1 SGB VI entschieden: BSG, Urteil vom 21. Oktober 2021 – B 5 R 1/21 R –, Rn. 25). Das Vorliegen eines Leistungsfalles bei Bestehen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ist von Seiten des Gesetzgebers sowohl in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung als auch in § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI für die Rente wegen voller Erwerbsminderung als anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal („…in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben…“) ausgestaltet worden. Der Gesetzgeber hat bewusst einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI davon abhängig gemacht, dass kumulativ alle im Tatbestand des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 bzw. des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 SGB VI aufgeführten Voraussetzungen vorliegen. Dementsprechend tragen die einen solchen Rentenanspruch begehrenden Versicherten für alle diese Voraussetzungen die materielle Beweislast.
Mit den vorstehend erläuterten Regelungen in § 43 SGB VI hat der Gesetzgeber sich dazu entschieden, den Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente nicht nur an die Erfüllung der maßgeblichen medizinischen Voraussetzungen, sondern auch an das Vorliegen der normierten zusätzlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu knüpfen. Das Gesetz fordert die Erfüllung sowohl der medizinischen als auch der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gleichrangig nebeneinander. Es liegt in der Konsequenz dieser den Senat bindenden (Art. 20 Abs. 3 GG) gesetzgeberischen Entscheidung, dass eine Erwerbsminderungsrente auch in Fallgestaltungen zu versagen ist, in denen allein die Möglichkeit eines Eintritts des maßgeblichen Leistungsfalls zu einem Zeitpunkt, zu dem auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, besteht, wohingegen eine entsprechende positive Feststellung angesichts ebenfalls möglicher abweichender Abläufe nicht in Betracht kommt. Damit verbundene Härten für die betroffenen Versicherten hat der Gesetzgeber im Ergebnis billigend in Kauf genommen.
Der vom LSG Baden-Württemberg (aaO) herangezogene Begriff einer „rechtsvernichtenden Tatsache“ darf nicht aus dem erläuterten – etwa vom BGH mit dem erläuterten Begriff der „Ebenen“ verdeutlichten – Zusammenhang gelöst werden. Wer einen Anspruch geltend macht, trägt im Ausgangspunkt im Sinne der materiellen Beweislast das Risiko der Erweislichkeit in Bezug auf alle rechtsbegründenden Tatsachen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn von Seiten des Anspruchsgegners das Vorliegen dieser Tatsachen in Abrede gestellt wird.
Das Bestreiten der anspruchsbegründenden Tatsachen auf Seiten des Anspruchsgegners darf nicht im Sinne der Geltendmachung einer anspruchsvernichtenden Tatsache mit Auswirkungen auf die materielle Beweislast fehlinterpretiert werden. Dies gilt auch dann, wenn das Bestreiten – wie es vielfach einer sachgerechten Prozessführung entspricht – in Form der Darlegung eines abweichenden Geschehensablaufs erfolgt. Die Geltendmachung „anspruchsvernichtender“ Tatsachen, aufgrund derer die materielle Beweislast den Anspruchsgegner treffen würde, kommt nur in Bezug auf die Geltendmachung einer Gegennorm (oder eines anderweitig zu einer anderen Beweislastverteilung führenden besonderen Umstandes) in Betracht. Dies etwa – rein beispielhaft – in einem Fall anzunehmen, in dem die Beklagte dem Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente das Vorliegen eines Ausnahmefalls im Sinne der Gegennorm des § 103 SGB VI entgegenhalten will.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben. Soweit in der Rechtsprechung (vgl. das o.g. Urteil des Landessozialgericht Baden-Württemberg) eine andere Auffassung zur objektiven Beweislast für den Nachweis des Eintritts der Erwerbsminderung bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vertreten wurde, ist jedenfalls angesichts der erläuterten nachfolgenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. insbesondere das o.g. BSG-Urteil vom 21. Oktober 2021) eine fortbestehende Notwendigkeit einer weiteren höchstrichterlichen Klärung nicht ersichtlich.